Protokoll der Sitzung vom 27.01.2008

Reicht das aus, um zu erklären, warum sich Ärzte und Krankenschwestern nicht rührten, als sie das menschliche Leid sahen, das den Euthanasieopfern zugefügt wurde, warum Kirchen, Soldaten, Richter, Bürger nicht laut aufschrien, als die Juden für jeden sichtbar abgeholt wurden und sich die Gerüchte über die Konzentrationslager verbreiteten, warum Bauern, Werksleiter, Meister nicht einschritten, als die Zwangsarbeiter aus den besetzten Ländern so erbärmlich und menschenunwürdig behandelt wurden?

Wir müssen es ja sehen: Auch hier bei uns fand genau das statt. Als die Juden in Baden und in der Pfalz im Oktober 1940 vor aller Augen aus ihren Häusern und Wohnungen hinausgetrieben und in das südfranzösische Lager Gurs deportiert wurden, da drängten sich die Menschen in den Wohnungen der Deportierten. Nicht um ihnen zu helfen oder der Frage nachzugehen, wohin diese bedauernswerten Mitbürger denn gebracht würden, sondern um günstig die von einem Gerichtsvollzieher feilgebotene Wäsche, den Hausrat und die Möbel zu erwerben. Wie ist das zu erklären?

Vielleicht hilft hier die moderne, von der Sozialpsychologie inspirierte historische Forschung: Sie fragt vor allem danach, wie es geschehen konnte, dass ganz normale Männer zu Tätern im Dritten Reich wurden, sich an

Verfolgungen und Exekutionen beteiligten. Auf der Basis altbekannter sozialpsychologischer Experimente wird in dieser Forschung die Transformation zum Täter als längerfristiger, gestufter Prozess beschrieben, der immer – das scheint mir wichtig – mit einer Veränderung des gesellschaftlichen „Referenzrahmens“ beginnt. Wertestrukturen werden dabei im gesellschaftlichen Kontext geändert, Gut und Böse neu definiert, ein dem propagierten neuen Wertegefüge angepasstes Verhalten belohnt, abweichendes sanktioniert.

Genau das passierte ja im Nationalsozialismus, indem die aus der Volksgemeinschaft Ausgestoßenen unablässig öffentlich stigmatisiert wurden, der Umgang mit ihnen verboten wurde, ja diejenigen belohnt wurden, die im Alltag die propagierte Judenfeindschaft zu leben begannen. Je mehr es wurden, die diese neuen Wertestrukturen annahmen, desto weniger Menschen wollten sich aus dieser neuen Wertegemeinschaft ausgeschlossen wissen.

Erklärt sich aus diesen Mechanismen vielleicht auch dieses uns heute so unfassbare gleichgültige Verhalten der breiten Mehrheit derer, die nicht selbst zu Tätern wurden, die aber in Distanz oder Gleichgültigkeit verharrten, die wegschauten oder es einfach nicht wissen wollten?

Wenn das stimmt, so ist dies ein beunruhigender Befund, weil er auf soziale Dispositionen und Gefährdungen verweist, die wir vielleicht gar nicht als auf die NSZeit beschränkt einstufen könnten. Ein Befund, zu dem sich ja auch allzu leicht Parallelen in unserer Gegenwart auftun, man denke nur daran, als wie dünn sich der Firnis der Zivilisation in der Mitte Europas erwiesen hat, als die Konflikte im zerfallenden Jugoslawien ausbrachen.

Wenn diese sozialpsychologisch-historischen Deutungen zutreffen, dann wirft dies im Übrigen auch wieder ein ganz neues Licht auf die Wenigen, die sich all dem widersetzt haben. Auch ihrer ist am heutigen Tage zu gedenken.

Historiker sind heute in aller Regel weit davon entfernt, die Widerständler gegen das Dritte Reich zu heroisieren. Wir wissen mittlerweile um manch eine Verstrickung von Widerständlern in den nationalsozialistischen Unrechtsstaat – das dürfte nach dem Gesagten im Grunde auch nicht sehr verwundern. Wir sehen heute auch deutlich, dass der deutsche Widerstand nicht unbedingt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als Alternative zu Hitler vor Augen hatte – wie sollte er auch nach den nicht eben positiven Erfahrungen in der Weimarer Republik.

Aber all jene, die sich unter Einsatz ihres Lebens dem Nationalsozialismus entgegenstellten, hatten sich anders als die große Mehrheit ihrer Zeitgenossen überwunden, aus der bequemen, so verführerischen Loyalität oder Passivität der Masse herauszutreten und ihr Leben gegen Hitler zu wagen. Dies geschah ohne wirkliche Aussicht auf Erfolg, ohne Hoffnung, dass ihr Wagemut irgendwann einmal Beifall finden könnte. Sie hatten diese Verdrehung der Werte entschlüsselt und für sich rückgängig gemacht.

Männer wie der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner waren der Verwirrung der Begriffe nie verfallen, hatte er doch schon als hessischer Innenminister den Nationalsozialismus in der Weimarer Zeit auch hier in unserer Region mit allem Nachdruck bekämpft. In der Zeit des Nationalsozialismus hat er ein Netz von zivilen Helfern in unserem Raum geknüpft, das im Falle eines geglückten Umsturzes für eine neue, nichtnationalsozialistische Regierung zur Verfügung stehen sollte.

Militärische Mitverschwörer des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944, wie der bei Bad Kreuznach geborene Heeresrichter Karl Sack, hatten für die Erkenntnis der verbrecherischen Qualität des NS-Staates wohl länger gebraucht, sich dann aber ebenso entschieden gegen das Hitlerregime gestellt und dafür am Ende genauso mit dem Leben bezahlen müssen.

Der aus dem Bistum Mainz stammende Jesuitenpater Alfred Delp, dessen 100. Geburtstag wir im vergangenen Jahr gefeiert haben, war ebenso wie der in Bad Ems geborene Reformpädagoge Adolf Reichwein an den Beratungen des Kreisauer Widerstandskreises beteiligt. Dort trat er dafür ein, auf der Basis des Naturrechts einen neuen deutschen Staat wieder aufzubauen, und verlangte von seiner Kirche, Anwalt der Menschenrechte für alle Menschen zu werden.

Ganz ähnlich hatte sich schon vor dem Krieg der Hunsrücker Paul Schneider, evangelischer Dorfpfarrer in Dickenschied und Womrath, gegen den Versuch der Aushöhlung des Christentums durch das Regime gewehrt und öffentlich die christentumsfeindliche Haltung des Nationalsozialismus angeprangert. Selbst im Konzentrationslager Buchenwald und unter den Schlägen und Folterungen seiner Bewacher hörte er nicht auf, so laut er konnte, aus seinem Zellenfenster heraus zu predigen, das Regime anzuklagen, bis er am 18. Juli 1939 ermordet wurde.

Meine Damen und Herren, solche Zeugnisse des Widerstehens sind alles andere als ein Beleg dafür, dass es am Ende so schlimm dann doch nicht war, sie sind vielmehr das genaue Gegenteil.

Sie entheben uns auch nicht der fortwährenden Verantwortung, weiter angestrengt nach Antworten auf die Frage, wie all die Verbrechen haben geschehen können, zu suchen, sondern sie verpflichten uns vielmehr darauf, in diesen Anstrengungen nicht nachzulassen.

Diese für eine demokratische Gesellschaft wie die unsere so wichtigen Zeugnisse des kompromisslosen Eintretens für Freiheit und Menschenrechte sind vor allem eines: Mahnung, eine Mahnung, die der in der NS-Zeit „verbrannte Dichter“ Erich Kästner einmal so formuliert hat: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall im Hause)

Ansprache des Ministerpräsidenten Kurt Beck

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus Parlament und Regierung – ich beziehe die früheren Kolleginnen und Kollegen in diesen Gruß ausdrücklich mit ein –, verehrte Repräsentantinnen und Repräsentanten der Jüdischen Kultusgemeinden, der Sinti und Roma, verehrte Damen und Herren, die Sie für die Kirchen uns die Ehre geben, bei uns zu sein, verehrter Herr Professor Dr. Mayer, als Repräsentant der Justiz in unserem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Verehrter Herr Professor Dr. Kißener, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen zunächst ein herzliches Wort des Dankes sage dafür, dass Sie uns erneut, aber auf besondere Weise mit dieser ständigen Frage des „Warum“ konfrontiert haben, und des Dankes dafür, dass Sie uns erneut Gelegenheit geben, Parallelen zu dem zu ziehen, was an Gefährdungen auch in unserer Zeit für Demokratie und Freiheit unübersehbar ist.

Ich glaube, dass es von ungeheurer Bedeutung ist, uns immer wieder daran zu erinnern, dass es in einem kulturreichen Volk Entwicklungen gibt, die diskutiert, betrachtet und auf Gefährdungen hin ausgeleuchtet werden müssen, die weit über die Auseinandersetzung von Alltagsansichten, auch irrenden Alltagsansichten, hinausgehen können. Ich glaube, deshalb ist es unsere Pflicht, immer wieder das Erinnern zu suchen, nicht nur an einem Tag, aber eben auch ganz konzentriert an einem solchen Tag des Gedenkens. Herr Landtagspräsident, dafür, dass Sie dies lebendig halten, bin ich Ihnen sehr verbunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sicher, dass wir in einer Zeit leben, die uns hinsichtlich des Gedenkens, des Nachdenkens und Vorausdenkens Besonderes im Hinblick auf die unermessliche Furchtbarkeit der NS-Diktatur abverlangt, dass wir das Gedenken in immer stärkerem Maße ohne die Kraft der Zeitzeugen organisieren müssen.

Wir alle erinnern uns sicher an viele Gespräche mit Menschen, die in dieser Zeit gelebt und gelitten haben, die als Luxemburger, als unsere Nachbarn, nach Hinzert verschleppt und dort bis nahe an den Tod gequält worden sind, die all das, was uns erneut heute hier vor Augen geführt wird und uns in Erinnerung ist, erleben und erdulden mussten und nicht in dem Sinne gebrochen worden sind, dass sie nicht die Kraft gehabt hätten, einen freiheitlichen Neuanfang zu begleiten und von Generation zu Generation nach 1945 Zeugnis zu geben.

Die Natur wird es zwangsläufig so richten, dass wir ohne sie ihre Erfahrungen forttragen müssen. Deshalb ist nicht nur dieser 63. Tag der Wiederkehr der Befreiung von Auschwitz, sondern sind all die Erinnerungsdaten, die sich gerade in diesem Jahr 2008 in vielfältiger Weise in besonderen Jahrestagen jähren, unverzichtbare Anstöße und Anlässe, diese Erinnerung aufzunehmen.

Wir werden in wenigen Tagen, am 30. Januar, im Verlauf dieser Woche daran zu erinnern haben, dass es 75 Jahre her ist, seit die sogenannte Machtergreifung vor sich ging. Wiederum wenige Wochen später, am 23. März, wird daran zu erinnern sein, dass in der Berliner Krolloper die letzten – man kann schon nicht mehr sagen – freien, aber doch unendlich mutigen demokratischen Worte von Otto Wels gesprochen worden sind.

Es wird unsere Verantwortung sein, daran zu erinnern, dass es am 10. Mai dieses Jahres 75 Jahre her sein wird, dass die Bücherverbrennung stattgefunden hat. Wir sollten immer wieder an das erinnern, was uns Heinrich Heine ins Stammbuch geschrieben hat, der auf so furchtbare Weise recht bekommen sollte, nämlich dass dort, wo Bücher verbrannt würden, später auch Menschen verbrannt würden.

Es wird darum gehen, am 9. November daran zu erinnern, dass Synagogen brannten und die „Reichskristallnacht“ – der Begriff, der heute noch teilweise geläufig ist – stattgefunden hat, in Wirklichkeit eine Barbarei von unvorstellbarem Ausmaß.

Das alles sind wichtige Daten. Es ist sicher unsere Aufgabe, die wir heute politische Verantwortung tragen, solchen Reflektionen, solchen Aussagen von Menschen, die der natürlichen Neigung allzu bereit folgend sagen, „Es ist jetzt genug, wir wollen an diesen Schmerz nicht mehr erinnert werden. Wir wollen uns damit nicht mehr auseinandersetzen, lasst uns damit in Ruhe“, entgegenzutreten, weil Ausweichungen zwangsläufig relativieren, und Relativieren der Anfang vom Vergessen der Einmaligkeit dieser verbrecherischen Entwicklungen und Handlungen sein könnte.

Deshalb geht es darum – davon bin ich überzeugt –, dass wir in vielfältiger Weise Gelegenheiten schaffen, nach- und vorzudenken. Wir haben im Jahr 1992 in Rheinland-Pfalz nach Bemühungen, die es auch zuvor schon gegeben hat, ein geschlossenes Gedenkstättenkonzept entwickelt. Ich bin sehr froh darüber, dass das ehemalige und eines der ersten Konzentrationslager, das Lager Osthofen, eine Stätte der Begegnung, der Erinnerung, aber auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem sich dort auf schreckliche Weise zu manifestieren beginnenden Unrecht geworden ist.

Ich bin froh darüber, dass es gelungen ist, gerade auch durch die Unterstützung unserer luxemburgischen Nachbarn – ich erinnere an die Worte des luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker bei der Eröffnung –, nach zähem Ringen das SS-Sonderlager in Hinzert zu einer Gedenk- und Begegnungsstätte gerade auch für junge Menschen zu machen. Ich will allen, die dies zäh über viele Jahre, ja Jahrzehnte hinweg verfolgt haben, ein besonderes Wort der Anerkennung sagen. Wenn ich von dem Unterstützerverein Herrn Abgeordneten Burgard nenne, seien alle anderen genauso in diesen Dank mit eingebunden.

Verehrter Herr Dr. Schiffmann, verehrter Herr Meyer, verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung, ich bin froh darüber, dass Sie sich dieser Aufgabe gestellt haben. Ich erinnere mich sehr wohl an manche öffentliche Kritik, die Gott sei

Dank nie in diesem Hohen Hause eine Entsprechung gefunden hat, man könne sich doch schwerpunktmäßig auch anderen Themen zuwenden. Es ist durchgehalten worden, und wir haben begonnen, unsere auf lange Sicht auf die Zeit nach den Zeitzeugen angelegte Gedenkarbeit zu organisieren.

Herr Professor Dr. Kißener, Sie haben an Gurs erinnert. Ich selber hatte in der Zeit, als ich deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter war, Gelegenheit, diese Stätte zu besuchen. Ich bin sehr beschämt dort weggefahren, weil wir – abgesehen von einem Verein und einer Gruppierung, die auch aus kommunaler Verantwortung mit unterstützt wurde – dieser Stätte des ersten Grauens nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet hatten. Auch das ist Gott sei Dank anders geworden.

Es wird unsere Aufgabe bleiben, an einer Reihe anderer Stellen nicht auszuweichen, daran zu erinnern, dass wir besondere Begegnungsstätten von Sinti und Roma in diesem Land hatten, und dies in unsere Gedenkarbeit einzubeziehen.

Es wird darauf ankommen, dass wir die psychisch Kranken, die oft auf unglaublich bestialische Weise ermordet worden sind, in unser Erinnern einbeziehen, in Andernach, wo dies geschieht, in Alzey, wo dies jetzt in neuer Gestaltungsform endlich geschehen soll, und in Klingenmünster, wo wir in wenigen Tagen zusammen mit dem Bezirksverband Pfalz eine solche Erinnerungsstätte schaffen und übergeben werden. Ich erinnere auch an eine Reihe anderer Gedenkstätten im Land wie zum Beispiel bei Cochem.

Es wird uns auch viel abverlangen, die abgebrannten Synagogen wieder als lebendige Stätten der Begegnung und der Religionsausübung der Jüdischen Gemeinden zu machen. Es gibt gute Hoffnung, dass wir dies hier in Mainz in absehbarer Zeit beginnen können. Auch in Speyer laufen die entsprechenden Vorbereitungen. Das alles gehört dazu. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass über die besondere Beziehung zu Luxemburg auch mit dem Elsass diesbezüglich etwas Besonderes auf den Weg gebracht worden ist, um das gemeinsame Erinnern zu pflegen.

Vielleicht ist es eines der hoffnungsvollsten Zeichen, dass in Lamsdorf, in Polen, eine Stätte der Erinnerung an die Kriegsgefangenen, die ermordet worden sind, und ein Austausch des Erinnerns und der Erinnerungsarbeit mit deutschen Gedenkstätten auf den Weg gebracht worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind Aufgaben, die wir zu erfüllen haben, Aufgaben, die, wenn wir sie richtig angehen – das ist meine Hoffnung, aber eine, die durchaus viele Stützen im Alltag findet –, auch junge Menschen mit einbeziehen. Wenn wir an das erinnern, was die Kriegsgräberfürsorge tut, um junge Menschen zum Erinnern gegen Krieg und Gewalt zusammenzuführen, dann ist dies ein solches Beispiel der guten, der hoffnungsfrohen Ansätze.

Das alles wird uns immer wieder fordern. Es wird an uns sein, an den Eltern und Großeltern, an Jugendbildungseinrichtungen, an unseren Schulen und unseren Hoch

schulen, darauf zu achten, dass nicht das, was heute an Ausgrenzung und Gewalt gegenüber Gruppen, gegenüber Menschen, die anders sind – seien es behinderte Menschen, Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderer Religion –, an Schrecklichem geschieht, als etwas ganz anderes erklärt wird als das, was auch dieser furchtbaren Zeit des Nationalsozialismus mit zugrunde gelegen hat.

Ich glaube, deshalb ist die wichtigste Folgerung, die wir an einem solchen Gedenktag zu ziehen haben, dafür einzutreten, dass eine Kultur des Widersprechens, eine Kultur des Charakters und des Mutes, für die Werte unserer Verfassung einzutreten, nicht als etwas Altmodisches daherkommt und das „sich auf die eigenen Interessen beschränken“ und „lieber keine Konflikte eingehen“ nicht mehr wert wird als das, was an Zivilcourage gezeigt wird.

Das ist eine Aufgabe, und die Politik muss sich sicher ins Stammbuch schreiben lassen, für diese Aufgabe eine ganz besondere Verantwortung zu haben, auch durch das eigene Verhalten.

Insoweit lassen Sie uns an das Wort des Philosophen Hans Jonas erinnern, der uns gesagt hat: „Sieh hin, und Du weißt.“ Lassen Sie uns versuchen, unserer Verantwortung gerecht zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Frau Neimann:

Ich möchte mit zwei Liedern der Hoffnung enden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe überlegt, ob wir mit der Kaddish, dem jüdischen Totengebet, enden, was passend wäre. Ich möchte aber auch daran erinnern, die 6 Millionen sind nicht nur eine Zahl, sondern es sind 6 Millionen Menschen.

Ich bin glücklich, dass ich heute nicht die einzige Jüdin im Saal bin und nicht die Einzige, die Kinder in Deutschland großzieht.