Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

(Beifall im Hause)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! An einer Stelle gibt es nach meiner Meinung große Übereinstimmung in der bisherigen Debatte. Das ist der Punkt, dass an den berufsbildenden Schulen im Lande eine hervorragende Arbeit im Sinne der Schülerinnen und Schüler, die manchmal auch mit Problemen an diese Schulart kommen, geleistet wird. Dafür will ich mich eingangs ganz ausdrücklich bedanken.

(Beifall der SPD)

Wer dann allerdings im Anschluss von einer Vernachlässigung der berufsbildenden Schulen spricht – da kann ich mich jetzt relativ kurz fassen und auf das beziehen, was Frau Brede-Hoffmann gesagt hat –, hat aus meiner

Sicht die bildungspolitische Debatte der vergangenen Jahre schlichtweg nicht nachvollzogen.

(Beifall bei der SPD – Ramsauer, SPD: Keine Ahnung!)

Ich erinnere an die Schulgesetznovelle von 2004, die die Reform der berufsbildenden Schulen zum Schwerpunkt hatte und das System der berufsbildenden Schulen wesentlich weiterentwickelt hat, vor allen Dingen auch im Hinblick auf die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung. Da ist 2004 eine klare Priorität gesetzt worden. Ich meine, dass wir mit Fug und Recht sagen können, dass wir in Rheinland-Pfalz ein modernes Berufsbildungssystem mit vielen Förder- und vielen Aufstiegsmöglichkeiten haben.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Ramsauer, SPD: Genauso ist es!)

Jetzt zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Wir haben seit 1997/1998 die Unterrichtsversorgung von einem Ausfall von 7,6 % auf heute 5,5 % verbessert. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mir wünsche, dass sie noch besser wird.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich füge aber auch hinzu: Dabei gilt es zwei Dinge zu berücksichtigen, nämlich einerseits die Ressourcenseite und andererseits aber auch die Nachwuchssituation. In beiden Bereichen haben wir gehandelt.

Wir haben seit 2004 fast 400 Stellen zusätzlich den berufsbildenden Schulen zur Verfügung gestellt. Dieser Prozess wird anhalten, dies allein schon deshalb, weil wir im Gegensatz zu den anderen Schularten an den berufsbildenden Schulen im Moment auf einem sehr hohen Stand sind, der noch weiter anwachsen wird.

Wir haben darüber hinaus in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang Quer- und Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger für den berufsbildenden Bereich gewinnen können. Ohne diese zusätzlichen Maßnahmen gerade im Bereich des Quereinstieges hätten wir den Bedarf an den berufsbildenden Schulen nicht in diesem Umfang decken können. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Programm auch in der Zukunft fortsetzen.

Ich erwarte mir auch durch die Reform der Lehrerausbildung positive Effekte auf die Nachwuchssituation; denn gerade in den berufsbildenden Schulen – das haben mir die Lehrkräfte von dort immer gesagt – haben wir die schwierige Situation, dass sich bisher Lehrkräfte für ein Lehramt entschieden haben, die in der Regel vorher niemals eine berufsbildende Schule von innen gesehen haben.

Durch die Reform und durch die Praktika, die wir jetzt anbieten, werden sehr viel mehr junge Menschen mit der berufsbildenden Schule in Berührung kommen und sich dann hoffentlich doch für dieses Lehramt entscheiden. Das ist ein Kernpunkt unserer Lehrerbildungsreform.

(Beifall der SPD)

Ich füge auch hinzu: Wir fühlen uns zwei Aspekten verpflichtet, dass wir nämlich da, wo immer möglich, die Unterrichtsversorgung verbessern, aber andererseits auch, dass wir gleichzeitig pädagogische Verbesserungen realisieren.

Es ist klar, wenn man bestimmte Dinge nicht getan hätte oder nicht tun würde, hätten wir eine bessere Unterrichtsversorgung. Zum Beispiel dann, wenn man nicht den Faktor für den fachpraktischen Unterricht abschaffen würde.

Wir haben uns aber entschieden, dies zum nächsten Schuljahresbeginn zu tun, weil uns die Lehrkräfte glaubhaft über Jahre hinweg gesagt haben, da sei eine besondere Belastung, die heute nicht mehr gerechtfertigt sei. Obwohl wir wissen, dass dadurch nominell die Unterrichtsversorgung eingeschränkt wird, haben wir uns für diese pädagogische Verbesserung entschieden und werden sie umsetzen.

Das gilt nicht nur für den Faktor für den fachpraktischen Unterricht, sondern zum Beispiel auch für die Frage der Schulleitungsanrechnung. Schon von dem, was wir in diesem Bereich gemacht haben, haben gerade im letzten Schritt die großen berufsbildenden Schulen profitiert. Insgesamt an die 500 Schulen haben inzwischen Verbesserungen erfahren, aber wir wissen, dass gerade an den großen berufsbildenden Schulen weiter eine Verbesserungsnotwendigkeit besteht. Deshalb wollen wir auch hier kurzfristig einen weiteren Schwerpunkt setzen.

Wir haben die Schulsozialarbeit darüber hinaus noch nicht so, dass wir sagen können, das sei alles ausreichend und wir brauchen nicht mehr, aber wir haben schrittweise massiv Ressourcen in diesen Bereich sowohl im Berufsvorbereitungsjahr als auch inzwischen in die Berufsfachschule gegeben. Diesen Weg wollen wir weitergehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung war uns bei der Reform des Schulgesetzes ein großes Anliegen. Sie ist für uns aktuell ein wichtiger Punkt. Frau BredeHoffmann hat auf die zusätzlichen beruflichen Gymnasien, auf die zusätzlichen höheren Berufsfachschulen und die Schwerpunkte, die wir an dieser Stelle setzen, hingewiesen.

Ich sage auch: Von einer Benachteiligung der berufsbildenden Schulen durch den Vorschlag zur Schulstrukturreform kann aus meiner Sicht keine Rede sein.

(Beifall der SPD)

Ich nehme Befürchtungen, die dort angesprochen werden, ernst, aber ich teile sie nicht. Ich füge an dieser Stelle noch eines hinzu: Zu glauben, man kann eine Reform im Schulsystem durchführen und für niemanden ändert sich etwas, ist allerdings ein Trugschluss.

Ich füge auch in aller Deutlichkeit hinzu: Für mich stehen bei der Frage der Reform des Schulsystems nicht die Institutionen im Mittelpunkt, sondern die besten Antworten für die Schülerinnen und Schüler. Darüber werden

wir mit allen Schulen im Land, auch mit den berufsbildenden Schulen, intensiv diskutieren.

(Beifall der SPD)

Herr Keller hat sich zu Wort gemeldet. Meine Damen und Herren, teilen Sie Ihre Leidenschaften genau ein, da Ihnen nur noch zwei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion bitte ich, keinen Beifall zu spenden, weil das von meiner Redezeit abgeht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich habe leider nicht die Zeit, mich mit der Schönrederei der Frau Kollegin Brede-Hoffmann und den Ausreden der Frau Ministerin auseinanderzusetzen. Ich schicke aber das Protokoll der heutigen Debatte an alle berufsbildenden Schulen. Die können dann beurteilen, ob sie, wie von der Landesregierung behauptet, verwöhnt werden.

(Pörksen, SPD: Die schmeißen das ganz schnell weg!)

Nun zum Punkt der Missachtung der berufsbildenden Schulen durch die Landesregierung im Rahmen des Schulstrukturkonzepts. Nach diesem Konzept der Landesregierung soll die Realschule plus mit dem Projekt „Keiner ohne Abschluss“ sogar noch mehr leisten als die berufsbildenden Schulen.

Das ist starker Tobak. Auch so kann man die wertvolle Arbeit der berufsbildenden Schulen herabwürdigen.

(Hartloff, SPD: Was erzählen Sie für einen Stuss? Herabwürdigen!)

Im Übrigen bleibt die Landesregierung immer noch das entsprechende Konzept schuldig. Genauso sieht es auch mit dem geplanten Fachabitur an der Realschule plus aus. Ich denke, Frau Kollegin Morsblech wird noch einiges mehr dazu sagen. Noch vor einem Jahr hat die Landesregierung einen ähnlichen Vorschlag des Verbandes der Realschullehrer kategorisch abgelehnt. Jetzt will man diesen Verband für die Realschule plus gewinnen, und da wird man großzügig auf Kosten anderer. Man nimmt dabei billigend in Kauf, dass den berufsbildenden Schulen ihr wichtiger Nachwuchs, zum Beispiel für die beruflichen Gymnasien oder die Berufsoberschulen, fehlen wird, obwohl die eine hervorragende Infrastruktur haben und das Angebot an der Realschule plus nie so vielfältig sein kann.

(Hartloff, SPD: Auf der einen Seite beklagen Sie einen Mangel, auf der anderen Seite soll nichts verändert werden! Wo sind Ihre Perspektiven?)

Deshalb verstehen wir die Verärgerung, ja die Verbitterung vieler Lehrerinnen und Lehrer an den berufsbildenden Schulen im Hinblick auf die Zerschlagung eines erheblichen Teils dieser Schulen.

Herr Präsident, noch einen Satz: Die CDU wird sich bei den angesprochenen Punkten zu Fürsprechern der berufsbildenden Schulen machen.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat die Kollegin Brede-Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Keller, keiner hat an irgendeiner Stelle gesagt oder geschrieben, dass das Projekt „Keiner ohne Abschluss“ mehr leisten solle als das Berufsvorbereitungsjahr. Wir loben die Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer an den berufsbildenden Schulen im Berufsvorbereitungsjahr in höchsten Tönen und erkennen sie an. Wir wissen, welch harte Arbeit dort geleistet wird. Wir wissen aber auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer dieser Schulen uns in den zurückliegenden Jahren ihre Arbeit als zum Teil nahezu unerträglich schwer geschildert haben.

Wir wissen, dass Lehrerinnen und Lehrer an den Haupt- und Förderschulen gesagt haben und noch sagen, für manche Schüler wäre es eine große Chance, ein Jahr länger im Schonraum Haupt- oder Förderschule zu bleiben. In einem Schulversuch an zehn Standorten – das bedeutet pro Jahr 160 Schülerinnen und 160 Schüler – werden wir unter wissenschaftlicher Begleitung ausprobieren, ob das auch eine Chance ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Herr Kollege Keller, wir haben derzeit über 3.000 Schülerinnen und Schüler in berufsvorbereitenden Klassen, und wir werden in unserem Schulversuch zusätzliche 160 Plätze schaffen. Herr Kollege, keiner hat an dieser Stelle je behauptet, dass die Fachhochschulreife, die die Realschule plus vergeben könnte, eine deutlich bessere und die Abschlüsse der berufsbildenden Schulen in den Schatten stellende Alternative wäre, sondern jeder von uns hat gesagt: Es ist ein zusätzliches Angebot, um unser Ziel zu erreichen, mehr Schülerinnen und Schülern die Chance zu geben, die Fachhochschulreife zu erwerben. –

Derzeit haben wir über 700 Klassen in den berufsbildenden Schulen. Wir werden vielleicht 40 neue Klassen schaffen.

Was machen wir als verantwortliche Parlamentarier und als verantwortliche Mitglieder der Regierungsfraktion, wenn Schülerinnen und Schüler, die sich angemeldet haben, keinen Platz mehr finden, weil die Klassen überfüllt sind? – Wir kümmern uns um zusätzliche Angebote.

Genau dies macht das Konzept „Realschule plus“. Wir sind gespannt, wie die Arbeit dort erfolgen wird.