Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Die Regionen profitieren dabei durch ein dialogorientiertes Vorgehen. Lassen Sie mich drei Beispiele anführen:

1. „Eine Region im Gespräch, Rheinauenentwicklung und Gestaltung im Raum Mainz-Bingen.“

Im Rahmen dieses moderierten Verfahrens haben sich Kommunen und Landwirte, Naturschutzverbände und Unternehmen auf ein Entwicklungskonzept für die gesamte Rheinaue von Mainz bis Ingelheim verständigt. Unterstützt wurde dies durch eine agrarstrukturelle Entwicklungsplanung, die sich insbesondere mit der Betroffenheit der Landwirtschaft befasste. Erste Schlüsselprojekte der Rheinauenentwicklung sind bereits umgesetzt, so die Rheinufergestaltung Heidenfahrt, die Wiederanbindung der Sandlache an den Rhein oder der „Erlebnispfad Jungaue“ in Ingelheim. Der Polder Ingelheim konnte im Übrigen als erster Polder ohne Klagen durch Anlieger oder Landwirtschaft begonnen werden.

2. Weiterhin ist das Entwicklungsprojekt „Leben am Strom“ in Neupotz in Verbindung mit der Umsetzung eines weiteren großen Rückhalteraums zu nennen.

3. Das dritte Beispiel ist das „Rahmenkonzept für die nachhaltige Entwicklung des Mittelrheintales“, ein Entwicklungskonzept in Verbindung mit Hochwasserschutz und Retentionsräumen für die Gemeinden im Welterbetal des Rheins und darüber hinaus.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Pilotprojekt Kamp-Bornhofen macht heute bereits sichtbar, wie es aussehen kann: Die nachhaltige Sicherung und Schaffung von Überschwemmungsraum geht einher mit einer attraktiven Gestaltung der Uferprom enade. Die ganze Gemeinde gewinnt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, das Beispiel „Polder Ingelheim“ beweist, wir brauchen die Landwirtschaft als Partner beim Hochwasserschutz. Ein Ackerbauverbot für die Überschwemmungsgebiete, wie es ursprünglich im

Entwurf des Hochwasserschutzgesetzes aus dem Hause Trittin vorgesehen war, hätte das Klima erheblich belastet und die zügige Umsetzung der Hochwasserschutzmaßnahmen gefährdet. Ich bin zufrieden, dass wir uns hier durchgesetzt haben und das Ackerbauverbot vom Tisch ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, auch vor dem Hintergrund der Entscheidung gestern im Vermittlungsausschuss denke ich, wir können jetzt zuversichtlich darauf hoffen, dass nach siebenmonatigen Verhandlungen das Gesetz endlich auch in unserem Sinn den Bundestag passiert.

Um es auch noch einmal deutlich zu sagen: In unseren Poldern darf Landwirtschaft weiter stattfinden. Entschädigung wird für den Fall der Flutung an die Landwirtschaft gezahlt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich komme zur dritten Säule: Wir wollen Schäden in Überschwemmungsgebieten vermeiden und die Eigenvorsorge stärken.

Im neuen Landesentwicklungsprogramm IV werden differenziert nach Risikostufen überschwemmungsgefährdete Räume dargestellt und die Hochwasservorsorge berücksichtigt.

Durch die Festlegung von Vorranggebieten und Vorbehaltsgebieten für den Hochwasserschutz ist der Rahmen für die künftige Entwicklung der Kommunen in den neuen regionalen Raumordnungsplänen vorgegeben.

In Rheinland-Pfalz sind alle Überschwemmungsgebiete erfasst, die zum Schutz des vorhandenen und notwendigen Retentionsraums und zur Vermeidung weiterer Schäden an den Flüssen erforderlich sind. Hierbei handelt es sich um ca. 3.500 Kilometer von insgesamt 15.000 Kilometern Gewässern im Land. 2.840 Kilometer sind bereits als Überschwemmungsgebiete festgesetzt, vor allem an den Gewässern 1. Ordnung wie Rhein, Mosel und Nahe – dort vollständig – und an Gewässern 2. Ordnung.

Eine flächendeckende Ausweisung von Überschwemmungsgebieten, wie es das Hochwasserschutzgesetz des Bundes zunächst vorgesehen hatte, hätte von uns Planungen für insgesamt 15.000 Flusskilometer gefordert, im Übrigen auch im Wald. Das ist eine gigantische Beschäftigungsmaßnahme für Planer, aber ohne Bedeutung für den Hochwasserschutz. Wir haben andere Prioritäten: konkret wirksame Maßnahmen, und diese möglichst schnell.

(Beifall der SPD und der FDP)

Bleibt noch zu erwähnen, dass sich auch in diesem Punkt die Vernunft durchgesetzt hat.

Die Landesregierung war und ist für ein Verbot neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten. Das Landeswassergesetz ist in diesem Punkt eines der strengsten im Vergleich mit allen Bundesländern, im Übrigen

strenger als dort, wo Politiker und Politikerinnen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Verantwortung als Umweltminister oder Umweltministerin tragen. Ausnahmen von diesen Verboten zum Landeswassergesetz sind nur eng begrenzt möglich bei Zusammentreffen mehrerer Bedingungen: Nämlich, wenn keine andere Siedlungsentwicklung möglich ist, das Hochwassergeschehen nicht verschärft wird, die Interessen der Unterlieger gewahrt bleiben, Retentionsraumverlust ausgeglichen wird und Baumaßnahmen hochwasserangepasst durchgeführt werden, um weitere Schäden zu vermeiden.

Ich bin zufrieden, dass wir eine “Nichts-geht-mehr-anunseren-Flüssen“-Politik, und dies bundesweit, abgewendet haben. Der Kompromiss, der gefunden wurde, liegt auf der Linie unseres Wassergesetzes.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, eine Strategie der Schadensminderung bei Hochwasser kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Eigenverantwortung und die Eigenvorsorge gestärkt werden. Die Landesregierung informiert seit mehr als zehn Jahren, auch in Zeiten ohne Hochwasser, gezielt die Bürger und Bürgerinnen; denn erst das Wissen um drohende Hochwassergefahren ermöglicht eine gezielte Hochwasservorsorge. Die Zusammenarbeit mit der „Hochwassernotgemeinschaft Rhein“ hat sich bewährt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich und ausdrücklich für diese kommunale Initiative bedanken. Ziel der Landesregierung wie auch dieser Kommunen ist es, dass die Betroffenen in Überschwemmungsgebieten oder in überschwemmungsgefährdeten Gebieten frühzeitig bauliche Vorkehrungen zum Schutz ihres Eigentums treffen und sich – soweit möglich – gegen Hochwasserschäden versichern.

Seit 1998 steht ein Hochwasserhandbuch „Leben, Wohnen und Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten“ zur Verfügung. Es wird zurzeit aktualisiert. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich das gemeinsame Vorhaben von Architekten- und Ingenieurkammer, einen „Sicherheitscheck Hochwasservorsorge“ zu konzipieren.

Um die Eigenvorsorge in Überschwemmungsgebieten auch bei einer relativen Sicherheit durch Hochwasserschutzmaßnahmen zu stärken, werden zurzeit Hochwassergefahrenkarten erstellt. Für Rhein und Mosel liegen sie bereits vor. Sie beinhalten Informationen über Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten bei Hochwasser und sollen für 1.700 rheinland-pfälzische Flusskilometer bis 2008 fertig gestellt sein. Diese Hochwassergefahrenkarten helfen auch den Kommunen, konkrete Hochwasservorsorge im Überschwemmungsgebiet zu leisten und im Katastrophenfall Verteidigungsmaßnahmen zu optimieren. Dieses Projekt wird gemeinsam mit Luxemburg und Frankreich umgesetzt, von der Europäischen Union mit gefördert, und die Erkenntnisse fließen in das von der Europäischen Kommission geplante Aktionsprogramm zum Hochwasserrisikomanagement ein.

Meine Damen und Herren, der Hochwassermeldedienst ist für die Menschen an Rhein, Mosel, Saar, Sauer und Our, Lahn, Sieg sowie Nahe und Glan zur wichtigsten Informationsquelle für eigenverantwortliches Handeln und Vorsorge im drohenden oder akuten Hochwasserereignis geworden. Wir haben vor, Hochwasserwarnungen auch für die kleinen Gewässer herauszugeben. Für sie ist ein herkömmlicher Hochwassermeldedienst aufgrund der sehr kurzen Fließwege nicht möglich. Der Hochwassermeldedienst wird im Übrigen laufend auf den neuesten Stand der Entwicklung angepasst und muss gekoppelt sein mit einer sich verbessernden Wettervorhersage, wie sie von allen Ländern vom Deutschen Wetterdienst eingefordert wird.

Um den Gedanken der Solidargemeinschaft an den Flüssen zu stärken, wollen wir den Aufbau eines „Netzwerkes Hochwasservorsorge“ zwischen den Gemeinden in einem Gewässereinzugsgebiet unterstützen.

Hierfür sollen Hochwasserpartnerschaften als Plattform gegründet werden.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz verfügt über einen gut ausgebauten Katastrophenschutz, der sich auch bei den Hochwasserereignissen immer wieder bewährt hat. Um im Ernstfall ein effektives und koordiniertes Vorgehen zu gewährleisten, gibt es seit zehn Jahren eingeführte Alarm- und Einsatzpläne, aber auch regelmäßige Übungen.

Bei der Hochwasserkatastrophenübung „Florian“ im November 2004 hat das Land erstmals zusammen mit Soldatinnen und Soldaten des Wehrbereichskommando II den Ernstfall simuliert und das Zusammenwirken erfolgreich getestet.

Es ist mir ein Anliegen, gerade auch an dieser Stelle, allen im Katastrophenschutz Engagierten herzlich zu danken, insbesondere den vielen ehrenamtlichen Kräften der freiwilligen Feuerwehren. Ohne sie ist vor Ort ein Katastrophenschutz bei Hochwasser nicht denkbar.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, Hochwasser wird es auch weiter geben. Die Klimaveränderungen, so alle Prognosen, und hier sind die Versicherungen und ihre Präm ienstrategien ein wichtiger Indikator, gehen von einer Zunahme extremer Witterungsverhältnisse aus. Eine erhöhte Hochwassergefahr könnte dadurch drohen.

Die rheinland-pfälzische Wasserwirtschaftsverwaltung ist in länderübergreifende Untersuchungen eingebunden. Rheinland-Pfalz wird handeln, wenn qualifizierte Ergebnisse vorliegen.

Auch vor diesem Hintergrund ist konsequentes Vorgehen, die zeitnahe Umsetzung von konkreten Investitionen in Sicherheit dringend geboten.

Allerdings wird ein hohes Schutzniveau nur dann erreichbar sein, wenn Investitionen des Landes mit kommunaler Vorsorge und der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zur Eigenverantwortung einhergehen. Der „Pakt“ muss auf Dauer angelegt sein. Dies ist um so

wichtiger, weil 100- oder 200-jährliche Hochwasserereignisse den Erfahrungshorizont einer Generation um das Mehrfache übersteigen.

Auch deswegen werbe ich im Interesse der Sicherheit der Menschen und der Entwicklung unseres Landes nachdrücklich für Verständnis und Mitwirkung an diesem Konzept.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall der SPD und der FDP)

Wir begrüßen zunächst weitere Gäste bei uns im Landtag, und zwar Studenten der Rechtswissenschaften aus Darmstadt sowie Landfrauen aus dem Kreisverband Birkenfeld. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Licht das Wort.

Die Fraktionen haben eine Redezeit von 15 Minuten vereinbart.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, die große Unruhe im Saal ist eher auf die Wasserstandsmeldungen aus Kiel zurückzuführen. Meine Damen und Herren, es zeigt, dass es schwer ist, hinter brüchigen Dämmen seinen Acker zu bestellen.

(Beifall der CDU)