Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

(Zuruf von der CDU)

Ich habe es akustisch nicht verstanden.

Meine Damen und Herren, muss man den Finger in die Wunde legen, die insbesondere an den Rändern der Gruppe bestehen, wo auf beiden Seiten keine Integrationsbereitschaft besteht, wo Welten aufeinanderprallen? Frau Kollegin Kohnle-Gros, das sind die Parallelgesellschaften.

(Beifall der FDP)

Das sind Teile von uns Deutschen und Teile von zugewanderten Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund, die weder integrationsbereit noch integrationsfähig sind. Da findet ein „clash of civilization“ statt, da knallt Borniertheit auf Fundamentalismus. Da müssen wir ansetzen.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, wie können wir davon sprechen, dass Integration in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist bei den eklatanten Defiziten in der Sprachsituation? Wie können wir davon sprechen, dass wir Integration attraktiver gestalten können, wenn die Basis weiter fehlt? Wir haben in den Haushaltsberatungen 2 Millionen Euro zusätzlich zulasten der Beitragsfreiheit vorgeschlagen. Frau Kollegin Morsblech hat das gemacht. Sie waren nicht bereit, diesen Weg zu gehen. Sie werden sich, so wie wir es immer wieder sagen müssen, in der Sozialpolitik überlegen müssen, wo Sie Ihre Schwerpunkte setzen. Wir zahlen 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für Sozialpolitik. Das ist eine Stange

Geld. Dafür kommt uns zu wenig heraus, und zwar auch in der Integration.

(Beifall der FDP)

Frau Kohnle-Gros, da unterstreiche ich das, was Sie gesagt haben, PISA war für uns Deutsche ein Schock. Aber es war, was Fragen der Integration angeht, doch eine Katastrophe. Was ist mit dem, was wir als FDP ganz hochhalten, nicht die Chancengleichheit, das ist für uns eine Illusion und Fiktion, aber Chancengerechtigkeit? Wie steht es um die Chancengerechtigkeit der Kinder aus Familien, von denen wir erwarten, dass sie ihre Integrationsbereitschaft zeigen? Sie sind zu großen Teilen der Schmock der Gesellschaft. Wir haben es nicht geschafft, sie adäquat zu fördern und sie in eine Position zu bringen, die auch nur annähernd mit den Chancen unserer deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger und ihrer Kinder zu vergleichen ist.

(Beifall der FDP – Eymael, FDP: Bravo!)

Wenn wir uns beispielsweise – das sind Zahlen des Statistischen Landesamtes, die wir gestern abgefragt haben – anschauen, wie es um die Schulqualifikation steht, dann hatten wir in den letzten Jahren Fortschritte. Man muss aber zumindest zur Kenntnis nehmen, selbst die beste Zahl von vor zwei Jahren hatte eine Zahl von 15 % junger Menschen mit Migrationshintergrund ohne qualifizierten Schulabschluss zum Inhalt. Was erwarten wir denn von diesen Menschen in Zukunft? Diese Zahl hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre auf 17 % verschlechtert. Das gehört auch zu einer schonungslosen Bestandsaufnahme. Es kann keine Rede davon sein, dass sich die Dinge langsam zum Besseren wenden.

Herr Kollege, ich darf mich in diesem Zusammenhang auch einmal kritisch mit Ihnen auseinandersetzen. Das ist auch nicht in Ordnung, nämlich so zu tun, als ob die Probleme, die wir jetzt haben, denen anzulasten sind, die ich mit Ihnen kritisch gewürdigt habe, die in den 60er-Jahren eine falsche Politik gemacht haben. Das ist lange her. Die Fehler, die wir jetzt beschreiben, müssen wir uns zuordnen lassen, jeder in seiner Partei, jeder in seiner Verantwortung.

Der nächste Bereich dieser Bestandsaufnahme ist Teil dieses Berichts. Frau Ministerin, ich finde es ehrenwert, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung diese Zahlen nicht ausgelassen haben. Das möchte ich auch betonen. Es gibt Mitglieder des Kabinetts, die da etwas zäher und hartleibiger sind, wenn es um ehrliche Zahlen geht. Ich nenne jetzt bewusst keine Namen.

Meine Damen und Herren, es geht um den Bereich der Auszubildenden, den ich jetzt nenne. Wir hatten eine Beteiligung am dualen Ausbildungssystem – Vergleichszahl der Deutschen 50,5 % – im Jahr 1999 von 39,4 %. Das war sehr schlecht. Das sind mehr als 10 % weniger als die vergleichbare deutsche Gruppe.

Meine Damen und Herren, wir sind aber jetzt von 39,4 % auf 32 % gefallen. Das ist ein Absturz. Da müssen die Alarmglocken klingeln; denn es stellt sich auch die glei

che Frage: Was ist denn für uns und die Betroffenen von der Zukunft gegenseitig zu erwarten? –

Sie haben die dramatische Arbeitsmarktsituation erwähnt, bei der um den Faktor 2,5 mal mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund keine Erwerbsarbeit finden. Eine Arbeitslosenquote von 18,1 % ist die tickende Zeitbombe. Das ist sozialer Brennstoff. Das sind die Zahlen, aus denen unsere deutschen nationalen Katastrophen entstanden sind: Arbeitslosenquoten zwischen 15 % und 20 %.

Meine Damen und Herren, ich kann weitere Dinge nennen. Ich möchte Sie nur nicht mit Statistik ermüden. Schauen Sie sich die Anteile – das ist quasi das Pendant zur Arbeitsmarktsituation – im Sozialhilfebezug an. Schauen Sie sich die Bevölkerungsanteile in Hartz IV an. Da finden auch Parallelgesellschaften statt. Da passt auch eines nicht zum anderen. Wenn ich dann auch diesem Bericht entnehme, dass es Stadteile in Rheinland-Pfalz gibt, bei denen die Gruppe der unter 30Jährigen mit Migrationshintergrund bei über 50 % liegt, dann hoffe ich sehr auf eine gedeihliche Zukunft und ein gedeihliches Miteinander, weil, wenn die Zukunft in diesen Stadtteilen nicht gedeihlich sein wird, dann sind die Verhältnisse, die wir jetzt nur in Frankreich sehen

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Frau Kohnle-Gros, das bekommen Sie mit Ihren Methoden nicht weg –, irgendwann auch in Deutschland angekommen. Das – ich glaube, darin zumindest sind wir uns wohl sicher – wollen wir alle gemeinsam verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber Dinge, die gehen über Statistik hinaus. Das sind Fragen – wie sie auch schon angedeutet wurden –, die aus den beiden Bevölkerungsgruppen gegeneinander gestellt werden, Vorwürfe, die erhoben werden. Man bringt sich gegenseitig in Stellung. Das ist auf der einen Seite ein Teil der deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger – das sind meistens nicht die Hellsten; sie sind meistens an einem politischen Rand angesiedelt, aber oft auch am anderen politischen Rand angesiedelt –, die in diesen Problemgruppen die Sündenböcke unserer Gesellschaft sehen. Diese Menschen werden verantwortlich gemacht für die Schwierigkeiten, die wir in Deutschland mit uns haben. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite sind Menschen mit Migrationshintergrund, die sich im Sinne von Aktion gleich Reaktion oder wie auch immer – wer da den ersten Stein wirft, ist unerheblich – umgekehrt in einem Fundamentalismus wohlfühlen, der unsere westlichen Werte in der Gänze ablehnt. Das ist eben nicht nur unsere Religion, das ist auch unser kulturhistorischer Hintergrund. Das sind Teile unserer Traditionen, Teile unserer besten Traditionen, gerade Teile von Toleranz und gegenseitigem Verständnis im Sinne Zuckmayers.

(Beifall der Abg. Frau Lejeune, FDP)

Meine Damen und Herren, diese Gruppen sind unbeweglich. Sie verharren in ihrem Besserwissen. Sie zeigen keine Bereitschaft, Lösungsvorschläge zu akzeptieren. Es wird sehr schwer sein, in diese Gruppen hineinzukommen.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch – um zum Abschluss zu kommen – deutlich machen, wo die FDP hin will, wo wir Lösungswege sehen über das hinaus – und auch mit Ihnen, Frau Dreyer –, was Sie beschrieben haben.

Wir sind als FDP davon überzeugt, dass diese unüberschaubare Vielzahl gut gemeinter Aktivitäten nicht der richtige Weg ist. Wir sind überzeugt davon, dass wir in eine Konzentration in diesem wichtigen Thema hinein müssen. Wir sind überzeugt davon, dass das, was Sie in Ihrem Beitrag als Zusammenarbeit mit Ihrem Kollegen Bruch beschrieben haben, eine weiterführende Zusammenarbeit sein muss, nicht nur am Kabinettstisch, nicht nur in einzelnen Kooperationen, sondern im Sinne einer konzertierten Aktion hier in Rheinland-Pfalz, einer politischen Schwerpunktsetzung, die der Bedeutung des Problems angemessen ist. Da müssen die Kirchen noch stärker mit hinein. Da muss die Wirtschaft mit hinein. Dann müssen Verbände und Vereine mit hinein. Da muss die Arbeits- und die Sozialverwaltung noch stärker beteiligt werden, und zwar alle zusammen, nicht alle einzeln.

Meine Damen und Herren, dann gibt es noch einen Punkt, der auch Sorgen macht. Das ist die Attraktivität unseres Landes für den Zuzug von Leistungsträgern. Unter Greencard hatten wir seinerzeit 2.000 EDV-Leute pro Jahr. Unter Zuwanderungsgesetz sind es noch 900. Das kann nicht der richtige Weg sein. Wir haben im Bemühen, die Hürden hoch zu legen, was richtig war – das Zuwanderungsgesetz ist ein Zuwanderungssteuerungsgesetz –, für Leistungsträger die Hürden zu hoch gelegt. Das war falsch und dient weder den Interessen derer, die zu uns kommen wollen, die jetzt nach Kanada, den USA oder nach Australien gehen, noch unseren eigenen Interessen.

Meine Damen und Herren, vor allem möchte ich aber darauf hinaus, dass wir als Opposition unsere Hand zur Kooperation reichen, aber, Frau Ministerin Dreyer, auch von unserer Seite aus mit ganz klaren Vorgaben. Wir wollen nichts mehr hören von Programmen und Beiräten, von Aktivitäten des Dialogs und der Kooperation.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Preisverleihungen!)

Dass das zu geschehen hat, ist selbstverständlich. Wir müssen und wir möchten Ergebnisse sehen. Wir möchten Ergebnisse sehen, und wir werden die Landesregierung an Ergebnissen in vier Bereichen messen: am Bereich der Sprachkompetenz, am Bereich der schulischen Qualifikation, am Bereich der Ausbildungsplatzquoten und am Bereich der Arbeitsmarktteilhabe. – Erst wenn die Zahlen in diesen Bereichen deutlich besser werden, ist für uns das erreicht, was wir auch in diesem Thema weitgehende Chancengerechtigkeit nennen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Dreyer, ich war schon etwas enttäuscht, als ich den Text der Regierungserklärung heute gelesen habe. Wenn man weiß, es steht eine Regierungserklärung mit diesem Titel an, geht man natürlich auch davon aus, dass es wesentliche und auch neue Aussagen zu diesem Thema gibt. Dann schaut man auch einmal im Internet nach, wie bundesweit im Moment der Stand der Debatte ist und was da so in nächster Zeit ansteht. Man findet dann natürlich sehr leicht, dass es da durchaus demnächst ein ganz interessantes und wichtiges Thema, ein Datum, auch für die Länder gibt. Ich will zu dem Zweck noch einmal an den nationalen Integrationsplan erinnern, der jetzt in der Erarbeitung ist und alsbald konkretisiert werden soll.

Noch einmal zurück: Am 14. Juli 2006 hatte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum ersten nationalen Integrationsgipfel eingeladen. Der fand auch nicht unter Herrn Schröder statt, sondern unter Frau Dr. Angela Merkel, um das noch einmal deutlich zu machen. Es wurde mit allen Beteiligten rund um das Thema „Ausländerpolitik, Integrationspolitik“ beraten, welche Situation wir in unserem Land haben, wie der Stand der Integration ist, woran wir arbeiten müssen und wo wir hin müssen. Es wurden Zeitpläne vereinbart. Es wurden Arbeitsaufträge vereinbart. Es wurden Themen vereinbart, über die man sprechen muss, weil man feststellte, sie sind noch nicht auf einem guten Weg.

Am 14. Juni 2007 steht jetzt an, dass die Ministerpräsidenten – also unter anderem unser Ministerpräsident Beck – auf Ihrer Konferenz integrationspolitische Eckpunkte der Länder beschließen, die dann in den nationalen Integrationsplan einfließen sollen. Dann soll es auf Einladung unserer Bundeskanzlerin am 12. Juli 2007 erneut einen Integrationsgipfel im Kanzleramt geben, bei dem dann dieser gemeinsam erarbeitete Integrationsplan verabschiedet werden soll. Ich dachte, wunderbar, dann werden wir sicherlich in der Regierungserklärung unserer zuständigen Ministerin die Eckpunkte lesen können, die aus Sicht unseres Ministerpräsidenten Kurt Beck für diesen Integrationsplan von Bedeutung sind.

Frau Ministerin, ich habe sie gründlich durchgelesen, aber ich habe sie nicht gefunden. Ich finde, das ist ein trauriges Fazit für eine Regierungserklärung, die Ende April abgegeben wird, wenige Wochen vor einem solchen Datum.

(Beifall der CDU)

Auch bei allem Weiteren, was man da liest, habe ich den Eindruck – das ist das, was mich am meisten beunru

higt –, dass das Wichtigste an dieser Regierungserklärung das ist, was nicht gesagt und nicht geschrieben worden ist. Das Wichtigste wäre meines Erachtens gewesen, eine ehrliche Analyse zu machen; denn nur wer eine ehrliche Analyse macht, kann die richtigen politischen Schlussfolgerungen ziehen und kann aus diesen politischen Schlussfolgerungen und dieser ehrlichen Analyse auch wirklich die richtigen Konzepte für die Zukunft erarbeiten.

(Beifall der CDU)

Sie haben meines Erachtens – Herr Dr. Schmitz, ich weiß gar nicht, was Sie gehört und gelesen haben – nur an zwei Stellen wirklich einmal Fakten gebracht, nämlich zum Bereich des Ausbildungsmarktes und des Arbeitsmarktes.

Sie sind Fakten schuldig geblieben – Herr Dr. Schmitz, Sie haben das dann selbst ausgeführt – zur überproportionalen Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an Straftaten in der Kriminalstatistik.

Sie sind Fakten schuldig geblieben zum überproportionalen Anteil von jungen Menschen mit Migrationshintergrund an den Kindern, die die Schule ohne jeglichen Abschluss, zum Teil aus der 7. Klasse, verlassen.

Sie sind Fakten schuldig geblieben zur besonderen Betroffenheit von Mädchen im Ausbildungsmarkt. Ich will nur an die Große Anfrage erinnern, die wir im vergangenen Jahr zu diesem Thema gestellt haben und über die wir diskutiert haben.

Sie sind auch Fakten schuldig geblieben, wie es bei uns mit dem Thema „Zwangsverheiratung“ aussieht. Das gibt es auch in Rheinland-Pfalz. 15- und 16-jährige Mädchen auch aus Rheinland-Pfalz, die zum Teil hier geboren und aufgewachsen sind, wurden und werden von ihren Familien in die Türkei zur Zwangsverheiratung geschickt.

Frau Ministerin, wenn man sich dann als zuständige Ministerin an dieses Pult stellt und in einer Regierungserklärung zunächst einmal feststellt, die Integration sei gelungen und unsere ausländischen Mitbürger seien inmitten der Gesellschaft angekommen, frage ich mich, welche verzerrte Wahrnehmung der Realität Sie haben.

(Beifall der CDU)

Mit dieser verzerrten Wahrnehmung der Realität zieht man dann logischerweise auch nicht die notwendigen Schlüsse, die wirklich einer Integration dienlich wären. Da haben wir schon andere Erwartungen auch an diese Landesregierung.