Ich bin fest davon überzeugt – ich hatte das auch am letzten Mittwoch so angesprochen –, wir müssen auch in diesen Bereichen stark dem Subsidiaritätsgedanken frönen. Wir befinden uns – so würde ich schon behaupten wollen – eigentlich in einer Verflechtungsfalle bezüglich der gesetzlichen Vorgaben.
Herr Hartloff, Sie haben ein Beispiel so schön charakterisiert. Herr Ministerpräsident, da werden Sie einem nicht widersprechen können, vieles findet tatsächlich teilweise in Kaminrunden statt. Vieles wird – deshalb möchte ich das von Herrn Röttgen gern noch ergänzen – heute auch daran orientiert, dass man sich – ich will es einmal so beschreiben – auch einkaufen lässt für gewisse Dinge, für gewisse Zustimmungen, um damit zu erreichen, dass man gewisse Zuschüsse erhält. Das lässt sich nicht verleugnen. Das liegt auf der Hand. Das ist Tatsache. Deshalb stehen wir heute hier, um zu überlegen, wie das auch anders geht.
Für uns ist ganz entscheidend und wichtig – auch das hatten wir in der letzten Woche klar gemacht –, dass es einen Wettbewerb und eine Vielfalt gibt und sich damit Ideen entwickeln, die in verschiedenen Richtungen Ausfluss haben können. Ich will es einmal so beschreiben, um das Beispiel der Bildungspolitik zu nehmen, es schadet nichts, wenn man 16 Ideen hat. Dann ist eine sicherlich die beste. Wenn man nur eine Idee hat, weiß man von vornherein nicht, ob es die beste sein kann oder nicht. Umgekehrt gesagt, wenn man 16 Ideen hat, gibt es 15, die schlechter sind als die anderen, bzw. eine, die die schlechteste ist, die man nicht aufzugreifen
braucht. Deshalb sind wir der Auffassung, dass wir das, was wir heute hier liegen haben, als eine, wenn auch als ersten Schritt, grundsätzliche Entscheidung dazu sehen müssen, dass es mit uns wieder vorangeht. Wir sind der Auffassung – dazu werde ich im zweiten Schritt noch kommen –, dass es dabei nicht verbleiben darf.
Um vorweg etwas zu den Anträgen, die wir eingebracht haben, zu sagen, ganz ausklammern – Herr Hartloff, aber auch da hatte ich Sie so verstanden, wollen Sie das nicht, es war mir nur etwas zu wenig – darf man die Finanzbeziehungen in diesen Fällen natürlich nicht.
Wir sind der festen Überzeugung – ansonsten sind wir nämlich auch überflüssig –, dass die Entscheidungen, die in den unterschiedlichen Gremien und Etagen zu treffen sind, dann auch von uns so getroffen werden müssen. Sie haben vorhin die Konnexität angesprochen, die dabei ein ganz wichtiges Element ist. Da ist auch wichtig, dass die Grundgesetzänderung voranschreitet, nämlich der Bund – das ist ein Essential – nicht mehr einfach Aufgaben auf die Kommunen geben kann, ohne auch die Finanzausstattung zu gewährleisten.
Dann müssen wir aber auch so ehrlich sein und sagen: Wir haben das hier in unsere Verfassung geschrieben. – Aber dann müssen wir dem Ding auch Taten folgen lassen. Das sehen wir im Moment tatsächlich noch nicht so. Daran gilt es zu arbeiten, vor allem aus Ihrer Sicht, Herr Ministerpräsident, sodass dann dieses Prinzip der Konnexität nicht nur eine Luftblase is t, sondern mit Leben gefüllt werden kann.
Ich habe es vorher gesagt, wir sind dafür – deshalb ist das ein guter Schritt –, dass man in den Wettbewerb mit anderen tritt, man sich dynamisch entwickelt und man eben nicht mehr auf die Einheitlichkeit setzt, sondern man auf verschiedene Parameter in verschiedenen Umfeldern setzt.
Ich habe mir einmal drei Beispiele herausgepickt, die ganz unterschiedliche Ansätze bringen können. Das erste Beispiel ist allen bekannt. Am Ende der Ära des Bundeskanzlers Helmut Kohl tauchte die Frage nach einer Steuerreform auf. Das war im Jahr 1997/1998. Wir haben heute das Jahr 2006. Was daraus geworden ist bzw. nicht, wissen wir alle. Warum es so geworden ist, wie es ist, wissen wir auch alle. Es hat sich deshalb nichts bewegt, weil man sich gegenseitig ausgespielt und gegenseitig gelähmt hat. Deshalb – auch das begrüße ich ausdrücklich – finden wir es sehr wichtig, dass sich die zustimmungsbedürftigen Gesetze sehr stark reduzieren werden und in Einspruchsgesetze umgewandelt werden, sodass sich die Sache zunächst auch durchziehen lässt.
Ich komme zum zweiten Beispiel. Man wird auch im Mittelstand oder in der Industrie gefragt, wie wir uns das vorstellen: „Wir haben mehrere Standorte in Deutschland. Jetzt wollt ihr in Zukunft dort eventuell, wenn wir über finanzielle Situationen reden, Erheben von Steuern und Ähnlichem, unterschiedliche Strukturen schaffen. Ist das für uns nicht nachteilig?“
Da sage ich ganz klar Nein. Wir haben das heute schon auf der Landesebene bei den Hebesätzen bezüglich der Gewerbesteuer. Warum soll es dann nicht auch möglich sein, dies unter Bundesländern in verschiedene Höhen und Richtungen zu bringen?
Herr Mertes, ein Wort hat mir gut gefallen. Sie sprachen von dem negativ besetzten Wort der Kleinstaaterei. Es ist richtig. Es muss tatsächlich Vielfalt heißen. Solche Dinge, die wir hier tun, müssen wir auch positiv begleiten und nicht gleich wieder mit negativen Begriffen belegen. Dann hat auch das, was wir hier tun, wenig Chance auf Erfolg. Deshalb fand ich diesen Ansatz sehr gut, dass man es in dieser Richtung auch weiterführt.
Wenn Sie sich anschauen, dass es zwischen 16 Bundesländern einen Wettbewerb im Bereich der Bildung gibt, dann war das sicherlich ein Grund dafür, dass die Kultusministerkonferenz sich jetzt erst auf einheitliche Schulleistungstests und Bildungsstandards geeinigt hat. Hätte es nämlich diese Unterschiede nicht gegeben, dann wäre eine Einigung nicht erforderlich gewesen. Dann hätte man von vornherein gleich eine Vorgabe gehabt.
So, und jetzt können Sie mir sagen, ob Sie mir Recht geben oder nicht; denn jetzt habe ich sie Ihnen beantwortet.
Deshalb ist es aus unserer Sicht auch ganz wichtig, dass wir – Herr Hartloff, Sie haben es auch so schön formuliert; ich weiß jetzt nicht, ob Sie es aus einem meiner Interviews herausgenommen haben oder es tatsächlich schon Ihre Meinung ist – näher an den Menschen sind.
Näher an den Menschen kann man bekanntlicherweise tatsächlich – da gebe ich Ihnen Recht – nur sein, wenn man die Sachen vor Ort entscheidet. Aber – da komme ich noch einmal dazu, was ich zuvor eingangs gesagt habe – diese so genannte gefesselte Republik, wie sie so schön bezeichnet wird, wird nicht dadurch aufgebrochen, dass ich nur Aufgaben anders verteile, ich muss sie auch entsprechend finanziell unterfüttern. Wenn ich das nicht tue, bleibe ich im luftleeren Raum. Deshalb werden wir natürlich mit diesem Kompromiss heute konform gehen. Das ist völlig klar.
Wie Sie aus unserem Antrag ersehen können, geht der allerdings in der Stufe zwei schon weiter. Wir brauchen nicht nur klare Zuständigkeiten. Wir brauchen nicht nur klare Verantwortlichkeiten. Im Übrigen ergibt sich daraus auch eine bessere Kontrolle sowohl für den Bürger als für uns selbst: Wer ist für was verantwortlich, und für was mache ich wen haftbar?
Wir brauchen neben einer Solidarität für die Schwachen – – – Deshalb geht uns Ihr Antrag von der FDP heute zu weit, weil Sie gleich direkt die Umstrukturierung auf die finanzielle Ebene der Kommunen, Länder und des Bundes wollen.
Wir wollen in dieser Form klarstellen, wir brauchen eine Entwicklung in diesem Bereich, eine zweite Stufe, die sich in dem Spagat zwischen Bewahren und Erneuern bewegt.
Damit wir diesen Reformstau nicht haben, müssen wir heute auch auf die Finanzreform eingehen. Wir werden diese im Rechtsausschuss noch ausführlich besprechen müssen, weil wir dazu Anträge gestellt haben.
Es kann unserer Einschätzung nach nicht sein, dass dann, wenn man ein Nehmerland ist und 10 Millionen Euro geringere Steuereinnahmen hat, 9,5 Millionen Euro ausdrücklich ohne Probleme aus dem Länderfinanzausgleich bekommt. Das schwächt die Eigenverantwortung und bringt nicht unbedingt den Stil, dass man sich sagt, man strengt sich an. Es gibt eine Gefahr dadurch, die sich Überkompensation nennt. Die müssen wir beseitigen.
Es gibt den Missbrauch von Zuweisungen. Es ist vor kurzem im „Handelsblatt“ ausführlich geschildert worden, wie beispielsweise östliche Bundesländer diese Zuweisungen anders nutzen, als sie diese nutzen sollten. Deshalb brauchen wir auch da einen Wettbewerb innerhalb der 16 Länder.
Wir brauchen eine komplette Reform der Finanzverfassung. Aber, wie ich eben gesagt habe, dies ist ein Entwicklungsprozess. Man kann heute noch nicht sagen, ob es die Gewerbesteuer ist, ob es eine andere Umlagemöglichkeit als Ersatz geben muss – irgendetwas muss als Ersatz her –, oder ob es andere Wege sein können. Aber diesen Schritt müssen wir angehen. Wenn wir das nicht tun, dann – das wiederhole ich – bleiben wir an den Aufgaben stehen und können sie nicht umsetzen.
Auch dort ist es entscheidend, dass es Wettbewerb gibt zwischen den Ländern, sich jeder anstrengt, um mit den Ressourcen, die er hat, möglichst viel aus seinem Land zu machen. Das ist aber ein Entwicklungsprozess.
Herr Mertes, Sie haben ein schönes Beispiel genannt: die Schweiz. Die Schweiz ist extrem. Die machen das sogar in den Kommunen. Da zahlen sie in den Kommunen unterschiedliche Steuern. Ob man so weit gehen soll – ich wiederhole es noch einmal: Man muss auch an die Schwachen denken –, wage ich im Moment zu bezweifeln. Aber man muss es andiskutieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss es auch noch in eine andere Richtung diskutieren. Man darf
auch nicht Halt davor machen, ob wir tatsächlich 16 Bundesländer brauchen oder es auch in dieser Form Strukturveränderungen geben kann.
All dies muss meiner Einschätzung nach auf den Prüfstand. Dann muss man sich, wenn man das alles überprüft hat, wenn man alles auf den Tisch gelegt hat, Gedanken machen, wie es in die Richtung einer Finanzreform am besten vorangehen kann, sodass jeder seine Finanzen für sich hat.
Wir denken, auf diesem Weg müssen wir vorangehen. Ich würde Ihnen am Schluss gern noch ein Zitat präsentieren: „Die westdeutschen Nehmerländer haben seit Anfang der 70er-Jahre trotz vergleichbar hoher Steuereinnahmen durchweg mehr Schulden gemacht als die Geberländer. Dieser Prozess setzt sich fort. Es ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass wir an der Finanzverfassung etwas machen müssen.“ –
Dieses Zitat stammt von dem Ihnen hier sehr bekannten Herrn Sarrazin. Damit liegt er sicherlich nicht so falsch.
Herr Hartloff, auch wir sind der Meinung, dass wir die Anträge – wie Sie es schon angekündigt haben – im Rechtsausschuss besprechen. Ob wir dort eine gemeinsame Lösung hinbekommen, hängt im Wesentlichen davon ab, ob man unseren Ideen weitestgehend – sonst wäre es kein Kompromiss – in Bezug auf die Finanzverfassung folgt.
Herr Präsident, zum Abschluss hätte ich noch einen Wunsch an Sie: In der letzten Legislaturperiode gab es eine Arbeitsgruppe. Vielleicht würden Sie eine solche auch in der jetzigen Legislaturperiode wieder einrichten. Wir wären bereit dazu, daran mitzuarbeiten.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über die Reform des Föderalismus reden, sprechen wir – wie Herr Präsident Mertes es ausgedrückt hat – darüber, wer nun zukünftig gegenüber den Bürgern die Verantwortung zu tragen hat. Wenn es um Verantwortung geht, geht es natürlich auch darum, wie die Macht zwischen Bund und Ländern verteilt wird. Darum geht es. Deswegen sind die Verhandlungen naturgemäß in diesem Bereich außerordentlich schwierig gewesen.
Es ist aber ein wichtiges Thema. Wie wichtig es ist – Herr Präsident Mertes, sie verzeihen, dass ich dies so salopp anmerke –, sehen Sie daran, dass wir heute auf
Ihre geliebte Mittagspause verzichten, um über dieses Thema debattieren zu können. Es ist sowohl für uns im Land als auch für den Bund ein wichtiges Thema.
Es ist über viele Jahre, Jahrzehnte beklagt worden, dass sich Bund und Länder blockieren, weil beide Gesetzgebungsorgane – Bundesrat von den Ländern und Bundestag von den Abgeordneten gestellt – sich gegenseitig blockieren und damit den neuen Entwicklungen in diesem Land nicht hinreichend Rechnung getragen wird.
Es ist über viele Jahre in Kommissionen verhandelt worden. Es ist dann in einer weiteren Kommission, der als Vertreter des Herrn Ministerpräsidenten anzugehören ich die Ehre hatte, hierüber verhandelt worden. Es waren schwierige Verhandlungen. Wir haben uns dort auch nicht endgültig verständigt, sondern das, was heute die Grundlage der Debatte ist, ist in weiteren Verhandlungen letztlich später ausgehandelt worden.
Es ist, als es vorgestellt wurde, von vielen kritisiert und bemäkelt worden, es sei kein großer Wurf, es fehle etwas zur Länderneugliederung, zu den Finanzbeziehungen und Ähnlichem.
Wer aber einen solch großen Wurf reklamiert und bei einer so komplizierten Gemengelage einfordert, will eigentlich, dass nichts geschieht;