Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum anderen haben wir nie gesagt, dass der Mittelstand nicht genug ausbildet. Ich sage es noch einmal: Die duale Ausbildung tragen im Moment der Mittelstand, das Handwerk, die kleinen Unternehmen. Deswegen wollen wir sie auch in der Sache unterstützen. Wir haben nie Unterstützung, was die Ausbildungsplätze angeht, versagt, sondern wir haben mehr Unterstützung gefordert. Da können Sie als FDPler noch fünfmal sagen, wir sind der Mittelstand. Es glaubt Ihnen keiner. Sie sind Zahnarzt und nicht der Mittelstand.

Danke.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf weitere Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Zwölftklässler der Berufsbildenden Schule Rodalben, die mit ihrer Firma Viaudi zum Sieger des Landeswettbewerbs „Beste Junior-Unternehmen 2005“ gekürt wurden. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Wir begrüßen Mitglieder des Arbeitskreises „Ernstweiler Vereine“. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Bauckhage das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war sehr interessant, diese Interventionen zu hören. Ich bin lange Parlamentarier und sitze jetzt hier. Ich bin immer noch Parlamentarier. Es ist vielleicht einmal die Frage, inwieweit man die Interventionen wie einsetzt und benutzt.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Thomas, meint er dann alle? – Das ist gar keine Frage. Das Instrument heißt Intervention und ist kein Instrument, um eine neue Rede zu halten.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es steht jetzt ausnahmsweise einmal einer vor Ihnen, der im Gegensatz zu Ihnen ausgebildet hat, und zwar mehr als zwei.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir bilden aus! Kommt das vielleicht einmal bei Ihnen an!)

Frau Thomas, das bestreite ich doch nicht.

Sie können mir eins abnehmen: Ich habe in meinem Leben eine Menge junger Menschen ausgebildet, und zwar mehr als zwei und mehr als einen, weil gerade einmal die Konjunktur so ist, wie sie ist, um damit in der Zeitung zu stehen. Das ist nicht meine Frage.

Ich sage das deshalb, weil ich von daher genau weiß, wie wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen ein Ausbildungsplatz ist. Das ist doch gar keine Frage. Ich sage das auch deshalb, weil ich von daher ganz genau weiß, welche unterschiedlichen Charaktere und Talente in eine solche Ausbildung hineingehen und welche unterschiedlichen Fähigkeiten die jungen Leute mitbringen. Von daher kann ich mir ein gutes Bild davon machen und weiß genau, dass gerade für junge Menschen eine Ausbildung das Wichtigste für die Persönlichkeitsentwicklung und das ganze Leben ist. Kurzum: Ein Ausbildungsplatz hat auch eine gesellschaftspolitische Dimension.

Außerdem muss ich noch darauf hinweisen, es gab in dieser Landesregierung nicht eine Minute einen Dissens über die Frage Ausbildungsplatzgabgabe ja oder nein.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Es gibt sicherlich unterschiedliche Vorschläge, unterschiedliche Entwürfe, wie man dem Problem begegnet. Es gab an diesem Tisch nicht eine Minute eine unterschiedliche Auffassung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb glaube ich, dass wir den richtigen Weg gegangen sind. Ich will die Ausbildungsabgabe, staatliche Ausbildung und duale Ausbildung nicht strapazieren. Nur, wenn man Ihren Antrag liest, so sagt der Antrag vom Tenor her, das duale System ist nicht in der Lage, die Probleme zu meistern, und wir müssen deshalb andere Systeme auf den Weg bringen.

Ich will nicht von der demografischen Entwicklung reden, sondern nur sagen, in Rheinland-Pfalz haben wir bewiesen – Frau Grosse hat vorhin darauf hingewiesen –, dass das duale System durchaus in der Lage ist, die Probleme zu lösen. Ich weiß, wie viel meine Kollegin Ahnen hat übernehmen müssen. Ich kenne die ganzen Zahlen. Aber ich weiß, dass bei der gesamten Aktion am Schluss ein gutes Ergebnis, ein positives Ergebnis herausgekommen ist, und zwar mit vielen Beteiligten: die Wirtschaft, die Paten, die Lotsen, die Kammern, die Verbände, die Arbeitnehmerverbände, also die Tarifpartner. Alle haben sich hoch angestrengt, um diese Situation, die nur periodisch ist, so hart das klingt, jetzt zu meistern. Es ist uns im vorigen Jahr gelungen.

Ich darf sagen, die berufliche Ausbildung ist in den vergangenen Jahren nicht nur ein wichtiges Thema für diese Landesregierung gewesen, sondern das wichtigste Thema in der Landesregierung. Ein beredtes Zeugnis gibt der ovale Tisch ab, der nicht einmal im Jahr tagt, sondern mehrmals, ständig mit Aufträgen an die Mitglieder versehen. Ich glaube, von daher gesehen nehmen wir dieses Problem vor diesem gesellschaftspolitischen Hintergrund ernst. Ausbildung ist mehr, als nur Wissen vermitteln, mehr, als nur Fähigkeiten vermitteln. Es ist auch eine Frage der Persönlichkeitsbildung von jungen

Menschen. Von daher nimmt die Landesregierung das natürlich besonders ernst.

Meine Damen und Herren, wir können wieder eine sehr erfolgreiche Bilanz für das vergangene Ausbildungsjahr vorlegen. Mit einem deutlichen Plus von 1,5 % – das entspricht 422 Lehrstellenverträgen – schneidet Rheinland-Pfalz im Jahr 2004 bei der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr ab.

Nach wie vor ist der Trend zur dualen Ausbildung bei Jugendlichen ungebrochen. Mehr als 60 % der betreffenden Altersjahrgänge durchlaufen eine duale berufliche Ausbildung, qualifizieren sich also in Betrieben und in Berufsschulen für ihre berufliche Zukunft. Es ist ein entscheidender Faktor, ob man eine Ausbildung im Betrieb oder woanders erhält. Wenn der Staat ausbilden würde, dann würde immer exakt am Bedarf vorbei ausgebildet.

Deutschland profitiert von diesem System wie kein zweites Land in der Welt. Es ist ein wichtiger Standortvorteil und ein wichtiges Instrument zur Rekrutierung von Fach- und Führungskräften. Daher muss alles daran gesetzt werden, das duale Ausbildungssystem zu erhalten und gleichzeitig zukunftssicher zu machen.

Lassen Sie mich zusammenfassend festhalten: In den Anträgen, die von den vier Landtagsfraktionen vorgelegt worden sind, gibt es bei der Beurteilung der Frage, wie wichtig das System der dualen Ausbildung und seiner Anpassung an die Erfordernisse des Beschäftigungssystems sind, keine nennenswert unterschiedlichen Auffassungen.

Es besteht im Einzelnen Übereinstimmung zu folgenden Punkten: Der Wirtschaft kommt eine große Ausbildungsverantwortung zu. Die allgemein bildenden Schulen müssen die notwendigen Bildungs- und Erziehungsaufgaben erfüllen, vor allem bei der Vermittlung der Ausbildungsreife. Wichtig ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen, die allen Begabungen und Interessen gerecht wird. Ebenso wichtig sind der Abbau von Ausbildungshemmnissen und die Vermeidung von Zwangsmaßnahmen wie beispielsweise eine gesetzliche Regelung der Umlagefinanzierung der betrieblichen Ausbildung. Dies wird lediglich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anders gesehen.

Lassen Sie mich zum Schwerpunkt „Schule und Berufsschule“ Folgendes sagen: Die PISA-Studie hat dem deutschen Bildungssystem kein gutes Zeugnis ausgestellt. Gleichwohl muss man sagen, dass man dabei sehr stark differenzieren muss. Daher besteht ein großer Handlungsbedarf, der in allen Bundesländern anerkannt ist. Die Kultusminister haben sich auf Handlungsfelder verständigt, die von den Ländern in Angriff genommen und umgesetzt wurden. Beispielhaft erwähne ich die Umsetzung der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz in der wichtigen Frage der Qualitätssicherung durch bundesweit einheitliche Bildungsstandards.

Rheinland-Pfalz hat die vorliegenden Standards zu Beginn des Schuljahres 2004/2005 eingeführt. Diese Ände

rungen werden in Rheinland-Pfalz von weiteren strukturellen Verbesserungen begleitet. Beispielhaft nenne ich die Einführung der Ganztagsschulen. Dabei ist Rheinland-Pfalz Avantgardist gewesen. Das steht nicht nur im Zusammenhang mit Ausbildung, sondern auch mit dem Gesellschaftsbild insgesamt und mit der Organisation von Familie und Beruf. Damit können Frauen Familie und Beruf in Einklang bringen. Im Übrigen benötigt die Wirtschaft die guten Ressourcen der Frauen dringend.

Meine Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Themenfeld ist die strukturelle Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz. Das Hauptaugenmerk dieser Weiterentwicklung ist auf die Teilzeitberufsschule gerichtet.

Das duale Ausbildungssystem kann nur so stark wie seine tragenden Säulen sein. Daher ist die Versorgung der Schulstandorte mit Fachklassen vor allem für neue Berufe mit einer ausreichenden Zahl von Fachlehrerinnen und Fachlehrern von besonderer Bedeutung. Gleiches gilt für eine geeignete Sachausstattung.

Nun zu den Themen „Schule und Wirtschaft“ sowie „Berufsberatung“. Die Schulgesetznovelle sieht für die Schulen eine größere Handlungsautonomie vor. Dies wird zu noch intensiveren Kontakten der Schulen mit Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen führen und den Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Schule und Wirtschaft vertiefen.

Rheinland-Pfalz ist beispielhaft im Ländervergleich bei den regionalen Arbeitskreisen „Schule und Wirtschaft“. Dies sind freiwillige Zusammenschlüsse, die ehrenamtlich von Pädagogen und Vertretern der Wirtschaft geleitet und betreut werden. In jedem der mittlerweile 30 regionalen Arbeitskreise in Rheinland-Pfalz werden gezielt die Verbindungen zwischen Firmen und allen Schularten ausgebaut, wirtschaftliche Themen in den Schulen diskutiert und im Gegenzug Unternehmen für die pädagogischen Rahmenbedingungen sensibilisiert.

Die Anstrengungen zur Vorbereitung von Jugendlichen auf die Arbeitswelt werden in allen Schularten weiter verstärkt. Dies gilt für die Berufswahlvorbereitung von Schülerinnen und Schülern der Hauptschulen ebenso wie für die Schülerinnen und Schüler der Realschulen und der Regionalen Schulen bis hin zu den Schülerinnen und Schülern der Gymnasien. Die Schularbeit wird wesentlich durch die entsprechenden Angebote der Arbeitsverwaltung und der Kammern ergänzt und verstärkt. Die Berufsberatungen durch die Agenturen für Arbeit sehen neben den wertvollen Selbstinformationsangeboten selbstverständlich nach wie vor die persönliche Beratung vor.

Die Kammern haben als zuständige Stellen der Berufsbildung im vergangenen Jahrzehnt ihren Informations-, Beratungs- und Vermittlungsdienst ohne gesetzliche Verpflichtung ausgebaut. Wirtschaft und Arbeitsverwaltung wirken darauf hin, regionale und branchenspezifische Ungleichgewichte zu bekämpfen und neue Ausbildungspotenziale zu erschließen.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben in ihren Anträgen die Schaffung neuer Berufe und die Moderni

sierung bestehender Berufe angesprochen. Ein angemessenes Berufswahlspektrum, das den Bedürfnissen der Auszubildenden und der Wirtschaft entgegenkommt, ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren eines Ausbildungsmarkts. Die derzeit rund 350 Ausbildungsberufe sind zu einem überwiegenden Teil in den vergangenen Jahren modernisiert worden oder in wichtigen Bereichen – beispielsweise in der Informationstechnologie und der Telekommunikation oder im Medienbereich – vollkommen neu geschaffen worden. Der wachsende Dienstleistungsbereich wird immer stärker einbezogen.

An dieser Stelle betone ich, dass wir allen Begabungen gerecht werden müssen. Daher setze ich mich aktiv dafür ein, dass über das bisherige Maß hinaus Berufe geschaffen werden, die Jugendlichen mit mehr praktischen Begabungen entgegenkommen.

Bei allen notwendigen Neuordnungen muss den Betrieben und den Berufsschulen aber eine angemessene Zeit zur Verfügung gestellt werden, um sich auf die neuen Inhalte und Anforderungen einzustellen. Die Landesregierung wirkt in diesem Sinne auf die Sozialparteien und die Bundesregierung ein. Davon abgesehen hat es sich bewährt, dass die Betriebe über die Kammern und Fachverbände, das Schnell-Informationssystem der Bundesregierung und den Service des Bundesinstituts für Berufsbildung entsprechend informiert werden.

Meine Damen und Herren, das duale System hat Zukunft. Wir müssen es aber noch zukunftssicherer machen. Die Tarifparteien stehen dabei in besonderer Verantwortung, insbesondere bei der Ordnung der Berufe, der Gestaltung der Kosten und der Beseitigung sonstiger Ausbildungshemmnisse. Schlecht wäre es beispielsweise, die Kosten der Ausbildung noch höher zu treiben, als sie es schon sind, oder den Betrieben so genannte Übernahmeverpflichtungen nach erfolgreicher Ausbildung aufzuerlegen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung bleibt auf ihrem Weg einer erfolgreichen Ausbildungspolitik. So setzen wir das Darlehensprogramm der Investitions- und Strukturbank unter verbesserten Bedingungen fort, das allein im Jahr 2004 zu 440 neuen Ausbildungsverträgen führte. Mit dem überarbeiteten Programm erwarten wir sogar einen noch höheren Anreiz für die Neuschaffung von Ausbildungsplätzen.

Die Förderung der Verbundausbildung wird auch im Jahr 2005 fortgesetzt. Damit können auch solche Betriebe ausbilden, die aufgrund ihrer Betriebsstruktur nicht alle Ausbildungsabschnitte für den jeweiligen Beruf vermitteln können. Auch damit vergrößern wir das Ausbildungsplatzpotenzial.

Daneben haben wir zusammen mit der Arbeitsverwaltung und den Kammern die erfolgreiche Vereinbarung über die Ausbildungsplatzakquisition fortgeschrieben und die Schaffung von Plätzen zur Einstiegsqualifizierung noch nicht ausbildungsreifer Jugendlicher vorangetrieben.

Sie sehen, die Landesregierung hat dieses Thema zum Thema Nummer 1 gemacht, damit junge Menschen eine

Perspektive haben und im dualen System ihre Ausbildung erfahren. Das ist das allerwichtigste. Ich bin sicher, dass wir im nächsten Jahr alle notwendigen Anstrengungen unternehmen werden, und zwar einerseits die Politik und andererseits die Wirtschaft und die Tarifpartner. Ich bin sicher, dass wir wieder ein gutes Ergebnis vorzeigen können. Ich weiß aber, dass die Problematik groß ist. Derzeit haben wir ein geringes Angebot und eine hohe Nachfrage. Ich bin mir aber sicher, dass die Verantwortungsbereitschaft auf beiden Seiten so groß sein wird, dass wir auch dieses Problem ohne Zwangsmaßnahmen lösen können.

(Beifall bei FDP und SPD)