Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Meine Damen und Herren, das wird dann noch in unbestimmten Rechtsbegriffen umschrieben. Sachfremde Aspekte finden in diesen Ausschreibungen Einzug. Dazu sagen wir Nein, ganz eindeutig Nein, meine Damen und Herren.

Ich bin gespannt auf das, was der Wirtschaftsminister dazu ausführt. Herr Hering, wenn Sie als Wirtschaftsminister jetzt in den nächsten drei Monaten in Ihren Wahlkämpfen diesen Aspekt in besonderer Weise zum Thema machen, würde ich mich besonders freuen; denn ein Wirtschaftsminister, der zu einem solchen Gesetz Ja sagt – – –

(Ministerpräsident Beck: Ist ein guter Wirtschaftsminister!)

Ja, weil er ideologische Dinge aus Ihrer Sicht dort hineinpackt.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD: Oh! – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Ja natürlich, überfrachtet – dann lesen Sie es doch – von ideologischen Gesichtspunkten. Wer soll denn die 8,50 Euro festsetzen?

(Ramsauer, SPD: Steht doch im Gesetz! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ihre Tarifpartner nicht mehr.

Im Gesetz steht, dass Sie Kommissionen bilden. Die Tarifpartner sind außen vor. Dort sollen Löhne festgesetzt werden. Dort gehört es hin und nirgendwo anders.

(Beifall des Abg. Bracht, CDU)

Ich habe mir noch einmal angeschaut, was an Bedenken insgesamt kam.

(Frau Raab, SPD: Eiertanz!)

Das sind gar nicht meine Worte, sondern Selbstverständliches steht dort drin. Dafür brauchen wir kein Gesetz.

Kontrollierbarkeit, höchst bedenklich, Abweichungen von Bundesländern, welches Problem dadurch wieder entsteht, wenn Sie in jenem Land diesen Lohn und im anderen Land jenen Lohn festsetzen. Das ist nicht Ihre Aufgabe, es ist Aufgabe der Tarifpartner.

Es ist unklar, welcher Tarifvertrag gilt. Auch das ist nicht geregelt.

(Ministerpräsident Beck: Heute nicht geregelt!)

Die Dynamisierung, mit welcher Kommission wollen Sie das festlegen? Ein Bußgeldkatalog, wie wollen Sie den denn wiederum handhaben?

Meine Damen und Herren, es sind zahlreiche Bedenken in der Anhörung geäußert worden. Ich kann das nur noch einmal alles unterschreiben und sage, dieses Gesetz wird nicht die Zustimmung der CDU finden.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Mohr das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Licht, ich denke, die CDU hat nichts Neues gebracht. Sie haben nichts anderes gemacht, als Ihre Vorurteile weiter gepflegt. Sie sind im Endeffekt Ihrer Endbeurteilung treu geblieben.

Sie haben sich auch nicht sonderlich mit diesem Gesetz auseinandergesetzt, sondern sind ziemlich an der Oberfläche entlanggeplätschert.

(Beifall der SPD – Fuhr, SPD: Noch nicht einmal gelesen!)

Hätten Sie sich mit diesem Gesetz auseinandergesetzt, dann wüssten Sie, dass im Wettbewerbsgesetz heute schon das möglich ist, was wir in § 1 verankert haben.

(Licht, CDU: Wenn es möglich ist, brauchen Sie es ja nicht zu regeln!)

Ich denke, gute Arbeit muss ordentlich bezahlt werden. Darüber sind sich nicht nur die Regierung hier im Land und die SPD-Fraktion einig, sondern mit ihnen immerhin der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung. Über 70 % befürworten sogar einen Mindestlohn von zehn Euro, nicht zuletzt auch, weil die Bevölkerung wahrnimmt – das ist genau das, was Sie machen –, wie unsozial es ist, dass schlecht bezahlte und prekäre Beschäftigungsverhältnisse zunehmen, Herr Licht.

(Bracht, CDU: Tariftreue und Mindestlohn, darum geht es!)

Rund fünf Millionen Menschen arbeiten für Bruttolöhne unter acht Euro.

(Ramsauer, SPD: Skandal!)

Vor dem Hintergrund der 2011 bevorstehenden Ausweitung der Freizügigkeit von Arbeitskräften innerhalb der EU sowie dem generellen Zusammenrücken des gemeinsamen Marktes kommt es insbesondere im Bereich der öffentlichen Vergaben – wir beide wissen, warum – zu starken Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen, die einmal ihren Arbeitskräften das bezahlen, was im Bereich der geltenden Tarifverträge festgeschrieben ist, und anderen Unternehmen, die teilweise deutlich geringere Entgelte zahlen, also Dumpinglöhne, bei denen die Menschen noch nicht einmal mehr von ihrem Einkommen leben können.

Hier verlagert man das Problem einfach auf den Staat. Ich frage mich in diesem Zusammenhang: In welcher Welt leben wir denn eigentlich? – Eine solche Entwicklung kann man doch nicht tolerieren, kann doch von staatlicher Seite auch nicht einfach so laufen gelassen werden.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Warum? Ich muss Sie fragen: Warum sondern wir uns als Bundesrepublik Deutschland zusehends auch von unseren anderen europäischen Nachbarstaaten ab, von denen bereits 20 von 27 Staaten Mindestlöhne haben? – Ich vermisse hier das Engagement der Bundesregierung, die es bislang versäumt hat, sich für einen Mindestlohn einzusetzen.

(Beifall der SPD)

Aber beobachten Sie doch einmal die Landschaft. Der Druck wird zusehends stärker.

Auch der letzte deutsche Juristentag hat ganz deutlich eine Empfehlung hinsichtlich der Einführung von Mindestlöhnen ausgesprochen, wohl wissend, dass niedrige Löhne einen Ballast für das ganze Leben derer darstellen, die diese beziehen und zusätzlich künftige Steueraufkommen nachfragen.

(Licht, CDU: Dann nennen Sie es doch Mindestlohn!)

Ein Niedriglohn schließt konsequenterweise zum Beispiel bei Alters- und Erwerbsunfähigkeit auch eine Mini

malrente an, die dann der Staat wieder aufstocken muss. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein.

(Beifall der SPD)

Bereits fünf Bundesländer haben eine EU-rechtskonforme Neugestaltung ihres Tariftreuegesetzes vorgenommen. Das letzte Bundesland war das Saarland, und vier weitere haben ein Gesetz in Vorbereitung. – Ich müsste mich täuschen, wenn das Saarland nicht von einem Ministerpräsidenten der CDU und von einer Jamaika-Koalition regiert würde, an der auch die FDP beteiligt ist. Mehr als zwei Drittel aller Bundesländer hätten neue Tariftreuegesetze, wenn die anderen verabschiedet würden. Ich muss Ihnen sagen, für mich ist das ein eindeutiger Beweis dafür, dass wir mit unserem Tariftreuegesetz auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der SPD – Licht, CDU: Berichten Sie doch einmal aus der Anhörung!)

Sie reden immer von Tarifautonomie. Aber Sie müssen sich auch einmal vor Augen halten, dass sich immer mehr Unternehmen der Tarifbindung entziehen. Es sind nur noch 36 % der Unternehmen, die sich einer Tarifbindung stellen. Das ist doch traurig.

Nach dem Rüffert-Schock, den auch wir zu überwinden hatten, haben wir nun eine EU-rechtskonforme Novellierung unseres Tariftreuegesetzes vorliegen, bei der wir den ursprünglichen Ansatz weitestgehend erhalten und fortgeführt haben und mit der wir die Spielräume ausgenutzt haben, die uns von der EU in Bezug auf die EUVerordnung Nr. 1370 vorgegeben wurden. Wir wollen faire Arbeitsbedingungen bei allen öffentlichen Aufträgen sichern und Kontrollmöglichkeiten für die Kommunen haben.

Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, müssen sich künftig je nach Branche an Tarifverträge halten oder einen vergabespezifischen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Wer dies nicht erfüllt, ist von einer Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen. Damit stellen wir uns deutlich gegen Lohndumping und fördern Unternehmen, die ihren Beschäftigten einen fairen und auskömmlichen Lohn bezahlen.

(Beifall der SPD – Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Herr Licht, ich kenne den Vorwurf der Bürokratie oder des bürokratischen Monsters, der in der Anhörung zu hören war. Das will ich gar nicht leugnen. Aber um dem entgegenzutreten, haben wir Mustererklärungen eingeführt. Man kann bei der Angebotsabgabe auf eine Mustererklärung zurückgreifen, mit der man angibt, welcher Tarifvertrag angewendet wird bzw. dass man ein Mindestentgelt zahlt. Ich denke, dies muss ein Unternehmen schon leisten können, zumal es auch noch eine Servicestelle gibt, die in Bezug auf Tarifverträge berät.

(Zuruf von der CDU: Und wer kontrolliert das?)

Die Kommune kann kontrollieren. Wenn es das Arbeitnehmerentsendegesetz oder das Mindestarbeitsbedingungengesetz betrifft, wäre der Zoll zuständig.

(Zuruf von der CDU: Kann oder muss sie kontrollieren?)

Sie kann. Sie muss nicht, sondern im Gesetz steht, sie kann.