Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

Frau Thomas, Ihr liebenswertes Gekeife ändert auch nichts daran, dass weder Sie noch Herr Braun noch Frau Kiltz noch Herr Marz noch Herr Wiechmann jemals eine oder einen Auszubildenden beschäftigt haben.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch jetzt aktuell! Das ist doch falsch!)

Das mutmaße ich. Wenn ich mir Sie anhöre, habe ich auch das Gefühl, selbst wenn Sie es gewollt hätten, es wäre niemand zu Ihnen gekommen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja unterste Schublade!)

Das, was Sie hier in den Vordergrund stellen, heißt mehr Staat, in Gottes Namen noch bessere Berufsschulen, aber auch damit nicht einen Ausbildungsplatz zusätzlich. Der Staat soll es richten. Die Wirtschaft ist die Melkkuh. Die BÜNDNISGRÜNEN verabschieden sich aus der Debatte. Herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch!

(Dr. Altherr, CDU: Und hoffentlich bald auch aus der Politik!)

Ja genau.

Meine Damen und Herren, das Problem – es tut mir jetzt leid, dass ich quasi in Abwesenheit der Angesprochenen reden muss, aber das ist nicht mein Verschulden – dieses Antrags liegt nicht darin, dass er ein Jahr alt ist. Das Problem dieses Antrags liegt darin, dass er generell auf falschen Voraussetzungen fußt. Dieser Antrag beschreibt eine Situation, die von Jahr zu Jahr schlechter wird. Das stimmt für Rheinland-Pfalz nicht.

(Staatsminister Bauckhage: So ist es!)

Statt zu sagen: „Wir freuen uns, dass wir es mithilfe all derer, die wirklich guten Willens sind, die Verantwortung nicht als Worthülse vor sich hertragen, sondern als aktives Gestalten, mithilfe all dieser Lotsen, Paten, Industrie- und Handelskammern, Arbeitgeberverbänden, Handwerkern, Ministerpräsident, stellvertretender Ministerpräsident, Investitions- und Strukturbank im Zusammenwirken all dieser Personen und Strukturen geschafft haben, auch im letzten Jahr bei noch einmal zugenommenem Ausbildungsplatzangebot um 1,5 %, wenn ich nicht irre, am Ende nur 492 unbesetzte Ausbildungsplätze auf der einen Seite und ca. 1.000 Bewerber auf der anderen Seite zu haben. Da ist jeder noch einer zu viel, um das klarzumachen. Aber man muss auch festhalten, dass von diesen 1.000 Übriggebliebenen nach der letzten Hoffnungsrunde nach Einschätzung derer, die sich mit diesen jungen Menschen beschäftigt haben, die Mehrzahl entweder nicht vermittelbar oder nicht vermittlungswillig war. Das ist bedauerlich. Auch das darf man

nicht hinnehmen. Auch damit muss man sich auseinander setzen. Das gilt es festzuhalten.

Ich habe in allen Anträgen viele Punkte gefunden, die ich unterstreichen kann. Es gibt viele Ansätze, die wir alle gemeinsam tragen. Aber ich vermisse, dass sich die beiden anderen Anträge so intensiv mit der Materie auseinander gesetzt haben, wie wir das getan haben, so viele Details zusammengetragen haben, die wichtig sind. Ich vermisse beim Antrag der CDU nicht so sehr inhaltliche Punkte, ich vermisse von der Grundaussage her die Bereitschaft, fair mit den Ergebnissen umzugehen. Es genügt nicht, immer nur draufzuhauen. Auch eine Opposition wird nicht glaubwürdiger dadurch, dass sie immer nur draufdrischt. Man muss auch einmal bereit sein – bei den Lotsen, den Paten und den Firmen waren auch viele CDU-Mitglieder dabei – zu sagen: Jawohl, alle Ihr Akteure, das habt ihr gut gemacht, besser als andere Bundesländer. Es könnte noch besser sein.

(Frau Thelen, CDU: Das steht bei uns drin, bei Ihnen nicht!)

Frau Thelen, es tut mir leid, im Tenor kommt das leider nicht rüber. Ich bedauere es. Wenn es drinsteht, dann sollten Sie es vielleicht etwas weiter nach vorn schieben. Ich konnte es so nicht vorfinden.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe noch einige Punkte aufzugreifen, die mir inhaltlich wichtig sind, weil ich mich nicht nur mit den Anträgen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU auseinander setzen möchte. Ich habe sieben Punkte, auf die ich eingehen will, die zum Teil genannt wurden – dann setze ich einen zusätzlichen Schwerpunkt –, die zum Teil auch noch nicht beschrieben wurden. Ich mache dieses Kompliment auch an die Fraktion der SPD, dass sie diese Wege mitgegangen ist. So wie wir in manchen Bereichen über kleine Schatten springen mussten, hat auch die SPD das getan. Ich finde es großartig, dass man die Dinge nicht ideologisch sieht, sondern konstruktiv vor dem Hintergrund, wirklich zu helfen.

Wir haben uns auch in unserem Antrag noch einmal für die Bedeutung von Praktikern stark gemacht. Das ist nichts Neues und auch kein Alleinstellungsmerkmal. Wir haben im Gegensatz zu dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deutlich herausgearbeitet, dass wir das Heil nicht in Ausbildungsplatzabgaben sehen, sondern dass wir das Heil darin sehen, dass in einer hoffentlich irgendwann wachsenden Wirtschaft – denn ohne die wird es nicht gehen – wir genügend Ausbildungsplätze finden. Wir haben auf das Phänomen der Mehrfachverträge aufmerksam gemacht, die die Statistiken am Anfang und in der Mitte des Jahres erheblich verfälschen, was von manchen erfreut zur Kenntnis genommen wird, weil die Katastrophenmeldungen dann leichter absetzbar sind.

Meine Damen und Herren, wir haben uns auch gemeinsam darauf verständigt, dass insbesondere am Ende eines Ausbildungsplatzvergabezyklusses rechtliche und finanzielle Möglichkeiten verändert werden können, damit junge Menschen einen Ausbildungsplatz erhalten, die ihn vielleicht zu diesen Bedingungen, wie sie tariflich

definiert sind und wie sie arbeitsrechtlich in enger Auslegung definiert sind, keinen Arbeitsplatz bekämen, weil wir uns beide gesagt haben, besser ein Ausbildungsplatz zu etwas ungünstigeren Bedingungen als überhaupt keinen Arbeitsplatz. Ich lobe ausdrücklich den Geist, der hinter dieser Flexibilisierung steht.

Meine Damen und Herren, wir haben uns auch Gedanken über die Jugendlichen gemacht, die nicht ausbildungswillig sind. Auch das gibt es. Auch das darf man nicht hinnehmen. Wir wollen da nicht polizeistaatlich tätig werden, aber wir wollen die Schärfe, die auch die Hartz-IV-Gesetzgebung eingeführt hat, insbesondere auch bei diesen Jugendlichen angewandt wissen. Wir haben das als eigenen Punkt hineingeschrieben. Im Rahmen der Betreuung bei Hartz IV versteht sich das bei jungen Menschen bis zu 25 Jahren sowieso. Wir haben es expressis verbis hier hineingeschrieben, dass es sich nicht nur um Arbeit wie bei Hartz IV handelt, also Verweigerung von Arbeitsaufnahme, sondern auch um Verweigerung der Aufnahme eines zumutbaren Arbeitsplatzes geht. Auch das ist uns wichtig. Wir haben uns intensiv damit auseinander gesetzt, dass wir Teilqualifikationen fordern, wir eine modularisierte Ausbildung fordern und wir auch dem Bereich der Nachqualifizierung einen stärkeren Raum als bisher geben möchten.

Den Vorwurf, den ich ernst nehme – auch Berufsschulen sind ein wichtiger Mosaikstein in diesem Gesamtbild –, dass wir uns mit der Berufsschulproblematik nicht auseinander gesetzt hätten, kann ich nicht gelten lassen. Die Frage nach der Berufsschule und der schulischen Ausbildung zieht sich wie ein roter Faden durch unseren Antrag.

(Frau Thelen, CDU: Wo denn?)

Lesen Sie es nach. Frau Thelen, das ist vielleicht ein ähnliches Missverständnis wie das, das ich Ihnen unterstellt habe, bei dem Sie kein Verständnis für meine Haltung aufbringen konnten. Ich gehe allerdings nicht so weit wie die CDU, dass ich ein bewährtes und erprobtes System, bei dem wir zum Teil gern mehr Lehrer einstellen würden, wenn wir sie denn hätten, in Grund und Boden rede und damit diesem System einen zusätzlichen Schlag ins Gesicht verpasse, statt eine Stütze zu sein, die dieses System in der Tat so dringend braucht wie andere schulische Bereiche auch.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abgeordneter Dr. Braun.

Herr Dr. Schmitz, weil ich mich eben über Sie geärgert habe, möchte ich das hier noch einmal klarstellen. Sie können nicht eine Rede anfangen, indem Sie hier Leute

herausdeuten und sagen „Sie, Sie, Sie und Sie haben noch nicht ausgebildet“.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Herr Dr. Schmitz, erstens einmal trifft es die meisten hier ohnehin, auch in Ihrer Fraktion. Herr Kuhn hat auch noch keinen ausgebildet. Frau Morsblech hat auch noch keinen ausgebildet.

(Kuhn, FDP: Ich habe tausende ausgebildet!)

Nein, nicht als Lehrer. Es geht doch um andere.

(Kuhn, FDP: Ach so! – Mertes, SPD: Was ist mit Herrn Hohn?)

Herr Dr. Schmitz, deswegen ist es klar, dass Sie hier nicht so an das Thema herangehen können. Ich glaube, das ist unüblich. Ich glaube, das macht man auch nicht.

(Beifall des Abg. Anheuser, CDU)

Ich möchte aber feststellen, dass unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im letzten Jahr einen Ausbildungsplatz in der Fraktion geschaffen hat und wir eine kaufmännische Auszubildende in der Fraktion haben, die ihren Abschluss in unserer Fraktion machen wird und die im dualen System ausgebildet ist.

(Glocke des Präsidenten)

Ich denke, das sollte man festhalten. Das machen andere auch. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal, aber das ist so. Deswegen sind solche Vorwürfe hier fehl am Platz. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Braun, wenn ich das in Bezug auf Ihre gesamte Fraktion gesagt habe und auch aufrechterhalte, dann verbinde ich das mit einer ganz anderen Intention, als Sie sie mir unterstellen. Ich verbinde es mit einer Intention, die in Ihrem Antrag insgesamt überdeutlich wird, nämlich dass Sie das Problem, dass Ausbildungsplätze an die Wirtschaft gekoppelt sind, überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Für Sie sind Ausbildungsplätze etwas, was man verwaltet, staatlich gestaltet und was andere, bitte schön, zur Verfügung zu stellen haben. Mittelständler kurz vor der Insolvenz: Aber bitte schön noch einen Ausbildungsplatz. Verlieren Sie bitte einmal Worte zur wirtschaftlichen Situation. Wir sprechen über die Landespolitik und sollten uns im Wesentlichen darauf begrenzen.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich Ihrer Fraktion wohl zu Recht vorwerfe, dass Sie von der Praxis der Ausbildung in der eigenen Verantwortung eines jeden in Ihrer Fraktion im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen hier komplett wie die Blinden von der Farbe spreche, dann halte ich diesen Vorwurf aufrecht. Wenn Sie, wie in Ihrem Antrag schriftlich niedergelegt, ein Bild vermitteln, das neben Ihrem Alleinstellungsmerkmal Ausbildungsplatzabgabe jetzt als weiteres Alleinstellungsmerkmal formuliert, der Staat soll es richten, dann ist es genau die Zielrichtung, die ich mit meinem Angriff meine.

Zur Erwiderung hat Herr Abgeordneter Dr. Braun das Wort.

Herr Dr. Schmitz, Sie hören das peinliche Schweigen. Sie haben im Moment Ihrem Koalitionspartner eine Breitseite geliefert. Klar, Sie haben voll die SPD angeschossen; denn auf Bundesebene wird genau das, was wir mit unserem Antrag fordern, von der SPD, hauptsächlich von den Gewerkschaften, mitgetragen.

Wenn Sie Ihren Koalitionskrach auf diese Art und Weise austragen wollen, dass Sie uns anschießen, aber die SPD meinen, dann sagen Sie es doch einfach.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das ist Ihr Problem.

Was Sie hier sagen, dass wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zur Kenntnis nehmen würden: Ich glaube, da haben Sie sich getäuscht. Wer hat denn – das haben wir immer gesagt – die meisten Ausbildungsplätze abgebaut? – Das war die Großindustrie. Das wissen Sie genau. Sie wissen doch, dass bei der BASF beispielsweise am meisten Ausbildungsplätze, auch prozentual, abgebaut wurden. Wer hat denn im letzten Jahr die dicksten Gewinne der Firmengeschichte gemacht? – Die BASF. Aber Sie reden hier von einem Mittelständler und einem Kleinbetrieb, der vor der Insolvenz steht und noch einen Ausbildungsplatz finanzieren soll.

In der Diskussion geht es nicht darum, sondern darum, dass diejenigen, die es können, die es finanziell können und es sich auch leisten können, auch Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, und nicht nur die Aktionärinnen und Aktionäre bedienen, sondern dass diejenigen dann auch sagen, wir übernehmen die Verantwortung, nicht nur ausgelagert – ich weiß nicht, was Herr Creutzmann hinter mir macht –, sondern auch im eigenen Betrieb. Das tun die BASF und die Großindustrie insgesamt nicht. Sie fährt die Ausbildungsplätze zurück und die Gewinne hoch.

Herr Dr. Schmitz, darum geht es in der Diskussion.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)