Protokoll der Sitzung vom 26.01.2011

Wenn wir in allen diesen Debatten immer wieder hören – auch der Rechnungshof heute –, die Handlungsfähigkeit sei gefährdet, dann muss das in einer Wirtschaftsdebatte eine Rolle spielen, dann muss das in der Debatte nach draußen eine Rolle spielen. Handlungsfähigkeit ist gefährdet, tragfähige Konzepte eines Schuldenabbaus fehlen, das schreibt der Rechnungshof. Da schrillen doch die Alarmglocken.

Das bedeutet doch, dass – wie ich in meiner Haushaltsrede schon gesagt habe – der Wirtschaftsminister nur noch zum Wirtschaftsverwaltungsminister wird und die eigenen Initiativen nur noch begrenzt möglich sind. Der Haushalt lässt doch nicht mehr zu. Wer finanziert denn das Mittelstandsförderungsprogramm? Nicht der Landeshaushalt, sondern es wird aus der ISB finanziert. Das heißt, die Mittelständler, die bei der ISB Kredite erhalten, Zinsen zahlen – wie es bei der Bank üblich ist –, zahlen ihre Programme selbst.

Meine Damen und Herren, auch das gehört zur Wahrheit von Mittelstandspolitik. Hier ist der Handlungsrahmen des Mittelstandsministers mittlerweile doch so eingeengt, dass er nur noch verwalten und nicht mehr gestalten kann.

(Beifall der CDU)

Wenn man beim Bericht jetzt zur Frage der Mittelstandsförderung oder Mittelstandsverwaltung kommt, muss man beleuchten, wie weit Förderung und Verwaltung bei den einzelnen Stichworten wiederzufinden sind. Wir haben – die Stichworte sind im Bericht zu finden – eine EU-Dienstleistungsrichtlinie. Da haben wir hier über einheitliche Ansprechpartner diskutiert.

Dazu gab es auch ein Kammerkonzept. Dazu gab es auch ein solches Konzept. Nein, man ist hingegangen und hat wieder einen neuen Bürokratierahmen auch mit Ansprechpartnern bei der SGD Süd und der SGD Nord geschaffen. Man hat also wieder einen Behördenapparat geschaffen, obwohl die Kammern gesagt haben, das machen wir. Die Kammern haben gesagt, wir machen das unentgeltlich für den Staat. Da sollten Gebühren anfallen, wenn Leistung verlangt wird. Da stellt sich auch wiederum die Frage, wie mittelstandsfreundlich die Politik dieser Landesregierung ist. Nein, in diesem Fall ist wieder ein Beamtenapparat neu geschaffen worden.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, in der Zeit ist es nicht möglich, den gesamten Bericht zu beleuchten. Lassen Sie mich noch einmal den Blick auf die Forderungen der Wirtschaft lenken, die in einem Bericht zur aktuellen Situation eine Menge Forderungen an die Politik gestellt hat. 80 % dieser Forderungen kann sich die CDU anschließen.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich das Wort weitergebe, begrüße ich Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Herr Kollege Eymael.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat, Rheinland-Pfalz ist d a s Mittelstandsland. Im Verhältnis zu anderen Flächenländern in der Bundesrepublik hat kein Land einen so hohen Anteil – nämlich mit 99 % – an mittelständischen Betrieben. Wir sollten stolz darauf sein, dass sich diese Betriebe aus Handel, Handwerk, produzierendem Gewerbe, Dienstleistungen, aber auch Landwirtschaft und Weinbau in den vergangenen Jahren so gut entwickelt haben. Vor allem diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie ihren Beschäftigten, die sehr eng an diese Betriebe gebunden sind, gilt Dank und Anerkennung für die Leistungen, die in den vergangenen Jahren erbracht wurden.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Wenn wir uns diesen Mittelstandsbericht betrachten, der etwas mehr die Vergangenheit aufzeigt, als dass er in die Zukunft zeigt, weil er sich mit dem Zeitraum von 2006 bis 2009 beschäftigt, sehen wir, dass trotz der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1945 gerade die mittelständischen Betriebe gut aus dieser Krise herausgekommen sind. Im Jahr 2010 hatten wir in Deutschland bereits wieder ein Rekordwachstum von 3,6 %. Mir ist von Rheinland-Pfalz die Zahl noch nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass sie aber leicht darüber liegt, weil wir wegen der Exportabhängigkeit einen größeren Einbruch zu verzeichnen hatten. Bedingt durch das Rekordwachstum hatten wir auch wieder eine sehr niedrige Arbeitslosenrate. Es war die drittniedrigste Arbeitslosenrate in der Bundesrepublik Deutschland. Die Exporte haben gerade in Bezug auf den Mittelstand inzwischen wieder voll angezogen. Das heißt, wir haben im Land Rheinland-Pfalz wieder eine Exportquote von mehr als 50 %.

Meine Damen und Herren, die mittelständischen Betriebe sind also die tragende Säule der rheinlandpfälzischen Wirtschaft. Man kann auch davon ausgehen, dass es im Jahr 2011 zu einem stabilen Wachstum kommen wird. Die Prognosen gehen von einem Wachstum von etwa 2,4 % aus. Übrigens wird im Baugewerbe ein Wachstum von fast 1,8 % erwartet. Das heißt, dieser Aufschwung ist nicht nur durch den Export bedingt, sondern die konsumtiven Ausgaben, also die Binnennachfrage, haben deutlich angezogen, weil die Menschen im Land wieder mehr Geld in der Hand hatten. Die Nettolöhne sind im Grundsatz um 3 % gestiegen. Das bedeutet, dass die Menschen mehr Geld haben, das sie auch bereit sind auszugeben.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Damit ist der Vorteil verbunden, dass wir nicht nur vom Export abhängig sind, sondern auch die Binnennachfrage gestärkt wird.

Meine Damen und Herren, dennoch braucht der Mittelstand Rahmenbedingungen, bei denen er sich positiv entwickeln kann. Ich meine, das Thema „Bürokratieabbau“ ist immer ein Thema. An dieser Stelle muss ich auch Kritik üben. Das Tariftreuegesetz ist natürlich kein Bürokratieabbaugesetz, sondern es führt zu mehr Aufwand, zu mehr Kontrollen und zu mehr Arbeit in den Betrieben selbst und insbesondere in den Subunternehmen.

Im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen will ich noch auf ein paar Punkte eingehen, weil mir die am Herzen liegen. Zum Beispiel brauchen wir – Frau Kollegin Mohr hat das auch angesprochen – nach wie vor eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur, weil wir inzwischen auch sehr stark beim Verkehrs- und Logistikgewerbe sind. Dort sind mehr als 50.000 Menschen beschäftigt. Das heißt, dass wir auch die Autobahnen, die wir haben, up to date halten müssen. Das heißt, wir müssen alles daransetzen, dass die A 6 insgesamt sechsstreifig ausgebaut wird, die A 61 insgesamt sechsstreifig ausgebaut wird, der Hochmoselübergang kommt – die Verbindung B 50 hin zum Rhein-Main-Gebiet –,

(Beifall bei der FDP und des Abg. Licht, CDU)

die B 10 in der Südwestpfalz vierstreifig ausgebaut wird, der Lückenschluss nach Frankreich im Zusammenhang mit der A 65 gebaut wird, vor allem, dass wir auch im Westerwald bessere Verbindungen bekommen – B 8, B 414 und B 255, die auch für den Mittelstand wichtig sind – und darüber hinaus alles getan werden muss, um ein attraktives Landesstraßennetz zu erhalten. Wo sitzen denn die kleinen und mittelständischen Betriebe? Die sitzen auch im ländlichen Raum. Dort brauchen wir sie auch. Da wollen wir sie auch haben. Wir wollen die Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Da muss die Straßenverkehrsinfrastruktur stimmig sein.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb brauchen wir auch neue Ansätze und innovative Programme, um dies auf Dauer letztlich zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, ich habe das ganz besonders vor dem Hintergrund dessen gesagt, dass sicherlich das Thema „Verkehrsinfrastruktur“ in den nächsten Wochen hier und da verstärkt diskutiert werden wird.

Wir müssen aber auch eine neue Forschungs-, Technologie- und Innovationskampagne fahren. Ich meine, dass es wichtig ist, dass wir den Standort Rheinland-Pfalz im Hinblick auf Technologie und Forschung sowie Industrie langfristig absichern müssen. Wir sichern die mittelständischen Betriebe nur dann langfristig ab, wenn wir einen Technologietransfer erreichen, und zwar einen Technologietransfer aus den Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstituten heraus in die Betriebe hinein, die dort Hightechprodukte entwickeln und die sich zu hervorragenden Zuliefererbetrieben – Frau Kollegin Mohr, ich denke an Wolf und weitere Betriebe – für die

Industrie selbst entwickelt haben und die für den Standort in der Zukunft von entscheidender Bedeutung sind. Diese Prozesse müssen in der Zukunft fortgesetzt werden.

Die Technologieförderung war bis zum Jahr 2006 im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Ich habe den Eindruck, man hat dort die Technologieförderung stärker betrieben, als das in dem anderen Ministerium der Fall ist, weil dort vielleicht eher die Wissenschaft und die Lehre im Mittelpunkt stehen. Ich will nur andeuten, dass wir im Bereich Technologie künftig eine neue Kampagne brauchen, um insbesondere dem Mittelstand zu helfen.

Bei der Förderung des Mittelstandes ist die Investitions- und Strukturbank sicherlich das zentrale Instrument, das sie auch bleiben soll. Die ISB soll aber wirklich den Mittelstand fördern. Sie darf sich nicht hin zu einer Bank entwickeln, die staatliche Betriebe finanziert. Das darf es nicht geben.

(Beifall des Abg. Wirz, CDU)

Wir haben eine Reihe von staatlichen Betrieben, Landesbetrieben, die heute von der ISB abhängig sind. Das ist ein Punkt, den ich sehr misstrauisch betrachte,

(Pörksen, SPD: Ich bin sehr froh über die ISB!)

weil die Gelder in erster Linie den mittelständischen Betrieben zugute kommen sollen.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Die wollen wir mit ihren Arbeitsplätzen. Wir wollen die privaten Betriebe. Private Förderung vor staatlicher Förderung. Das ist in einer sozialen Marktwirtschaft selbstverständlich. Wir wollen doch keine sozialistischen Verhältnisse.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Pörksen, SPD: Was?)

Andere, wie künftige Koalitionspartner, nämlich die LINKE, reden heute schon vom Kommunismus. Nein, wir wollen Wachstum, Wohlstand und Freiheit. Das ist auch für den Mittelstand entscheidend, meine Damen und Herren.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Insofern ist die Förderung dort gut aufgehoben.

(Zuruf von Ministerpräsident Beck)

Am 27. werden wir abrechnen, Herr Ministerpräsident.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Ja, da werden wir abrechnen.

(Pörksen, SPD: Bleiben Sie auf dem Teppich!)

Meine Damen und Herren, ich will auch noch auf das produzierende Gewerbe Wert legen. Wir sind auch ein Standortfaktor für die Industrie. Dort, wo Industrie ange

siedelt ist, ist der Mittelstand ganz in der Nähe, weil der Mittelstand Zulieferer ist.

Wir bekennen uns klar zur chemischen Industrie und sagen das in aller Deutlichkeit. Wir brauchen den Industriestandort Ludwigshafen mit den dort produzierten chemischen Produkten. Wir bekennen uns ganz klar zur Chlorchemie und zu der neuen Biotechnologie, die in Deutschland als Forschungsstandort wichtig ist, um neue Ansätze und letztlich auch neue Arbeitsplätze zu finden; denn wenn wir solche Forschungsstandorte verlieren sollten, hat der Mittelstand in diesem Land verloren, weil beides voneinander abhängig ist.

Die Problematik der fehlenden Facharbeitskräfte wurde angesprochen. Ich bin froh, dass der Mittelstand dies erkannt hat und dort massiv ausgebildet wird, damit genügend Facharbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Sollte das aber aufgrund der demografischen Entwicklung auf Dauer nicht der Fall sein, bin ich auch für eine gezielte Zuwanderung – ich sage das ganz offen –; denn wir müssen unsere Betriebe in der Zukunft sicher machen. Das heißt, es müssen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, damit diese Betriebe eine Zukunft haben und wirtschaftlich arbeiten können. Es muss alles darangesetzt werden, unsere jungen Leute auszubilden. Wenn wir aber an einem Punkt angekommen sind, an dem die Fachkräfte nicht mehr ausreichen, muss eine gezielte Zuwanderung möglich sein.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal allen herzlich danken, insbesondere den mittelständischen Betrieben für die großartige Leistung in den Zeiten, in denen wir zu viele Bewerber für die Auszubildendenplätze hatten. Derzeit ist das kein Thema mehr. Ich glaube, wir sollten in erster Linie denjenigen Dank sagen, die dafür gesorgt haben, dass dieser Aufschwung wieder gekommen ist, nämlich den Betrieben selbst und den Kammern. Auch die Rahmenbedingungen, die die Bundesregierung dazu geschaffen hat, und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben mit dazu beigetragen. Ich will das in aller Klarheit sagen.