Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der am 11. Dezember 2007 beschlossenen Neuregelung der Erbschaftsteuer des Bewertungsrechts täuscht die Koalition die Bürger und Unternehmer. Trotz aller Ankündigungen soll das Erbschaftsteueraufkommen von etwa 3,2 Milliarden Euro im Durchschnitt der letzten zehn Jahre auf mehr als 4 Milliarden Euro erhöht werden, Tendenz steigend. Verlierer sind sowohl die alteingesessenen mittelständischen Unternehmen und damit die großen Arbeitgeber als auch die erweiterte Familie sowie nicht eheliche Lebenspartner.

Die Regierung begeht Wortbruch gegenüber dem Mittelstand.

(Hartloff, SPD: Oh je!)

Noch in der Koalitionsvereinbarung hatte sie zugesagt – Sie müssen zuhören, Herr Kollege –, dass Vererbung von Unternehmen ganz von der Steuer freizustellen ist, wenn sie zehn Jahre lang weitergeführt werden.

(Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Es tut so weh!)

Das war Koalitionsvereinbarung. Nunmehr müssen immer mindestens 15 % des Betriebsvermögens bei in der Regel vierfach höheren Wertansätzen versteuert werden. Hierbei liegen die genauen Wertansätze noch gar nicht fest; denn diese sollen vom Bundesministerium der Finanzen in einer separaten Rechtsordnung geregelt werden.

Die Vergünstigungsregelung bei Fortführung des Betriebes gilt für den Erben einer Kapitalgesellschaft erst dann, wenn er mehr als 25 % des Unternehmens erhält. Die Lohnsumme darf auch bei schlechter Auftragslage nicht unter 70 % sinken, sonst wird die komplette Steuer auf den gestundeten Betrag fällig.

Diese Stundungsregelung gilt aber nur dann, wenn der Erbe das Unternehmen 15 Jahre lang nicht veräußert oder aufgibt. In der Landwirtschaft sind dies sogar 20 Jahre. Diese Regelung ist der sich schnell wandelnden Wirtschaft völlig lebensfremd. In der Steuerklasse zwei steigen zwar durch die Neuregelung die Freibeträge von 10.300 Euro auf 20.000 Euro und in der Steuerklasse drei von 5.200 Euro auf 20.000 Euro. Zugleich steigt der Eingangssteuersatz jedoch drastisch an, in der Steuerklasse zwei von 12 % auf 30 % und in der Steuerklasse drei von 17 % auf 30 %. Geschwister, Nichten, Neffen und nicht eheliche Lebenspartner müssen daher zukünftig im Eingangssteuersatz etwa ein Drittel ihres Erbes dem Fiskus überlassen, bei höheren Erbschaften sogar die Hälfte. Dies grenzt an Teilenteignung.

(Zuruf der Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD)

Frau Kollegin, in Österreich wird im Interesse einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft die Erbschaftsteuer durch die Große Koalition unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler abgeschafft. In Deutschland wird sie unter einer Unionskanzlerin deutlich erhöht und zementiert. Das ist die Faktenlage. Die mag nicht allen gefallen, aber so ist es.

Bezeichnend für den Inhalt der Erbschaftsteuerreform ist, dass Wirtschaftsminister Michael Glos und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer dem Gesetzentwurf am Dienstag in Berlin im Kabinett nur unter der Bedingung zugestimmt haben, dass die Regelungen zu einer Unternehmensnachfolge im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren in mehreren Punkten geändert werden. Der Entwurf sei ein Rohling, den er nicht besonders ernst nähme, sagte der Vorsitzende der CSUBundestagsfraktion Ramsauer.

Meine Damen und Herren, und ich kann nur Karl Ludwig Thiele, dem Stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, zustimmen, der die Vorbehalte der beiden Minister als Misstrauensvotum der CSU gegen Roland Koch und Angela Merkel bezeichnete.

Der CDU-Wirtschaftsrat hielt die Erbschaftsteuer für viel zu hoch, so die Schlagzeile im „Handelsblatt“ am 11. Dezember 2007. In dem zweiseitigen Brief des Präsidenten des CDU-Wirtschaftsrats an die Bundeskanzlerin heißt es wörtlich, so im „Handelsblatt“ – ich zitiere –: „Die Festlegungen in den Eckpunkten lassen befürchten, dass ein Teil der Unternehmensnachfolger letztlich nicht spürbar entlastet beziehungsweise zum Teil sogar höher belastet wird als bislang.“

Besonders nachdenklich hat mich die Aussage von Herrn Fechner, einem Steuerexperten des PharmaHerstellers Boehringer Ingelheim gemacht, der im „Handelsblatt“ am 10. Dezember wie folgt zitiert wird: „Für große Familiengesellschaften führen die höhere Bewertung des Betriebsvermögens und die langen Haltefristen in vielen Fällen zu einem Nachteil gegenüber dem heutigen Recht.“

Ziel der Großen Koalition war es, Unternehmen zu erhalten und sie nicht zu zerschlagen.

In Zukunft müssen die Erben von Unternehmen, wenn sie nicht mehr Erbschaftsteuer als bisher zahlen wollen, 15 Jahre lang nachweisen, dass sie ihren Betrieb nicht wesentlich verändern. Der Streit mit den Finanzbehörden ist vorprogrammiert. Der bürokratische Aufwand wird steigen. Wenn schon das Finanzministerium die zusätzlichen Bürokratiekosten für Unternehmer mit 3,5 Millionen Euro beziffert, dann kann man davon ausgehen, dass die tatsächlichen Kosten wesentlich höher werden.

Abschließend möchte ich die „BILD“-Zeitung“ zitieren, die die neuen Erbschaftsteuerregeln voll kommentierte – ich zitiere –: „Wir sind von der Politik – – –

(Glocke des Präsidenten)

Das mache ich nachher. Das wird schön.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall der FDP)

Vielen herzlichen Dank. Dann machen wir das so.

Das Wort hat jetzt Herr Staatsminister Professor Dr. Deubel für die Landesregierung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon ganz gut, dass auf der Bundesebene in den Arbeitsgruppen, die politische Entscheidungen vorbereiten, die CDU Rheinland-Pfalz nicht vertreten ist; denn sonst wäre das Chaos komplett.

(Beifall der SPD – Billen, CDU: Unverschämtheit!)

Das muss man etwas anders sehen; denn die FDP ist für die Abschaffung der Erbschaftsteuer, will das zwar nicht offen zugeben, indem sie beschließt, wie Herr Schreiner das gerade empfohlen hat, die Erbschaftsteuer in die Hände der Länder zu geben, damit die Länder eigene Gesetze machen können.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Das hört sich auf den ersten Blick ganz gut an,

(Billen, CDU: Das wäre aber in Rheinland-Pfalz eine Katastrophe!)

aber jeder weiß oder sollte wissen, was das bedeutet. Das würde bedeuten, dass sich die 16 Bundesländer auf interne Doppelbesteuerungsabkommen einigen müssten. Das wären 120 Doppelbesteuerungsabkommen, die dann abgeschlossen werden müssten, und zwar für die nicht ganz unnormalen Fälle, dass derjenige, der vererbt, und diejenigen, die erben, nicht im gleichen Bundesland leben oder ihr Vermögen halten, damit dies alles fein säuberlich zwischen den Ländern sortiert werden kann.

Wie gesagt, wer das fordert, der sollte so ehrlich sein, gleich zu sagen, dass er abschaffen will. Herr Schreiner, insofern waren Sie ein Stück ehrlicher, als das im Beschluss der FDP zur Übertragung der Kompetenzen auf die Länder dargestellt wurde.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Auf der Bundesebene gibt es glücklicherweise auch bei der CDU vernünftige Menschen.

(Billen, CDU: Das war jetzt die zweite Unverschämtheit!)

Das waren diejenigen, die in der Arbeitsgruppe vertreten waren, sofern sie nicht, nachdem sie die Arbeitsgruppe verlassen haben oder die Arbeitsgruppe ihre Arbeit abgeschlossen hat, gleich wieder vergessen haben, dass in der Arbeitsgruppe die Eckpunkte der Erbschaftsteuer einvernehmlich festgelegt wurden, auch von den CSU-Vertretern, die auf einmal feststellen, dass das alles nicht so ernst zu nehmen ist und die Diskussion jetzt erst losgeht.

Es ist in der Tat ein schwerwiegender Vorgang, dass mit Koch und Steinbrück zwei Schwergewichte eine solche Arbeitsgruppe anführen, alle, die relevant sind, beteiligt sind – CSU, CDU, Bundesebene, Länderebene –, über Monate hinweg diskutiert wird, wie eine sinnvolle, wirtschaftsfreundlichere, verwaltungsfreundliche Lösung aussehen könnte, um in dem Moment, in dem im Kabinett diese Eckpunkte beschlossen werden, sich teilweise in die Büsche zu schlagen, nicht entsprechend der Verabredung im Bundestag, in diesem Monat noch die erste Lesung vorzunehmen – so war es verabredet –, sondern zu erklären: Jetzt fangen die Verhandlungen erst an.

Ich bin einmal gespannt, wie das im nächsten Jahr läuft, aber die Grundlagen sind eigentlich sehr klar. Das ging mit dem Job-Gipfel im Februar 2005 los und setzte sich mit dem Koalitionsvertrag im November 2005 fort. Es

war dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Januar dieses Jahres zu beachten. Dies alles zusammengenommen mündete in die Eckdaten, die am 11. Dezember – also vorgestern – vom Bundeskabinett beschlossen worden sind. Sie sind übrigens auch vom Bundeskabinett einvernehmlich beschlossen worden. Kein Ressort hat schriftlich dagegen Bedenken erhoben, sondern lediglich die beiden CSU-Vertreter haben erklärt, sie hätten inhaltlich noch erhebliche Bedenken.

Der Koalitionsvertrag wird mit diesen Eckdaten 1 : 1 eingehalten. Im Koalitionsvertrag ist ebenso wie im JobGipfel festgelegt worden, dass dann, wenn ein Unternehmen weitergeführt wird, das Unternehmenserbe, und zwar der Teil, der für die Weiterführung des Unternehmens notwendig ist, erbschaftsteuerfrei gestellt werden soll. Das geschieht.

Allerdings kann es nicht angehen, dass Privatvermögen als Unternehmensvermögen deklariert wird und in den Betrieb eingebracht wird, um dann ebenfalls erbschaftsteuerfrei zu sein.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Die Abgrenzung ist nicht ganz einfach. Beispielsweise kann Aktienstreubesitz zur Anlage von Pensionsrückstellungen dienen, aber es kann auch reines Privatvermögen sein. Bei Liquidität ist das schon fast selbstverständlich. Etwas klarer ist das schon bei verpachtetem und vermietetem Vermögen an Dritte. Ich rede nicht von einer Vermietung oder Verpachtung innerhalb eines Unternehmens, sondern ich rede von den Fällen, in denen an Dritte vermietet oder verpachtet ist.

Deshalb sind zwei Regelungen zur Abgrenzung getroffen worden. Anstatt fein säuberlich zu sezieren, was betriebsnotwendig ist und was nicht, hat man sich zum einen darauf geeinigt, dass 15 % des Vermögens pauschal als nicht betriebsnotwendig angesehen werden. Das ist eine für die Unternehmen in aller Regel exzellente Lösung; denn bei der auch im Raum stehenden Abgrenzung nach den Begriffen produktiv/nicht produktiv sah das ganz anders aus. Dann wäre der Anteil des nicht anerkannten Betriebsvermögens sehr viel höher gewesen. Die zweite Abgrenzung ist, dass nicht mehr als 50 % des als betrieblich deklarierten Vermögens vermögensverwaltend sein darf, also in Bereichen vorhanden sein darf, die der Verpachtung dienen, die im Aktienstreubesitz liegen usw. Auch das ist eine relativ großzügige Abgrenzung.

Nun kommen einige große Unternehmen und sagen, das sei alles ganz schrecklich, und sie würden künftig mehr Erbschaftsteuer zahlen als bisher. Ja, das ist auch gut so, (Schreiner, CDU: Wie bitte?)

weil die bisherigen Regelungen im Bereich der Unternehmensnachfolge teilweise willkürlich waren. Durch eine geschickte Gestaltung konnte ein Erbe auf null reduziert werden. Es konnte aber nur erbschaftsteuerlich auf null reduziert werden.

(Creutzmann, FDP: Das gilt nicht für Boehringer! – Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Das hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht angeprangert. Wir haben nun die Situation, dass solche Manipulationen nicht mehr möglich sind.

Nehmen wir jetzt einmal ein großes Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von 200 Millionen Euro. Eine Bewertung von 200 Millionen Euro kommt üblicherweise zusammen, wenn ein jährlicher Ertrag von rund 18 Millionen Euro entsteht. Ein Ertrag von etwa 9 % wird unterstellt. Wir haben also ein Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von 200 Millionen Euro und einem jährlichen Ertrag von 18 Millionen Euro.

Von diesem Unternehmen werden 15 %, also 30 Millionen Euro, für die Erbschaftsteuer als Vermögen angesetzt. Der Spitzensteuersatz beträgt 30 %. Die maximal mögliche Erbschaftsteuer beläuft sich in dem Fall auf 9 Millionen Euro. Es ergibt sich also ein jährlicher Ertrag von 18 Millionen Euro und eine maximale Erbschaftsteuer von 9 Millionen Euro. Anders gesagt: Maximal 4,5 % des Betriebsvermögens fallen an Erbschaftsteuer an.

In der Zeitung lese ich nun, dass Unternehmen zutiefst enttäuscht seien, weil für die Erbschaftsteuer, die im Schnitt alle 30 Jahre fällig ist, die Hälfte eines Jahresertrags maximal erforderlich ist. Das ist Bauernfängerei.