Protokoll der Sitzung vom 06.07.2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal muss ich sagen, ich bin froh, dass die Jäger heute unbewaffnet sind. So heftig, wie die Debatte hier ausgetragen wird, weiß man nie, welche Jagdunfälle passieren könnten.

Die Frage, die wir uns stellen, ist doch zumindest vom Ziel her relativ klar: Wie schaffen wir es, dass es in Rheinland-Pfalz weniger Wildschweine gibt? – Es scheint zu viele zu geben. Das ist unstrittig. Es werden viel mehr geschossen als früher. Man kann also nicht nur sagen: Esst mehr Wildschweine. – Das allein reicht noch nicht. Es werden viel mehr geschossen als früher. Dennoch gibt es immer mehr. Das heißt, wir haben einen Handlungsbedarf. Der Handlungsbedarf liegt natürlich da, wo die Wurzel des Übels liegt, in der Fütterung der Wildschweine. Ich sage bewusst Fütterung und nicht Kirrung der Wildschweine, weil – Herr Billen, Sie haben das Beispiel genannt – manche, und wenn es nur schwarze Schafe sind, wie man sie so schön nennt, tonnenweise Futtermittel in den Wald kippen, um Schwarzwild zu füttern. Die Zahlen, die Frau Ministerin genannt hat, mögen umstritten sein, waren aber sehr beeindruckend.

Im Umweltausschuss wurde eine Zahl genannt, die mich fast umgehauen hat, nämlich dass pro erlegter Sau 150 Kilogramm Futter im Wald ausgebracht werden. Da kann ich eine Schweinemast aufmachen. Herr Billen, das wissen Sie auch. Damit bin ich erfolgreicher.

(Heiterkeit bei der FDP)

Wenn diese Zahl auch nur annähernd stimmt, dann ist der Handlungsbedarf natürlich sehr groß.

Natürlich müssen die Kirrautomaten aus dem Wald. Meine Fraktion hat mich heute schon des Öfteren gefragt, wie ein Kirrautomat funktioniert: Haben die einen Euro dabei, muss man den einwerfen und es kommt Futter heraus?

(Mertes, SPD: Jetons!)

Nein. Wenn es so wäre, dann wäre es nicht so gefährlich. Das Futter kommt immer, egal, ob man einen Euro einwirft oder nicht. Das ist gerade das Problem dabei. Wir wollen im Wald keine Dauerfutterstellen haben. Deswegen ist es durchaus richtig, wenn die CDU vorschlägt, die Kirrautomaten abzuschaffen. Das ist aber nur ein Punkt.

Das Zweite ist, dass nicht nur mit den Automaten gekirrt wird, sondern auch auf andere Art und Weise. Wenn man dies weiß, ist es wichtig, dass es unterbunden werden kann. Darum reden wir hauptsächlich über den Weg, wie es unterbunden werden kann.

Ich habe das letzte Mal auch gesagt, ich bin gar kein so großer Freund von diesen Karten, in denen eingezeichnet werden soll, wo die Kirrstellen sind. Sie argumentieren – vielleicht auch zu Recht –, dass die Kirrstellen sich ändern, vielleicht nicht ganz so häufig, wie die CDU das sagt. Aber natürlich werden sie sich ab und zu einmal ändern.

Meine Damen und Herren, nur die Frage ist doch, wer wen anzeigt. Genau das haben Sie gesagt: Warum zeigen die Jäger nicht ihre schwarzen Schafe an. Sie wissen es doch genau. Die Jäger wissen doch am besten Bescheid. Die Verpächter wissen auch am besten Bescheid. Die halten sich natürlich zurück, und zwar aus bestimmten Gründen. Die Verpächter haben im Moment einen bestimmten Druck auf die Jagdpacht, das heißt, es gibt nicht so viele Jäger, dass diese sich um die Jagdpacht streiten, also ist die Stellung der Jagdverpächter nicht sehr stark.

Die Jäger untereinander? – Mein Gott, ich verstehe es, dass es nicht unbedingt immer klappt, dass der eine den anderen anzeigt und sagt, der hat einen ganzen Hänger Mais, Grassilage oder sonst etwas in den Wald bringen lassen. Es klappt auf diese Art und Weise nicht.

Vielleicht ist es nicht der Königsweg, wie dies die Regierung vorschlägt. Aber wenn diese Karten nicht an die untere Jagdbehörde gehen – das habe ich in der Anhörung immer wieder betont –, sondern an die Forstbehörde, dann haben wir durchaus eine Chance. Dann haben wir zumindest eine Chance, dass diejenigen, die ein Interesse daran haben, dass nicht so viel Wild im Wald

ist – dies gilt auch für das Rotwild –, kontrollieren können. Es hat keinen Sinn, solche Karten zu zeichnen und an die unteren Jagdbehörden zu geben, weil das die Kommunalbehörden sind. Da liegen sie. Dass die Karten dort liegen, nützt uns natürlich auch nichts, sondern es muss eine Kontrolle stattfinden, weil das Gesetz allein noch keine Umsetzung garantiert.

Ich habe es erklärt, weil ich mir erhoffe, dass es einen Effekt hat. Deswegen stimmen wir diesem Gesetz zu, weil wir sagen, es muss etwas geschehen, und die Hoffnung haben, dass es einen Effekt hat. Da setzen wir viel Hoffnung auf die Verordnung, dass die Ministerin das auch überprüft und uns einen Bericht geben kann, wie die Verordnung tatsächlich greift. Diese Hoffnung veranlasst uns eben dazu, dass wir dem Gesetz zustimmen, auch wenn wir vom Verfahren her schon kritisiert haben, wie dies läuft. Aber wir denken, die Gefahr der Schäden einerseits bei den Bauern, aber andererseits auch die Pestgefahr ist so groß, dass wir handeln müssen.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt selten vor, dass ich Herrn Kollegen Braun voll und ganz zustimmen muss.

(Vereinzelt Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber in diesem Fall bleibt mir einfach nichts anders übrig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Landesgesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes enthält zwei Bestimmungen mit besonderer Bedeutung: Erstens die Fütterung des Schalenwilds sowie die Kirrung des Schwarzwilds sind verboten. Zweitens, das fachlich zuständige Ministerium wird zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, in der Ausnahmeregelungen für Fütterung und Kirrung getroffen werden.

Meine Damen und Herren, die CDU stellt – das ist ihr gutes Recht – den Antrag zu einer Anhörung. Dann haben wir den Termin festgelegt, was auch vollkommen gesetzeskonform ist. Danach ist diese Anhörung durchgeführt worden.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, für mich war die Anhörung, obwohl sie eigentlich mit dem Landesjagdgesetz nichts zu tun hatte – – – Als Vorsitzender des Umweltausschusses hätte man nach jedem zweiten, dritten Satz einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen müs

sen, weil im Grund genommen nur über den Verordnungstext diskutiert wurde, Herr Kollege Billen.

Es war schon teilweise hanebüchen, was vorgetragen wurde. Für mich persönlich war es unter dem Strich dennoch sehr lehrreich, weil ich die Probleme in dieser Form nicht kannte. Ich selbst bin in meiner Gemeinde Jagdvorsteher und habe überhaupt kein Problem mit Jägern, Grundstücksbesitzern, Bauern usw.

Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass nur sehr wenige, nämlich der Vertreter des Landesjagdverbandes und die junge Dame, deren Namen ich vergessen habe, praktisch das Gleiche vorgetragen haben wie Sie. Alle anderen, die Bauernverbände – – –

(Zuruf der Abg. Frau Schneider, CDU)

Moment, Frau Kollegin. Vom Vertreter des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Herrn Kappesser, bin ich auch eines Besseren belehrt worden. Heute hat mich ein Brief von Herrn Schatt erreicht. In seiner Aussage ist dieser vollkommen identisch mit der Aussage von Herrn Blum. Herr Kappesser hat als Jäger also seine persönliche Meinung vorgetragen. Herr Schatt hat die Meinung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd nachgereicht.

Herr Kollege Billen, die Vertreter der Landwirtschaftskammer, des Waldbesitzerverbands usw. waren also der gleichen Meinung.

(Billen, CDU: Wo ist denn der Brief?)

Der Brief wurde heute von den Mitarbeitern der Landtagsveraltung verteilt. Ich werde Ihnen den Brief gleich geben. Frau Ministerin Conrad hat ihn übrigens auch. Man muss also wissen, über was man redet.

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, wir sollten das Thema nicht so hoch ansiedeln. Wir werden den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form verabschieden. Die Koalitionsfraktionen haben in einem gemeinsamen Antrag vorgeschlagen, den Weg für eine Optimierung der jagdlichen Ausbildung zu öffnen. Auch das wurde von meinen Vorrednern bereits angekündigt. Die Regierungsfraktionen haben sich hinsichtlich der Verordnung auf eine Evaluierung verständigt. Nach drei Jahren soll überprüft werden, wie sich beispielsweise die Kartierung entwickelt hat.

Über eines sind wir uns doch alle im Klaren: Letztlich geht es doch um die schwarzen Schafe. Wir sollten die Gelegenheit nutzen, das so zu praktizieren, wie es vorgeschlagen wurde. Nach drei Jahren sollten wir uns noch einmal zusammensetzen. Ich kann Ihre Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Außerdem habe ich mich gewundert, dass bei der Anhörung nicht der umwelt- und forstpolitische Sprecher Ihrer Fraktion anwesend war, sondern Sie anwesend waren. Insofern ist eine gewisse Lobbyarbeit von Ihrer Seite sehr stark erkennbar.

(Zuruf der Abg. Frau Schneider, CDU)

Meine Damen und Herren, ich denke, es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Wir werden dem Landesjagdgesetz in der vorliegenden Form zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort hat Frau Ministerin Conrad.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es nicht so ernst wäre, dann würde ich sagen, dass diese Debatte einen enormen Unterhaltungswert hat. Dennoch ist die Frage sehr ernst. Es gibt eindeutig Handlungsbedarf aus der Sicht der Landesregierung, aber auch aus der Sicht fast aller Grundstückseigentümer, die Sie versucht haben, für sich zu reklamieren, Herr Billen. Es geht um alle Grundstückseigentümer, um Bauern, Winzer, Waldbesitzer und Gemeinde- und Städtebund. Alle sind der Meinung, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht. Deshalb findet das Vorgehen Zustimmung, einen Gesetzentwurf einzubringen und eine entsprechende Verordnung vorzulegen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Um es einmal deutlich zu sagen: Es gibt schönere Politikfelder. Es gehört aber nicht zu meinen Aufgaben, bei Problemen in einer ersten Reaktion sofort mit Gesetzen oder Verordnungen zu reagieren. Die erste Stufe war ein Zwölf-Punkte-Programm, das gemeinsam mit dem Landesjagdverband erarbeitet worden ist. In diesem sind die Ziele, die Sie heute so vehement bekämpfen, einvernehmlich mit den Jägerinnen und Jägern sowie dem Landesjagdverband vereinbart worden, im Übrigen in einer strengeren Fassung, als sie heute die Kirrverordnung darstellt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Mittlerweile hat sich einiges getan. Wir haben nach wie vor dramatisch hohe Wildschweinbestände. Auch die relativ hohen Strecken, die wir in den vergangenen Jahren zu verzeichnen hatten, können nicht auf einen Rückgang der hohen Wildschweinbestände hindeuten. Um die Dramatik noch einmal deutlich zu machen: In den vergangenen 25 Jahren haben wir nach unserer Einschätzung mindestens eine Verdreizehnfachung der Wildschweinbestände in Rheinland-Pfalz zu verzeichnen. Die Schäden vor Ort gehen in die Millionen. Die Proteste werden immer größer. Im Übrigen steigt auch die Anzahl der Verkehrsunfälle. Auch deshalb besteht ein dringender Handlungsbedarf.

Die Schweinepest ist ein Thema, dem wir uns in Zukunft nicht entziehen können. In drei bis fünf Jahren werden wir maximal die Immunitätslage der Wildschweine wie vor der Impfung haben. Das heißt, die Wildschweine sind für jeden Schweinepestvirus so empfänglich wie vor der Impfung. Wir haben für die Impfung über

16 Millionen Euro in die Hand genommen, um gesunde Wildschweinbestände zu schaffen. Wir werden das dauerhaft nur dann erreichen, wenn die Bestände dezimiert werden. Das ist ein Grund dafür, dass der Futtereintrag endlich massiv und konsequent reduziert wird.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zu diesem Thema sind wir uns mit nahezu allen Fachleuten in der Bundesrepublik einig. Diese Probleme gibt es vor allen Dingen in der Eifel. Deswegen haben Sie sehr wohl ein Problem innerhalb der CDU-Fraktion. Bei insgesamt 87 Betrieben haben wir über 20.000 Schweine gekeult. Ist das nicht eine Frage, die auch berücksichtigt werden muss, wenn man sich angeblich nur für die Jagd ausspricht?

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir können und wollen nicht zulassen, dass wir uns in kurzer Zeit wieder über für bäuerliche Betriebe existenzgefährdende Keulungen unterhalten müssen. Deswegen wollen wir ein Gesamtkonzept. Eines ist auch klar: Wir wissen selbst, dass viel mehr dazu gehört. Deswegen haben wir geimpft und Anreize geschaffen. Deshalb kommt die Kirrverordnung. Deswegen haben wir uns auf alternative Jagdstrategien verständigt, die genauso notwendig sind, damit man Erfolg hat.