Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist eine Kernaufgabe für das Land. Deswegen ist es nicht nur legitim, sondern auch gut, dass darüber diskutiert, wenn es notwendig ist, auch gestritten wird. Aber in den letzten Tagen und Wochen hätte ich mir schon

manchmal gewünscht, dass dies auf einer sachlichen Grundlage geschieht und alle, die sich an der Debatte beteiligen, sich auch realistisch mit der Situation auseinandersetzen.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Die amtliche Schulstatistik ist die Zusammenfassung von Ergebnissen aus 1.700 Schulen des Landes. In den Schulen werden die Ergebnisse erhoben. Wie sie zu erheben sind, ist in Verwaltungsvorschriften festgelegt, die, wie Sie wissen, zum Teil noch aus den 80er-Jahren stammen, die dann weiterentwickelt, aber mit allen besprochen worden sind. Dann wird mir plötzlich Schönrechnerei vorgeworfen.

Noch einmal: Die Zahlen werden von den Schulen erhoben. Ich frage mich, an wen Sie Ihre Vorwürfe richten, wenn Sie von Schönrechnerei reden.

(Beifall bei der SPD)

Ich kenne kaum ein Land in der Bundesrepublik Deutschland, in dem ein solcher Aufwand für die Schulstatistik betrieben wird wie in Rheinland-Pfalz. Wir veröffentlichen nicht nur die landesweiten Zahlen pro Schulart. Das Parlament bekommt im Dezember eine komplette Liste mit der Unterrichtsversorgung von 1.700 Schulen im Land. Sie bekommen alle Informationen zur Verfügung gestellt.

(Harald Schweitzer, SPD: Die lesen doch nicht!)

Sie können mit diesen Informationen arbeiten. Wir tun dies aus der festen Überzeugung, weil wir sagen, das ist ein wichtiges Thema. Uns dann aber vorzuwerfen, es würde irgendetwas vorenthalten, kann ich wirklich nicht mehr nachvollziehen,

(Beifall der SPD)

es sei denn, der Wunsch besteht, für 35.000 Vollzeitlehrerstellen bzw. 40.000 Lehrkräfte sozusagen tagtäglich festzuhalten, wer dort welchen Unterricht gibt und das in einer statistischen Veröffentlichung zu bündeln. Da haben Sie aber kein Planungswissen mehr. Da haben Sie letztlich eine Datenwüste, die Sie für Planung überhaupt nicht benutzen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben 98,4 % Versorgung erreicht. Ich lese auch Zeitungen aus anderen Bundesländern. Ich hatte das Gefühl, wir haben das eigentlich wieder ganz gut hinbekommen.

(Beifall der SPD)

Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich vor allen Dingen Schulen und Schulaufsicht.

Wir haben das in einer zugegebenermaßen nicht einfachen Situation auf dem Lehrerarbeitsmarkt hinbekommen. Daran kann man überhaupt nicht vorbeireden. Es gibt bundesweit in bestimmten Fächern einen Mangel. Das betrifft insbesondere Physik, Informatik, Mathematik, Musik, Bildende Kunst, um einige Beispiele zu nen

nen. Ich sage aber auch: Da das nicht neu ist, haben wir im Land darauf reagiert, und wir haben gehandelt.

Wir haben Seiteneinsteiger eingestellt. Wir haben Quereinsteiger in den Vorbereitungsdienst übernommen. Wir haben die Seminarkapazitäten – man höre sich das an – seit Anfang der 90er-Jahre mehr als verdoppelt. Die Kapazitäten sind heute doppelt so hoch wie damals, und wir machen weiter. Mit dem Haushalt kommen 355 neue Stellen für Anwärterinnen und Anwärter hinzu. Wenn das keine Schwerpunktsetzung ist, frage ich mich, was Schwerpunktsetzung ist.

(Beifall der SPD)

Frau Brede-Hoffmann hat schon darauf hingewiesen: Wir haben einen deutlichen Anstieg bei den Lehramtsstudierenden. Die Zahlen sind in den letzten Jahren massiv angestiegen. Ich nenne einmal die Studierenden im ersten Fachsemester: 3.700 im vergangenen Studienjahr. Das sind 1.700 mehr Studienanfänger als im Jahr 2000. Da kann doch nun wirklich nicht die Rede davon sein, dass für junge Menschen der Lehrerinnen- und Lehrerberuf nicht attraktiv sei bzw. das Land Rheinland-Pfalz abschrecken würde; denn sonst sind diese Zahlen schlichtweg nicht erklärbar.

Dann kommt hinzu, sie studieren nicht immer in den Fächern, in denen wir es gerne hätten.

Aber Frau Morsblech, da frage ich gerade auch Sie, was ist an dieser Stelle Aufgabe des Staates? Aufgabe des Staates kann es doch nur sein, den jungen Menschen alle Informationen zur Verfügung zu stellen, wo zukünftig Bedarf entsteht. Das tun wir jährlich. Jährlich sagen wir aus unserer Sicht „in folgenden Lehrämtern“, „in folgenden Fächern“. Aber viel weiter gehende Planungsinstrumentarien stehen uns gar nicht zur Verfügung.

Ich warne auch davor, dass der Staat Studierendenströme an dieser Stelle lenkt; denn die jungen Menschen müssen letztlich das, was sie studieren, auch mögen. Sie müssen es auch wollen. Sie müssen diese Aufgabe auch annehmen.

(Beifall bei der SPD)

Was wir tun können, ist, den jungen Menschen richtige Signale geben. Da nehme ich schlichtweg für das Land Rheinland-Pfalz in Anspruch, dass wir das Land sind, das dies vorbildlich getan hat, übrigens manchmal in ganz schwierigen Debatten mit der Opposition, weil wir nämlich schon in den 90er-Jahren angefangen haben, mittelfristige Planungen zu machen und nicht auf jeden Spitzenbedarf zu reagieren. Wir haben gesagt, oberstes Gebot für diese Landesregierung ist ein kontinuierlicher Einstellungskorridor, den wir jetzt haben. Über 1.500 junge Menschen sind in den letzten Jahren jedes Jahr neu in das Lehramt übernommen worden.

Wir haben heute die günstigste Altersstruktur bundesweit. Ich meine, das ist ein beachtlicher Erfolg einer kontinuierlichen Politik.

(Beifall der SPD)

Natürlich lautet auch unser Anspruch für die Zukunft, eine vernünftige Planung vorzunehmen. Selbstverständlich haben wir nicht irgendwie geschaut und gesagt, wir können einmal 240 Stellen oder 220 Stellen oder was auch immer in den Haushalt schreiben, sondern selbstverständlich liegt dem eine Planung für die nächsten Jahre zugrunde. Selbstverständlich ist die Landesregierung auch jederzeit bereit, diese Planung transparent zu machen, wenn sie danach gefragt wird und wenn es ein Interesse an den entsprechenden Planungsgrundlagen gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns weiter anstrengen. Das sage ich gerne an dieser Stelle. Wenn man sich bei Bildungspolitik nicht anstrengt, fällt man zurück. Deshalb werden wir uns auch in den nächsten Jahren anstrengen. Ich wäre sehr, sehr glücklich, wenn wir das mit einem ähnlich guten Ergebnis wie in den vergangenen Jahren erreichen würden.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Keller das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, wie die Frau Ministerin – ich sage das bewusst – wieder einmal argumentiert hat. Sie ist auf einen Großteil der vorgebrachten Argumente gar nicht eingegangen. Sie ist auch nicht auf die Zahlen eingegangen. Also kann man wirklich behaupten, sie wurden nicht dementiert. Es fehlen demnächst 1.000 Vollzeitlehrerstellen!

(Hartloff, SPD: Sie behaupten doch ohnehin das, was Sie wollen!)

Jetzt hat sie fast Krokodilstränen vergossen, weil sie viel getan habe, was aber nichts genutzt hat. Man könne die Jugend nicht so steuern. Natürlich muss der Staat steuernd eingreifen. Wenn er erkennt, dass Lehrermangel vorprogrammiert ist, muss er die Rahmenbedingungen verbessern. Das haben Sie nicht getan.

(Beifall der CDU)

Im Gegenteil, Sie haben die Rahmenbedingungen verschlechtert. Ich habe einige Beispiele genannt, wie die Absenkung der Referendargehälter und jetzt die kontraproduktiv wirkende Planung, die Eingangsbesoldung für drei Jahre für mehrere Lehrämter um eine Stufe abzusenken.

Wer trotz des akuten Lehrermangels, den Sie zugegeben haben, bei dem Sie aber auf andere Bundesländer verweisen – dieser Lehrermangel wird sich noch verschärfen –, als einziges Bundesland die Einstellungsbedingungen so massiv verschlechtert und dadurch billigend in Kauf nimmt, dass die dringend benötigten Junglehrer abwandern, die von anderen Bundesländern mit offenen Armen aufgenommen und zu besseren Bedin

gungen eingestellt werden, handelt nicht nur fahrlässig, sondern der handelt verantwortungslos im Hinblick auf unsere Kinder.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Diese Landesregierung, dieser Ministerpräsident, der leider nicht anwesend ist,

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

bringen rheinland-pfälzische Schüler um ihre Bildungschancen und damit auch um ihre Zukunftschancen. Das werden wir nicht zulassen!

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte ist an dieser Stelle leider nicht mehr steigerungsfähig. Deshalb nehme ich mir dieses Ziel auch gar nicht erst vor.

Da aber auch meine Fraktion angesprochen wurde, lassen Sie mich noch einmal kurz auf den Bereich sogenannter Mangelfächer, insbesondere auf die Mathematik und die Naturwissenschaften, eingehen.

Frau Ministerin, wenn man in dem Zusammenhang diskutiert, was Aufgabe des Staates ist und inwieweit wir steuernd eingreifen dürfen oder nicht, ist das meiner Meinung nach eine Frage, die man sich sehr genau überlegen muss; denn die Verantwortung des Staates fängt schon da an, wo es darum geht, genügend Menschen in den Schulen zur Verfügung zu stellen, die sich für diese Dinge begeistern und diese Begeisterung auch herüberbringen können.

(Beifall der FDP)

Wenn uns das nicht gelingt, wird sich diese Schleife fortsetzen. Deshalb muss man sich Gedanken über Einstellungskorridore und über die Plätze, die man vorhält, hinweg machen, inwiefern man künftig für diese Dinge Anreize schaffen kann, damit sich mehr Menschen motiviert fühlen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wie denn?)