Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Eymael.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Wort „Aufsteigerland“ ist heute mehrfach genannt worden von Herrn Kollegen Hartloff, vom Ministerpräsidenten und von der CDU-Fraktion eher zurückhaltend. Fakt ist jedoch, dass die volkswirtschaftlichen Kennzahlen dies belegen. Wir haben die drittgünstigste Arbeitslosenquote. Auch bei der Produktivität je Arbeitsplatz sind wir ganz weit vorn. Hinsichtlich des Wachstums belegen wir in der Regel einen Platz zwischen Platz 1 und Platz 5. Bei der Exportquote stehen wir ganz oben, nämlich auf Platz 1 neben Bremen.

Meine Damen und Herren, fast 20 Jahre lang haben liberale Wirtschafts- und Verkehrsminister und in den vergangenen zehn Jahren auch Agrarminister die Verantwortung hierfür getragen. Das ist eine Erfolgsstory liberaler Politik.

(Beifall der FDP)

Herr Ministerpräsident, wir können nur hoffen, dass auf diesen Grundlagen in diesen Bereichen aufgebaut werden kann, wobei ich hier und da meine Bedenken habe. Unser Ziel war es in der Vergangenheit, nicht nur Arbeitsplätze zu erhalten, sondern auch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist uns auch gelungen. Es ist uns gelungen, nicht nur Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch besonders wertvolle Arbeitsplätze zu schaffen, nämlich im Bereich der neuen Technologien und im Hightechbereich. Das sind übrigens Arbeitsplätze, die

vom Mittelstand geschaffen worden sind. Ich war schon etwas verwundert, als Sie ausgerufen haben, wir benötigten nun den modernen Mittelstand. War der Mittelstand bisher etwa altbacken oder herkömmlich? Es war der moderne Mittelstand in Rheinland-Pfalz, der diese Arbeitsplätze und die Grundlagen für diese positive wirtschaftliche Entwicklung geschaffen hat. Daran wollen wir natürlich auch in der Zukunft festhalten.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU)

An dieser Stelle will ich dem Mittelstand sowie den kleinen und mittleren Unternehmen sehr herzlich danken, nicht nur dafür, dass sie Arbeitsplätze geschaffen haben, sondern auch, dass sie Garant dafür waren, dass wir in den vergangenen Jahren genügend Ausbildungsplätze in diesem Land hatten. Ein herzliches Dankeschön der Wirtschaft, die im freiwilligen Bemühen gemeinsam mit den Kammern und den Verbänden diese Ausbildungsplätze geschaffen hat. Ich bin im Grundsatz guter Hoffnung, dass all diejenigen, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, in diesem Jahr einen entsprechenden Ausbildungsplatz bekommen werden.

Wir werden Sie darin unterstützen in all ihren Bemühungen. Ich kann nur hoffen, dass die Programme, die in der Vergangenheit aufgelegt wurden – zum Beispiel über die Investitions - und Strukturbank –, zum Nutzen der vielen Jugendlichen fortgesetzt werden, die heute einen Ausbildungsplatz suchen. Dazu bitten wir Sie und fordern Sie entsprechend auch auf.

Meine Damen und Herren, der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Rheinland-Pfalz ist im Übrigen das mittelstandsgeprägteste aller Bundesländer. Rund 98 % der Betriebe gehören dem Mittelstand an. Über 80 % der Arbeitsplätze, über 70 % der Umsätze und über 80 % der Ausbildungsplätze werden heute über den Mittelstand sichergestellt.

Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der Mittelstand auch in Zukunft erfolgreich sein wird. Dazu gehören natürlich kleine und mittlere Betriebe sowie der Aufbau der kleinen und mittleren Betriebe. Wir sind im Übrigen in den vergangenen Jahren zu einem Existenzgründerland geworden. Ich werde mit Argusaugen beobachten, wie die Förderung im Bereich der Existenzgründung fortgesetzt werden wird. Wird es beispielsweise bei den Technologiezentren und bei den Existenzgründerzentren im Land bleiben? Wir haben 25 Existenzgründerzentren, die mit Erfolg gewirtschaftet haben. Daraus sind viele selbs tständige Existenzen entstanden, und zwar im neuen Technologiebereich. Das ist ganz entscheidend, weil insbesondere in diesen Bereichen Arbeitsplätze Zukunftschancen haben. Sie werden nicht wegrationalisiert oder verlagert, sondern bleiben hier. Deswegen wird es wichtig sein, dass gerade im Bereich der neuen Technologien neue Ansätze für Existenzgründer gefunden werden.

Mit jeder Existenzgründung sind drei bis vier neue Arbeitsplätze verbunden. Wir wissen, dass es in der Großindustrie beim produzierenden Gewerbe noch weitere Verlagerungen geben wird. Deshalb muss eine Kompensation über die mittelständischen Betriebe erfolgen.

Daher wird unser besonderes Augenmerk diesen Betrieben gelten, die den modernen Mittelstand repräsentieren; denn zur Exportquote, die in Ihrer Regierungserklärung einseitig nur auf die Industrie bezogen worden ist, leisten auch die kleinen und mittleren Unternehmen einen erheblichen Beitrag.

Insbesondere das Wachstum in diesen Betrieben ist in den vergangenen Jahren geradezu sensationell verlaufen, und zwar wesentlich positiver als in vielen anderen Bundesländern. Insofern tragen die mittelständischen Betriebe erheblich zu der Erfolgsstory der Exportquote bei.

Meine Damen und Herren, das Thema der Beauftragten ist ein Thema für sich. Der „Mittelstandslotse“ ist ein vornehmes Wort für einen Beauftragten. Ich bin der Auffassung, dass wir genügend Beauftragte haben.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Mit jedem Beauftragten ist ein Mehr an Bürokratie, an Aufwand und an Kosten verbunden. Ich freue mich, dass der ehemalige Wirtschaftsminister von den Wirtschaftsverbänden und den Kammern einstimmig zum „Mister Mittelstand“ ernannt worden ist. Vielleicht übernimmt er den Posten des Mittelstandslotsen ehrenamtlich, Herr Ministerpräs ident. Dann kostet das nicht so viel. Er kennt sich sicherlich mit am besten aus.

Mit dem Mittelstand beschäftigen sich nicht nur der Minister und zwei Staatssekretäre. Das Ministerium ist etwas verkleinert worden. Deshalb haben Sie mehr Zeit, sich nun verstärkt um den Mittelstand zu kümmern. Es gibt ganze Abteilungen und Referate sowie die ISB. Es gibt also genügend Personen und Instanzen, die sich mit der Mittelstandsförderung und der Unterstützung des Mittelstands beschäftigen. Ich bin der Meinung, dass man auf einen solchen Lotsen verzichten könnte.

Da Sie den Mittelstand immer loben, will ich noch Folgendes hinzufügen: Die größte Steuererhöhung aller Zeiten, die in Berlin beschlossen worden ist, schadet extrem dem Mittelstand. Sie schadet dem Handwerk, das keine Aufträge mehr bekommt, und sie schadet eindeutig dem Konsumverhalten in Deutschland.

(Beifall der FDP)

Lassen Sie mich einige Anmerkungen zur Investitions- und Strukturbank machen. Herr Ministerpräsident, Sie wissen alles. Wir wissen, dass Sie alles wissen. Die Investitions - und Strukturbank gehörte zu meinen Lieblingskindern. Finanzminister Deubel und ich saßen zusammen im Aufsichtsrat. Ich glaube, wir haben alle wichtigen Entscheidungen in der Vergangenheit partnerschaftlich mit dem Finanzministerium abgestimmt.

Ich habe dabei nur ein Bedenken. Wir haben aus der Investitions - und Strukturbank eine Wirtschaftsförderungseinrichtung gemacht. Das heißt, wir haben alle Wirtschaftsförderungsinstrumente gebündelt und Wirtschaftsförderung aus einer Hand betrieben. Das war ein Erfolgsmodell. Wir haben das zehnjährige Bestehen gefeiert. Durch die ISB wurden 50.000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Das war eine Erfolgsstory.

Jetzt habe ich folgende Befürchtung; denn ich kenne die Finanztechniken des Finanzministers. Die ISB hat ein Eigenkapital von rund 230 Millionen Euro. Das ist natürlich viel Geld. Rund 230 Millionen Euro liegen dort sozusagen.

Dann muss man aber fairerweise sagen: Okay, ich will keine Wirtschaftsförderungseinrichtung, die ausschließlich für die Wirtschaft zuständig ist, sondern ich will eine Geschäftsbank daraus machen. – Das ist etwas ganz anderes. Das werden wir genau kontrollieren. Wir wollen, dass die ISB nach wie vor ein erfolgreiches Wirtschaftsförderungsinstrument für unsere Wirtschaft, insbesondere unsere mittelständische Wirtschaft, im Land Rheinland-Pfalz bleibt.

(Beifall der FDP)

Wir wollen, dass das Geld, das dort erwirtschaftet wird, für die Wirtschaftsförderung im Land ausgegeben wird. Das ist das A und O. Man kann natürlich noch anderes damit finanzieren, wenn Not am Mann ist bzw. wenn Not an Geld ist.

Meine Damen und Herren, Bürokratieabbau ist ein Thema, das uns alle beschäftigt. Mir ist das eingefallen, weil Sie Genehmigungsverfahren angesprochen haben. Dabei sind wir gut. Aber eines will ich anmerken. Ich bin der Meinung, dass wir bei Infrastrukturmaßnahmen Verbesserungen erzielen könnten.

Dabei denke ich an das Verbandsklagerecht. Beim Naturschutzrecht habe ich oftmals den Eindruck, dass das missbraucht wird, um aus ideologischen Gründen größere Projekte und Bauvorhaben zu verhindern, Herr Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Beck: Das hat doch Herr Kollege Dieckvoß eingeführt!)

Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass wegen zwei Mittelspechtpaaren eine Maßnahme, die von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung von Eifel und Hunsrück und darüber hinaus für ganz Rheinland-Pfalz ist – der Hochmoselübergang –, drei Jahre verzögert wird, um ein Reparaturverfahren einleiten zu können. Ich hoffe, dass Ende des Jahres in der Tat Baurecht kommt, Herr Minister Hering. Man muss also kritisch überprüfen, ob das Verbandsklagerecht in dieser Form noch sinnvoll ist und ob es so noch zeitgemäß ist.

(Beifall der FDP – Ministerpräsident Beck: Das hat die FDP doch eingeführt! Das war das Lieblingskind von Herrn Kollegen Dieckvoß! Gegen meinen Willen!)

Nein, nein, nein, da war ich auch schon dabei. Dann müsste ich unter Gedächtnislücken leiden. Das kann aber nicht sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zum Verkehrsbereich machen. Es ist schön, dass da nun eine halbe Milliarde Euro steht.

(Ministerpräsident Beck: Viel Geld!)

Eine halbe Milliarde Euro für die Straße. Wir hatten gedacht, da steht ein Punkt. Da steht aber kein Punkt, sondern da steht „und Schiene“.

(Ministerpräsident Beck: Das war bisher auch so!)

Nein, das war bisher nicht so. Bisher war das die Mobilitätsmilliarde. Wir hatten für den Landesstraßenbau 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die wir dann über sechs Jahre gestreckt haben. Diese Mittel standen aber allein für die Landesstraßen und nicht auch für die Schiene zur Verfügung. Jetzt werden allein, wenn das so bleibt, 173 Millionen Euro für die Schiene abgezogen. Hinzu kommen der Radwegebau und Verkehrssicherungsmaßnahmen, die ebenfalls abgezogen werden. Meine Damen und Herren, das heißt, die einzelnen Schlaglöcher in den Landesstraßen werden in der Zukunft nicht mehr saniert oder eine Straßenerneuerung wird nicht in dem Sinn stattfinden. Das stellt eine Schwächung der ländlichen Räume insgesamt dar.

(Beifall der FDP und des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Ich sage das einmal ganz deutlich; denn Mobilität ist das A und O, wenn wir heute über die Stärkung der ländlichen Räume sprechen, weil nämlich die Arbeitsplätze heute nicht mehr in den ländlichen Räumen so vorhanden sind, wie das noch vor Jahren der Fall war, sodass die Menschen heute in die Ballungsgebiete zu ihren Arbeitsplätzen fahren müssen.

Deshalb benötigen sie eine gut erhaltene Verkehrsinfrastruktur. Der Straßenbau leidet darunter. Die Mittel sind anders verteilt worden. Die Schwerpunkte sind eindeutig anders gesetzt worden. Ich bin gespannt, wie das im Lauf der Haushaltsberatungen zum Ausdruck gebracht wird. Wir werden auf jeden Fall genau aufpassen, dass entsprechende Möglichkeiten im Straßenbau erhalten bleiben.

Das gilt übrigens auch für den Bundesfernstraßenbau. Ich sage ganz offen, der Bundesverkehrswegeplan gehört überarbeitet und so schnell wie möglich geändert.

(Beifall der FDP)

Es gibt bei uns einige Großprojekte, die im „weiteren Bedarf“ enthalten sind, die in den „vordringlichen Bedarf“ gehören. Ich denke dabei an die B 10. Herr Ministerpräsident, ich weiß, dass Sie und die SPD an der Südlichen Weinstraße damit über viele Jahre hinweg Probleme hatten und dass Sie jetzt dazu stehen. Ich freue mich darüber.

(Ministerpräsident Beck: Was heißt „jetzt steht“? Habe ich je geschwankt?)

Sie ist aber verhindert worden, weil die Straße zum Teil in den „weiteren Bedarf“ abgestuft worden ist.

Pirmasens -Stadt – das ist die richtige Zahl, Herr Kollege Baldauf hatte die Zahl nämlich zu niedrig angesetzt – hat in den vergangenen 15 Jahren 15.000 Einwohner verlo

ren. Das hängt auch damit zusammen, dass die Verkehrsanbindung miserabel war.

(Beifall bei der CDU)

Stück für Stück haben wir alles versucht. Man hätte natürlich die A 8 bauen müssen. Das ist damals aus umweltpolitischen und ideologischen Gründen heraus nicht geschehen. Wenn die A 8 gebaut worden wäre, wäre diese Region nicht weiter abgehängt worden.