Ich möchte noch eines sagen. Es gibt auch andere Länder, die das Tariftreuegesetz schon haben oder vielmehr hatten. In Sachsen-Anhalt wurde es nach einem Jahr abgeschafft.
Das nordrhein-westfälische Tariftreuegesetz wurde wegen erheblicher Mängel bei der Durchführung und erwiesener Wirkungslosigkeit abgeschafft. Sie können also nicht von den großen Erfolgen der Landestariftreuegesetze reden, die es gibt.
Ich möchte noch eine letzte Anmerkung machen. Es ist auch rechtlich bedenklich, ob eigentlich ein Land mit seiner Länderkompetenz einen Mindestlohn festlegen kann. Das ist letztlich eigentlich Sache des Bundes in der Gesetzgebung.
Vor dem Hintergrund dieser Probleme und dieser erheblichen Bedenken werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz ist notwendig, richtig und muss eingeführt werden, auch deswegen, weil sich die Bundesregierung weigert, einen Mindestlohn in Deutschland zu regeln und dafür zu sorgen, dass ein Mindestlohn flächendeckend eingeführt wird. Deswegen ist es notwendig, dass die Länder handeln und mit Tariftreuegesetzen in ihren Gestaltungsmöglichkeiten dafür sorgen, dass Menschen für gute Arbeit einen anständigen Lohn bekommen.
Wir sind ein wirtschaftlich erfolgreiches Bundesland. Im ersten Halbjahr 2010 haben wir mit 4,5 % das dritthöchste Wirtschaftswachstum in Deutschland gehabt. Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosigkeit. Wir sind froh, dass bei uns die allermeisten Menschen einen Arbeitsplatz haben, dass viel weniger von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die Menschen leisten hervorragende Arbeit, auch die, die momentan noch mit Mindestlöhnen, mit Dumpinglöhnen abgespeist werden. Wir wollen, dass alle vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren und nicht große Teile der Gesellschaft davon ausgegrenzt werden. Das ist der Ansatz von Politik, der in diesem Gesetz zum Ausdruck kommt.
Herr Licht, so deutlich ist die Ablehnung der CDUFraktion in den Beratungen nicht gewesen; denn der Sozialpolitische Ausschuss hat vor 14 Tagen erst seine Sitzung gehabt. Dort hat man sich zum Tariftreuegesetz enthalten. Also so klar ist die Positionierung nicht, wie Sie es hier ausgeführt haben. Es gibt offensichtlich noch Leute, die ein soziales Gespür haben, auch dafür, was Gerechtigkeit in der Gesellschaft ist. Das kommt hier zum Ausdruck.
Ich halte es in der Tat für einen Skandal, wenn mit Steuergeldern Aufträge vergeben werden und Firmen einen Auftrag deswegen erhalten, weil sie kostengünstige Angebote abgeben können, weil sie ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nach Tarif bezahlen, mit Dumpinglöhnen abspeisen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Das ist ein Skandal in einer sozialen Marktwirtschaft. Diesen werden wir in Rheinland-Pfalz beenden.
Ich habe mir die Ergebnisse der Anhörung angesehen und mir berichten lassen und weiß auch, was dort die
offiziellen Vertreter, mit denen wir sonst hervorragend zusammenarbeiten, mitgeteilt haben. Ich kann Ihnen aber von sehr vielen Gesprächen mit Unternehmern berichten,
die sagen, wir sind froh, dass dieses Gesetz auf den Weg gebracht wird; denn wir finden es einen Skandal. Wir sind die Firma, die vor Ort für Arbeitsplätze sorgt, die dann, wenn Vereine kommen und Spenden haben wollen, bereit sind, uns zu engagieren, und dann, wenn die Kommune einen Auftrag vergibt, wird dieser an eine andere Firma aus einer anderen Region vergeben, die ihre Mitarbeiter mit Dumpinglöhnen abspeist. Viele Firmen in Rheinland-Pfalz sind dafür, diesen Skandal zu beenden.
Ich möchte der SPD-Fraktion danken, die mit Änderungsanträgen ermöglicht hat, dass das Gesetz, das noch vor der europäischen Rechtsprechungsänderung eingebracht wurde, an das veränderte europäische Recht angepasst wurde und damit in Kraft gesetzt werden kann.
Es ist auch gut und richtig, dass wir in den Bereichen des Entsende- und Mindestarbeitsbedingungengesetzes, in dem die Verbindlichkeit von Tarifverträgen festgelegt wurde, die Kontrollmöglichkeiten verbessern. Wir wissen auch, dass der Zoll mit seinen Personalstärken, die er hat, nur gewisse Stichprobenkontrollen durchführen kann. Wir wissen auch, dass viele Kommunen Hinweise erhalten, dass sie Aufträge an Firmen vergeben haben, wo einiges nicht stimmt und sie bisher keine Kontrollmöglichkeiten hatten.
Selbst auf den Hinweis von Gewerkschaften und von Kommunalpolitikern hin zu sagen, dort sind Mitarbeiter beschäftigt, die mit 4 Euro oder 5 Euro die Stunde abgespeist werden, hatte man keine Möglichkeit, das seitens des Auftraggebers, der Kommune oder der Landesverwaltung zu kontrollieren und mit Sanktionen zu versehen. Deswegen sind wir froh, wenn nach diesen Hinweisen entsprechende Kontrollen stattfinden können, das System der Kontrollen verbessern zu können, wo Anlass dazu besteht. Wir werden dafür sorgen, dass Menschen in Rheinland-Pfalz nicht ausgenutzt werden, wenn öffentliche Aufträge vergeben werden. Auch dafür bietet das Gesetz gute Möglichkeiten, Kontrollen zu verbessern.
Sie haben das Gesetz zitiert: „Als soziale Aspekte in diesem Sinne können insbesondere gefordert werden erstens die Beschäftigung von Auszubildenden, zweitens die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, drittens die Verwendung von Produkten und die Lieferung von Waren, die im Ausland unter Einhaltung der Kernar
beitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation gewonnen oder hergestellt wurden.“ Das ist das, was Sie zitiert haben und als Ideologie bezeichnet haben.
Herr Licht, das ist wortwörtlich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen übernommen, das eine CDU-Bundesregierung mit auf den Weg gebracht hat und das Ihre Kanzlerin unterschrieben hat als Aufforderung an die Wirtschaft und an die Verwaltung, dies einzuhalten. Das haben Sie als Ideologie bezeichnet.
Jetzt fällt es schwer, diese Bundesregierung in vielen Dingen ernst zu nehmen. Wenn ein Gesetz verabschiedet wird, dann erwartet sie, dass die Richtlinien eingehalten werden, dass die Verwaltung und die Wirtschaft das einhalten. Sie erwartet zu Recht von der öffentlichen Verwaltung, dass das kontrolliert wird. Genau das tun wir. Sie bezeichnen die Politik, die die Bundesregierung macht, als Ideologie. In manchen Dingen haben Sie recht. Herr Licht, hier liegen Sie absolut falsch.
Herr Eymael, Sie haben ausgeführt, der in diesem Gesetz geregelte Mindestlohn ist als Auffangbestimmung dort zu sehen, wo keine Tariftreue aufgrund der eingeschränkten Gesetzgebungskompetenz, die wir in diesem Bereich haben, vereinbart werden kann. Das wird nicht einseitig von der Verwaltung festgesetzt. Es gibt hier eine Kommission, die der Low Pay Commission aus England nachgebildet ist. Dort sind drei Vertreter der Arbeitgeber, drei Vertreter der Arbeitnehmer und drei sachverständige Mitglieder.
Diese werden zukünftig festsetzen, was ein angemessener Mindestlohn ist. Das wird nicht einseitig von der Verwaltung festgelegt, sondern es wird von den Wirtschaftsbeteiligten im Land festgelegt. Das ist genau das, was sich in anderen Ländern sehr bewährt hat.
Sie haben kritisiert, es wäre zu viel Bürokratie. Es wird gesagt, dass man dafür sorgen will, dass Mindestlöhne eingehalten werden. Sie sagen, es gibt die Möglichkeit, dass das Sozialdumping dort verhindert werden kann, wo eine Sittenwidrigkeit gegeben ist. Das bedeutet konkret – ich kann um 10 Cent falsch liegen –, dass zum Beispiel in Sachsen, wo eine Friseurin einen Durchschnittslohn von 3,80 Euro hat, dann gesagt würde, wenn dort 3,10 Euro oder 3,20 Euro – das sind 30 % weniger – bezahlt werden, dann ist das nach Auffassung der FDP noch in Ordnung, weil es nicht gegen die Sittenwidrigkeit verstößt, da es nicht mehr als 30 % abweicht. Wir halten das für sittenwidrig und unanständig. Solche Skandale müssen in Deutschland beendet werden.
Ich bin der SPD-Fraktion dankbar, dass man die Anhörung sehr ernst genommen hat. Man hat auf die Anliegen bezüglich der Ausgestaltung der Servicestelle, der Einführung einer Bagatellgrenze und der Gestaltung der Musterformulare reagiert. Man hat dieses Gesetz noch anwenderfreundlicher gestaltet. Mit ganz geringem Aufwand können die Auflagen erfüllt werden.
Die Firma, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Tarif bezahlt, hat keine Probleme. Sie hat keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Derjenige, der nicht tariftreu ist und sehr nahe an der Grenze vom Mindestlohn liegt, hat einen gewissen Aufwand. Wir sagen, so ist es berechtigt. Die Firmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anständig bezahlen, werden nicht mit Bürokratie belastet. Andere, die das nicht tun, müssen das prüfen und nachweisen. Es ist im Ergebnis in Ordnung, dass wir das verlangen und kontrollieren wollen.
Herr Eymael, bezüglich Bürokratie beklagen Sie das im Bereich des Tariftreuegesetzes. Bei der Erleichterung für Hoteliers hat die FDP sich nicht darüber beschwert. Viele Firmen müssen Hunderte oder Tausende Rechnungen danach differenzieren, ob es eine Hotelübernachtung, eine Tasse Kaffee oder ein Limoglas ist, das getrennt abgerechnet werden soll. Das belastet die Wirtschaft in Deutschland und in Rheinland-Pfalz viel mehr mit Bürokratie als das Tariftreuegesetz.
Sie werden dahin gehend recht haben, dass diejenigen, die bisher mit Mindestlöhnen oder Dumpinglöhnen abgespeist wurden, nicht zum Spendenklientel der FDP gehören. Damit würden Sie recht haben.
(Eymael, FDP: Sozeniveau! Das ist das Allerletzte! – Ramsauer, SPD: Wenn man es auf den Punkt bringt, wird er giftig! – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)
Dass wir in Rheinland-Pfalz mit der Initiative, ein Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen, durchaus eine Vorreiterrolle eingenommen haben, kann man daran sehen, dass nicht nur wir in Rheinland-Pfalz ein Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht haben. Mittlerweile sind das auch Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg sind entsprechende Initiativen auf den Weg gebracht worden. Das Saarland hat ein Tariftreuegesetz. Dort gibt es bekannterweise eine Jamaikakoalition.