Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

Dass dies jetzt auf einmal nicht mehr zählt, dass dies noch nicht einmal erwähnungswürdig ist, ist eine massive Missachtung der Arbeit der berufsbildenden Schulen, die trotz Rekordunterrichtsausfall Hervorragendes leisten und denen ich von dieser Stelle aus danken möchte.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Trittbrettfahrer!)

Ich komme wieder.

Ich erteile Frau Abgeordneter Brede-Hoffmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Keller, die berufsbildenden Schulen stehen im Zentrum der Bildungspolitik des Landes Rheinland-Pfalz.

(Keller, CDU: Wirklich nicht!)

Wir wissen, dass mehr als zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler im Land Rheinland-Pfalz im Laufe ihrer Bildungskarriere die berufsbildende Schule aus irgendeinem Grund besuchen, vollzeitschulisch, teilzeitschulisch. Es sind zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler. Zu glauben, dass wir in einem solchen Moment diese Schulform vernachlässigen würden, ist eigentlich, wenn ich ehrlich bin, nur noch ein Witz.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen erzählen, was in den letzten Jahren im Bereich der berufsbildenden Schulen passiert ist, weil zu Ihrer Zeit der CDU-Landesregierung in dieser Schulform überhaupt nichts passiert ist. Da wurde die Schulform vernachlässigt. Da hatten wir Unterrichtsausfall in zweistelliger Höhe.

(Lelle, CDU: Nach 17 Jahren!)

Wir haben dieses System reformiert. Wir haben die tatsächliche Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung hergestellt. Wir haben dieser Schulform

Abschlüsse gegeben, damit Schülerinnen und Schüler die allgemeine Hochschulreife, die Fachhochschulreife und das fachgebundene Abitur machen können. Zu Ihrer Zeit? – Fehlanzeige, Herr Kollege. Wir haben die BOS 1 und die BOS 2 eingeführt. Wir haben unzählige neue Standorte mit beruflichen Gymnasien, mit höheren Berufsfachschulen und mit Berufsfachschulen neu eingerichtet. Herr Kollege, zu Ihrer Zeit? – Fehlanzeige.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir haben weitere vollzeitschulische Bildungsgänge zusammen mit der Wirtschaft und den engagierten Lehrkräften dieser Schulform entwickelt. Es gibt ganz neue Bildungsgänge, die genau auf das, was die Wirtschaft heute abfragt, eingestellt werden. HBF-Controlling, HBFLogistik sind Begriffe, die in den letzten Jahren entstanden, in der berufsbildenden Schule aufgegriffen worden sind und jetzt zu Bildungsgängen werden. Diese Schulform ist so modern, wie sie es wirklich sein muss, und sie ist es durch uns geworden.

(Beifall bei der SPD – Ramsauer, SPD: So ist das!)

Wir haben gerade fünf neue Standorte für berufliche Gymnasien eingerichtet. Wir haben gerade neun neue höhere Berufsfachschulbildungsgänge eingerichtet. Wir haben Bildungsgänge in den beruflichen Schulen eingerichtet, die im europäischen Ausland in den Statistiken als Hochschulbildungsgänge geführt werden. Herr Kollege, hören Sie genau zu. In Rheinland-Pfalz sind das alles neue Entwicklungen, die in den letzten Jahren gemacht worden sind.

Sie haben das Thema „Unterrichtsversorgung“ angesprochen. Ich habe es eben gesagt. Zweistellig war es. Zu CDU-Zeiten war es zweistellig. Wir sind aus dem tiefsten Versorgungskeller aufgestiegen, und wir haben in der Tat mit 5,5 % Unterrichtsausfall noch zu hohen Unterrichtsausfall.

Herr Kollege, aber wir arbeiten daran. Wir haben die Zahlen in den Seminaren ausgeweitet. Wir haben allein im letzten Jahr, im Jahr 2007, über 100 neue Planstellen in das System der beruflichen Schule eingeführt. Wir haben Klassenmesszahlen des Berufsvorbereitungsjahres von 18 auf 16 gekürzt. Wir haben Schulsozialarbeit in großem Maß in den berufsbildenden Schulen neu eingeführt. Jeder Standort mit einem Berufsvorbereitungsjahr hat Schulsozialarbeit. Viele Standorte mit Berufsfachschulen haben Schulsozialarbeit.

Herr Kollege, davon konnten Sie zu Ihrer Zeit noch nicht einmal träumen.

(Ramsauer, SPD: Davon versteht er auch nichts!)

Wir haben 360 Stellen in unseren Studienseminaren, und diese Stellen sind besetzt. Dennoch wissen wir, dass wir in den kommenden Jahren im Bereich der beruflichen Schulen ernsthafte Probleme bekommen werden, um unseren Nachwuchs zu sichern. Was haben wir gemacht? – Wir haben das Seiten- und Quereinsteigerprogramm entwickelt und weit ausgebaut und mehr als 100 Kräfte auf diese Art und Weise gewonnen.

Wir haben versprochen – und es wird in diesem Jahr passieren –, dass unsere Lehrer für Fachpraxis nicht mehr mit dem Faktor 1,2 bewertet werden. Herr Kollege, wir haben außerdem über das System „Pause“ unseren berufsbildenden Schulen genau das gegeben, was sie als moderne Lehranstalt brauchen, ein riesenhohes Maß an Selbstverantwortung, sodass sie dort Stunden erwirtschaften können, die sie in individuelle Förderung einfügen, und insbesondere Kurse und Angebote entwickeln können. Wenn das Vernachlässigung ist, was dazu führen möge, dass wir das Erziehungsrecht verlieren, wie Sie es eben dem Herrn Ministerpräsidenten erläutern wollten, dann lerne ich den Begriff „Vernachlässigung“ neu kennen.

Herr Kollege, ich kann Ihnen eines sagen, wir haben bei der letzten Haushaltsberatung aus Ihrer Fraktion nicht einen einzigen Antrag mit Finanzierung zum Bereich der berufsbildenden Schule bekommen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, wir haben aber Vorschläge gemacht, sie umgesetzt und solide finanziert. An den Punkt müssen Sie überhaupt erst kommen.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir uns im vergangenen Jahr bereits mit der Unterrichtsversorgung im allgemeinbildenden Bereich in diesem Schuljahr vertraut machen konnten, ist nunmehr auch die Schulstatistik für die berufsbildenden Schulen erschienen. Herr Kollege Keller hat sie gerade angesprochen. Die Versorgungsquote ist leicht gesunken. Die berufsbildenden Schulen haben nach wie vor mit dem höchsten Unterrichtsausfall aller Schularten zu kämpfen. Natürlich wissen wir, dass die berufsbildende Schule bundesweit in einer besonderen Konkurrenzsituation, nämlich zur Privatwirtschaft, steht und es deshalb besonders schwierig ist, Personal zu rekrutieren.

Wir wissen aber auch, dass das nur dann dauerhaft möglich sein wird, wenn die Landesregierung für Rahmenbedingungen sorgt, die es unseren Berufsschulen ermöglichen, das beste Personal in ausreichendem Maß zu rekrutieren, konkurrenzfähig zu sein und einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten. Für mich würden hierzu neben der lange versprochenen Erhöhung der Anwärterbezüge eine angemessene Erhöhung der Beamtenbesoldung gehören und unter den bestehenden Bedingungen des TV-L eine faire und attraktive Einstufung im Rahmen des Tarifvertrags.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Neben finanziellen Anreizen spielt nach wie vor bei jedem, der einen Arbeitsplatz auswählt, auch der Ar

beitsplatz selbst eine entscheidende Rolle. Die berufsbildende Schule ist für jede Lehrerin und für jeden Lehrer, aber auch für jeden Berufserfahrenen aus der Praxis eine große Herausforderung. Wer hier arbeitet, muss sich auf sehr vielfältige Bildungsziele einstellen, damit auf vielfältige Aufgaben und auch auf ein großes Schülerspektrum. Vieles wird dabei durch die bestehenden Rahmenbedingungen nicht unbedingt erleichtert.

Nach wie vor konnte mit dem System der Berufsfachschule I und II nichts wirklich erreicht werden. Das müssen alle, die das gemeinsam beschlossen haben, einsehen, und zwar schon seit Längerem. Nicht wirklich erreicht werden konnte, dass man innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen fördern und fordern kann. Noch immer wären hier erheblich kleinere Lerngruppen und mehr Unterstützung durch Schulsozialarbeit nötig.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Ein großer Teil des Unterrichts findet auch im berufsbildenden Bereich über den ganzen Tag verteilt statt. Die FDP-Landtagsfraktion hat deshalb im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen den nach wie vor berechtigten Antrag gestellt, dass auch berufsbildende Schulen endlich in das Ganztagsschulprogramm in Rheinland-Pfalz aufgenommen werden, um so die notwendigen Rahmenbedingungen für ihre Vollzeitklassen, für Schülerinnen und Schüler, die der besonderen Förderung bedürfen, und diejenigen Schülerinnen, die sich über Mittag an der Schule aufhalten müssen, zu schaffen. Gerade an dieser Stelle ist mir die ablehnende Haltung der Landesregierung und die Benachteiligung der berufsbildenden Schule, die da faktisch stattfindet, völlig unverständlich.

(Beifall der FDP)

Trotz der problematischen Rahmenbedingungen ist gerade die berufliche Bildung und Ausbildung international nach wie vor ein wirkliches Qualitätsmerkmal unseres Bildungssystems. Die Gesellenausbildung, die im dualen System erbracht wird, findet größte Anerkennung. An den höheren Berufsfachschulen und den beruflichen Gymnasien können künftige Fachkräfte hervorragend qualifiziert und auch in Kooperation mit den Betrieben auf berufsfachlich hohem Niveau ausgebildet werden.

Mit der Berufsoberschule wurden – Frau Kollegin BredeHoffmann hat das bereits angesprochen – Möglichkeiten für die unterschiedlichsten Bildungswege bis hin zur Fachhochschulreife oder zur allgemeinen Hochschulreife geschaffen.

Allen Kollegien an den berufsbildenden Schulen und insbesondere den im Vergleich mit allen anderen Schularten besonders geforderten Schulleitungen gilt an dieser Stelle unser großer Dank.

(Beifall der FDP)

Für die FDP-Fraktion steht fest, dass die berufsbildende Schule im besonderen Maße die Aufgabe der Sicherung von Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem wahrnimmt. Sie erfüllt diese Aufgabe in einem vorbildlichen Maße. Die Hälfte der Studienanfängerinnen und

Studienanfänger in unserem Bundesland kommt aus dem berufsbildenden Bereich.

Wenn wir künftig einem Fachkräftemangel vorbeugen wollen, wird es vor allem darauf ankommen, dass wir in der Tat diesen erfolgreichen Weg weitergehen und in enger Abstimmung mit Betrieben auch Bildungswege anbieten, die junge Menschen nach ihrem mittleren Bildungsabschluss gezielt auf ihre fachliche Tätigkeiten vorbereiten und auf diesem Weg zu einem höheren Bildungsabschluss führen. Die berufsbildende Schule hält dafür das Know-how vor.

Ich werde in der zweiten Runde, weil gleich meine Redezeit abgelaufen ist, in diesem Zusammenhang etwas zur Realschule plus sagen; denn an dieser Stelle und genau vor diesem Hintergrund

(Glocke des Präsidenten)

kann ich die Befürchtungen der Lehrerinnen und Lehrer und die Kritik sehr, sehr gut verstehen, die dazu von der berufsbildenden Seite kommt.

(Beifall der FDP)

Bevor ich der Ministerin das Wort erteile, begrüße ich zunächst Gäste. Das sind einmal die Damen und Herren des AWO-Stadtkreisverbandes Ludwigshafen – seien Sie in Mainz herzlich willkommen! –

(Beifall im Hause)

und Schülerinnen und Schüler der Grund- und Leistungskurse Sozialkunde der Jahrgangsstufe 12 des Cusanus-Gymnasiums aus Wittlich. Seien Sie willkommen!

(Beifall im Hause)