Frau Abgeordnete Thelen, ich frage mich schon, was Ihrer Meinung nach konsequenteres Handeln ist. Was ist das? Ist es beispielsweise die verpflichtende UUntersuchung, oder welche Maßnahmen meinen Sie? Vielleicht gehen Sie in der zweiten Runde nochmals darauf ein.
Ich glaube nicht, dass es an Entschlossenheit fehlt. Wir haben sehr viele Gespräche unter den Landesministern geführt und haben einen gemeinsamen Weg gefunden, wie wir vorgehen wollen. Dieser Tage wird die Jugendministerkonferenz genau mit diesem Thema stattfinden, weil es klar ist, dass es eine politische Entschlossenheit gibt. Wie der Fall Kevin zeigt, liegt die Antwort aber nicht einfach in der verpflichtenden U-Untersuchung.
Natürlich haben Sie Recht, an erster Stelle stehen die Jugendämter, die aus meiner Sicht ihre Arbeit insgesamt sehr gut machen. Die Verantwortung liegt in der kommunalen Trägerschaft. Es ist kein Zufall, dass wir Ludwigshafen als Modellregion ausgewählt haben. Ludwigshafen beispielsweise hat ein sehr gut strukturiertes Jugendamt trotz der vielen Probleme, die es dort zu bewältigen gibt. Das heißt, es ist ein Amt, das es auch versteht, mit Ressourcen wirklich sehr effektiv umzugehen. Ich glaube, diese Betrachtung muss man auch anstellen. Nicht alles löst sich durch mehr Ressourcen und mehr Geld. Wir wissen alle, dass wir es nicht haben. Ich glaube, dass wir durch eine effektive Struktur auch innerhalb der Ämter sehr erfolgreich arbeiten können. Es hat mich in Ludwigshafen auch in Gesprächen mit der Amtsleitung sehr überzeugt, was dort alles ermöglicht wird.
Natürlich ist es auch klar, dass wir nicht abwarten, bis dieses Modellprojekt abgelaufen ist. Der Anspruch ist
vielmehr, dass wir nach der Pilotphase, wenn sozusagen das Hauptmodell zu laufen beginnt, andere Regionen mit einbeziehen. Wir sind bereits mit anderen Krankenhäusern und anderen Jugendämtern in anderen Gebietskörperschaften im Gespräch, weil wir natürlich nicht abwarten wollen, welche Erfahrungen wir in den zweieinhalb Jahren machen. Vielmehr wollen wir das gesamte Projekt als einen Prozess anlegen, in den alle möglichst schnell auch einsteigen können.
Ich möchte einen letzten Punkt noch einmal zu Herrn Dr. Schmitz sagen. Vor allen Dingen legen wir die Maßnahmen im Bereich von „Viva Familia“ so an, dass wir einen großen Kreis von Menschen einbeziehen. Über die Gesundheitsteams vor Ort lässt sich momentan noch nicht sehr viel sagen, weil sie gerade erst gestartet sind.
Ein Kern der Gesundheitsteams ist es, dass nicht nur Eltern, Kindertagesstätten, Schulen und Vereine einbezogen sind, sondern im Grunde alle Instanzen im Stadtteil, die letztendlich mit Kindern zu tun haben und in Berührung kommen. Das ist das Ziel, auch die Möglichkeiten eines Stadtteils und seines sozialen Netzwerkes zugunsten der Kinder zu nutzen und das Thema „Gesundheit“ voranzubringen.
Ich bin darauf gespannt, welche Ergebnisse wir in dem Bereich machen werden. Ich bin sicher, dass es der richtige Ansatz ist.
Ich brauche es nicht mehr aufzuzählen, die Landesregierung hat sich in vielen unterschiedlichen Aktionsbereichen dieses Themas wirklich ganz stark angenommen. Wir werden alle Kraft darauf verwenden, die Strukturen vor Ort so weiterzuentwickeln, dass wir den Schutz der Kinder in unserem Land weiter optimieren werden.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen gar nicht viele Worte darüber zu verlieren, dass wir in dem Ziel der heutigen Debatte völlig einig sind. Frau Ministerin Dreyer hat eben erläutert, wie viele unterschiedliche Projekte zur Vorbeugung des Missbrauchs von Kindern von der Landesregierung angestoßen wurden und welche Modelle durchgeführt werden. Ich darf sagen, dass die Vernetzung in Rheinland-Pfalz in Bezug auf dieses außerordentlich schwierige Thema und dieses außerordentlich schwierige Klientel, das wir ansprechen wollen, nie besser war als jetzt. Frau Ministerin, dafür möchte ich Ihnen ausdrücklich danken.
Frau Thelen, Sie haben eben von einer Zögerlichkeit gesprochen. Ich verstehe das auch, weil jeder natürlich sofort das Gefühl hat, wir müssen direkt etwas tun. Das
geht Ihnen nicht anders als uns. Nur muss man sehen, wie schwierig die Strukturen sind. Das wissen Sie auch. Man muss auch wissen, wie schwierig es zum Teil ist, an diese Eltern heranzukommen.
Wenn wir sagen, wir machen diese Untersuchung zum Beispiel verpflichtend, dann ist das etwas, bei dem man auf Anhieb sagen könnte, das ist eine gute Idee. Ich bin auch durchaus offen dafür; man kann in Zukunft darüber reden.
Ich finde aber, zunächst einmal muss man sehen, was wir schaffen, ohne es verpflichtend zu machen; denn klar ist, nur diese verpflichtende Voruntersuchung ist nicht das Allheilmittel. Das wissen wir alle. Wir brauchen diese präventiven Netze.
Ich weiß, was jetzt kommt. Wir brauchen zusätzlich diese präventiven Vernetzungen. Wir brauchen zusätzlich auch die Bereitschaft der Eltern, dass ihnen geholfen wird.
Ein wesentlicher Punkt bei der Verpflichtung der Vorsorgeuntersuchung ist der der Sanktionen. Was machen wir, wenn diese Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend sind, die Eltern ihre Kinder aber trotzdem nicht hinschicken? Wie bedauerlich das ist, darüber brauchen wir auch nicht zu diskutieren. Das ist aber ein wesentlicher Punkt, den wir besprechen müssen, wenn wir eine Verpflichtung wollen.
Frau Ministerin Dreyer hat eben zu Recht darauf hingewiesen, wie wichtig die Verbindung zwischen Jugendhilfe und Gesundheitshilfe ist und dass man sich da eigentlich immer fragt, warum wir nicht früher darauf gekommen sind.
Außerordentlich wichtig ist, dass Hebammen und Ärzte besser mit den Jugendämtern und mit den Familienbildungsstätten in Verbindung stehen, damit dort eine bessere Verzahnung stattfindet, dass wir den Familien niedrigschwellige Angebote nahebringen können.
Dazu möchte ich noch etwas sagen. Wir haben jetzt gerade Haushaltsberatungen. Wir haben sie im Ausschuss durchgeführt. Ich bin froh, dass wir im Rahmen von „Viva Familia“ unterschiedliche Projekte fördern. Ich bin auch froh, dass wir diesen Ansatz nicht nur nicht gekürzt, sondern leicht erhöht haben.
Ich sage es jetzt ganz beschreibend, ich kann mich erinnern, dass vonseiten der CDU der generelle und globale Vorwurf kam: Es bleibt alles, wie es ist, nichts wird gekürzt, und nichts ändert sich. –
Ich sage Ihnen ganz bewusst, ich bin außerordentlich froh darüber, dass wir diesen wichtigen Part für die Familienberatung, für die Suchtberatungsstellen und für diejenigen Menschen stabil halten, die unsere Unterstützung brauchen.
Herr Dr. Schmitz, jetzt komme ich zu Ihnen: Sie haben auch Recht, es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Alle sind gefordert. Natürlich können wir nicht nur
sagen, lieber Staat, richte es für uns, weil das in diesem schwierigen Fall auch gar nicht möglich wäre. Wichtig ist also alles, viele Mosaiksteine, die letztlich dazu führen sollen, dass der Missbrauch oder die Vernachlässigung von Kindern so gering wie irgend möglich bleiben.
Ich darf Ihnen noch dazu sagen, dass wir im Landkreis Mainz-Bingen kommunal versuchen werden, die Verbindung zwischen Jugendhilfe und Gesundheitshilfe herzustellen, weil ich auch glaube, dass wir auf allen politischen Ebenen aktiv werden und auch auf kommunaler Ebene sehen müssen, dass wir dort haushaltstechnisch unsere Hausaufgaben machen.
Ich möchte noch einmal betonen, ich glaube, dass wir in Rheinland-Pfalz sehr viele und sehr gute Anstöße haben, darum auch das besondere Augenmerk auf dem Modellprojekt in Ludwigshafen, das uns in der vorletzten Woche in beeindruckender Weise dargestellt worden ist. Ich hoffe, dass noch viele solcher Modelle folgen werden.
Damit es noch einmal deutlich wird, was wir uns unter konsequenter Hilfe vorstellen, das ist zum Beispiel die gesetzliche Verpflichtung für eine Früherkennungsuntersuchung. Von allen Rednerinnen ist betont worden, wie wichtig die Zusammenarbeit der Jugendhilfe mit der Gesundheitshilfe ist.
Es wird im Beschluss des Bundesrates ganz ausdrücklich festgehalten, welch wertvolle Hinweise man durch diese Früherkennungsuntersuchungen gewinnen kann, ob ein Kind ordentlich versorgt wird, ob es gesund ist, Verletzungen erkennbar sind oder alte Verletzungen bestanden haben. Das alles wird bestätigt.
Man sagt ganz eindeutig A. Beim B fängt man an herumzueiern. Liebe Frau Grosse, als nichts anderes kann ich das bezeichnen, was Sie hier eben gemacht haben. Man eiert herum und sagt, wir haben unsere Kontakte. Wir reden miteinander. Das könnte sinnvoll sein, aber bitte jetzt nicht direkt. Jetzt gehen wir erst einmal ein paar andere Wege. Warum müssen wir viele andere Wege gehen, wenn klar ist, ein wichtiger Weg ist die ärztliche Untersuchung, um schlechte Versorgungen und Misshandlungen von Kindern festzustellen?
Wir verpflichten Eltern von Kindern in einem Alter von ein bis sechs Jahren in etwas geraffteren Abständen als heute zu diesen Früherkennungsuntersuchungen. Diese Eltern müssen teilnehmen. Frau Grosse sagt, wenn sie nicht teilnehmen, ist es schwierig, wie sanktioniert wird. Ich will keinen Bußgeldbescheid oder so etwas. Das ist überhaupt nicht das Ziel der Übung. Es ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass sich Eltern nicht so um die ge
sundheitliche Entwicklung ihres Kindes kümmern, wie wir alle das im Sinne des Kindes für richtig halten.
Die einzig denkbare Sanktion ist Folgende: Das Gesundheitsamt, das feststellt, nach zweimaligem Erinnern kommen Papa und Mama Meier nicht mit dem Kind zur Früherkennungsuntersuchung, meldet dies dem Jugendamt. Das Jugendamt sagt, wir müssen hingehen und schauen, warum sie ihr Kind nicht zur Frühuntersuchung bringen.
Wenn diese Familie drei Monate in Urlaub war, soll es uns recht sein. Es gibt dem Jugendamt die Chance, gegebenenfalls Missstände frühzeitig zu erkennen.
Lassen Sie uns versuchen, die Kollegen im Bundesrat auch der anderen Bundesländer ein Stück weit zu überzeugen. Wir werden bei unserem Bundesparteitag auch versuchen, das Thema noch einmal anzubringen und entgegen der Meinung von Frau von der Leyen versuchen, diese Früherkennungsuntersuchung verpflichtend zu machen.
Ich sage nicht, dass wir kein Geld in der Jugendhilfe brauchen. Wir brauchen viel Geld. Es ist die Frage, welche Schwerpunkte ich setze. Ich sage ein Stück mit Neid, wenn man in einem Landkreis wie Mainz-Bingen lebt, hat man deutlich bessere finanzielle Möglichkeiten als in den meisten anderen Kommunen in RheinlandPfalz. Von daher müssen wir sehen, dass wir bei aller Haushaltspolitik den Kommunen vor Ort die Freiheit lassen, die Jugendpolitik so umzusetzen, wie das richtig und in unserem Sinne ist. Ich möchte Sie herzlich bitten, ziehen Sie mit uns an einem Strang, damit schnell und nicht nur in Modellregionen, sondern im ganzen Land möglichst viele früh erkennen, wo Kinder benachteiligt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprachen zu den Mündlichen Anfragen sind erledigt.
Ich schlage vor, bevor wir in die Aktuelle Stunde eintreten, eine Mittagspause von einer Stunde zu machen. Wir treffen uns um 13:30 Uhr wieder in diesem Raum.