Ich will Ihnen einmal etwas erzählen, fast privat. Mein älterer Bruder war in Rheinland-Pfalz im Staatsdienst.
Als er eingestellt worden ist, hat ihn ein späterer Justizminister der CDU gefragt: Sie sind ja wohl nicht in einer Partei, oder treten sie doch in die CDU ein? Dann könnte das gehen.
Ich habe das noch nicht erzählt. Es ist lange her, aber es ist sehr gut, dass diese Zeiten in Rheinland-Pfalz nicht mehr so sind, meine Damen und Herren.
(Zurufe der Abg. Bracht und Frau Kohnle-Gros, CDU – Ramsauer, SPD: Ihr stellt das auch noch auf den Kopf!)
Ein solcher Rechtsstreit ist für die beteiligten Personen – ob das Herr Graefen ist, der legitim seine Rechte wahrt, oder ob das Herr Bartz ist, der nichts dafür kann, dass er in einen solchen Rechtsstreit hineingezogen ist – immer sehr belastend. Das ist überhaupt keine Frage. Aber das Bundesverwaltungsgericht hat beileibe nicht entschieden, dass die Stelle jetzt statt mit Herrn Bartz mit Herrn Graefen besetzt ist oder zu besetzen ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein neues Ausschreibungsverfahren durchgeführt wird. Es ist interessant, dass Herr Dr. Rosenbauer weiß, was das Bundesverwaltungsgericht darf oder nicht darf. Aber das können wir an anderer Stelle sicher vertiefen, Herr Dr. Rosenbauer.
Es wird also ein neues Besetzungsverfahren mit allen Mühen durchgeführt. Die Hinweise der Gerichte werden beachtet. Aber was ich auch nicht gut finde, es liegt in der Natur der Sache, dass die obersten Gerichte immer die Entscheidungen von vorgelagerten Gerichten übertreffen und der „Ober den Unter sticht“ und das zu akzeptieren ist.
(Bracht, CDU: Dann tun Sie es doch auch! Sie akzeptie- ren es ja nicht! – Noss, SPD: So ein dummes Zeug!)
Aber dann zu reden, dahinzufaseln und, wie es Teile auch der Ziviljustiz in Rheinland-Pfalz im Koblenzer Raum machen, den Gerichten, die darüber zu befinden hatten – Verwaltungsgericht, erste Instanz, Oberverwaltungsgericht des Landes Rheinland-Pfalz, zweite Instanz –, vorzuwerfen, dass Sie rein parteiisch entschieden hätten, das höhlt den Glauben in den Rechtsstaat aus, nicht die andere Frage, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Schauen Sie in die Presseerklärungen. Schauen Sie sich an, wie sich manche, die der Justiz angehören, einlassen und welche Leserbriefe es dazu gibt, welche Verantwortung in der Justiz auch getragen haben oder noch tragen.
(Dr. Rosenbauer, CDU: Das hat keiner gesagt! Wer hat das gesagt? – Ramsauer, SPD: Wehner hat dazu „feixende Meute“ gesagt! – Bracht, CDU: Hat das hier jemand gesagt?)
Also, Sie stehen dahinter – das nehme ich zur Kenntnis –, dass die Justiz in erster Instanz, Verwaltungsgericht, und das Oberverwaltungsgericht hier nach Recht und Gesetz entschieden haben und dieses durch eine andere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben wurde, genauso wie Sie das Landesverfassungsgericht durchaus ja auch kritisiert haben für die Entscheidung, die es bei der Frage des Untersuchungsausschusses „CDU-Finanzen“ getroffen hat. Da sind Sie einer anderen Auffassung. Das ist legitim. Das kann man kritisieren. So ist es im Rechtsleben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man unterschiedliche rechtliche Auffassungen vertreten kann, bis durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung feststeht, was man zu beachten hat. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich im vorliegenden Fall gegenüber dem geändert, was vorher da war.
Dass diese Änderung jetzt an diesem Fall der Besetzung der Richterstelle „Präsident des Oberlandesgerichtes Rheinland-Pfalz“ erfolgt ist, und das nach drei Jahren, das ist sicherlich schade für die Sache, dass hier dann so lange Vakanzen wieder neu da sind. Das ist sicherlich auch schmerzhaft für diejenigen, die eine solche Entscheidung zu treffen haben und sie nach bestem Wissen und Gewissen, wie sie der Justizminister getroffen hat, getroffen haben, um eine möglichst gute Besetzung für das Amt zu erreichen, nicht mehr und nicht weniger.
Dafür steht der Justizminister. Deshalb sehen wir auch keinerlei Grund, hier einem Rücktrittsgesuch in irgendeiner Form nachzukommen und dem zuzustimmen. Wir lehnen es ab. Es ist Vorwahlkampf, den Sie jetzt betreiben, und nichts anderes.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hartloff, über den Antrag, den wir hier gestellt haben und zu dem Sie vorhin gesprochen haben, wenn ich es richtig sehe, sind 16 Stimmen bzw. 16 Unterschriften nach den Regeln erforderlich. Es liegen zehn Originalunterschriften meiner Fraktion vor und, wie der Präsident festgestellt hat, 32 der CDU-Fraktion. Ich stelle fest, die Voraussetzungen der Verfassung liegen vor.
(Beifall der FDP und der CDU – Baldauf, CDU: So ist es! – Ministerpräsident Beck: Und was ist mit den anderen?)
Herr Kollege Hartloff, es geht darum, ob die Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Sie sind erfüllt.
Wir diskutieren heute über einen in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaligen Vorgang.
In einigen Wochen wird der ernannte Präsident des Oberlandesgerichts sein Dienstzimmer zu räumen haben, sobald ihm das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugestellt worden ist. Das ist für den Mann sicher bitter, weil er darauf vertraut hat, dass er mit Übergabe dieser Urkunde dieses Amt erlangt hat. Aber dass es so kommt, hat nicht er zu vertreten, sondern der Minister der Justiz dieses Landes.
Mindestens so bitter war es für den unterlegenen Mitbewerber, der über viele Gerichtsinstanzen sein Recht gesucht hat und jetzt vom Bundesverwaltungsgericht seine Berufsehre wiederhergestellt bekam. Auch das hat der Minister der Justiz dieses Landes zu verantworten.
Ich glaube schon, angesichts dessen, was das Bundesverfassungsgericht in einem früheren Beschluss im Jahr 2007 festgestellt hat, und dessen, was das Bundesverwaltungsgericht jetzt festgestellt hat, dass nicht nur Herr Bartz eine Entschuldigung verdient hat, sondern Herr Graefen hätte sie mindestens genauso verdient.
Herr Kollege Hartloff, es stellt sich die Frage: War es vorhersehbar, oder war es nicht vorhersehbar? – Ich gebe Ihnen und auch meinem Nachfolger, Herrn Dr. Bamberger, recht, dass es bis zum Beginn dieses Jahrzehnts eine eindeutige Rechtsprechung gab, dass nach Ablauf des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in zwei Instanzen die Urkunde übergeben werden darf. Aber es hat sich im Laufe dieses Jahrzehnts durch verschiedene Entscheidungen eine andere Rechtslage entwickelt, und diese Rechtslage war zum Zeitpunkt der Entscheidung
Ich will Ihnen auch sagen, weshalb ich so sehr davon überzeugt bin. Ich hatte während meiner Amtszeit einen Fall aus dem Notarrecht, bei dem es um die Übergabe einer Urkunde ging, und der unterlegene Mitbewerber hatte geklagt. Er hatte um einstweiligen Rechtsschutz ersucht und nach zwei Instanzen nicht obsiegt. Daraufhin kam die zuständige Abteilung zu mir und fragte: Was sollen wir jetzt machen? – Er hat in beiden Instanzen verloren. Früher hätten wir die Urkunde jetzt einfach übergeben können. – Daraufhin habe ich gefragt: Wo ist das Problem? – Mir wurde erklärt, das Problem sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005, die zum Notarrecht ergangen war und in der das Gericht festgestellt hat, dass wir in solchen Fällen eine angemessene Frist einzuhalten und zu warten hätten, wenn zumindest angekündigt worden ist, dass Verfassungsbeschwerde eingelegt wird, damit ein angemessener Verfassungsrechtsschutz eingeholt werden kann.