Protokoll der Sitzung vom 27.04.2005

Wenn Sie unseren Vorschlägen folgen würden, würden wir diese Diskussion um die Schließung von Kindergartengruppen nicht haben. Ginge es nach uns, könnte sofort begonnen werden, die Voraussetzungen für viele Frauen und Männer, die Erwerbsarbeit und Familienaufgabe miteinander vereinbaren wollen, zu verbessern. Es könnte sofort begonnen werden, Kinder früher zu fördern und für sie anregende Lebens- und Lernräume zu schaffen. Schon in diesem Jahr – so sieht es unser Antrag vor – würden die finanziellen Mittel für den Ausbau von Krippenplätzen zur Verfügung stehen, auch die notwendigen Investitionsmittel, die die Kommunen und die Träger dringend benötigen, um die Betreuungsangebote auszubauen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin Ahnen, wenn Sie und die Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen für sich immer wieder in Anspruch nehmen, bei der Kinderfreundlichkeit Spitze zu sein,

(Schweitzer, SPD: Das stimmt doch!)

dann müssen Sie sich von uns sagen lassen, dass unsere Fraktion Ihnen dabei immer mehr als eine Nasenlänge voraus ist.

(Hartloff, SPD: Sie haben vielleicht eine lange Nase bekommen, aber Maßstäbe haben Sie nicht gesetzt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wir haben Maßstäbe beim Ausbau der Betreuungsangebote gesetzt. Wir haben Maßstäbe bei der Befreiung der Elternbeiträge für die Kindertagesstätten gesetzt. Wir haben auch Maßstäbe bei der Sprachförderung in Kindertagesstätten und in Grundschulen oder auch bei der flexiblen Schuleingangsphase gesetzt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unser Konzept ist ein Schritt hin zu einer wirklich nachhaltigen und zukunftsfähigen Kinder- und Familienpolitik. Dies erfordert ohne Zweifel ein gesellschaftliches Umdenken, damit eine verbesserte Kinderbetreuung endlich Verbindlichkeit erhält und damit das Wort „Kinderfreundlichkeit“ keine Worthülse oder nur ein Label dieser Landesregierung bleibt.

Statt endlich mit Tatkraft und Entschlossenheit den Ausbau und die Qualitätsentwicklung der frühkindlichen Bildung und Betreuung voranzubringen, übt sich diese Landesregierung im Moment nur in Ankündigungen.

(Heiterkeit des Abg. Hartloff, SPD – Ministerpräsident Beck: So ein Geschwätz!)

Entschuldigen Sie bitte, von Ihnen liegt noch nichts Konkretes vor, Herr Ministerpräsident und Herr Hartloff.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, die jetzt in diesem Jahr 2005 umgesetzt werden könnten. Sie haben noch eine Chance.

(Zurufe von SPD und FDP – Glocke der Präsidentin)

Machen Sie endlich Nägel mit Köpfen und stimmen Sie unserem Antrag zu. Das würde den Kindern und den Eltern in diesem Land durchaus gut tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Spurzem das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wiechmann, eigentlich wollte ich nett mit Ihnen umgehen, aber bei dem, was Sie hier geliefert haben, frage ich mich, wo Sie waren, als das Programm vorgestellt wurde. Man wird wohl der Landesregierung nicht vorwerfen, dass sie einen Gesetzentwurf ordentlich erarbeitet und nicht einfach so vorlegt. Sie ergehen sich in Anträgen, während die Kinderfreundlichkeit in Rheinland-Pfalz verwirklicht wird.

(Beifall bei SPD und FDP – Creutzmann, FDP: Hört! Hört!)

Bei der ersten Beratung Ihres Antrags hatte ich Ihnen schon einmal gesagt, Sie springen zu früh, denn Sie hatten den Antrag gestellt, bevor das Tagesbetreuungsausbaugesetz überhaupt beschlossen war. Sie sind zu schnell gesprungen, Sie sind zu weit gesprungen, gleichzeitig aber auch zu kurz. Wir waren uns inhaltlich in allen Fraktionen einig, dass Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine ganz wichtige Aufgabe sind.

Das, was Sie damals sagten und heute hier wiederholt haben, ist zum großen Teil richtig, aber wir wollen mehr, Herr Wiechmann. Wir wollen eine Verzahnung mit den notwendigen und den bereits bestehenden Angeboten.

(Schweitzer, SPD: So ist es!)

Wir wollen Chancengleichheit für alle Kinder.

(Beifall bei SPD und FDP)

Seit 1991 ist dieser Kindertagesstättenbereich kontinuierlich ausgebaut worden. Ich weiß, manche können es nicht mehr hören, aber es wird oft als Selbstverständlichkeit hingenommen, was dort an Geld, an Gehirnschmalz und an Qualitätssteigerung hineingegangen ist. Zu nennen sind die Umsetzung des Rechtsanspruchs, die Erhöhung und Erhaltung der pädagogischen Standards, die finanziellen Anreize, die finanziellen Unterstützungen für Träger und Kommunen, die qualitative Weiterentwicklung, die Sprachprogramme, die es schon gibt, die Stärkung der Tagespflege, die Qualifizierung der dort Tätigen und die Bildungs- und Erziehungsem pfehlungen. All diese Maßnahmen sind in unsere rheinland-pfälzische Bildungsinitiative eingebettet, die Teil des Programms „Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz“ sind,

(Beifall bei SPD und FDP)

wie zum Beispiel die Volle Halbtagsschule und das Ganztagsschulangebot.

Das neue Programm „Zukunftschance Kinder, Bildung von Anfang an“ bringt diese Verzahnung, wie wir wissen. Es setzt die Bildungsinitiative konsequent fort. Es zieht die richtigen Schlüsse aus den Bildungstests. Es gibt Kindern bessere Chancen, und es bietet Eltern mehr Unterstützung. Die fünf wesentlichen Punkte sollten auch Ihnen bei der Vorstellung in Erinnerung geblieben sein. Die Betreuungsangebote im Bereich der unter Dreijährigen werden ausgebaut. Der Kindergarten wird für Zweijährige geöffnet, ab 2010 sogar mit Rechtsanspruch, wenn die Eltern dies wünschen.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um alle Kinder zu erreichen und zu fördern, wird das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei. Die Bildung von Anfang an wird durch ein 8-Millionen-Sprachförderprogramm erreicht und wird den Übergang von Kindergarten in die Grundschule verbessern.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Das alles wird durch die verschiedensten Maßnahmen flankiert. Wie ernst es der Landesregierung mit diesem Programm ist, sehen Sie nicht zuletzt an der Höhe der Finanzmittel, die dafür vorgesehen sind. Sie werden weiterhin Träger und Kommunen entlasten und zur notwendigen Personalaufstockung beitragen, so wie das Programm auch insgesamt zur Sicherung von Kindertagesstätten, den Gruppen und Arbeitsplätzen beiträgt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich nehme an, vor diesem Hintergrund wird es niemanden überraschen, dass wir die umfassende Bildungs initiative wählen und den Antrag der GRÜNEN ablehnen.

Lassen Sie mich zum Schluss festhalten, bei all diesen Diskussionen geht es um etwas sehr Schönes. Es geht darum, kleine Menschen ein Stück weit in ihr Leben zu begleiten und ihnen gerechte Startchancen zu geben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Frau Kollegin Huth-Haage hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein Land ohne Kinder hat keine Zukunft. Dass in unserem Land viel zu wenig Kinder leben, wissen wir alle. Deshalb müssen wir Paaren die Entscheidung für Kinder erleichtern. Wir müssen sie bei der Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben stärken, auch finanziell. Natürlich müssen wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern.

(Beifall bei der CDU)

Es ist vollkommen klar, dass wir sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Verbesserung der Betreuung für die unter Dreijährigen benötigen. Kernpunkt unserer Familienpolitik ist die Wahlfreiheit. Diese soll organisatorisch und finanziell gewährleistet sein, organisatorisch in Form der Krippe, des Kindergartens oder der Tagespflege durch Tagesmütter oder Tagesväter. Hier zeigt sich gerade in der Praxis ein Lösungsweg, den wir in der Vergangenheit oftmals aus politischen Gründen vernachlässigt haben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau Spurzem, SPD)

Meine Damen und Herren, echte Wahlfreiheit bedeutet auch, dass diejenigen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen oder müssen, dazu die Gelegenheit haben. Wir wollen, dass für diejenigen, die sich bewusst dafür entscheiden, eine bestimmte Zeit zu Hause zu bleiben, die Rahmenbedingungen stimmen. Wir brauchen hier eine bessere finanzielle Förderung.

Meine Damen und Herren, ich selbst kann heute nur hier stehen, weil ich weiß, dass meine beiden Kinder, die noch klein sind, zu Hause liebevoll und gut betreut und versorgt sind.

Deshalb sage ich zu dem Antrag der GRÜNEN Folgendes: Mich stört, Sie schreiben, frühe Kinderbetreuung schafft bessere Startchancen für alle. Sie suggerieren damit, dass Kleinkinder generell besser in einer Krippe aufgehoben sind. Hören Sie auf, den Eltern die Erziehungskompetenz abzusprechen. Lassen Sie den Eltern die Entscheidungsfreiheit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Wiechmann, ich weiß, Sie lachen, Sie haben mehr Erfahrung mit Kindern als ein zehnfacher Familienvater. Das ist alles klar. Hören Sie trotzdem zu.

Natürlich muss man auch an dieser Stelle das vollkommen unseriöse Finanzierungskonzept ansprechen. Sie sagen, das Geld kommt vom Bund. Sie machen es sich damit so einfach, wie es sich die Frau Schmitt gemacht hat. Frau Schmitt sagte, das Geld ist bereits in den Kassen hinterlegt, das ist schon da, wohlwissend, dass es sich dabei nicht um Bargeld, sondern um abstrakte Verrechnungseinheiten handelt. Wie das mit den Einsparungen von Hartz IV tatsächlich ist, wissen wir. Das haben Experten im Herbst letzten Jahres schon gesagt. Das war alles vorherzusehen.

Wie man solche Maßnahmen, solche eigentlich richtigen Maßnahmen gut finanziert, haben wir bei dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gezeigt.

(Heiterkeit bei der SPD – Ministerpräsident Beck: Das war ein Witz!)