Protokoll der Sitzung vom 17.04.2008

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schreiner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben vorhin in der Fragestunde gelernt, was aus Sicht der SPD, aus Sicht von Kurt Beck, eine geraume Übergangszeit für ein Steinkohlekraftwerk bedeutet. Das bedeutet keine Atomkraft ab sofort oder nach dem Ausstiegsplan, Gas soll für die privaten Haushalte zur Verfügung stehen.

Sie glauben, bis 2050 50 %regenerativ erzeugen zu können und den Rest aus fossilen Brennstoffen. Da bleibt nur noch die Kohle, also 50 % Steinkohle auch nach 2050.

Das ist Ihre Planung, Ihre Politik. Ich muss sagen, das sind noch zwei Generationen. Im Jahr 2050 werden vielleicht meine Urenkel geboren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aus meiner Sicht ist das keine Vision, auch 2050 noch 50 % unseres Stroms aus Steinkohle zu erzeugen.

(Beifall der CDU)

Es ist aber nicht nur keine Vision, es ist auch absolut unrealistisch; denn, sind wir ehrlich – wir haben versucht, es Ihnen vorhin schon nahezubringen –, der Grundlaststrom aus der Atomkraft, der im europäischen Ausland rund um uns herum erzeugt werden wird, die Atomenergie aus dem Ausland, wird billiger sein. Die Kohle wird bei den Rohstoffkosten verlieren. Die Kohle wird nicht nur bei der Klimaschädlichkeit, sondern auch bei den CO2-Zertifikatskosten verlieren. Letztlich wird auch die Fernwärme nicht die Kunden haben, die wir bräuchten, um in Deutschland Steinkohlegrundlastkraftwerke effektiv und effizient zu betreiben.

Es sollte schlechterdings nicht wirtschaftlich sein. Das sagt nicht nur die CDU – Herr Kollege Baldauf hat darauf hingewiesen –, das sagt auch Herr Müller aus dem Bundesumweltministerium, und das sagen Wirtschaftswissenschaftler. So stellt sich dann schon die Frage, ob kommunale Energieversorger so ein Risiko schultern können und ob nicht das Risiko besteht, dass aus diesem Steinkohlekraftwerk eine gigantische Investitionsruine wird.

Ein Letztes noch in Anbetracht der knappen Zeit, die man in der zweiten Runde nur hat. An die SPD gerichtet, die sich so begeistert für Steinkohle einsetzt, muss ich sagen: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, neben den Fragen des Klimaschutzes, neben den Fragen zum Stadtbild, neben den Fragen von Wirtschaftlichkeit ist es aus meiner Sicht auch eine Frage der Gerechtigkeit.

(Zurufe von der SPD – Glocke des Präsidenten)

Es sollte uns nicht egal sein,

(Glocke des Präsidenten)

wo und wie Steinkohle ausgebeutet wird.

(Zurufe von der SPD – Glocke des Präsidenten)

Die Solidarität endet nicht an den Stadtgrenzen. Es ist auch von Interesse, warum die Steinkohle so billig ausgebeutet wird.

(Pörksen, SPD: Sie sind an Scheinheiligkeit nicht mehr zu übertreffen!)

Die Kumpel, die in den Bergwerken Chinas ertrinken, sollten Ihnen auch nicht egal sein.

Vielen, vielen Dank.

(Beifall der CDU – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Herr Schreiner wird jetzt immer für Mindestlohn stimmen!)

Gibt es weitere Wortmeldungen?

(Pörksen, SPD: Zu diesem Quatsch nicht!)

Das ist nicht der Fall.

Das Wort hat Frau Staatsministerin Conrad.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich stand eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Zukunft der Kohlekraft im Energiemix für unser Land“ auf der Tagesordnung. Darüber hätte ich Ihnen jetzt gern etwas erzählt.

(Eymael, FDP: Das wollen wir hören!)

Aber Herr Baldauf hat das etwas verwechselt und nun offensichtlich doch eine Aussprache zu einer Mündlichen Anfrage daraus gemacht. Aber wir werden uns nicht drücken und sicherlich auf einige Punkte eingehen. Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich nicht auf alles eingehen kann; denn das war nicht das entsprechende Niveau.

(Licht, CDU: Das würde selbst die SPD-Fraktion erschlagen!)

Zunächst einmal war es nicht verwunderlich – insofern finde ich es auch einmal mehr sehr erhellend –, welche Laudatio heute auf die Atomenergie gehalten worden ist. Dies bringt Klarheit und Verlässlichkeit in die Debatte. Herr Dr. Schmitz, das, was Sie dazu gesagt haben, war wohltuend offen, ehrlich und erfrischend. Es fehlte eigentlich nur noch die Ankündigung, dass man stattdessen doch eigentlich ein Atomkraftwerk bauen solle.

(Beifall der SPD)

Aber nun einmal im Ernst: Dahinter steckt natürlich für Sie die argumentative Vorbereitung dafür, dass wir für Biblis A, Biblis B und für Philippsburg, die in dem Ausstiegsszenario in der Tat als nächstes vom Netz gehen sollen, eine Laufzeitverlängerung erhalten.

Was es in einem versorgungssicheren Energiemix der Zukunft, in dem wir immer mehr erneuerbare Energien haben, aber noch nicht die Speichertechnologie ausgearbeitet haben, die dazugehören muss, bedeuten würde, wenn ich zusätzlich noch Atomkraftwerke hätte, können sich diejenigen vorstellen, die wissen, dass Atomkraftwerke eben nicht kurzfristig an- oder abschaltbar sind und keinerlei Sicherung von erneuerbaren Energien darstellen. Das heißt, wir brauchen dringend in einem Energiemix zuschaltbare fossile Kraftwerke. Das kann Gas sein, das ist korrekt, das kann aber auch Wasserkraft sein, aber in Zukunft werden es auch fossile Energien und neue Kohlekraftwerke sein müssen.

(Licht, CDU: Wenn wir über Europa reden, können wir nicht nur darüber reden, was wir hätten, sondern wir müssen auch darüber reden, was wir haben!)

Herr Baldauf, ob mit oder ohne Atomenergie, wäre es sekundär zu betrachten, wenn man eine bundesweite Strategie im Auge hat. Aber es gehört zum Klimaprogramm der Bundesregierung und auch zu unserem Klimaprogramm dazu, dass der große Kraftwerkspark, der heute bestimmend ist für die hohen CO2Emissionen, erneuert wird. Auch in diesem Bereich werden Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen können zu fragen, wo.

Wenn man nun diese alten Kraftwerke, die in wenigen Jahren gar nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden, weil sie zuviel CO2 ausstoßen und auch in Verbindung mit dem Emissionshandel ab 2013 und der Verpflichtung, Emissionsrechte auf dem Markt zu erwerben, mit zu hohen Kosten verbunden sind – – – Wenn Sie all dies mit berücksichtigen, werden Sie den Kraftwerkspark erneuern müssen.

(Schreiner, CDU: Aber in Mainz wird doch gar kein Kraftwerk abgerissen!)

Moment! Doch, meine Damen und Herren! Sie müssen sich schon die Zusammenhänge ansehen.

Wenn man von vornherein gute Standorte für Kraftwerke wie die Ballungsräume ausschließt – Ballungsräume sind nun einmal gute Standorte, das habe ich doch nicht entschieden, sondern das ist nun einmal ganz objektiv der Fall –, dann werden wir diese anspruchsvollen Standards an Effizienz und CO2-Minderung, die wir von der Landesregierung zugrunde legen und die im Übrigen auch die SPD in ihren Beschlüssen zugrunde legt – wenn Kohlekraft, dann nur in Kraft-Wärme-Kopplung –, bundesweit nicht erreichen. Aber Sie wollen das auch gar nicht. Sie wollen schließlich keine Erneuerung, sondern Sie wollen Druck machen für den Erhalt der Atomenergie.

Herr Baldauf, ich finde es nicht ganz fair, wenn Sie mit dem Gesundheitsargument operieren. Dazu müsste viel gesagt werden, und ich habe vorhin einiges dazu ge

sagt. Natürlich wird es ein sehr wichtiges Bewertungskriterium sein, ob ein Kohlekraftwerk, egal, an welchem Standort, auch unter Berücksichtigung der Hintergrundbelastung überhaupt genehmigungsfähig sein wird. Aber ich frage mich: Wo bleibt eigentlich Ihre ethischmoralische Verantwortung? – Sie haben in den vergangenen Jahren billigend in Kauf genommen, dass in den Ballungsräumen, in denen Kohlekraftwerke errichtet wurden, offensichtlich die Emissionen entstehen, unter denen die Menschen leiden, weil wir in Rheinland-Pfalz natürlich Versorgungssicherheit haben.

Ich habe Ihnen heute Morgen gesagt, dass wir allein 9 Millionen Tonnen CO2 in der Bundesrepublik verantworten. Allerdings befinden sich die Kraftwerke nicht hier. Wenn Sie keine Sankt-Florians-Politik oder keine opportunistische Politik betreiben wollen, müssen Ihnen doch die Menschen in Gelsenkirchen, an der Saar oder in den neuen Bundesländern genauso lieb sein wie die Menschen in Rheinland-Pfalz. Dies kann doch nur der Maßstab für eine ethische Bewertung einer solchen Frage sein. Wir werden die Gesundheitsfrage selbstverständlich auch im Genehmigungsverfahren berücksichtigen.

(Beifall der SPD)

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einige anderen Punkte nennen, weil Sie die Aktuelle Stunde so angelegt haben: Es geht Ihnen um eine Länderbetrachtung beim Energiemix. Es gab nie eine länderbezogene Energiemix-Diskussion. Weder gab es sie früher noch wird es sie in Zukunft geben. Ebenso wenig gibt es – das habe ich soeben ausgeführt – einen landesbezogenen CO2-Bilanzraum, der nur die Quellen bei uns betrachtet. Natürlich wird die Verursachung insgesamt, egal, wo die Energieerzeugung steht, mit berechnet werden müssen.

Ich sage es Ihnen noch einmal, deswegen werden Kohlekraftwerke, egal, wo sie stehen, wenn sie hoch effizient sind, nicht klimaschädlich sein. Sie sind absolut vertretbar, insbesondere dann, wenn man die Bausteine Versorgungssicherheit, bezahlbare und wettbewerbsfähige Preise, Klimaschutz und zukunftsfähige Arbeitsplätze zusammenbringt. Die CO2-Minderung wird über den Emissionshandel sichergestellt.

Selbstverständlich können wir auf Bundesebene von der Produktionsseite her einen Energiemix betrachten. Wie sieht nun auf Bundesebene ein Energiemix aus? – Wir werden im Jahr 2020 mindestens 30 % erneuerbare Energien haben, und 2050 werden es mehr als 50 % sein. Logischerweise wird der Rest durch fossile Energien bereitgestellt, aber dies sind nicht nur Kohlekraftwerke, sondern je nach Belastung, nach Spitzenlaststrom und nach Strompreisen werden es natürlich auch ergänzend vorhandene Gaskraftwerke sein, und wir haben einige Gaskraftwerke. Aber vor dem Hintergrund der Energiepreisentwicklung können wir es uns nicht leisten, die Gaslastigkeit in unserem Energiemix noch auszubauen. Ich habe heute Morgen ausführlich begründet, dass das nicht sinnvoll ist.

Gas wird bei uns natürlich eine Rolle spielen, insbesondere im ländlichen Raum. Aber wir werden auch Gas aus der Wärme zurückdrängen. Wir werden im Übrigen Gas vor Ort auch für kleine Blockheizkraftwerke benötigen, die hoch effizient mit Wirkungsgraden von 90 % arbeiten. Wir werden des Weiteren Gas für die Strom erzeugende Heizung benötigen, die dezentral funktioniert. Wir sind gerade dabei, unter Beteiligung der Gaswirtschaft eine entsprechende Kraft-Wärme-KopplungsInitiative auch für Kleinstkraftwerke in unserem Land auf den Weg zu bringen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Natürlich werden wir Ihnen das dezentral vorstellen, Sie müssen sich einfach einmal der Diskussion stellen.

Wir haben vorhin auch die Notwendigkeit verlässlicher und bezahlbarer Preise angesprochen. Auch für den Wirtschaftsstandort ist wichtig, dass wir uns aus der Kraftwerkstechnologie sowie aus der Technologiekompetenz von Kohlekraftwerken insbesondere vor dem Hintergrund der weltweiten Nachfrage nach hoch effizienten Kraftwerken nicht herausziehen. Jede Woche wird in China ein Kohlekraftwerk gebaut. Deutschland ist Weltmarktführer in der Kraftwerkstechnologie.

Sollen wir denselben Fehler machen wie bei der Batterietechnologie, uns hier ausklinken und später mühsam wieder Technologiekompetenz neu aufbauen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Energiemix der Zukunft wird auch die Wettbewerbsfrage berücksichtigen müssen. Es ist schon bemerkenswert, dass hier in Mainz ein potenzieller Wettbewerber, nämlich ein Stadtwerk, behindert wird. Ich verfolge das mit sehr großem Interesse, wie hier Wettbewerb in der Energiewirtschaft infrage gestellt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wir müssen sehen, welch bizarre Diskussion zurzeit läuft und welch geradezu bizarre Koalition es gibt: GRÜNE und CDU Arm in Arm, Atomkraftgegner mit Atomkraftbefürwortern. – Wir haben auch registriert, dass die GRÜNEN offensichtlich mit ihrer Blockadepolitik gegen die Kraftwerkserneuerungen dabei sind, auch dafür zu sorgen, dass einer der größten Erfolge der rot-grünen Koalition, nämlich der Ausstieg aus der Atomenergie, infrage gestellt wird.