Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Sie haben jetzt zwei Jahre danach, also zwei Jahre nach der Ankündigung eine Liste vorgelegt. Uns wollten Sie eigentlich durch das Land treiben. Das machen wir so nicht mit, Herr Schweitzer.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Harald Schweitzer, SPD)

Wenn der Ministerpräsident uns jetzt wieder zum Gespräch eingeladen hat, heute, nach mehrmaligen Aufforderungen, nach mehrmaligen Ankündigungen, dass wir uns verweigerten – – – Das stimmt nicht, das ist falsch, das haben die Kollegen insgesamt heute auch noch einmal hier vom Rednerpult aus gesagt. Das trifft dann nicht die Wahrheit.

Wenn Sie sich allerdings verweigern, Teile wie beispielsweise Ministerien oder Struktur- und Genehmigungsdirektionen auszunehmen, dann ist das eine Verweigerung in der Sache. Der Ministerpräsident ist dabei zitierfähig. Das können wir so nicht mittragen, dazu sagen wir ganz konsequent Nein.

(Beifall der CDU – (Harald Schweitzer, SPD: Ihr sagt doch immer nein! – Zuruf von der SPD: Sagt doch einmal ja!)

Es ist völlig falsch. Wenn Sie genau nachlesen, dann können Sie feststellen, es gibt eine Reihe substanzieller Vorschläge, was die Kommunalreform angeht. Worüber – das gebe ich ganz offen zu – es keine landesweiten Vorschläge aus der Union gibt, das ist über genaue Grenzen.

(Glocke des Präsidenten)

Das sage ich in aller Deutlichkeit. Das würde ich auch niemandem aus meiner Fraktion empfehlen, sich dann mit solchen Dingen über Jahre von Ihnen treiben zu lassen.

(Pörksen, SPD: Aber uns!)

Wir lassen uns in dieser Frage von Ihnen nicht treiben. Entweder wir machen es, oder wir lassen es.

(Ramsauer, SPD: Sie lassen es einfach!)

Das Wort hat Herr Minister Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich in die Politik gegangen bin – das war so um 1971 –, da lautete meine innere Einstellung mitzuhelfen, damit wir mehr Transparenz in Verwaltungsabläufen, in Verwaltungsarbeit und mehr Transparenz und Mitwirkung in der Bürgerbeteiligung bekommen.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, nach den Wortbeiträgen hier bin ich der Meinung, wir sollten unser gemeinsames Reformbemühen doch noch einmal Revue passieren lassen. Herr Kollege Auler, wir sind fast im gleichen politischen Alter.

(Pörksen, SPD: Im politischen Alter nicht, da ist er ein Youngster!)

Wollen wir das wirklich herunterreden, wie es hier zum Teil mit der Frage der Bürgerbeteiligung geschehen ist? Wie wollen Sie eine Kommunal- und Verwaltungsreform in der heutigen Zeit denn konstruieren, ohne dass Sie eine Bürgerbeteiligung und eine Aufgabenkritik machen, lieber Herr Kollege Licht?

Sie können heute, leider möglicherweise, nicht mehr sagen, es setzen sich drei Verantwortliche zusammen, und am Schluss ist das Ergebnis die Kommunal- und Verwaltungsreform. Das wird heute wohl nicht mehr möglich sein, bei allem Respekt vor der Leistung von damals.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde etwas über die 65er-Liste gesagt, und darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Herr Dr. Rosenbauer hat etwas zu der Frage der Beteiligung der CDU gesagt. Ich habe nicht alle Briefe bei mir, sondern möchte lediglich einen Teil aus dem letzten Brief zitieren. Auch Sie haben zitiert, und ich sage dies auch ohne Kritik und ohne Häme, weil es zum Teil so ist, wie Sie es sagen.

In diesem Brief hat Herr Ministerpräsident Beck an den CDU-Fraktionsvorsitzenden Herrn Baldauf geschrieben:

„Ihre Anregung nach einem weiteren Gespräch aufgreifend, kann ich Ihnen versichern, dass die Landesregierung nach Abschluss der regierungsinternen Beratungen zur Aufgabenkritik erneut in Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der Parteien und der kommunalen Spitzenverbände eintreten wird, um das weitere Vorgehen gemeinsam zu beraten.“ – Das ist der letzte Brief.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Hätte ich noch Zeit gehabt, hätte ich das noch vorgelesen!)

Nein, ich habe es auch nicht so gemeint, dass Sie etwas Falsches vorgelesen oder vorgetragen hätten. Aber es gibt auch Briefe des Fraktionsvorsitzenden Herrn Baldauf, in denen er klar sagt, wie er sich eine Verwaltungsreform vorstellt, wobei wir diesen Vorschlägen damals nicht gefolgt sind. Das habe ich auch des Öfteren erklärt. Wenn ich das, was Herr Dr. Rosenbauer und Herr Schnabel gesagt haben, richtig aufgefasst habe, so besteht bei der großen Oppositionsfraktion die Bereitschaft, bei der Verwaltungsreform mitzumachen. Herr Kollege Schnabel hat dies im Übrigen des Öfteren betont, das möchte ich an dieser Stelle fairerweise auch dazu sagen. Ich denke also, von daher macht es momentan keinen Sinn, rückwärts gewandt zu diskutieren, wer wann wo wie beteiligt worden ist, sondern vor uns liegt eine Menge Arbeit.

Herr Kollege Auler, wenn man sich nun an der Frage der Bürgerbeteiligung aufreibt, dann muss ich mich darüber wirklich ein bisschen ärgern. Ich darf Ihnen ein Zitat zukommen lassen, das mir von einem Teilnehmer des Bürgerkongresses in Ludwigshafen zugegangen ist. Er schreibt:

„Sehr geehrte Damen und Herren, eine hervorragende Leistung haben Sie heute der Öffentlichkeit präsentiert. Herzlichen Dank für Ihr aller Engagement. Wer nicht an diesen Kongressen teilnimmt, hat sein Recht, eine Kritik zu äußern, verfehlt. Im Wissen darum, wie viel Vorbereitung hinter dieser Arbeit und den mithelfenden Kulissen steckt, kann ich nur mit hohem Respekt und Anerkennung den Personen begegnen, die sich um die Neuordnung dieses Landes Gedanken machen und bereit sind, unsere Zukunft zu entwickeln. Machen Sie weiter so!

Mit herzlichen Grüßen

Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker in RheinlandPfalz“

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU: Wer? Wer? – Licht, CDU: So sind sie halt, die Liberalen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun bin ich der Meinung, dass Sie ein wenig über das Ziel hinausgeschossen sind. Lieber Herr Kollege Auler, ich hätte mich nicht getraut, heute eine Aktuelle Stunde über die Frage zu beantragen, welche Bilanz wir über den ersten Bürgerkongress ziehen. – Nein, dies hat nichts mit Mut zu tun, es hat etwas mit Unwissen zu tun, das muss ich Ihnen sagen. Ich habe bis heute kein Protokoll. Dort gibt es Protokollanten. Ich war eine Stunde bei diesem Bürgerkongress dabei, um ihn nicht zu belasten nach dem Motto, da sitzt der Minister dabei, da können wir nicht alles sagen.

Mich hat ebenfalls gestört, dass sich 260 Teilnehmer angemeldet haben und nur ca. 170 gekommen sind. Ich hätte mir mehr gewünscht. Aber Hintergrund ist, wir haben die Veranstaltung gedeckelt. Ich habe den Kolleginnen und Kollegen, die das vorbereitet haben, gesagt: Deckelt keine weiteren Bürgerkongresse mehr, sondern lasst die Anmeldungen laufen, und dann sehen wir nachher weiter. – Aber diese 170 Teilnehmer sind dabei geblieben, und sie haben interessante Hinweise gege

ben: Ausbau von Bürgerbüros mit Verwaltungslotsen, ortsnahe Anlaufstellen, Ausbau des E-Government, Stärkung des kommunalen Ehrenamtes, Änderung kommunaler Gebietsgrenzen, Fragen von Einrichtungsträgerschaften und ein deutliches Lob, dass die Bürgerinnen und Bürger gehört worden sind.

Ich wiederhole noch einmal meine Aussage, die ich eingangs getroffen habe: Ich glaube, dass auch Sie einmal in die Kommunalpolitik gegangen sind, um bürgernah zu arbeiten und die Bürger besser mit einzubeziehen. Von daher denke ich, diese Kritik können wir vielleicht nach fünf Bürgerkongressen äußern. Dann können wir uns fragen: Gibt es einen anderen Weg? – Der Prozess wird von Herrn Professor Ziekow von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer begleitet. Herr Professor Dr. Sarcinelli macht mit seinem Institut eine zweite Begleitung, losgelöst von der Landesregierung. Wir haben weder einen Einfluss auf sie, noch erhalten sie von uns eine Bezahlung, außer von den Leuten, die sie bezahlen müssen. Insoweit warte ich natürlich auf die Ergebnisse, aber selbstverständlich erst dann, wenn die Bürgerkongresse beendet sind. Ich bin der Meinung, erst dann kann man eine Kritik üben.

(Beifall der SPD)

Ich bitte auch ein wenig um Verständnis. Mich hat es auch geärgert, dass sich jemand negativ geäußert hat, und dann wird es über den Südwestrundfunk gesendet nach dem Motto „Ich wollte eigentlich dort meine Konzession für das Taxi abholen. Ich habe sie nicht bekommen, also war das schlecht.“ – Dafür war der Bürgerkongress nicht gedacht, sondern er war dafür gedacht, Menschen zu gewinnen, um mit ihnen über die Frage zu diskutieren, wie sie sich die zukünftige Verwaltung vorstellen können. Das ist schwierig genug, wie man an der Diskussion heute sehr gut sieht. Das ist schwierig für uns alle. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir ein wenig sorgfältiger mit diesem Thema umgehen müssen.

Ich komme nun zu der Frage der 65er-Liste. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben mit der Aufgabenkritik begonnen. Herr Kollege Schnabel, dies lief zugegebenermaßen ein wenig schleppend. Aber die 33er-Liste ist nach vielen Schwierigkeiten auch innerhalb der Ministerien so geworden, wie sie geworden ist. In dieser Phase gab es aber keinen Hinweis der CDU und auch nicht von der FDP, wie die Liste aussehen sollte. Es gibt einen Hinweis der Freien Wähler zu der Frage, wie sie sich die Aufgabenkritik künftig vorstellen können.

Danach sind wir in die neuen Fachkonferenzen gegangen, bei denen über 4.000 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker anwesend waren. Das ist, wie ich finde, der richtige Ansatz. Dabei wurde uns aber auch klar, wir müssen eine neue Aufgabenkritik machen.

Wie ist diese 65er-Liste nun geboren, die ursprünglich einmal eine 70er-Liste war? – Sie ist geboren aus einer Liste des Gemeinde- und Städtebundes heraus, der eine 90er-Liste vorgestellt hat. Sie ist geboren aus unseren eigenen Vorstellungen, die wir eingebracht haben, und sie ist geboren in Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden, die – um sie nicht allzu sehr zu um

armen – sehr intensiv waren und bei denen wir schließlich zugestanden haben, dass dies eine Grundlage für die weiteren Beratungen sein könnte. Nichts anderes ist die Liste. Sie ist kein Gesetz, und sie ist auch kein verabschiedeter Antrag, sondern sie ist eine Diskussionsgrundlage, wie es weitergehen soll.

Herr Kollege Licht hat noch etwas zum Zeitraum gesagt. Ich sage noch einmal, die Diskussion in Rheinland-Pfalz hat 1965 über die Frage begonnen, ob wir nicht unsere Struktur verändern müssten. Sie ist 1975 abgeschlossen worden. Die Gesetzgebung fand von 1969 bis 1972 statt. Ich möchte dies nur in Erinnerung rufen, damit man weiß, dass dies alles nicht auf einen Schlag vonstatten ging.

(Licht, CDU: Wenn sie so wollen, diskutieren wir seit 1991 darüber!)

Herr Abgeordneter Licht, in der Zwischenzeit gibt es ein gemeinsames Gespräch des Ministerpräsidenten Kurt Beck mit CDU und FDP über die Veränderung der Zeitschiene 2014. Dem haben Sie zugestimmt. Ich sage dies ohne Häme oder ohne Vorwurf, denn ich habe ebenfalls zugestimmt. Wir haben gesagt, wir wollen die Aufgabenkritik in diesem Jahr zu Ende führen, und da wir nicht in eine Kommunalwahl gehen möchten, bei der es Unsicherheiten über die Frage gibt, wie eine zukünftige Gebietsreform aussehen kann, wollen wir Klarheit schaffen. Deswegen gilt für mich auch weiterhin die Maxime, in diesem Sommer Klarheit zu haben, ob wir überhaupt weiter über diese Gebietsreform reden sollen und was wir tun werden. Genauso sieht es aus.

Ich denke, das war damals auch mit der FDP verabredet, und die FDP hat dies bisher auch nie kritisiert. Ich denke also, die Zeitschiene ist nicht das, was man daran kritisieren kann.

Ich möchte nun gar nicht auf die einzelnen Punkte eingehen; denn zum Ersten habe ich sie selbst mit formuliert, zum Teil mit erlitten und zum Teil mitgetragen. Jeder weiß, dass dies eine Arbeitsgrundlage ist, über die wir weiter sprechen müssen. Wir müssen auch weiter über die Konnexität sprechen. Wie regeln wir das mit der Konnexität? – Wir müssen uns des Weiteren fragen, ob all diese Vorschläge überhaupt vernünftig sind, wenn ich ein Gesetz dazu machen muss. Wann erlasse ich die Gesetze?

All dies ist offen. Dies ist das Gespräch, das wir jetzt gemeinsam führen müssen. Ich denke, dies wird nicht einer allein stemmen können, weder die Aufgabenkritik und damit die Zuordnung, wer wofür zuständig ist, noch die Frage, ob wir eine Gebietsreform durchführen sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war nie die Planung der Landesregierung und – soweit ich weiß – auch keiner dieser Fraktionen, plötzlich alles zu kommunalisieren. Dies war einmal eine Grundidee, aber jeder weiß, dass das nicht möglich ist. Vielmehr hat sich die Erkenntnis ergeben – ich wiederhole es noch einmal; viele hören es nicht so gern –: Geboren worden ist die Idee der Kommunalreform nicht in diesem Raum.

Sie ist geboren worden von den Kommunalpolitikerinnen und -politikern. Sie ist geboren worden auf Veranstaltungen des Gemeinde- und Städtebundes, des Landkreistages und des Städtetages. Da haben Vertreter der SPD, der CDU und der FDP und damals auch der Grünen gesagt: Jawohl, es ist eher unter dem Gesichtspunkt notwendig, ob es nicht so ist, dass die Verbandsgemeinden nicht genug Aufgaben haben, ob es nicht so ist, dass wir darüber reden müssen, und wie das mit der kommunalen Aufgabenerfüllung überhaupt aussieht. – Daraus hat sich dann in dieser Diskussion etwas entwickelt, was in die Regierungserklärung und dann in die Ministerratsvorlage gemündet ist. Insoweit fasse ich sie alle am Portepee, weil ich dabei war. Ich stelle mich auch dieser Diskussion.

Wir sind dann sehr schnell zu der Meinung gekommen, allein über die Verbandsgemeinden können wir nicht reden, weil die Ortsgemeinden – das war bei allen klar – gesetzt sind. Wenn ich Ortsgemeinden ehrenamtlich setze, brauche ich darüber, daneben oder wie auch immer eine Verwaltung. Damit war klar, dass das so ist. Deswegen haben wir die Liste nicht nach dem Motto gebaut „Wir nehmen dem alles weg oder geben dem alles hin“, sondern haben gesagt: Was kann vernünftigerweise vom Land weg, von den Mittelbehörden weg zu den Kreisen und zu den Verbandsgemeinden, und lassen wir die Ortsgemeinden in der Allzuständigkeit, so wie sie sind? – Wir lassen sie mit zwei kleinen Hinweisen, nämlich Fremdenverkehr und Gewerbeentwicklung. Ich denke, ansonsten ist das eine vernünftige Arbeitsgrundlage. Ich lade sie alle ein, weiter an dieser Sache mitzuarbeiten. Die Briefe an sie sind unterwegs.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Realschule plus als Zwischenschritt zur Einheitsschule?“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/2131 –