Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Das zeigt uns, welches Denken in manchen Köpfen ist. Hier spielt die soziale Komponente und auch eine elitäre Überheblichkeit eine ganz große Rolle, die wir uns abschminken sollten. Alle gehören zu dieser Gesellschaft.

(Frau Thelen, CDU: Das ist ein Nebenkriegsschauplatz!)

Nein, das ist kein Nebenkriegsschauplatz. Herr Dr. Schmitz hat das Thema in sachlicher Weise behandelt. Ich möchte ihm auch in sachlicher Weise zu zwei Punkten erwidern. Zum einen geht es um die Ausländerbeiräte. Ich habe selber zweimal Ausländerbeiräte im Kreis Mayen-Koblenz mit initiiert. Diese geben sich sehr große Mühe und erreichen auch einiges für den Bereich der Menschen, von denen sie gewählt sind.

Diese habe aber das riesengroße Problem, dass viele irgendwann, was begrüßenswert ist, einen deutschen Pass bekommen. Dann dürfen sie nicht mehr für den Ausländerbeirat kandidieren.

(Pörksen, SPD: So ist es!)

Auf diese Art sind sehr viele nachgerückt, die – das kennen wir auch aus den Parteien – hinten als Listenfüller aufgeführt waren und irgendwann in den Genuss kamen, dem Ausländerbeirat anzugehören. Diese waren ursprünglich gar nicht dafür ausgesucht worden. Die Folge davon war, dass qualitativ ein Rückgang zu verzeichnen war.

Wenn man dies öffnet und sagt, dass zukünftig auch Menschen mit Migrationshintergrund unabhängig von ihrer deutschen Staatsangehörigkeit in den Beirat gewählt werden können, wäre das für die Arbeit in den Ausländerbeiräten ein absoluter Gewinn. Das halte ich für eine ganz wichtige Frage; denn der deutsche Pass allein löst nicht die Probleme, die im Grunde genommen durch den Migrationshintergrund gekommen sind. Deshalb bitte ich, dass die FDP vielleicht über die Frage noch einmal nachdenkt.

Am Rande komme ich noch auf das Quorum zu sprechen. Wenn ich mir heute so manche Landratswahlen und Ähnliches anschaue, kommt man auch schon in die Versuchung, langsam ein Quorum einzuführen. Die Beteiligungen sind in einer jahrzehntelangen Demokratie auch nicht so groß. Man muss einmal überlegen, um

welche Klientel es hier geht, das den Ausländerbeirat wählen soll. Hierbei handelt es sich um Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftskreisen und den unterschiedlichsten Kulturen mit unterschiedlichem Status.

Ein EU-Bürger, der auch wahlberechtigt ist, hat kein so großes Interesse daran, weil er aufgrund seiner EUStaatsbürgerschaft andere Möglichkeiten hat. Ein Mensch, der sich in einem Asylverfahren befindet, hat sicherlich auch wieder andere Interessen als ein Mensch, der einen anderen Status hat. Ich denke, deshalb wäre es schlecht möglich, über diese Frage einmal nachzudenken.

Ich komme zur Integration. Eben wurde mir wahrscheinlich nicht so richtig zugehört. Ich habe Professor Oberndörfer zitiert, der klar ausgeführt hat, was unter Integration zu verstehen ist. Ich glaube, wir haben unterschiedliche Ansätze, was wir unter Integration verstehen. Hierüber sollte man vielleicht – heute ist nicht der Platz dazu – einmal ausführlicher sprechen.

Integration ist kein Prozess, der jetzt anfängt. Das werfen Sie der Ministerin vor. Sie haben sie aufgefordert, eine Bilanz vorzulegen nach dem Motto: Hallo liebe Leute, ich verkünde, hiermit ist die Integration erledigt. – Integration ist eine Daueraufgabe, die uns noch viele Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird und die nicht auf Leute mit Migrationshintergrund beschränkt ist.

(Beifall der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Klöckner! Das, was Sie machen, ist nicht fair. Alles, was Sie behauptet haben, hat niemand von uns gesagt.

1. Die CDU weiß genau, dass es sehr viele Menschen in diesem Land gibt, die sich tagtäglich mit Integration beschäftigen. Zunächst gehört es sich, diesen Dank zu sagen. Das ist völlig klar. Das hat niemand bestritten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

2. Wenn wir eine Regierungserklärung vorgelegt bekommen, erwarten wir schon etwas mehr, als das Alltägliche geschildert zu bekommen. Eine Regierungserklärung soll dazu dienen, Problemfelder und Handlungswege aufzuzeigen und das politische Handeln vorzuführen.

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung zur Integration über das Thema „Frauen und Gleichberechtigung“ und darüber gesprochen, wie die Mädchen in den Familien, zum Beispiel in türkischen Familien, behandelt werden. Alltag in Rheinland-Pfalz ist aber auch, dass diese Mädchen nicht am Sportunterricht oder an mehrtägigen Fahrten teilnehmen können, verheiratet werden und

keine Fahrten in das nächste Dorf oder in die nächste Stadt unternehmen dürfen.

Diese Probleme müssen in einer Regierungserklärung mit diesem Thema genannt werden. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass es auch gute Dinge gibt. Wir wollen uns doch verbessern. Deshalb muss dies alles genannt werden.

(Beifall bei der CDU)

Es nicht das erste Mal, dass wir Regierungserklärungen erleben, in denen all das drinsteht, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, und vielleicht auch ein paar neue Dinge, die aber vorher sowieso schon in der Presse abgefasst wurden. Wir haben einen anderen Standard. Wir wollen mehr.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Staatsministerin Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Ich möchte doch auf das eine oder andere eingehen.

Frau Abgeordnete Thelen und Frau Kohnle-Gros, Sie irren in Ihrer Annahme, dass ich die Realität nicht sehe. Ich sage sehr deutlich, dass wir die Realität komplett unterschiedlich bewerten. Das ist der Punkt. Es ist nicht so, dass ich die Fakten, die Sie zitieren – ich kommentiere gleich einige, weil sie sich teilweise anders darstellen, als Sie es gesagt haben –, nicht sehen würde, sondern ich bewerte sie anders. Das unterscheidet uns. Das kann ich stehen lassen. Es ist aber nicht so, dass ich die Augen davor verschließe.

(Beifall bei der SPD)

Ich bleibe dabei. In Rheinland-Pfalz ist die Integration gelungen. Das heißt nicht, dass es keine Probleme gibt. Meine Regierungserklärung ist auch nicht so gestrickt, als würde ich das nicht sagen.

Da Sie alle auf die Geschichte des Landes eingegangen sind, muss ich sagen, dass das Land in den letzten sechs Jahrzehnten vieles hinbekommen hat. Wir hatten verschiedene Wellen der Zuwanderung, angefangen bei den Vertriebenen, den Flüchtlingen über die Gastarbeiter. Wir hatten die Asylsuchenden, die in den 80erJahren zu Tausenden in dieses Land geströmt sind. Danach hatten wir das Thema „Aussiedler und Spätaussiedler“.

Wir haben alles in unterschiedlicher Weise gut oder weniger gut gemanagt. Insgesamt ist es wirklich nicht so, dass man nicht mit gutem Gefühl sagen könnte, in

Rheinland-Pfalz leben die Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gut, friedlich und sozial integriert miteinander zusammen.

(Beifall bei der SPD)

In Rheinland-Pfalz gibt es keine Parallelgesellschaften. Ich möchte das noch einmal ausdrücklich sagen. Herr Dr. Schmitz hat davon gesprochen. Das ist korrekt. Es gibt Stadtteile mit besonders hohen Migrationsanteilen, in denen das Miteinander schwierig ist. Es gibt aber keine Parallelgesellschaften.

Parallelgesellschaften sind Gesellschaften mit anderen Ordnungssystemen, die parallel außerhalb unseres Systems intern, abgeschlossen und abgegrenzt nach außen agieren. So etwas haben wir in Rheinland-Pfalz nicht. Wir haben Stadtteile mit einer erhöhten Anzahl von Migranten und Migrantinnen. Parallelgesellschaften sind etwas komplett anderes. Wenn Sie einmal mit Kollegen und Kolleginnen in größeren Städten sprechen, die tatsächlich mit dem Problem der Parallelgesellschaft zu tun haben, wissen Sie, was uns in Rheinland-Pfalz davon unterscheidet.

(Beifall der SPD)

Ich möchte auch Ihre Darstellung zum Thema „Kriminalität“ richtigstellen, weil es sie schlicht und einfach nicht stimmt. Die Kriminalität ausländischer Personen in vergleichbaren Situationen – das ist der wichtige Punkt – ist nicht höher als die Kriminalität Deutscher. Die Kriminalität ist in diesen Bereichen vielmehr ein Schichtenproblem. Wer die neuere Literatur zur Migration kennt, der weiß, dass viele Probleme der Integration heute darauf beruhen, dass Migrantenfamilien in schwachen sozialen Schichten leben. Sie haben dieselben Probleme wie viele Teile der deutschen Bevölkerung.

Dafür gibt es ein wunderschönes Beispiel. Die ersten Erfahrungen bei der Einschätzung des Sprachförderbedarfs meiner Kollegin Doris Ahnen haben ergeben, dass von denjenigen, bei denen Sprachförderbedarf besteht, gut die Hälfte Migrantenkinder sind. Die andere Hälfte setzt sich aus spracharmen einheimischen Kindern zusammen. Das belegt, dass vieles, mit dem Sie argumentieren, nicht ein klassisches Ausländerproblem, sondern ein Schichtenproblem ist. Ich bitte sehr herzlich, das zu unterscheiden. Alles andere wird den Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft nicht gerecht.

(Beifall der SPD)

Ich habe die Grundfreiheiten in meiner Regierungserklärung explizit erwähnt. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, zu unserer Verfassung zu stehen und auch von denjenigen, die hier leben, zu erwarten, dass sie sich an die Verfassung halten. Ich erinnere mich, dass dies die einzige Stelle war, an der Sie mir sogar Beifall gezollt haben, Frau Kohnle-Gros.

(Pörksen, SPD: Da war sie wahrscheinlich etwas verwirrt!)

Insofern kann man mir im Nachhinein schlecht vorwerfen, dass ich das Thema „Grundfreiheiten“ nicht ange

sprochen habe. Ich verschließe auch nicht die Augen davor. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Dies gilt auch für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Wir unterstützen, fördern und stärken Frauen, damit sie zu gleichberechtigten Lebensweisen kommen. Das gilt für Frauen mit Migrationshintergrund, aber auch für deutsche Frauen, die teilweise in familiären Situationen leben, in denen noch lange nicht die Gleichberechtigung existiert, die ich mir als Frau wünsche.

(Beifall der SPD)

Zur Sprache: Auch das ist wichtig zu sagen: Wir vertreten auch hier nicht die gleiche Meinung. Es ist ein Unterschied, ob man vorhandene Deutschkenntnisse zu Zugangsvoraussetzungen zum Bildungssystem macht oder ob man Kinder fördert, sodass sie bei Schulbeginn deutsch sprechen können. Das ist ein eklatanter Unterschied.

Diese Diskussion ist auch in Hessen vor kurzem geführt worden, nämlich mit der Intention, Deutschkenntnisse zur Voraussetzung dafür zu machen, dass Kinder überhaupt ins Bildungssystem eintreten können. Das hat den Preis, dass diese Kinder erst recht auf der Strecke bleiben, weil es vielleicht noch ein oder zwei Jahre dauert, bis sie so weit sind.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Dazu ist es ein großer Unterschied, Kinder mit der Erwartung zu fördern, dass sie bei Schuleintritt über Deutschkenntnisse verfügen. Ich denke, das muss man erwähnen; denn es bestehen strukturelle und systematische Unterschiede.

Frau Kohnle-Gros, die Rheinland-pfälzische Initiative für Migration ist nicht abgeschafft worden. Sie hat einen Großteil ihrer Arbeit abgeschlossen. Die Empfehlungen der Rheinland-pfälzischen Initiative für Migration werden in das rheinland-pfälzische Integrationsprojekt einbezogen werden. Im Übrigen ist die Rheinland-pfälzische Initiative für Migration mit einer kleinen Erweiterung im Landesbeirat für Migration aufgegangen.

Frau Thelen, für mich gab es keine Veranlassung, auf den nationalen Integrationsplan einzugehen. Das sage ich sehr deutlich. Ich habe ihn genannt, weil ich der Auffassung bin, dass es ein großer Fortschritt ist, dass man es sich auf Bundesebene gemeinsam mit den Ländern zur Aufgabe gemacht hat, Integrationsmaßnahmen zu entwickeln. Wir arbeiten aktiv daran mit. Morgen fahre ich als Migrationsministerin nach Düsseldorf, um die Landespositionen gemeinsam mit den Ländern zu erörtern. Der Zeitplan und der Plan, wie der nationale Integrationsplan entwickeln werden soll, stehen bereits fest.