Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Bevor ich die einzelnen Punkte angesprochen habe, habe ich gesagt: Gerade aber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts haben wir bei Online-Durchsuchungen Folgendes zu beachten: Bei der Computerdurchsuchung sind hohe Hürden zu überwinden. Den Vorrang haben andere Fahndungsmethoden. – Genauso hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Ich weiß nicht, an welchem Punkt ich von meiner früheren Einstellung abgewichen sein soll.

Ich bin sicherlich ein sehr kritischer Mensch, was OnlineDurchsuchungen allgemein betrifft. Wenn wir davon ausgehen, dass so etwas überhaupt nur ein- oder zwei

mal im Jahr in diesem Land gemacht wird, können wir sagen, dass, allein wegen des Verhältnisses zwischen dem Aufwand und dem möglichen Ertrag, eine kritische Auffassung dazu durchaus angebracht ist. Das muss man bei solchen Dingen auch beachten.

(Beifall der SPD)

Ich bedanke mich bei dem Kollegen Schweitzer. – Wenn man weiß, welcher Aufwand bei OnlineDurchsuchungen betrieben werden muss, muss man sich wirklich gut überlegen – die Polizei wird das auch machen –, ob man solche Maßnahmen tatsächlich anwendet.

Was meine Presseerklärung betrifft, sage ich Ihnen: Auch da muss man genau lesen. Ich habe gesagt, dass man in Berlin jetzt schnell entscheiden kann. Sie haben jetzt die Grundlagen dafür. Dann habe ich gesagt – lesen Sie das genau nach –, im Zuge der Entscheidung müssen wir überprüfen, ob wir unser POG oder das Verfassungsschutzgesetz auch ändern wollen und müssen! Genau das habe ich gesagt, nichts anderes. Ich weiß nicht, was Sie zu beanstanden haben.

(Beifall der SPD)

Aber ich brauche nicht nur mich zu zitieren. Ich kann zum Beispiel – mit Genehmigung des Präsidenten – aus der „Rhein-Zeitung“ zitieren. Herr Jochen Magnus hat heute unter der Überschrift „Ein neues Grundrecht wurde geboren“ etwas geschrieben. Das ist nicht ganz zutreffend. Das Grundrecht ist das Persönlichkeitsrecht. Das Verfassungsgericht hat lediglich den bisherigen Begriff auf die Computerdurchsuchungen ausgeweitet. Jochen Magnus hat geschrieben: „Die 30 Jahre alte Erkenntnis der Humanistischen Union, dass man die Feinde des Rechtsstaates nicht mit dessen Abbau bekämpfen darf, ist heute klug wie damals. Manchmal scheint es, als ob das Bundesverfassungsgericht die letzte Bastion dieser politischen Vernunft ist.“ Schreiben Sie das Herrn Schäuble ins Stammbuch, aber nicht mir.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kohnle-Gros.

Mir ging es wirklich nur darum, noch einmal darzustellen, dass wir uns in dieser Frage einen Schlagabtausch geleistet haben, der von Ihrer Seite aus in der Tat so betrieben worden ist, dass der Eindruck entstand, jeder müsse in Zukunft damit rechnen, dass sein privater PC – mit dem Tagebuch, das er da führt, mit den persönlichen Angelegenheiten, die dann ausgeleuchtet werden können – bedroht ist.

(Hartloff, SPD: Verdrehen Sie nicht die Tatsachen!)

Doch, das war die Diskussion, die geführt worden ist. Sie ist auch hier so geführt worden.

Herr Pörksen, jetzt möchte ich doch gern aus der Pressemeldung der SPD von gestern zitieren. Sie schreiben, die Entscheidung im Bund bezüglich des BKA-Gesetzes müsse schnell umgesetzt werden. Nächster Satz: „In dieser Folge sei auch das rheinland-pfälzische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zu ergänzen, so Pörksen“. Sie sagen nicht, dass es geprüft wird, sondern dass es zu ergänzen ist.

(Pörksen, SPD: Genau! Erst wird es geprüft und dann ergänzt!)

Darauf bezog sich mein erster Satz in der ersten Runde, dass die Pirouette, die Sie gedreht haben, mich doch beinahe umgehauen hat. Herr Pörksen, verstehen Sie: Sie diskutieren über Monate hinweg in der Öffentlichkeit über die Bedrohungslage, und kaum ist das Urteil da,

(Hartloff, SPD: Wir brauchen es!)

dann wissen Sie, dass wir es brauchen. Wir wissen schon lange, dass wir es brauchen.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Darin sind wir uns sogar mit dem Herrn Innenminister einig, der sich zwar nicht als SPD-Mann, aber im Gegensatz zu Herrn Stegner und anderen, die das anders gesehen haben, immerhin als Innenminister des Landes geoutet hat.

(Hartloff, SPD: Er hat sich als Innenminister geoutet!)

Wir brauchen dieses Instrument. Die Sicherheitskräfte verlangen das ein Stück weit. Wir waren uns einig, dass wir uns an die technische Entwicklung anpassen müssen, denn sonst haben wir in Einzelfällen keine Chance – das werden Einzelfälle bleiben, Sie haben die Argumente genannt –, von Terroristen ausgehende Gefahren für unseren Staat und für die Menschen abzuwenden.

Ich stelle mir immer wieder vor, auch wir hätten schon solche Situationen wie in anderen Ländern gehabt. Dann wäre die Diskussion sicherlich ganz anders gewesen. Wir wollen das verhindern. Darin sind wir uns sicherlich einig. Deswegen sollten wir uns entsprechend aufstellen. Sie sollten sich in Zukunft überlegen, ob Sie das alles so aufblähen müssen, wie Sie es gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Bruch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kohnle-Gros, es ist richtig. Ich bin der Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Diese Debatte läuft auf zwei Ebenen. Zum einen geht es darum, wer was zu welcher Zeit wie gesagt hat und ob

er dagegen oder dafür war, zum anderen um das, was geschehen ist und wie man das bewerten kann. Ich will sowohl zu dem ersten als auch dem zweiten Punkt etwas sagen.

Sehr geehrte Frau Kohnle-Gros, ich vermeide oft das Wort „stolz“. Ich bin aber ganz stolz darauf, dass die SPD/FDP-Koalition in all den Fragen, in denen es um die Sicherheit und die Abwägung der Freiheit ging, eine Linie gefunden hat, die von Vernunft, Rechtsstaatlichkeit und dem Gedanken der Freiheitsrechte geprägt war.

(Beifall der SPD und der FDP)

Frau Kohnle-Gros, ich kann mich noch gut an die Diskussion über die Neuordnung des POG und daran erinnern, was vonseiten der CDU noch draufgesattelt werden sollte. Ich will nur das Stichwort „AutokennzeichenKontrolle“, „Schleier-Fahndung“ nennen. Wir hatten uns damals intensiv mit all diesen Fragen beschäftigt und immer abgewogen, wie weit der Eingriff des Staates gehen kann, um die Freiheit zu gewährleisten.

(Beifall des Abg. Bauckhage, FDP)

Ich will ein Zweites sagen, weil ich an den Beratungen der Ministerkonferenz beteiligt war und bin. Ich habe sehr früh – das wissen Sie auch – für das Land Rheinland-Pfalz erklärt, dass wir das Eindringen in fremde Rechner und die Kontrolle dieser Daten benötigen, weil ich weiß, dass dieses Mittel von Täterinnen und Tätern benutzt wird.

Ich habe die Landesregierung sehr frühzeitig auf diese Linie hingewiesen. Der Ministerrat ist mir gefolgt. Ich habe diese auch in der Innenministerkonferenz vertreten. Ich gebe gern zu, ohne die Vertraulichkeit zu brechen, dass in der Kaminrunde mein Kollege Stegner eine andere Position vertreten hat. Die anderen sozialdemokratischen Innenminister haben dies nicht getan. Sie haben auch nicht die Position des Kollegen Schäuble vertreten können, der eine viel weitergehende Regelung wollte, wie sie jetzt das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat.

Ich habe damals schon, und zwar auch in internen Gesprächen, ein Angebot gemacht, dass wir über die Fragen wie Rechtsgüter, Leib und Leben, Gefahr für den Staat reden können. Dieses Angebot wurde nicht angenommen, sondern man wollte expressis verbis die weitergehende Lösung haben. Ich sage das nur, damit wir nicht über Dinge reden, die möglicherweise nachher streitig zu diskutieren wären.

Ich teile durchaus die Einschätzung des Kollegen Schäuble. Ich wäre ein schlechter Innenminister, wenn ich nicht objektiv abwägen würde, was in diesem Land in Sicherheitsfragen notwendig ist.

Sie haben die Zeitungsartikel heute gelesen. Sie kennen die Situation, vor der wir in anderen Fällen stehen. Ich kann Ihnen sagen, in diesen Fällen war es notwendig, eine Telefonüberwachung zu haben. Es war in einem bestimmten Fall notwendig, eine Wohnraumüberwachung durchzuführen. Es war notwendig abzugreifen, ob es dort Internetverkehre bis nach Pakistan gibt. Ich den

ke, dass das, was wir bisher mit Maß getan haben, richtig war.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht daraus ein erweitertes Grundrecht gemacht. Das begrüße ich ausdrücklich, weil es genau die Linie ist, die die Landesregierung vertreten und die der Kollege Mertin hier vorgetragen hat. Ich muss das nicht wiederholen.

Es geht noch ein Stück weiter, weil wir gerade Kritik aus der Praxis im Bereich der Wohnraumüberwachung hatten. Dort wurde gesagt, wenn Kernbereiche des privaten Lebens beeinträchtigt werden könnten, muss abgedreht werden. Dann kann man nicht mehr hören. Die Kolleginnen und Kollegen der Polizei haben gefragt, wie das gehen soll.

Das Bundesverfassungsgericht hat aus dieser Sache und diesem Vorwurf auch gelernt. Wir können in bestimmten Fällen den gesamten Rechner durchsuchen und in der Auswertung den Kernbereich aussortieren. Das heißt, hier gibt es eine Erleichterung für die Beamtinnen und Beamten, die sich mit dieser Frage beschäftigen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Gewährleistung der Vertraulichkeit und der Integrität informationstechnischer Systeme ist genau im Gefolge der Diskussion und der Urteile des Bundesverfassungsgerichts ab 1983/1987 zu sehen. Wir finden das auch in Ordnung.

Das Land Rheinland-Pfalz wird sich wie bisher aktiv in der Frage der Gesetzgebung auch im Bundesrat mit einbringen. Ich habe die Möglichkeit, das bei den Innenministern und der Bundestagsfraktion zu tun. Ich habe in der Bundestagsfraktion zu einem bestimmten Zeitpunkt auch für unsere Position geworben, weil es wie immer im Leben, auch wahrscheinlich in der CDU, unterschiedliche Einschätzungen zu unterschiedlichen Sachverhalten gibt. Dort wurde mit gutem Recht gesagt, dass man das noch stärker kontrolliert oder – wie auch immer – zurückgefahren haben will. Ich denke, dass wir jetzt sehr schnell ein entsprechendes BKA-Gesetz mit diesen Voraussetzungen bekommen.

Ich will eine letzte Bemerkung machen. Es geht darum, wo ich in meiner Rede nicht einen Widerspruch, sondern eine Erfahrung und eine Erwartung sehe. Der Bürger erwartet heute Sicherheit durch den Staat. Früher wurde der Staat eher als Risiko angesehen. Das Volkszählungsurteil und alles, was 1983 und 1987 geschah, war aus dem Misstrauen geboren, der Staat weiß zu viel. Ich bin der gläserne Bürger. Der Sicherheitsgedanke ist damals gegen den Staat gewendet worden. Er wird heute umgedreht. Man erwartet vom Staat weitestgehende Sicherheit, aber auch, die Balance zur Freiheit einzuhalten.

Meine Damen und Herren, Sicherheit darf Freiheit nicht ersticken. Das ist unsere Aufgabe, die Sie als Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber haben. Wir müssen von der Seite der Innenminister und der staatlichen Seite her diese Freiheit durch Sicherheit garantieren. Das tun wir. Ich denke, das ist ein gutes Urteil und eine gute Debatte.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ehe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde aufrufe, darf ich als Gäste im Landtag Schülerinnen und Schüler der Klasse HBF für Datenverarbeitung der höheren Berufsfachschule der BBS Alzey

(Unruhe im Hause)

meine Damen und Herren, wir begrüßen Gäste, daher bitte ich Sie, diesen kleinen Moment aufzupassen –, Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse des GaußGymnasiums Worms und Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 112. Mainzer Landtagsseminar im rheinlandpfälzischen Landtag begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!