Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Unsere Kultur in Deutschland wandelt sich ständig und nimmt immer auch Einflüsse von außen auf. Das konnte man, um das einmal einzuwerfen, beispielsweise am 8. März 2007 sehr gut beobachten. Ich habe es mir mit Freude angesehen. Der niederbayrische Kabarettist Django Asül – ich weiß nicht, wer es gesehen hat – trat beim traditionellen Starkbieranstich auf dem Nockherberg als neuer Festredner auf. Der 34-jährige türkischstämmige Deutsche aus Deggendorf tat dies nicht in der Mönchskutte des Bruder Barnabas, sondern als klassischer Salvator-Redner, ein sicher etwas ungewohntes Bild für manche, aber ein sichtbares Zeichen für einen, wie ich meine, gelungenen Wandel in der Gesellschaft.

Wie sagte Django Asül bei anderer Gelegenheit einmal – kulinarische Beispiele liegen mir –: Pizza, Paella und Döner ergänzen vortrefflich Saumagen, Spießbraten und Schweinshaxen. –

Ich glaube, es ist wichtig, es geht auch um den Begriff der Kultur, um den Begriff der Integration.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Kultur ist keine geschlossene Veranstaltung, sondern ein Haus mit verschiedenen Räumen, von denen welche sind, in denen man unter sich ist, und welche, in denen man sich begegnet, und laufend kommen neue Räume hinzu. Wer die Kultur liebt, schließt sich nicht ein, bittet herein. Wer die Kultur liebt, lässt sich auf Neues ein; denn wer könnte sich entgehen lassen, was die Kultur so gut ermöglicht? Dass jeder von ihr nehmen kann, so viel er mag, und das macht alle reicher.

(Beifall bei der SPD)

Die einzige, allen verbindliche Messlatte für ein friedliches Zusammenleben sind das Grundgesetz und die dort verankerten Grundwerte.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Wir sind näher zusammen, als man denkt!)

Diese sind für alle Menschen dieses Landes verbindlich. Sie müssen von allen Menschen eingefordert werden, selbstverständlich auch von den ca. 600.000 Frauen und Männern mit Migrationshintergrund in Rheinland-Pfalz. Der absolut größte Teil lebt auch diese Grundwerte und verhält sich gesetzestreu.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: So ist es!)

Nur eine verschwindend kleine Minderheit neigt zu radikalem Denken und extremistischem Handeln.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Und für die brauchen wir die Politik, oder nicht?)

Diesen muss mit der ganzen Härte des Gesetzes begegnet werden. Dies geschieht auch in vollem Umfang in Rheinland-Pfalz.

Andererseits darf aber nicht eine ganze Bevölkerungsgruppe, insbesondere die muslimischen Glaubens, unter einen Generalverdacht gestellt werden. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass mit der guten Aufklärungs- und Informationsarbeit über Fragen der Migration in Rheinland-Pfalz für ein differenziertes Bild und für eine Versachlichung gesorgt wird.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Rheinland-Pfalz war immer schon über Jahrhunderte ein Hauptziel von Migration und wurde so zu einem Schmelztiegel vieler Völker. Ein großer Sohn unseres Landes, der Nackenheimer Carl Zuckmayer, hat dies auf vortreffliche Weise im Werk „Des Teufels General“ zum Ausdruck gebracht. Ich möchte gerne die Stelle zitieren, in der Zuckmayer seinen General Harras das Folgende zu dem Leutnant Hartmann sagen lässt – die meisten kennen das sicher –, der an seiner nicht arischen Abstammung zweifelt:

„Schrecklich. Diese alten verpanschten rheinischen Familien! Stell’n Se sich doch bloß mal ihre womögliche Ahnenreihe vor: da war ein römischer Feldherr, schwarzer Kerl, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Dann kam’n jüdischer Gewürzhändler in die Familie. Das war’n ernster Mensch. Der’s schon vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Dann kam’n griechischer Arzt dazu, ′n keltischer Legionär, ′n Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter und ein französischer Schauspieler. Ein böhmischer Musikant. Und das alles hat am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen, gesungen und Kinder jezeugt. Hm? Und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald. Und so weiter, und so weiter. Das waren die Besten, mein Lieber.“

Lassen wir uns in diesem Sinne an der Vielfalt der Kulturen in unserem schönen und weltoffenen RheinlandPfalz erfreuen. Die Landesregierung fühlt sich dieser Maxime verpflichtet. Folgen wir ihr gemeinsam tatkräftig auf diesem Weg. Die SPD-Fraktion wird es wie bisher tun.

(Starker Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute eine erstaunlich offene Regierungserklärung von Frau Ministerin Malu Dreyer gehört, die neben dem üblichen und positiven Darstellen, was selbstverständlich zugestanden ist, sehr viele Punkte aufgenommen hat, die kritisch hinterfragt werden müssen, statistische Ergebnisse, Problemsituationen.

Sie hat das mit der Aussage verknüpft, dass die Landesregierung zukünftig ihre Anstrengungen verstärken möchte, dieser Probleme Herr zu werden.

Sie hat eine fast unübersehbare Vielzahl an Projekten und Aktivitäten präsentiert. Herr Kollege Klöckner hat das Ganze sogar noch ergänzt. Es kann einem bei all dem, was da schon Gutes getan wird, schwindelig werden. Sei es drum.

Dann kam Frau Kollegin Kohnle-Gros. Frau Kollegin, ich muss schon sagen, da war einiges dabei, was mich sehr stark befremdet hat.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich bin wahrlich kein Integrationsnaivling, und ich werde auf die kritischen Punkte so ehrlich eingehen wie die Regierungserklärung dies auch als Vorgabe ermöglicht. Aber Ihr vielleicht unbewusstes und nicht in eine Richtung zielendes Spiel, das man vielleicht unterstellen könnte – ich möchte es nicht tun –, rund um Identitätsaufgabe, Parallelgesellschaft, Ehrenmorde und Zwangsheirat – das Wort „Leitkultur“ ist bei Ihnen nicht gefallen, das möchte ich auch nicht erwähnen –, brachte schon einen Zungenschlag hinein, den ich einfach im Sinne einer Problemlösung nicht attraktiv finde.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Wenn man die Probleme nicht beim Namen nennen darf, wie wollen Sie das denn sonst machen?)

Nein, Frau Kollegin Kohnle-Gros, Sie haben nicht den Eindruck erweckt, dass Sie Probleme beim Namen nennen wollen. Sie haben auf mich den Eindruck gemacht, der mir oft sehr unangenehm aufstößt, dass man Probleme nennt, um sein Süppchen zu kochen. Das ist ein großer Unterschied.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Ach du lieber Gott! – Keller, CDU: Das macht die FDP ja nie!)

Wie kann man im Jahr 2007 gerade bei der Vielzahl an Problemen, die nicht zu leugnen sind und wir gemeinsam zu lösen haben, die Frage „Einwanderungsland ja oder nein?“ noch stellen? Frau Kollegin Kohnle-Gros, Ihr historischer Abriss im Unterschied zu Herrn Kollegen Klöckner hat ein Bild beschrieben, wie es in den späten 60er- oder führen 70er-Jahren in Teilen der Bevölkerung gepflegt wurde, das nie mein Bild war.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ich habe alles gesagt, er hat die Hälfte weggelassen!)

Er hat zum gleichen Thema gesprochen mit ganz anderen Inhalten.

(Beifall bei FDP und SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Er hat doch das Gleiche gesagt!)

Das damals beschriebene Bild, das nie mein Bild war, ist das Bild von Gastarbeitern, die hier ihre Maloche abzuliefern und dann bitte schön zu verschwinden haben. Es war und ist für mich ein Stück Zynismus zu glauben, dass deren Familien bitte schön in Anatolien zu bleiben haben. Mit denjenigen, die nachgezogen sind und bei uns auch für Probleme und nicht nur für Chancen ver

antwortlich sind, haben wir uns jetzt auseinander zu setzen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das war die sozialliberale Koalition, ja, ja!)

Das ist ohne jede Alternative. Wir haben uns im Sinne einer Problemlösung positiv damit auseinander zu setzen. Wir haben erhebliche Probleme. Das bestreite ich als Allerletzter. Wie gesagt, ich werde darauf eingehen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Es kann Sie ja niemand mehr ernst nehmen!)

Frau Ministerin Dreyer hat viele Punkte beschrieben, die so selbstverständlich wie zutreffend sind. Kaum ein anderes Thema wird stärker und kontroverser diskutiert. Integration setzt natürlich Anstrengungen auf beiden Seiten voraus. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen gelingender Integration gehören Toleranz, Akzeptanz, Achtung und gegenseitige Wertschätzung. Das möchte ich unterstreichen usw.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin Dreyer ist auch auf Punkte eingegangen, die ich im Sinne der Beschreibung einer wirklich gelungenen Integration nicht akzeptieren kann, die den Zustand in meinen Augen schönfärberisch beschreiben. Wir sind in den letzten Jahren konzeptionell und real ein großes Stück weiter gekommen. Frau Ministerin, die Zahlen, die ich nennen werde und die zum Teil auch von Ihnen in Ihrer Rede gebracht worden sind, sprechen leider eine andere Sprache. Dazu gehört auch Ihre Aussage, Integration ist sozusagen im Alltag angekommen. Die Diskussion bei uns im Landtag zeigt, dass das noch nicht der Fall ist. Es ist bedauerlich.

(Beifall der FDP)

Man kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon sprechen, dass Integration im Alltag angekommen ist. Bei aller Liebe und Güte, das führt zu weit. Das ist leider Gottes nicht der Fall.

Es gibt weitere Punkte, bei denen ich sage, das, was die Landesregierung zum Teil auch in den letzten Jahren mit unserer Unterstützung und Mitwirkung auf den Weg gebracht hat, muss man als Status-quo-Beschreibung als nicht ausreichend bezeichnen. Ich erwähne ausdrücklich in diesem Zusammenhang die Wertschätzung, die Frau Weber und Frau Gehrigk bei uns genossen haben und genießen.

Ich mache eine kleine Notiz am Rande. Sie erwähnen die kommunalen Ausländerbeiräte. Sie sollen jetzt zu Beiräten für Migration und Integration weiterentwickelt werden. Es sollen andere Bevölkerungsgruppen als bisher hinzukommen. Ob das Sinn macht oder nicht, sei dahingestellt. Es wird bei dem Problem bleiben, dass Ihnen vermutlich auch für diese Beiräte die demokratische Legitimation in vielen Städten und Orten in Rheinland-Pfalz versagt bleiben wird. Was sind das für Beirä

te, die mit 7,5 % Wahlbeteiligung gewählt werden sollen? Das ist eine Farce und kein Beitrag zur Integration.

(Beifall der FDP)

Wenn ich jetzt höre, dass man, um dieses Problem zu beseitigen, den einfachen Weg gehen will und sich des lästigen Quorums entledigen will, dann finde ich, ist das der falsche Weg.

Meine Damen und Herren, es gibt Punkte in diesem Zusammenhang, die sind in ihrer Brutalität ernst zu nehmen. Ich habe angekündigt, darauf einzugehen. Es gibt neben der Chance, die die Integration bei der Vielzahl der Gutwilligen bietet und nicht nur beim griechischen Arzt und persischen Architekten, sondern bei der großen Masse der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die hier bei uns sind, die sich bei uns wohlfühlen und mit denen wir uns wohlfühlen, noch andere Dinge. Ich bin kein Landesverräter, weil meine vorletzte Auszubildende eine Marokkanerin und meine letzte eine Syrerin war. Das waren hervorragende Mitarbeiter, ohne persische Ärzte zu sein.

(Beifall der FDP – Zuruf von der CDU)

(Zuruf von der CDU)