Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich gibt es auch in der Bildungspolitik andere Akzente. Das ist klar. Herr Hartloff, glauben Sie bloß nicht, wir wären so blöd zu glauben, Sie würden in die alten Schützengräben hinunterfallen. So doof sind wir nicht.
Wir haben doch jahrelang zusammengearbeitet. Ich schätze schon Ihre Intelligenz insoweit ein, dass Sie in diese Falle nicht tappen werden.
Herr Kollege Hartloff, aber gleichwohl müssen Sie doch zugestehen, dass Akzentverschiebungen schon vorgenommen werden, dass schon eine Akzentverschiebung Richtung Gesamtschulinitiativen – in welcher Form auch immer und weshalb und mit welcher Begründung auch immer – vorgenommen wird. Dass Sie da gewisse Sympathien haben, kann man auch an den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten in der Publikation der GEW nachlesen. Insofern ist es nicht völlig unbegründet, wenn der Kollege Baldauf hier gewisse Sorgen entwickelt, die wir durchaus entwickeln können, weil wir nicht – da stimme ich mit Ihnen überein – zurück wollen in diesen Schützengrabenkampf, wo man über die Schulform streitet.
Herr Baldauf, wir können natürlich jetzt – wie Sie es auch getan haben – herunterbeten, dass die Gesam tschulen, so wie sie in Deutschland laufen, wohl nicht so funktionieren, wie die Erfinder es sich gedacht haben. Das habe ich auch gelesen. Ich habe auch gelesen, dass die Länder, die das verstärkt propagiert haben, bei PISA nicht gut abschneiden. Da stimme ich Ihnen zu. Das habe ich auch gelesen. Ich stimme Ihnen auch zu, dass auch in den Ländern selbst die Gesamtschulen im Verhältnis zum gegliederten Schulsystem nicht so gut abschneiden, und zwar in allen Schularten der Gesam tschule. Da stimme ich Ihnen zu. Deswegen sollten wir auch vermeiden, in diesen alten Glaubenskrieg zu verfallen.
Nur eine Idee, die dahintersteckt, die ich in einer Zeitung auch einmal so gelesen habe, dass die Idee der Gesamtschule darin liege, dass die Starken die Schwachen mitziehen sollen, klingt auf den ersten Blick sehr einleuchtend. Ich möchte auch niemandem zu nahe treten, weswegen ich mich selbst als Beispiel nehmen will. Sie hätten mich in eine Klasse mit zwölf Karajans stecken können, aus mir wäre kein Orchestermusiker geworden. Ich habe einfach kein Talent dafür. Da ist nichts zu machen. Deswegen kommt es entscheidend auf die Begabung des Einzelnen an.
Deswegen kommt es entscheidend darauf an, dass der Einzelne in seiner Begabung gefördert wird, und zwar unabhängig davon, in welcher Schulform er sich befindet, egal, ob es eine Gesamtschule ist, egal, ob es eine gegliederte Schule ist. Aus Sicht der FDP lohnt dieser
alte Krieg überhaupt nicht, sondern unser Ziel muss sein zu erreichen, dass jedes Kind in Rheinland-Pfalz, egal in welcher Schule, optimal nach seinen Fähigkeiten gefördert wird. Das ist das, was wir auch für die Zukunft einfordern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das macht man dadurch – Herr Kollege Billen, dazu wollte ich nämlich gerade kommen; ich habe schon geahnt, dass Sie mit entsprechenden Fragen kommen, auch Sie kenne ich schon länger –, dass man verbindliche Standards für alle Schulformen setzt
und vorgibt, dass diese Standards auch zu erreichen sind, den Schulen dabei aber die größtmögliche Freiheit gibt, wie sie sie erreichen. Aber am Ende muss auch überprüft werden, ob diese Standards auch erfüllt worden sind, um sicherzustellen, dass die Hauptschule in Neuwied genauso gut arbeitet wie die in Ludwigshafen.
Herr Kollege Billen, so kann man das nach der Vorstellung der FDP machen. Damit wissen Sie auch, was wir uns in diesem Teil vorstellen können.
Wir wollen auch, dass die Hauptschulen weiterhin die notwendige Beachtung erhalten. Die Probleme lösen sich nämlich nicht, wenn die Hauptschule, wenn sie nicht mehr attraktiv ist, in irgendeiner Regionalen Schule und Ähnlichem aufgeht. Die Schüler, die das Problem waren, sind nämlich noch da, die Schüler, die nicht ausreichend Sprachkenntnisse haben, die erzieherische Defizite haben. Die gilt es weiterhin aufzuarbeiten. Deswegen ist es vollkommen egal, in welcher Schulform sie sich letztlich befinden. Diese Dinge müssen angepackt werden.
Das sollte auch an den bestehenden Hauptschulen, wo es nicht überall Probleme gibt, aber dort, wo es sie gibt, in Zukunft verstärkt angepackt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben zur Kenntnis genommen, dass es jetzt auch in RheinlandPfalz ein Abitur nach zwölf Jahren geben soll. Aus Sicht der FDP ist es aber nicht weitgehend genug; denn auch hier werden den Schülern unterschiedliche Chancen geboten. Auch wird ein Stück gespalten, wenn man den Vorschlag so macht wie hier, weil bestimmte Schüler eben nicht die Chance haben, früher Abitur zu machen, früher ins Studium zu kommen, früher in Arbeit zu kommen und damit Chancen vertan werden.
Auch hier wünschten wir uns etwas mehr Mut. Insoweit wird von uns die Forderung weiterhin aufrechterhalten, dass das Abitur auch in Rheinland-Pfalz nach zwölf Jahren gemacht werden kann, wie dies in vielen anderen Ländern zwischenzeitlich beschlossen wurde.
Einen größeren Bruch, eine größere Diskontinuität stellen wir in einem von uns bisher verantworteten Bereich fest, ein Bereich, der uns so, wie er entwickelt wird, zunächst Sorge bereitet. Wir stellen fest, dass die Wirtschaft nicht mehr kraftvoll und nicht mehr mit entsprechendem politischem Gewicht im Kabinett vertreten ist, weil das Wirtschaftsministerium in seinen Kompetenzen schon beschnitten worden ist.
Herr Ministerpräs ident, das lässt sich nicht leugnen. Die ISB ist vom Wirtschaftsministerium an das Finanzministerium verlagert worden. Das wird mit dem Vier-AugenPrinzip begründet. Das mag man so begründen. Es war aber bis heute nicht so, dass das Wirtschaftsministerium dort machen konnte, was es wollte. Das Finanzministerium war in den Kontrollgremien selbstverständlich mit drin.
Das Gleiche gibt es bei der wirtschaftsnahen Technologieförderung. Auch sie wird zu großen Teilen vom Wirtschaftsministerium weg an das Wissenschafts ministerium verlagert. Zu gewissen Teilen wird die Forschung – – –
Aus Sicht der FDP wird, wenn dies aber so gemacht wird, das Wirtschaftsministerium wichtiger Instrumente beraubt, die notwendig waren und dem Wirtschaftsministerium die Möglichkeit gaben, als Strukturministerium in diesem Land zu fungieren. Wenn diese Instrumente verlagert werden, dann wird der Wirtschaftsminister zu einem Operateur, dem die Instrumente genommen werden. Und ein Chirurg ohne Skalpell kann schlecht operieren. Das finden wir nicht in Ordnung. Wir gehen davon aus, dass diese neuen Strukturen sich nicht bewähren werden.
Genauso gehen wir davon aus, dass es nicht der richtige Weg ist, die Kompetenz für die Energie aus dem Wirtschaftsministerium herauszuverlagern. Bei der Energie sind drei Punkte wichtig: Versorgungssicherheit, Preisstabilität und selbstverständlich umweltschonende Erzeugung. Aber die ersten beiden Punkte werden aus dem Blickpunkt geraten, wenn dies eben nicht mehr im Wirtschaftsministerium betreut wird. Diese Punkte sind für die wirtschaftliche Entwicklung schon von großer Bedeutung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen mit Sorge, dass der Kompromiss bei der Mobilität auf Bun
desebene zulasten des Landes gehen wird. Zwar führen Sie in der Regierungserklärung aus, dass es eine Investitionsmilliarde geben soll, diese Investitionsmilliarde auch zur Hälfte für die Investitionen in Mobilität verwandt werden soll, dort Straßen und Schienen zusammengenommen werden – also 500 Millionen Euro –, wenn aber gleichzeitig auf Bundesebene die Regionalisierungsmittel um 170 Millionen Euro gekürzt und gleichzeitig in der Regierungserklärung ausgeführt wird, dass der Rheinland-Pfalz-Takt gestärkt werden soll, dann muss man sich fragen, woher das fehlende Geld kommen soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, offensichtlich von diesen 500 Millionen Euro, also Landesmittel, die dann für andere Infrastrukturmaßnahmen im Land nicht zur Verfügung stehen werden. Das ist aus uns erer Sicht keine glückliche Politik an dieser Stelle. Es ist auch kein glücklicher Kompromiss, der auf Bundesebene gefunden wurde. Das ist eher ein Kompromiss, der der großen Koalition auf Bundesebene geschuldet wird, aber letztlich aus dem Landeshaushalt zu finanzieren ist. Das ist aus Sicht des Landes Rheinland-Pfalz keine vernünftige Politik,
weil wir diese Mittel – wie bisher – für die Zukunft unseres Landes benötigen, für eine gute Infrastruktur. Das geht nicht ohne entsprechende Finanzierung, zumal wir in einem Land leben – Herr Kollege Hartloff hatte darauf hingewiesen –, wo viele Menschen als Pendler ihr Geld verdienen müssen.
Menschen, die gern bei uns leben, aber anderswo ihr Geld verdienen, benötigen eine gute Verkehrsinfrastruktur sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene.
Herr Kollege Hartloff, es ist ein Unterschied, ob wir es aus eigenen Mitteln finanzieren müssen oder der Bund gegebene Finanzierungszusagen von früher nicht mehr aufrechterhält.
Herr Kollege Hartloff, hier wird sehr deutlich, dass es schon notwendig ist, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vielleicht neu zu ordnen.
Herr Kollege Hartloff, wir wissen doch, dass die Regionalisierungsmittel nicht vom Himmel gefallen sind. Wer als normaler Bürger diesen Begriff hört, der weiß überhaupt nicht, was sich dahinter verbirgt. Man muss es ihm erläutern. Man muss darauf hinweisen, dass der Bund, als er die Bahn privatisiert hat, gesagt hat, die Länder
sind für den Schienenpersonennahverkehr zuständig. Da haben die Länder gesagt: Das ist in Ordnung, das machen wir, da du es aber bisher gemacht hast, gib auch das Geld mit herüber.
Es sollte immer so sein, dass die Aufgabe von denen übernommen wird, die auch über das Geld verfügen. Anders ausgedrückt: Das Geld muss der Aufgabe folgen.– Hier ist es aber nicht so geschehen, Herr Kollege Hartloff. (Beifall der FDP)