Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dickes.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Sie nach der Mittagspause den Weg schon hierher gefunden haben! Mit den pädagogischen Erkenntnissen der letzten Jahre haben sich die Erwartung der Eltern und auch das Bildungsbedürfnis der Kinder verändert. Dem haben alle Fraktionen mit verschiedenen Anträgen und Initiativen Rechnung getragen, um die Qualität in den Kindertagesstätten zu verbessern.

Die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes sind genau diesen Erkenntnissen geschuldet auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt. Nicht nur das Wissen und die Ansprüche im Bereich der frühkindlichen Bildung haben sich verändert. Im gleichen Zeitraum hat sich auch viel in den äußeren Faktoren der Kindertagesstätten bewegt.

Es werden heute immer mehr Kinder unter drei Jahren betreut. Das Verhalten der Kinder hat sich in den letzten Jahren zum Beispiel auch durch den verstärkten Medienkonsum verändert. Sie sind vielfach lauter geworden. Die Konzentration ist geringer, der Bewegungsdrang größer.

Deshalb war es für die CDU-Landtagsfraktion wichtig, im vergangenen Herbst einmal gezielt im Rahmen einer Woche der Kinderbetreuung nachzufragen, wie sich Erwartungen und Realität in den Kindergärten unter einen Hut bringen lassen. Die Antworten waren überall die gleichen, egal ob wir Eltern, Erzieherinnen oder die Kinder selbst gefragt haben, die mit fast 100 Personen im Plenum saßen und mitdiskutiert haben. Die Antwort war immer wieder, die Gruppen sind zu groß, das Personal zu wenig. Das waren die Kernaussagen.

(Harald Schweitzer, SPD: Die CDU wollte noch weniger! – Keller, CDU: Hören Sie doch einmal zu!)

Hören Sie doch einfach einmal zu. Vielleicht haben Sie die Anfrage noch nicht gelesen.

Wir haben daraufhin beim Land in der Annahme nachgefragt, dass sich das Ministerium längst damit beschäftigt hat. Dem war nicht so. Insofern hat die Große Anfrage nicht nur uns einen Erkenntnisgewinn gebracht und hoffentlich auch nicht nur uns veranlasst, etwas zu ändern.

Die seit 1991 unverändert geltenden Regelwerte für die Größe der Kindergartengruppen und die Personalbesetzung besagen,

(Frau Spurzem, SPD: Die die CDU immer kürzen wollte!)

dass in Gruppen mit höchstens zwei Kindern unter drei Jahren auf 25 Kinder 1,75 Erzieherinnen kommen. Bei mehr als zwölf Kindern in Ganztagsbetreuung reduziert sich die Gruppengröße auf 22 Kinder.

(Frau Spurzem, SPD: Die CDU wollte das noch kleiner haben! Sie müssen den Antrag lesen!)

Sie können zuhören, was wir wollen. Dann wissen Sie es vielleicht.

(Frau Spurzem, SPD: Ich kann nämlich lesen!)

Das ist schön für Sie. Im Durchschnitt sind laut Großer Anfrage in den Gruppen 21,4 Kinder. In Ganztagsgruppen – Richtwert 22 Kinder – liegt der Durchschnitt bei 22,7 Kindern. Fast die Hälfte der Gruppen ist überbelegt, und bei 20 % dieser Gruppen das auch mehr als ein halbes Jahr lang.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie oft Sie Kindertagesstätten besuchen. Ich hatte neulich eine Journalistin dabei,

(Frau Spurzem, SPD: Das glaube ich! Das ist ein Argument! Wir gehen nur aus Interesse dahin!)

die nach zwei Minuten hinausging und sagte, es wäre ihr zu heiß, sie gehe lieber einmal hinaus. In dieser Gruppe war es nicht heiß. In dieser Gruppe waren aber 23 Kinder mit einer Erzieherin. Es war deshalb nur eine Erzieherin dabei, weil in der dreigruppigen Einrichtung eine Erzieherin krank, eine auf Fortbildung und die Leitung am Telefon war.

(Frau Spurzem, SPD: Das hätte die Landesregierung wissen müssen! – Harald Schweitzer, SPD: Mobil oder Festnetz?)

Das ist der Alltag in unseren Kindertagesstätten. Dann verlangen wir die Umsetzung von Bildungs- und Erziehungsempfehlungen, die ich auch hier einmal anregen würde, und zwar neben dem Wickeln der Zweijährigen, dem Binden der Schuhe, dem Öffnen der Joghurtbecher, dem Nachkommen der Dokumentationspflichten, dem Schlichten von Streit und all den anderen Dingen, die getan werden müssen. Es bleibt die Frage, wo die Zeit bleibt, um mit dem Kind Sprachprobleme zu erörtern, ein Buch zu lesen, den Forscherdrang zu fördern oder die Feinmotorik zu schulen.

(Zuruf der Abg. Frau Spurzem, SPD)

Das sind alles Dinge, die jede Erzieherin eigentlich von sich selbst erwartet und aufgrund der Rahmenbedingungen doch nicht umsetzen kann.

Diese Probleme sehen noch viele andere. Überall im Land unterschreiben Eltern für kleinere Gruppengrößen. Ihre Vorstellung liegt bei 18 bis 20 Kindern pro Gruppe.

Gerade erst hat die GEW dem Land 14.000 Unterschriften übergeben. Gefordert wurde die teilweise Freistellung der Leitungskräfte. Dies wurde im Übrigen von allen Leiterinnen, mit denen ich gesprochen habe, unterstützt; denn sie werden in fast allen Kindertagesstätten voll auf den Personalschlüssel angerechnet, obwohl sie sehr viel Arbeit außerhalb der Gruppe erledigen müssen. Für die Kinder, die in dieser Gruppe sind, heißt es dann Betreuung durch eine einzige Kraft und nicht Förderung.

Das ist nicht das, was die SPD will, und wir wollen es auch nicht.

Deshalb hat die CDU einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes eingereicht. Wir sind der Ansicht, dass im Land Handlungsbedarf besteht, ohne Zweifel nicht in allen Einrichtungen; denn es gibt auch solche mit nur 13 Kindern in einer Gruppe. Diese haben ganz andere Probleme.

(Pörksen, SPD: Welche haben diese denn?)

Ansichten über Arbeitsbedingungen sind allerdings immer subjektiv. Um sich ein wirklich objektives Bild über die Arbeit in den Kindertagesstätten zu machen,

(Pörksen, SPD: Das haben Sie!)

bedarf es einer fachlich fundierten Evaluation. Seit 1991 sind die Regelwerte nicht verändert worden.

(Pörksen, SPD: Sie wollen sie verschlechtern!)

Im Interesse der Bildungsqualität fordern wir jetzt die Landesregierung auf, ganz genau zu untersuchen, ob auf Basis dieser Regelwerte die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen tatsächlich auch entsprechend umgesetzt werden können.

(Beifall der CDU)

Wenn dies nicht der Fall sein sollte – hier glaube ich den Aussagen aus sämtlichen Kindertagesstätten, die ich und auch meine Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der Woche der Kinderbetreuung gehört haben –, dann muss die Landesregierung entsprechend reagieren. Tut sie es nicht, wären all ihre schönen Worte Schall und Rauch. Ich glaube aber daran, dass sie genau wie wir will, dass unsere Kinder bestmöglich gefördert werden.

Diese Evaluation kann nicht nur eine einmalige Sache sein; denn Dinge verändern sich stetig. Deshalb sollte sie erstmals in diesem Jahr und dann alle fünf Jahre durchgeführt werden.

(Frau Spurzem, SPD: Damit die armen Erzie- herinnen und Erzieher noch mehr Zeit damit verbringen, die Evaluation zu bearbeiten!)

Die bekommen sie ja dann von Ihnen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Unser Gesetzentwurf enthält noch drei weitere Punkte. Der erste Punkt ist eine Kooperation zwischen Schulen und Kindertagesstätten. Schon jetzt gibt es diesen Auftrag, auch in dem Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“.

(Frau Spurzem, SPD: Das wird auch gemacht!)

Die Erfahrung in den Kreisen hat allerdings gezeigt, dass gerade in diesem Bereich keine Gelder mehr vorhanden sind, um Modul 3 auch wirklich durchführen zu können. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass es keine Regelung gibt, wie diese Kooperation stattfinden soll. Das heißt, wenn heute Kinder aus drei verschiedenen Kindertagesstätten in eine Grundschulklasse kommen, haben die einen andere Voraussetzungen als die ande

ren vom Kindergarten gelegt bekommen. Dem wollen wir entgegenwirken, indem wir zuverlässige Regelungen geben können, auf die die Lehrer dann entsprechend aufbauen können.

Der zweite Punkt, den wir heute nicht zum ersten Mal ansprechen, ist, die Tagespflege flexibler und bedarfsgerechter zu gestalten. Dabei geht es uns ganz besonders darum, dass Sie auch eine Betreuung in anderen Räumen als denen des Kindes oder der Betreuungsperson zulassen.

Wir haben es schon im letzten Plenum gefordert, weil wir sagen, wenn heute eine Krankenschwester oder eine Verkäuferin länger arbeiten muss als 16:30 Uhr und der Kindergarten zumacht, dann muss das Kind von einer Tagespflegeperson abgeholt werden. Diese bringt es in ihr Haus, wo die Mutter es später wieder abholt.

Dieses Kind macht einen ständigen Wechsel durch und hat keinerlei Möglichkeit, in Ruhe weiterzuspielen. Jetzt soll es ein Angebot an Eltern darstellen, keine Reduzierung des Angebots in den Kindertagesstätten, keine Reduzierung der Öffnungszeiten, sondern eine Erweiterung, ein Angebot für die Eltern, die dies auch wahrnehmen wollen.

(Beifall der CDU)

Der letzte Punkt ist, im Rahmen von Modellprojekten Kindertagesstätten zu Familienzentren auszubauen. Dies kann im Verbund mehrerer Kindertagesstätten geschehen und sollte sich auch mit familienorientierten Einrichtungen zusammenschließen.

Diese Zentren für Familie sollen Angebote für Familien bündeln. Sie sollen Beratungsangebote stellen, Familien bei der Bildung und Erziehung unterstützen und Beratung in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben.

Tagesmütter können hier vermittelt werden, und es kann auch kurzfristig eine andere Betreuung organisiert werden, zum Beispiel bei Krankheit einer Mutter.