Protokoll der Sitzung vom 26.01.2011

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Normalerweise ist der Bericht damit erledigt, es sei denn die antragstellende Fraktion beantragt Überweisung an den Ausschuss. – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Drucksache 15/5321 – Erste Beratung

Herr Abgeordneter Pörksen von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2004 zur akustischen Wohnraumüberwachung, damals auch Lauschangriff genannt, hat das Gericht entschieden, dass es einen sogenannten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gibt, das heißt, ein Bereich, in dem der Staat – um es deutlich zu sagen – nichts zu suchen hat. Das gilt gleichgültig, ob es um repressive oder präventive Maßnahmen geht. Heute reden wir über präventive Maßnahmen. Aber auch dort gilt dieser Kernbereich, den das Verfassungsgericht aus

Artikel 1 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz – die Würde des Menschen ist unantastbar – entwickelt hat. Das gilt auch in diesen Bereichen, über die wir heute zu diskutieren haben, im Bereich unseres Landesverfassungsschutzgesetzes.

Der Bund hat zwischenzeitlich die notwendigen Gesetzesänderungen vorgenommen. Wir haben durch den Wissenschaftlichen Dienst prüfen lassen, ob auch wir unser Landesverfassungsschutzgesetz durch einen Zusatz zum Schutzbereich, den ich eben angesprochen habe, ergänzen müssen. Der Wissenschaftliche Dienst ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir das Landeverfassungsschutzgesetz ändern und ergänzen müssen, um diesen Bereich auch im Gesetz zu schützen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist inzwischen vorgelegt.

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, in unserem Gesetz sind Regelungen erforderlich, wonach weder eine kernbereichsrelevante Kommunikation, also Gespräche, noch kernbereichsrelevantes Verhalten erhoben und – auch das ist wichtig – verwertet werden darf. Dazu ist ein sehr restriktives, also sehr eingeschränktes Zulassen von Übermittlungsbefugnissen erforderlich, das heißt, dass Erkenntnisse, die man aus diesem Bereich wahr- und mitgenommen hat, nur sehr begrenzt an andere Behörden weitergegeben werden dürfen.

Des Weiteren ist das, was man dort an Erkenntnissen gewonnen hat, ausdrücklich zu kennzeichnen, und es ist wichtig, dass die richterliche Anordnung zur Wohnraumüberwachung, die ein Erfordernis darstellt, auch in diesem Bereich entsprechend begründet wird, zum einen was die Zielperson und zum anderen was Art und Umfang betrifft. Auch hier eine Kontrolle, die durch die richterliche Anordnung sichergestellt ist.

Es wird ebenfalls die Höchstdauer der Anordnung geregelt sowie die Verlängerungsmöglichkeit im Gesetz festgelegt.

Dies ist nicht gesetzestechnisch im alten § 10, sondern in den §§ 10 b und c ausgeführt. § 10 b betrifft den Kernbereich als solchen, und § 10 c stellt eine Verfahrensvorschrift dar.

Wichtig ist dabei zu wissen – das ergibt sich aus § 10 b –, dass eine sehr hohe Hürde für die optische und akustische Überwachung von Wohnungen gelegt ist, das heißt, dass nur in ganz besonderen Fällen der Staat – hier der Verfassungsschutz – Wohnraumüberwachung durchführen darf, und zwar in den Fällen, in denen es um die Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr geht bzw. eine Lebensgefahr besteht, also eine sehr hohe Hürde. Das halten wir für besonders wichtig und erforderlich, wenn man dem Urteil des Verfassungsgerichts Rechnung tragen will.

Weitere Voraussetzung ist, dass es nur gegen Personen zulässig ist, gegen die aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden wollen.

Ich denke, es ist gelungen, einen Gesetzentwurf vorzulegen – das ist in unseren Zeiten nicht so ganz ein

fach –, der erstens klar und zweitens auch noch verständlich ist.

Wenn Sie die beiden Paragrafen lesen, werden Sie überrascht sein, wie verständlich eine so schwerwiegende und weitreichende Materie in Gesetzesform gefasst ist. Ich glaube, das ist ein Vorbild, das bei unseren Gesetzen manchmal berücksichtigt werden sollte. Das ist dank des Wissenschaftlichen Dienstes erfolgt. Das muss man auch einmal sagen. Der Wissenschaftliche Dienst hat hervorragende Vorarbeit geleistet. Dafür sei ihm recht herzlich gedankt.

Eine besonders erfreuliche Tatsache ist es sicherlich auch, dass alle drei Fraktionen gemeinsam diesen Antrag, diese Gesetzesänderung, heute einbringen, um dann beim nächsten Mal entscheiden zu können.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schneiders von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege hat es gesagt, ein gemeinsamer Gesetzesänderungsantrag liegt uns zur Beratung vor. Es geht um Änderungen aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, aber auch von Landesverfassungsgerichtshöfen, in erster Linie – wie wir gehört haben – um Wohnraumüberwachung, aber auch um anderes mehr.

Die Grundrechte, die dabei eine Rolle spielen, sind Artikel 13 – Unverletzlichkeit der Wohnung –, Artikel 1, aber auch Artikel 10 des Grundgesetzes. Im weitesten Sinne damit verbunden ist das G-10-Gesetz, bei dem die Zuständigkeit allerdings beim Bund liegt und wir uns da auf ein Ausführungsgesetz oder eine Geschäftsordnung beschränken können.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung von 2004 im Wesentlichen mit der akustischen Wohnraumüberwachung befasst und die Regelungen in der Strafprozessordnung dazu als unzureichend erachtet und festgestellt, dass sie nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

In Ergänzung zu dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte man noch auch aus dem Jahr 2004 einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Befugnis des Zollkriminalamts zur präventiven Telekommunikationsüberwachung, aus 2005 ein Urteil ebenfalls zur präventiven Telekommunikationsüberwachung, aus 2006 zur präventivpolizeilichen Rasterfahndung oder aus 2008 zu den Kontostammdaten der Onlinedurchsuchung und der Kennzeichenerfassung nennen.

Das sind alles Stichworte, die wir heute auch im Rahmen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes schon gehört haben, aber sie spielen hier eine entscheidende Rolle, meine Damen und Herren.

Wir haben es in unserem Landesverfassungsschutzgesetz zu regeln, und der Wissenschaftliche Dienst ist von der Verfassungsschutzkommission, wie wir eben gehört haben, gebeten worden, ein Rechtsgutachten dazu zu erstellen. Nachdem der Wissenschaftliche Dienst im Ergebnis dann auch dazu kam, dass die Auswirkungen dieses Urteils des Bundesverfassungsgerichts und anderer Urteile die Notwendigkeit einer Fortentwicklung der landesverfassungsschutzrechtlichen Vorschriften nach sich ziehen, hat die Kommission Einigung darin erzielt, dass man den Fraktionen gemeinsam nahelegt, einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu erarbeiten und einzubringen.

Der Änderungsbedarf insbesondere im Hinblick auf die Normierung kernbereichsschützender Vorschriften, wie der Kollege Pörksen eben ausgeführt hat, weil das Urteil in seinen wesentlichen, den Kernbereichsschutz betreffenden Grundsätzen auch die präventive Wohnraumüberwachung in den Schutzbereich des Artikels 13 Grundgesetz einbezogen hat, lag dann auf der Hand.

Wir haben es mit Eingriffsbefugnissen zu tun, die selbstverständlich die grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechte zu achten haben. Andererseits muss man aber auch sehen, dass die Gewährleistung von Schutz und Sicherheit der Bevölkerung als fundamentale Staatsaufgabe zu sehen ist, natürlich in Abgrenzung zur verfassungsrechtlichen Limitierung durch Grundrechte und das Verbot unverhältnismäßiger Eingriffe in diese Rechtspositionen.

Auch zu sehen ist eine verfassungsrechtlich gebotene Legitimation der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden; denn sie agieren nicht im Öffentlichen und sind deshalb darauf angewiesen, eine Legitimation zu haben, die wiederum auch einer notwendigen Kontrolle, einer parlamentarischen Kontrolle bedarf. Deshalb sind auch die Kontrollrechte zu stärken.

Man erkennt daran, dass eine Änderung auf der einen Ebene gleich eine Neujustierung auch auf anderen Ebenen nach sich ziehen kann. Das alles ist zu bedenken.

Wenn ich jetzt auf die Uhr schaue, reichen meine fünf Minuten nicht, um mich inhaltlich noch in die Frage des geschützten Kernschutzbereichs zu begeben,

(Glocke des Präsidenten)

deshalb nur skizzenhaft, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines unantastbaren Kernbereichs nicht bedeutet, dass der Staat jegliches Handeln zu unterlassen hätte,

(Glocke des Präsidenten)

aber er hat Abbruchgebote, Löschungspflicht, richterliche Anordnung und anderes mehr zu bedenken, meine Damen und Herren.

(Glocke des Präsidenten)

Diese Änderungen sind angepackt worden.

(Glocke des Präsidenten)

Mehr dazu hören Sie von mir in der zweiten Lesung in der nächsten Plenarsitzung.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Thomas Auler von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bringen heute von allen Fraktionen ein Gesetz ein, das die Kompetenzen des Verfassungsschutzes auf die Herausforderungen der heutigen Sicherheits- und Gefährdungslage behutsam anpassen soll. Es ist guter Brauch in diesem Haus, dass bei solch wichtigen Gesetzen, die so unmittelbar die Rechte unserer Bürgerinnen und Bürger betreffen, ein möglichst breiter Konsens zwischen den Fraktionen aller Parteien hergestellt wird, was auch heute der Fall ist.

Das Gesetz erweitert zwar die Kompetenzen für den Verfassungsschutz, aber es stellt auch hohe Hürden auf, die nach rechtsstaatlichen Beurteilungsmaßstäben gefordert sind, um die Eingriffe im Einzelfall zu rechtfertigen. Zudem wird der Kernbereich grundrechtlich geschützter Rechtsgüter gewahrt, und Eingriffe in diesen bleiben nicht möglich.

Dennoch soll der breite Konsens nicht bedeuten, dass ein Gesetz nicht auch noch verbessert werden kann bzw. man in einigen Jahren bei einer vielleicht verbesserten Sicherheitslage auch wieder Kompetenzen wird einschränken können, wenn diese nicht mehr länger benötigt werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP – Beifall des Abg. Pörksen, SPD – Ministerpräsident Beck: Das war eine gute Rede!)

Werte Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der Innenminister.

(Pörksen, SPD: Der hat eine halbe Stunde Redezeit!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich herzlich bei den drei Rednern für die Einbringung des Gesetzes zur Änderung verfassungs

schutzrechtlicher Vorschriften bedanken. Es ist schon ausgeführt worden, dass wir aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts unsere Landesverfassungsschutzgesetzgebung anpassen mussten und wollten. Da war der Wissenschaftliche Dienst sehr hilfreich – Sie haben es erwähnt – in der Klarheit der Vorschriften des § 10 b.