Protokoll der Sitzung vom 01.06.2005

(Beifall der SPD und bei der FDP)

insbesondere wenn es um Schuldzuweisungen geht. Das Verhalten von CDU-Vertretern war leider nicht immer von dieser Vorgehensweise geprägt. Vielmehr wurde des Öfteren versucht, Vorgänge zu skandalisieren. Dies gilt für unterdrückte Akten genauso wie für plötzlich aufgetauchte Akten, für die angebliche Einflussnahme eines Abteilungsleiters der Landtagsverwaltung und vieles mehr.

Aber schlimmer noch ist der mehrfach gemachte Vorwurf, zumindest indirekt am Tod eines jungen Menschen mitschuldig zu sein. Übel – das muss ich Ihnen ganz deutlich sagen – ist dabei die ständige Wiederholung in Ihrem Minderheitenvotum des Begriffs der persönlichen Verantwortung, da Sie die durch nichts zu begründende Unterstellung wider besseren Wissens erheben.

(Beifall der SPD)

Sie sollten sich für diese Art politischer Brandstiftung eigentlich schämen, muss ich Ihnen sagen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich möchte vorweg sagen, es überrascht uns nicht, dass Sie den Rücktritt von Staatsministerin Dreyer fordern. Das haben Sie vorher schon einmal getan. Aber Sie

können davon ausgehen, dass wir wie bisher voll hinter der Ministerin stehen und sie auch weiterhin unser Vertrauen genießt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Im Weiteren werde ich nun entlang des Berichts des Untersuchungsausschusses, wie er vom Ausschuss abgegeben worden ist, Stellung beziehen. Das Thema „Heimunterbringung statt Untersuchungshaft“, das in den §§ 71 und 72 des Jugendgerichtsgesetzes geregelt ist, ist seit vielen Jahren ein umstrittenes Thema in der Fachwelt. Dies liegt nicht zuletzt an dem Spannungsfeld – darauf sind Sie gar nicht eingegangen – zwischen der Jugendhilfe mit ihrem pädagogischen Anspruch einerseits und der Justiz mit dem vorrangigen Anspruch auf Sicherung des Verfahrens andererseits. Immer dort wo möglich, soll bei Jugendlichen die Untersuchungshaft vermieden werden, weil in der U-Haft grundsätzlich negative Einwirkungen und psychische Beeinträchtigungen zu erwarten sind.

Es ist schwierig, zwischen der Jugendhilfe einerseits und der Justiz andererseits eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. So hat beispielsweise der Sachverständige Professor Dr. Schrapper gesagt, aus der Sicht der Jugendhilfe soll Heimunterbringung nicht als Untersuchungshaft gesehen werden, und andere sprechen von „Menschen statt Mauern“.

Die sachverständigen Vertreter der Justiz machten immer wieder deutlich, dass ein gewisses Maß an Entweichungssicherheit unerlässlich sei zur Sicherung der Hauptverhandlung. Dieser Meinungsstreit prägte über Jahre – man kann sagen, über Jahrzehnte seit den 80erJahren – den Entscheidungsprozess in Rheinland-Pfalz.

Mitte der 90er-Jahre, als mehr und mehr Heime geschlossen wurden, wurde ein erneuter Anlauf des Justizministeriums unternommen, um geschlossene Heimplätze zu bekommen. Aber erst mit der Koalition 2001 wurde diese Forderung in die Praxis umgesetzt. Es wurde festgelegt, dass ein Heim mit Entweichungssicherheit gesucht werden sollte. Erst an diesem Punkt wurde die lähmende und sich hinziehende Diskussion, die nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern bundesweit geführt wird, was wir über mehrere Sitzungen des Untersuchungsausschusses erlebt haben, in RheinlandPfalz beendet. Man muss sagen, Stutensee ist das einzige Heim, das geschlossene Gruppen in der Form hat, wie dies angestrebt worden ist.

Die Umsetzung der Vereinbarung wurde seitens des Sozialministeriums in ein Rahmenkonzept gegossen. Die wichtigsten Voraussetzungen hinsichtlich des Trägers waren einschlägige Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Jugendlichen. Weitere Eckpunkte waren die Personalausstattung, die Anzahl der einzurichtenden Plätze, die Gruppenstärke, die Finanzierung und die wissenschaftliche Begleitung.

Mit dem Justizministerium wurden die Themen „bauliche Entweichungssicherheit“ und „praktikables An- und Aufnahmeverfahren“ erörtert und einem vernünftigen Ergebnis zugeführt, sodass das Rahmenkonzept im November 2002, Herr Kollege Rosenbauer, einvernehmlich

beschlossen werden konnte. Jeder konnte genau lesen, was in diesem Rahmenkonzept vorgesehen war.

Eine zeitliche Vorgabe war nicht gegeben. Es ist also falsch, was Sie hier behaupten. Es ist lediglich am 1. Juli 2003 von den beiden Ministerien gesagt worden, dass als Beginn der Maßnahme der 1. Oktober vorgesehen sei. Das war eine zeitliche Vorgabe, die nicht zwingend war, sondern die nach hinten hätte herausgeschoben werden können, wenn es Probleme bei der Umsetzung gegeben hätte. Auch das ist Ihnen bekannt.

Ich komme nun zur Frage der Auswahl der Heime. Zunächst waren es sieben, nachher drei, die in engerer Auswahl waren. Helenenberg, der Bernardshof und Mühlkopf waren die drei Einrichtungen. Mühlkopf, also Rodalben, war die einzige Einrichtung mit geschlossenen Gruppen. Es war auch die einzige, die damit Erfahrung hatte, während die anderen beiden mit offenen Gruppen arbeiteten.

Bei allen Diskussionen, bei den Besuchen in den Heimen usw. war immer die Frage der Entweichungssicherheit eine wichtige Frage. Herr Kollege Dr. Rosenbauer hat es kurz angesprochen, zwar ist im Rahmenkonzept niedergeschrieben, dass dort Sicherheitsglas vorgesehen sein sollte, aber es war völlig klar, dass das ein Rahmen war, der nachher mit dem jeweiligen infrage kommenden Träger auszudiskutieren war.

Wenn Sie Stutensee anschauen, so haben sie auch kein Sicherheitsglas, sondern Gitter vor den Fenstern.

Die Vertreter des Justizministeriums legten Wert auf die Vergitterung der Fenster, weil sie der Auffassung waren, dass durch Sicherheitsglas Probleme bei der Be- und Entlüftung entstünden. Man hatte Erfahrung mit Trier, glaube ich. Die Vertreter des Justizministeriums meinten auch, dass die Einrichtung in Helenenberg deswegen ein Problem darstelle, weil die Einrichtung Räumlichkeiten für berufliche Fortbildung usw. auf einem offenen Gelände hatte, was der Entweichungssicherheit entgegenstand.

Nachdem der Bernardshof sein Angebot aus mehreren Gründen zurückgezogen hatte, blieb noch die Wahl zwischen Helenenberg und Mühlkopf. Da aber Helenenberg die Vergitterung wegen Unvereinbarkeit mit dem Konzept des Jugendhilfezentrums ablehnte, andererseits aber darauf nicht verzichtet werden sollte, war schließlich Helenenberg aus dem Rennen.

Da Mühlkopf als geeignet angesehen wurde – es war völlig unstrittig, dass Mühlkopf als geeignet angesehen wurde –, fiel die Entscheidung entsprechend. Wegen der langjährigen Erfahrung mit schwierigen Jugendlichen gerade in Mühlkopf – auch das ist Ihnen bekannt –, ist die Fachebene des Sozialministeriums zu Recht davon ausgegangen, dass Mühlkopf über das notenwendige erfahrene Personal verfügt. Sie hatten über 25 Jahre Erfahrung in dem Bereich.

Die Trägerauswahl ist mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt worden. Besichtigungen vor Ort und eine Reihe von Gesprächen waren der Entscheidung vorgeschaltet.

Die vonseiten der CDU-Vertreter aufgebauschte Strichlistendiskussion über Strichlisten der Polizei – ich glaube, es war in Pirmasens oder in Rodalben selbst –, hat sich als eine Luftblase entwickelt. Die Polizei selbst hat gesagt, gerade Rodalben sei kein Kriminalitätsschwerpunkt, also das Gegenteil von dem, was behauptet wurde. Also auch das ist kein Argument gegen diesen Standort.

Bei der Umsetzung des Projekts im Jugendheim Mühlkopf selbst ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der grundlegenden und sehr weit reichenden Trägerautonomie dem Landesjugendamt weder eine Dienst- noch eine Fachaufsicht – das ist ganz entscheidend –, auch sonst keinerlei Weisungsbefugnis zugekommen ist. Dies ist rechtlich völlig unumstritten und wird auch von allen Trägern, die wir dazu befragt haben, genauso gesehen. Deshalb sind die Versuche von der CDU unredlich, aus der Beratungsfunktion eine Kontrollfunktion und damit eine Verantwortungsfunktion zu entwickeln.

(Beifall bei SPD und FDP)

Seine Beratungsfunktion hat das Jugendamt in ausreichendem Maß wahrgenommen, und zwar besonders bei diesem Projekt. Wir haben gehört, wie oft man sich mit dieser Frage auseinander gesetzt hat. Ich denke, auch zu Recht.

Neben der Frage der Entweichungssicherheit war bei der Entwicklung der Sicherheitskonzeption zum Beispiel die Anschaffung eines schnurlosen Telefons im Betreuerzimmer, was angesprochen worden ist, Gegenstand der Gespräche. Es war die Erwartung aller, dass dies auch angeschafft würde.

Auf einen Nachteinschluss wurde verzichtet. Das war im Übrigen im Juli 2003 bekannt, da es sich um eine Einrichtung der Jugendhilfe und nicht um eine U-Haft handelt, genauso wie in Stutensee, dem Vorbild. Auch dort gibt es keinen Nachteinschluss.

Bei der Konzeption des Nachtdienstes und der Personalsicherheit ist das Jugendamt seiner Beratungsfunktion auch in der Weise gerecht geworden, wie es zu fordern ist. Man hat sich ebenfalls an Stutensee angelehnt. Man hatte nur einen Unterschied. In Mühlkopf war ein Nachtdienst mit einer Fachkraft besetzt, in Stutensee war es ein Nachtdienst durch einen Wachmann und dann eine Nachtbereitschaft durch eine dritte Person. Das sollte in Mühlkopf in der Weise gesichert sein, dass im gleichen Hause oben drüber zwei weitere Gruppen Nachtdienste hatten, die dann, wenn es zu schwierigen Situationen kommen sollte, sofort hätten gerufen werden können. Das war dort so im Konzept vorgesehen und hätte möglicherweise auch funktioniert, wenn es über das normale Telefon genutzt worden wäre.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass in Stutensee zwölf und mehr Jugendliche sind, während es in Mühlkopf lediglich sechs sein sollten.

Aus diesem Grund sind nach unserer Auffassung die beteiligten Stellen zu Recht von durchaus vergleichbaren Sicherheitsvorkehrungen ausgegangen. Aber auch hier gilt die klare Vorgabe, die bei freien Trägern völlig

unstrittig ist und die diese auch klar für sich reklamieren, sie sind für das Personal und dessen Sicherheit eigenverantwortlich.

In der vom Träger erstellten Leistungsbeschreibung ist zum Punkt der Personalqualifikation ausdrücklich festgehalten, dass im Team U-Haftvermeidung insgesamt achteinhalb ausgebildete Fachkräfte arbeiten sollten. Die Leistungsbeschreibung war Basis des Unternehmens Mühlkopf.

Die schon im Rahmenkonzept vorgesehene wissenschaftliche Begleitung kam wegen der Kurzfristigkeit dieses Projektes nicht mehr zum Tragen. Auch das ist Ihnen bekannt.

In der Umsetzungsphase des Projekts gab es zu keiner Zeit Anlass seitens der Arbeitsebene bis hin zum Staatssekretär, die Ministerin einzuschalten. Den Informationen, die regelmäßig erfolgten, konnte die Ministerin entnehmen, dass sich das Projekt planmäßig entwickelte und dann eröffnungsreif war. Einzelheiten wie zum Beispiel das fehlende Telefon waren ihr aus verständlichen Gründen gar nicht bekannt.

Bei der Abschlussbegehung – nicht bei der Abnahme, denn diese gibt es dort nicht – im Oktober 2003 wurden die baulichen Fragen überprüft. Es stand fest, dass hinsichtlich der Sicherheit keine Probleme mehr in dieser Einrichtung existierten. Die Fragen der Personalsicherheit waren bereits im September in dieser Einrichtung diskutiert worden.

Im Ergebnis empfiehlt der Ausschuss – das ist sicherlich ein Punkt, den man anmerken muss –, dass dann, wenn entsprechende Hinweise seitens des Landesjugendamts oder anderer in einem Gespräch gemacht werden, Protokolle gefertigt werden und diesen allen, die an dem Gespräch teilgenommen haben, auch zugehen, damit jeder weiß, was er zu tun hat. Das war sicherlich ein gewisses Manko. Dies steht im Übrigen bereits im Arbeitsbericht der Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2003/2004.

Nach der Leistungsbeschreibung hatte der Träger die Einsetzung qualifizierten Fachpersonals zugesichert. Diese Vorgabe ist in der Betriebserlaubnis festgehalten. Die ermordete Frau Knoll war, was Fachleute selbst gesagt haben, fachlich qualifiziert. Etwas anders gilt natürlich hinsichtlich ihres Einsatzes zur Nachtzeit durch den Träger. Diese Entscheidung vor Ort ist nicht nachvollziehbar. Ich glaube, das geht uns allen so. Da Mühlkopf langjährige Erfahrungen mit geschlossenen Gruppen hatte, konnte die Fachebene zu Recht davon ausgehen, so denken wir, dass hinreichend erfahrenes Personal zu diesen Zeiten eingesetzt wird, dass man darauf nicht hinweisen muss. Das kann doch eigentlich nicht bei einem Träger sein, der seit 25 Jahren diese Arbeit macht.

Dabei ist es natürlich Sache des Trägers, den Einsatz im Einzelnen anhand der Persönlichkeitsstruktur der Einzelnen durchzuführen. Bezüglich der Umsetzung der Personalsicherheit wurde seitens des Trägers die Vorgabe formuliert, im Falle von Übergriffen der Jugendlichen diese entweichen zu lassen. In Krisensituationen sollte eine zweite Person hinzugezogen werden. Die

Zimmer sollten nicht allein betreten werden. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass in der Einrichtung die möglichen Gefahren der Bediensteten durch die Jugendlichen unterschätzt wurden. Sie wurden einfach nicht in Rechnung gestellt.

In diesem Zusammenhang hält es der Ausschuss für nicht vertretbar, insbesondere Berufsanfängerinnen in solchen Einrichtungen allein Nachtdienst machen zu lassen, was nach Zeugenaussagen zunächst auch gar nicht vorgesehen war. Die eigene Einschätzung der Erzieherinnen und Erzieher, diesen Dienst machen zu können, sich dies also zuzutrauen, reicht nicht aus. Gerade bei Berufsanfängern besteht die Gefahr der Fehleinschätzung der Situation mit daraus folgenden möglichen Konsequenzen auch bezüglich der Sicherheit. Da bedarf es klarer Vorgaben der Einrichtungsleitung.

Um dies besser zu gewährleisten, sollte der Auffassung des Ausschusses gefolgt werden, dass das Landesjugendamt seine Beratungsfunktion bezüglich der Personalsicherheit noch weiter verstärkt. Fragen der Personalsicherheit dürfen nicht, wie offenbar in Mühlkopf geschehen, in einem offenen Diskussionsprozess innerhalb des Personals geregelt werden.

Trotz der sehr engmaschigen und strukturierten Tagesabläufe gab es keinen Hinweis auf Auffälligkeiten, die auf eine Fluchtabsicht der erst zwei, nachher drei dort Untergebrachten hätte schließen lassen können. Die Mitarbeiter hatten vielmehr den Eindruck, dass bei den Jugendlichen die konsensorientierten Konfliktlösungen Anklang gefunden haben, auch am Abend des 20. November, dem Tag des Geschehens.

Trotzdem, auch wenn diese Anzeichen nicht vorhanden waren, hätte die Berufsanfängerin keinen Nachtdienst allein machen dürfen, zumal im Hinblick auf ihr pädagogisches Vorgehen sie um eine letzte Chance, wie sie es selbst formuliert hat, gebeten hatte. Der Einsatz von Frau Knoll war eine gravierende und in der Konsequenz tragische Fehleinschätzung der Einrichtung.

Mit dem Aufnahmeverfahren des Ferid T. war zunächst eher fraglich, ob der Jugendliche überhaupt für das Projekt geeignet war. Daraufhin gab es ein Schreiben, weil man meinte, es bestehe Fluchtgefahr. Daraufhin wurden sie ausdrücklich vom Justizministerium darauf hingewiesen, dass Fluchtgefahr die Voraussetzung für die Unterbringung und nicht ein Hinderungsgrund für diese Geschichte sei. Das war eine Selbstverständlichkeit, die von der Einrichtung so akzeptiert worden ist und nicht als unzulässiger Druck betrachtet werden konnte.

Bis auf einen Zeugen haben die Mitarbeiter des Heims übrigens keine Gründe gesehen, die Aufnahme von Ferid T. aus pädagogischen Gründen abzulehnen. Anders wäre sicher die Frage gewesen, wenn er einen immensen Fluchtdrang hätte verspüren lassen.

Die Minister Dreyer und Mertin haben eine interministerielle und interdisziplinäre Arbeitsgruppe zur Aufklärung des Vorfalls gebildet. Diese legte im Januar 2004 einen Bericht vor, der mehrfach in den zuständigen Ausschüssen des Landtags diskutiert worden ist. Die in diesem Bericht enthaltenen Empfehlungen werden in der Würdi

gung und Empfehlung des Ausschusses aufgegriffen. Die wesentlichen Feststellungen der Arbeitsgruppe sind im Untersuchungsausschuss bestätigt worden.

Abschließend möchte ich deshalb in neun Punkten zum Ergebnis kommen: