Protokoll der Sitzung vom 01.06.2005

Interpretieren Sie mich nicht schon wieder so, dass Sie sagen, Sie haben für Umweltqualität gesorgt, diese sei zu teuer, und die GRÜNEN hätten das alles verteuert. So war es nicht. Sie haben zu einem falschen Zeitpunkt gebaut und sind sozusagen reingezwungen worden. Frau Martini war damals in allen Landkreisen unterwegs und hat gesagt: Ihr sollt und müsst eine Müllverbrennung bauen. – Das war doch damals der große Konflikt auch zwischen der SPD-Fraktion in Rheinland-Pfalz und der SPD-Fraktion in Berlin bzw. in Bonn.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Ich glaube, wir sollten an dem Punkt das Kriegsbeil begraben. Es ist eine gute Perspektive, wenn wir sehen,

dass es in Rheinland-Pfalz gelungen ist, jenseits der Müllverbrennung auch Müll ordentlich und ökologisch zu verwerten. Das schaffen wir jetzt. Das haben nicht die FDP und die CDU geschafft, sondern diesen Weg – das ist die Wahrheit – hat die rotgrüne Bundesregierung aufgemacht.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn wir jetzt kostengünstig und ökologisch richtig den Weg gehen, müssen wir auch bei der Wahrheit bleiben, wer für diesen Weg gesorgt und wer ihn geebnet hat.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache und rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Bericht des Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Konzeption und Umsetzung des Projekts „Heim- unterbringung zur Vermeidung von Untersuchungshaft“ – Drucksache 14/4120 –

Ich erteile dem Berichterstatter und Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Herrn Abgeordneten Marz, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Nach etwa einem Jahr Arbeit legt der Untersuchungsausschuss „Heimunterbringung statt Untersuchungshaft“ seinen Abschlussbericht vor. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen möchte ich die Gelegenheit der Berichterstattung nutzen, um einige Anmerkungen zum Verfahren zu machen.

Zunächst eine ganz allgemeine Anmerkung. Es ist in der Geschichte von Untersuchungsausschüssen nicht selbstverständlich, dass sie zu Abschlussberichten kommen. Das hat dieser immerhin geschafft. Nach 14 Sitzungen, 52 Zeugen und 13 Sachverständigen, die zum Teil mehrfach vernommen wurden, haben wir den Bericht vorgelegt, der Ihnen heute vorliegt.

Ich will noch einmal kurz einordnen, vor welchem Hintergrund dieser Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. Es ging darum, dass im Jugendheim Rodalben die Erzieherin Christina Knoll im November 2003 umgebracht wurde. Anfangs lief das Untersuchungsverfahren parallel zum Strafgerichtsverfahren vor dem Landgericht Zweibrücken, das im Laufe des Jahres 2004 abgeschlossen wurde.

Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich mit Beginn dieses Untersuchungsausschusses wegen der Umstände und des Anlasses, der zu ihm geführt hatte, die Befürchtung hatte, dass möglicherweise ein solches Untersuchungs

verfahren auch in einem Medienspektakel enden könnte. Ich glaube, es ist uns gelungen, das zu vermeiden. Das halte ich für eine wichtige Bemerkung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Untersuchungsausschuss sollte die Abläufe und die möglichen Verantwortlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Tod von Christina Knoll stehen, aufklären. Es war nach dieser grausamen Tat wichtig – es war eine grausame Tat –, mit diesem Untersuchungsverfahren nicht weiteren Schaden anzurichten, sondern die Türen für mögliche Schlussfolgerungen für die Zukunft zu öffnen. Das war sozusagen der Rahmen, in dem wir uns bewegt haben.

Ich komme nun zum Verfahren. Zu Beginn eines Untersuchungsausschusses zieht der Ausschuss die notwendigen Akten bei der Landesregierung, der Staatsanwaltschaft, Gerichten usw. bei. Das haben wir auch getan. Dann wird eine Art Vereinbarung mit der Landesregierung über den Umgang mit diesen Akten geschlossen. Der Untersuchungsausschuss stellt sicher, dass mit diesen Akten mit der notwendigen Sorgfalt umgegangen wird und vertrauliche Akten auch vertraulich behandelt werden. Das heißt, dass sie nicht in die Öffentlichkeit getragen werden und auch nicht in öffentlicher Sitzung behandelt werden.

An dieser Stelle hat sich das erste Problem im Untersuchungsverfahren ergeben. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass Mitte letzten Jahres, als die Landesregierung zu entscheiden hatte, welche Akten vertraulich zu stempeln sind, sich der Verschleiß von Stempeln „Vertraulich“ bei der Landesregierung erheblich erhöht hat. Man hat nämlich sehr viel „Vertraulich“ gestempelt. Das sage ich nicht, weil das möglicherweise ein Ärgernis sein könnte, sondern bezogen auf das Verfahren hat das bedeutet, dass wir an jeder einzelnen Stelle entscheiden mussten, ob wir das akzeptieren oder nicht.

Im Ergebnis war es so, dass die übergroße Mehrzahl der ursprünglich als „Vertraulich“ gekennzeichneten Akten nach einigem Hin und Her öffentlich behandelt werden konnten. Das belegt, glaube ich, die sanfte Kritik, die ich eben geäußert hatte. Es hat aber zu gewissen Verzögerungen geführt, einfach auch deshalb, weil ich als Vorsitzender bei den Beratungen, ob etwas vertraulich ist, die Öffentlichkeit, insbesondere die Medienvertreter immer wieder für ein paar Minuten hinausschicken musste. Das war zum Teil ein zähes Verfahren. Das könnte man in Zukunft vermeiden, wenn eine Landesregierung etwas sorgsamer damit umginge und die Regeln, die es dafür gibt, wann etwas vertraulich ist, auch konsequent beachten würde und nicht über Gebühr „Vertraulich“ stempelt.

Zum Zweiten gab es verschiedene Situationen, in denen der Verdacht aufgetaucht ist, die Akten seien unvollständig. Das konnten wir relativ schnell aufklären. Wenn Sie sich vorstellen, in welchem Umfang dieser Untersuchungsausschuss Akten beigezogen hat, dann ist es natürlich selbstverständlich, dass an der einen oder anderen Stelle auch einmal etwas übersehen werden kann. Das wurde aber auch sehr schnell bereinigt.

Dann gab es einen Vorgang, bei dem Akten auf einem Stuhl im Sozialministerium aufgetaucht sind. Diese Akten sind seitdem unter dem Titel „Akten unbekannter Herkunft“ bezeichnet. Es weiß niemand, wie sie dort hingekommen sind. Ich habe daraufhin veranlasst, dass diese Akten mit den uns vorliegenden Akten verglichen werden. Bis auf wenige Kleinigkeiten waren sie identisch. Wer die dort hingelegt hat, warum er oder sie sie dort hingelegt hat, das war nicht herauszufinden.

Weil ich eben einen kurzen Ton hier gehört habe, noch etwas zum letzten Punkt. Diese Fragen „Unvollständige Akten?“ und „Akten unbekannter Herkunft“ haben das Untersuchungsverfahren nicht beeinflusst, jedenfalls nicht negativ beeinflusst.

Eine vierte Bemerkung zum Thema „Umgang mit Zeugen“. Der Untersuchungsausschuss arbeitet in Anlehnung an die Strafprozessordnung. Das bedeutet, dass die Zeugen zu Beginn ihrer Vernehmung über ihre Rechte und Pflichten belehrt werden und ihnen auch für den Fall, dass sie ihren Rechten und Pflichten nicht nachkommen und nicht wahrheitsgemäß aussagen, Sanktionen drohen, sie vereidigt werden können und ihnen dann noch größere Sanktionen drohen, wenn sie die Unwahrheit sagen.

Das ist ein notwendiger Bestandteil eines solchen Untersuchungsverfahrens. Das bedeutet aber auch – das setzt die Zeugen unter eine besondere Situation; das hat man auch immer wieder spüren können –, dass wir natürlich in einer solchen Situation diesen Zeugen auch mit einem besonderen Respekt begegnen müssen und wir ihm zuhören müssen. Ich habe alle 52 Zeugen – vielleicht als einziges Mitglied dieses Ausschusses – und alle 13 Sachverständigen selbst vernommen. Das ist auch die Aufgabe des Vorsitzenden, dass er damit beginnt. Ich habe mir all das auch angehört, was sie zu sagen hatten. Natürlich ist der eine Zeuge interessanter als der andere nach dem persönlichen Eindruck, aber der Respekt gebietet es, dass wir allen zuhören. Ich hätte mir gewünscht, dass manchmal das Desinteresse nicht so hörbar gewesen wäre.

Wir hatten eine ganz besondere Situation – das will ich an dieser Stelle zum Verfahren auch noch erwähnen –, wir hatten die Vernehmung des Vaters des Opfers, Gundolf Knoll. An dieser Stelle sind im Vorfeld natürlich bei vielen diese Befürchtungen aufgetreten, das könnte nun zu einem großen Spektakel werden, das weder unseren Aufklärungsauftrag noch der Rolle von Herrn Knoll gerecht wird. Ich war sehr dankbar dafür, dass der Ausschuss mir die Möglichkeit gegeben hat, im Rahmen einer verfahrensleitenden Maßnahme vorher mit Herrn Knoll zu sprechen, um herauszufinden, will er sich äußern, und in welcher Weise will er das tun. Das hat es erlaubt, diese Befragung in einer besonderen Weise vorzubereiten. An diesem Tag hat der Ausschuss sehr nah das Geschehen im November 2003 und seine Folgen an sich herangelassen; denn – auch das möchte ich Ihnen jetzt nicht ersparen – wir haben an diesem Tag auch den Obduktionsbericht und den Tathergangsbericht gehört, was dort geschehen ist.

Ich glaube, es ist uns an dieser Stelle gelungen, mit großem Respekt diesem Zeugen – er war formal ein

Zeuge – zu begegnen und ihm auch die Möglichkeit der öffentlichen Äußerung vor einem solchen Gremium zu geben. In dieser Situation muss man natürlich darüber nachdenken, wie man generell mit Verbrechensopfern und ihren Angehörigen umgeht und dass man ihnen auch solche Möglichkeiten geben muss.

Eine fünfte Bemerkung zum Untersuchungsausschussgesetz selbst. Ich glaube, dieses Gesetz hat sich zumindest bei diesem Untersuchungsverfahren im Großen und Ganzen bewährt. Es gibt zwei Punkte, zu denen man in diesem Zusammenhang vielleicht etwas sagen muss.

Der erste Punkt bezieht sich auf die Frage öffentlicher Würdigungen der Beweisaufnahme vor Abschluss derselben. Das Gesetz sagt, dass diese unterbleiben sollen. Ich glaube, das hat auch im Großen und Ganzen ganz gut funktioniert. Wenn ich mir den VISA-Untersuchungsausschuss anschaue, dann ist das dort ganz anders gelaufen. Ich möchte einmal sagen: Realistischerweise – das hätte ich als Vorsitzender nie gesagt, aber heute kann ich das sagen – bewegen wir uns in einem politischen Raum bei einem solchen Untersuchungsverfahren. Dann muss man natürlich auch mit so etwas rechnen. Das lässt sich auch nicht in letzter Konsequenz ausschließen.

Der zweite Punkt zum Untersuchungsausschussgesetz, bei dem ich eine Änderung anrege, ist eine kleine Frage, die die Öffentlichkeit bestimmt nicht so interessiert, aber das Parlament sehr wohl. Das ist die Frage, inwieweit die Wissenschaftlichen Mitarbeiter, die den Abgeordneten zuarbeiten, bei nicht öffentlichen Sitzungen zugelassen werden sollen. Das geht bei uns in Rheinland-Pfalz im Moment nicht. In anderen Parlamenten geht das. Es ist nicht einzusehen, dass das bei uns nicht geht; denn diese Mitarbeiter bekommen Einblick in diese Unterlagen. Sie werden in besonderem Maß auf Vertraulichkeit verpflichtet. Für die Arbeitsfähigkeit eines solchen Ausschusses wäre es angezeigt, dass diese Wissenschaftlichen Mitarbeiter auch zugelassen werden.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch einige wenige persönliche Anmerkungen. Es war für einige natürlich auch eine spannende Frage, wie der Vorsitzende „grüne“ Nichtjurist in diesem Ausschuss mit dieser Situation fertig werden würde. Glauben Sie mir, es war auch für mich zunächst einmal eine spannende Frage. Ich glaube, wir haben uns relativ schnell aneinander gewöhnt. Ich hatte eine Doppelrolle, als Vorsitzender und als einziger „grüner“ Vertreter in diesem Ausschuss. Das ist natürlich noch einmal eine Besonderheit. Ich habe versucht, das zu machen, was ich Ihnen dargestellt habe, Spektakel zu verhindern, Aufklärung zu betreiben, auch das Verfahren fair und zügig zu führen, sodass wir auch zu einem Abschluss kommen. Ich habe mich an die Mitglieder des Ausschusses gewöhnt, ich glaube, sie haben sich an mich gewöhnt. So kamen wir ganz gut miteinander zurecht.

Jetzt komme ich zum Dank, der natürlich sein muss. Er hätte am Anfang stehen können, aber ich möchte ihn lieber am Schluss anbringen. Ich möchte mich zunächst einmal bei meiner Mitarbeiterin Carolin Engelmeier bedanken, die mich in der Fraktion sehr unterstützt hat, beim Wissenschaftlichen Dienst, allen voran Volker

Perne, aber auch Sabine Klockner, Christiane Thiel und Rüdiger Milke für die großartige Unterstützung.

Ich möchte mich bei den Vertretern der Presse bedanken, die natürlich in diesen langen Sitzungen, in diesem langen Verfahren auch sehr lange sitzen mussten und, wie gesagt, auch häufiger einmal hinaus- und auch wieder hereingehen mussten und es mit eingeschränkten Berichterstattungsmöglichkeiten zu tun hatten wegen der Bestimmungen, die ich eben erwähnt habe. Die Presse hat zum großen Teil sehr verständnisvoll darauf reagiert und sehr kontinuierlich die Arbeit des Ausschusses begleitet.

Ich möchte mich bei den Vertretern auch der Landesregierung, insbesondere Hendrik Hering bedanken. Es gab natürlich einige in der Natur und Struktur der Sache liegende Auseinandersetzungen, die wir allerdings, glaube ich, im Ton sehr fair, verträglich und ergebnisorientiert geführt haben.

Ich möchte mich natürlich bei den Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für die Zusammenarbeit bedanken.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz besonders bei den Juristinnen und Juristen im Ausschuss bedanken. Sie haben tapfer so manche Diskussion und manche Maßregelung und Zurechtweisung ertragen. Herzlichen Dank dafür!

Ich möchte mich bei denjenigen bedanken – das habe ich schon in der nicht öffentlichen Abschlusssitzung gesagt –, die in der Süddeutschen Zeitung von vor einem Jahr als die wahren Helden des Parlamentarismus bezeichnet wurden, nämlich bei den Stenographen. Die Stenographen haben eine großartige Arbeit geleistet und mussten zum Teil bis in die späten Abendstunden mit uns ausharren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte ich beim Dank jemanden vergessen haben, sehen Sie es mir nach.

Mit dieser Rede ist der eine Teil meiner Doppelrolle beendet, nämlich die des Vorsitzenden. In etwa einer Dreiviertelstunde, schätze ich, werde ich dann die des Mitglieds der GRÜNEN bei den Würdigungen übernehmen.

Ich danke Ihnen. (Beifall im Hause)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses ganz herzlich.

Das war ein gutes Stück Arbeit. Das ist deutlich geworden. Die Sitzungsrhythmen sprechen für sich, Respekt.

Ich denke, der Vorsitzende, die Abgeordneten, die in diesem Ausschuss waren und denen Sie alle gedankt haben, verdienen den Dank des gesamten Parlaments.

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses war dringend notwendig. Niemand kann das heute mehr bezweifeln.

Heute legen wir die Ergebnisse und unsere politischen Bewertungen vor. Der Untersuchungsausschuss hat viele Details und Informationen zutage gefördert.

Leider zeigt sich bei der Gesamtschau der Ergebnisse, dass die junge 26-jährige Berufsanfängerin, Frau Knoll, nicht hätte sterben müssen, wenn das Projekt „Heimunterbringung statt Untersuchungshaft“ sorgfältig und kompetent vorbereitet, konzipiert und umgesetzt worden wäre.