Leider zeigt sich bei der Gesamtschau der Ergebnisse, dass die junge 26-jährige Berufsanfängerin, Frau Knoll, nicht hätte sterben müssen, wenn das Projekt „Heimunterbringung statt Untersuchungshaft“ sorgfältig und kompetent vorbereitet, konzipiert und umgesetzt worden wäre.
Lassen Sie mich dies anhand der Geschichte des Projekts aufzeigen. Von Projektbeginn an gab es drei erhebliche Belastungsfaktoren:
1. Bis zum Start im Oktober 2003 hatten Sozialministerium und Justizministerium über Jahre hinweg äußerst unterschiedliche Erwartungen an das Modell. Diese bestanden insbesondere in Sicherheitsfragen.
Die Meinungsverschiedenheiten und die abweichenden Prioritäten wurden nicht einmal nach der Tat aufgelöst.
2. Im Rahmen des Projekts wurde vonseiten des federführenden Sozialministeriums nie eindeutig geklärt, wer welche Zuständigkeiten und Leitungsaufgaben wahrzunehmen hatte. Auch diese unklare Definition der Verantwortlichkeiten findet sich, wie Punkt 1, im Bericht der Arbeitsgruppe der Ministerien selbst wieder.
Die Konzeption des vom Justizministerium als Vorbild postulierten Heimes in Stutensee wurde nie erreicht. Dies lässt sich an vielen Beispielen sehr deutlich machen. Hier sei nur die Besetzung in der Nacht durch einen Sicherheitsdienst genannt.
3. Weil man seit Jahren dieses Projekt verwirklichen wollte, einigte man sich Ende Juni 2003 auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Viele strittige Punkte zwischen den Ministerien ließ man bei der Konzeption einfach außen vor.
Dennoch verkündete das Sozialministerium bereits am 1. Juli den Start des Projekts zum 1. Oktober 2003. Es blieben also genau drei Monate für die konkrete pädagogische Ausgestaltung und Entwicklung des Projekts, für ein Sicherheitskonzept, für die Rekrutierung von ausreichend geschultem und erfahrenem Personal, für eventuell notwendige Baumaßnahmen, für die eventuelle Einholung von Sachverständigenmeinungen sowie den Aufbau eines wissenschaftlichen Begleitdienstes.
Dies zeigt, welcher massive Zeitdruck durch die Ankündigung am 1. Juli entstanden ist. All diese Fragen wur
Hier war Führung gefragt, Führung der politischen Spitze des Hauses, namentlich der Ministerin Dreyer. Sie hat diese Führung nicht wahrgenommen und daher ihrer Verantwortung nach innen und außen nicht Rechnung getragen.
Diese unter Zeitdruck entstandenen Entscheidungen führten zwangsläufig zu weiteren erheblichen Umsetzungsfehlern:
1. Das Projekt „Heimunterbringung statt Untersuchungshaft“ blieb letztendlich eine unverbindliche Grundkonzeption, die viele offene Fragen und Unklarheiten enthielt.
Das führte dazu, dass mangelnde Sicherheitsstandards als Projektvoraussetzung gegeben waren. Schließlich führte es auch dazu, dass Frau Knoll nicht gerettet werden konnte, sondern erst sieben Stunden später tot aufgefunden wurde.
Wer wird ernsthaft bestreiten wollen, dass ein Mobiltelefon, mit dem Frau Knoll hätte Hilfe rufen können, zur Standardausstattung gehören muss und somit Frau Knoll heute vielleicht noch leben könnte.
2. Falsche Standortentscheidung. Schlussendlich entschied man sich gegen die Favorisierung eines anderen Standorts durch die Fachebene für den Standort Rodalben.
Zu einer freien Entscheidung konnte es indes gar nicht kommen, da mittlerweile aufgrund der widersprüchlichen Rahmenbedingungen und vor allem aufgrund der unterschiedlichen Auffassung der beiden Ministerien weitere Anbieter, die diese unterschiedliche Auffassung gespürt haben, abgesprungen waren.
3. Der Kompromissdruck zwischen den beiden Ministerien in der Entscheidung Gitter kontra Sicherheitsglas, obwohl im Konzept kein Gitter gefordert war, ging zulasten der Projektqualität und der -sicherheit.
4. Es gab kein abgestimmtes Sicherheitskonzept. Auch hierbei setzte man nur auf einen Minimalkonsens. Dieser Minimalkonsens bestand allerdings fast ausschließlich in rein baulichen Maßnahmen.
Hauptmangel war das Fehlen eines abgestimmten Binnensicherheitskonzepts, das letztendlich zu einer hohen Gefährdung des Personals führte.
5. All dies wurde durch eine unprofessionelle Organisation und Ausstattungsplanung begleitet. Es gab keine endgültige Abnahme vor Projektbeginn, weder für die baulichen Maßnahmen noch für die personelle Besetzung.
6. Wirksame Qualitätssicherung fand nicht statt. Hierbei fielen Sozialministerium und Landesjugendamt komplett aus.
Zusammenfassend ist festzustellen, es gab keine ordentliche Vorbereitung, Kontrolle und Begleitung des
Bei einem geführten, qualifizierten und kontrollierten Projekt von Anfang an könnte Frau Knoll noch leben. So unsausgedacht und unvorbereitet durfte das Projekt nie starten, so unqualifiziert und ungeprüft nicht arbeiten.
Sicherheitsmängel waren erkennbar und vermeidbar. So aber wurde der Überfall auf Frau Knoll im Verlauf und in den Folgen begünstigt.
Es liegt ein deutliches Führungsversagen vor. Hierzu stellt sich die Frage. Wer hat diese Führungsschwäche zu verantworten?
3. Nach Artikel 104 unserer Landesverfassung trägt die Ministerin die politische Verantwortung gegenüber dem Landtag. In Artikel 99 unserer Landesverfassung steht unter Abs. 1 weiter: Die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.
Um genau dieses Vertrauen geht es. Vertrauen in eine Ministerin hat etwas mit ihrer Amtsführung zu tun.
Der Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass die Amtsführung erhebliche Defizite aufweist. Ich möchte dies an weiteren konkreten Beispielen aufzeigen.
Bei einem solchen Projekt, das neu installiert wird, mit einem solch schwierigen Klientel, das zur Chefsache erhoben wird, gab es bei der Vorbereitung, Umsetzung und Durchführung nicht einmal ein einheitlich abgestimmtes geltendes Protokoll zu den einzelnen Sitzungen.
Jeder hielt das fest, was er glaubte gehört zu haben, und handelte danach oder tat auch gar nichts, weil sowieso niemand kontrollierte. So etwas darf es nicht geben. Das ist das kleine Einmaleins der Verwaltung. So entstehen natürlich Missverständnisse und Unklarheiten, wer was auszuführen oder zu kontrollieren hat, wie dies auch im Projekt „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“ geschehen ist.
All dies führte dazu, dass dieses Projekt mit hohem Gefährdungspotenzial in einer Baustelle startete. Das Gleiche gilt auch für die Personalbesetzung und -einsetzung. Es war nach wie vor zwischen den Ministerien nicht klar, ob die Türen nachts offen oder geschlossen sein sollten. So kam es, dass eine Berufsanfängerin mit 26 Jahren nachts allein mit unzureichenden Sicherheitsmöglichkeiten ihren Dienst versah. Sie war den späteren Tätern allein ausgesetzt ohne wirksame Schutzvorkehrungen mit den bekannten schwer wiegenden Folgen.
Eine verantwortliche und kompetente Amtsführung verlangt als Mindestanforderung, dass man seine Pflichten kennt. Nicht einmal dies war und ist bei der Ministerin der Fall gewesen. Frau Ministerin, was uns wirklich nachdenklich gestimmt hat, sind die folgenden drei Aussagen von Ihnen:
1. Am 5. Dezember 2003 haben Sie im Sozialpolitischen Ausschuss ausgeführt: „Wir haben die Heimaufsicht über diese Einrichtung.“ Später haben Sie sich von dieser Aussage distanziert. Sie hatten 14 Tage nach der Tat immer noch keinen Überblick über die Verantwortlichkeiten und Zusammenhänge bei diesem Projekt, einem Projekt, das Chefinnensache war.
2. Am 25. November 2003 werden Sie in der „Rheinpfalz“ wie folgt zitiert: „Bei den Heimbewohnern handelt es sich um Jugendliche, die nicht durch Gewaltbereitschaft aufgefallen sind.“
Dies zeigt, dass Sie auch nach der Tat keine reelle Einschätzung der Gefährlichkeit der dort von der Staatsanwaltschaft eingewiesenen Jugendlichen hatten. Von den Sachverständigen hingegen ist aufgezeigt worden, dass es sich hierbei um Jugendliche gehandelt hat, die zu Gewaltbereitschaft neigen. Auch das Landesjugendamt wusste dies. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Aussage von Herrn Gilles im Untersuchungsausschuss.
3. Die Ministerin hat die ihr zugetragenen Informationen auch nach der Tat nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Dies lässt sich mit ihrer Äußerung im Sozialpolitischen Ausschuss vom 5. Dezember 2003 belegen, „dass ein Professor der Verstorbenen in diesem Zusammenhang dem Einrichtungsleiter geschrieben hat, dass er persönlich der Auffassung ist, dass Frau Knoll für die Tätigkeit mit diesen Jugendlichen durchaus geeignet war.“
Wie wir heute alle wissen, entsprach dies nicht der Wahrheit. Herr Professor von Wolffersdorff hat nie solche Empfehlungen gegeben, im Gegenteil. Ich darf aus dem Protokoll der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Seite 8, zitieren: „Aber das Berufsanfängern zu überantworten, ist zu riskant.“
Diese drei Beispiele – ich könnte die Liste verlängern – zeigen, dass es kein Vertrauen in Ihre Kompetenz zur weiteren Leitung dieses Ministeriums geben kann. Der Ausgang dieses Projekts ist schlimm. Die Versäumnisse hatten tragische Folgen, genauer gesagt, eine tragische Folge, nämlich den Tod der 26-jährigen Erzieherin. Ein Restrisiko kann man nie ausschließen. Das ist uns allen sehr bewusst. Durch sorgfältige Vorbereitung und Leitung eines solchen Projekts kann man die Gefährdung jedoch entscheidend minimieren.
Frau Ministerin, Sie können sich nicht darauf zurückziehen, Sie hätten keine Eingriffsmöglichkeiten gehabt. Wenn dies der Fall wäre, müsste man sich fragen, weshalb wir Ministerien haben. Außerdem hat Ihr Ministerium die ersten Entscheidungen – Standortentscheidungen sowie Entscheidungen über Zeitablauf und Grundkonzeption – selbst getroffen. Sie waren nicht nur dabei, Sie haben die politische Verantwortung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb fordert die CDU-Landtagsfraktion die Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, Malu Dreyer, auf, von ihrem Ministeramt zurückzutreten; denn sie hat am 5. Dezember im Sozialpolitischen Ausschuss selbst ausgeführt: „Das ist eine uns nachgeordnete Behörde. Das heißt, wir als Ministerium stehen hier natürlich auch in Verantwortung. Dieser Verantwortung stellen wir uns auch, auch ich persönlich.“
Sehr geehrte Frau Ministerin, nehmen Sie hier und heute Ihre politische Verantwortung wahr und treten Sie von Ihrem Amt zurück.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Abgeordneter verfüge ich inzwischen über einen gewissen Erfahrungsschatz in Untersuchungsausschüssen. Dies ist mein fünfter. Doch keiner war emotional so belastend wie dieser, geht es doch um die Frage der Verantwortung für den Tod eines Menschen, der uns alle sehr betroffen gemacht hat. Allein diese Aufgabenstellung hätte es erforderlich gemacht, im Umgang mit diesem Thema das notwendige Fingerspitzengefühl anzuwenden,