Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass die Bayern nach jedem Strohhalm greifen, um ihre Wahlchancen mit Unterstützung vielleicht der „BILD“-Zeitung und einiger anderer zu verbessern, indem ein unseriöses Konzept für Steuersenkungen auf den Tisch gelegt wird. Nach den Vorschlägen der CSU würde im Jahr 2009 um 5 Milliarden Euro entlastet, im Jahr 2010 um weitere 10 Milliarden Euro, also um insgesamt 15 Milliarden Euro, im Jahr 2012 um weitere 13 Milliarden Euro, insgesamt also um 28 Milliarden Euro.

Herr Baldauf hat gesagt: Prima, ich bin auch dieser Meinung. – Aber dann ist er ins Grübeln gekommen,

(Pörksen, SPD: Das glaube ich nicht!)

ob es dann, wenn er sagt, er finde das richtig, ausreichend ist, um sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Deswegen hat er noch eins draufgelegt. Heute ist nachzulesen, dass seine Vorstellung ist, nunmehr bereits im nächsten Jahr 21 Milliarden Euro Steuerentlastung zu ermöglichen, und zwar einmal so eben. Das heißt, es sind 16 Milliarden Euro mehr als das, was die

CSU fordert, und deren Forderungen werden schon nicht so sonderlich ernst genommen.

Die 28 Milliarden Euro der CSU plus dem, was schon in der Pipeline ist – das sind eindeutig die Kindergelderhöhung, die im Laufe dieses Jahres beschlossen werden wird, und die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen –, kommt man bei dem CSU-Modell auf 40 Milliarden Euro Gesamtentlastung. Man kann auch sagen, weniger Einnahmen des Staates an Steuern. Das bedeutet für das Land Rheinland-Pfalz einschließlich seiner Gemeinden in etwa einen Ausfall von 1 Milliarde Euro pro Jahr. Na ja, kleine Summen, kein großes Problem, locker wegzustecken.

Wenn ich Herrn Baldauf richtig verstanden habe, muss man nur einmal „husch“ machen, und dann ist diese Zahl bei null. Er glaubt nicht daran, dass es zu Steuerausfällen kommt. Das ist wunderbar, Perpetuum mobile, endlich ist es erfunden.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Wenn man sich das dann näher anschaut, stellt man fest, für jeden ist etwas dabei, ein ganz klein wenig in der Pendlerpauschale, höhere Freibeträge, Spitzensteuersatz natürlich – später, wie es auch die FDP möchte –, mehr natürlich im Bereich Kindergeld – das ist ohnehin geplant –, höhere Kinderfreibeträge, und zwar deutlich höhere, und natürlich die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Das alles soll den kleinen Leuten helfen.

Da ist fast nichts dabei, was den kleinen Leuten hilft. Bis auf das Kindergeld sind alle anderen Maßnahmen geeignet, um gehobene und höhere Einkommen zu entlasten. Das ist offensichtlich das Ziel dieses Ansatzes, den kleinen Leuten Sand in die Augen zu streuen, man wolle ihnen helfen, und in Wirklichkeit Steuerentlastung für höhere Einkommen zu fordern.

(Beifall der SPD)

Merkwürdig ist natürlich auch, wenn die FDP offensichtlich nicht zur Kenntnis nimmt, dass der Spitzensteuersatz in ihrer Regierungszeit bei 53 % lag und sie es nicht mit der CDU zusammen geschafft hat, diesen Steuersatz abzusenken. Das war erst unter Rot-Grün mit der Absenkung auf 42 % möglich.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Bauckhage, FDP)

Herr Bauckhage, Sie haben recht. Es gab noch einen nächtlichen Besuch im Kanzleramt. Das führte dann zu der endgültigen Absenkung von 45 %, wie geplant, auf 42 %, ist aber bekannterweise in der Zwischenzeit korrigiert. Der Spitzensteuersatz liegt in der Zwischenzeit wieder bei 45 %. Er setzt ein bei 250.000 Euro in der Grundtabelle und 500.000 Euro in der Splitting-Tabelle, also ziemlich weit oben. Dieser Satz von 45 % gilt eben auch bei dem Soundsovielfachen des normalen Einkommens. Insofern haben wir hier keine große Änderung.

In der Tat sind die Steuern Anfang dieses Jahrzehnts kräftig gesenkt worden, und zwar auf 42 % im normalen Spitzensteuersatz, im Eingangssteuersatz von 25,9 % auf 15 %. Die Ergebnisse sind aber auch bekannt, nämlich riesige Löcher in den öffentlichen Etats, die uns letztendlich gezwungen haben, die Steuerquote zu stabilisieren.

Wir schauen uns dann einmal an, wo wir heute etwa im Vergleich mit dem Jahr 2000 stehen. Im Jahr 2000 hatten die Länder – wir reden hier vor allem über Länderhaushalte, so denke ich, wir sind nicht im Bundestag – einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 9,2 % als Steuereinnahmen. Im Jahr 2008 werden es 8,8 % sein, das heißt 0,4 Punkte weniger. Das sind in Euro gerechnet 9,5 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen für die Länder als im Jahr 2000. Da von Steuererhöhung in der Summe zu sprechen, ist schon etwas merkwürdig. Solche Geschichten wie die Unternehmenssteuerreform werden dabei einfach unterschlagen. Dass die Unternehmen in diesem Zeitraum massiv entlastet worden sind, scheint offensichtlich keine große Rolle zu spielen.

Herr Baldauf, ich komme nun zu Ihnen. Sie haben Herrn Stoltenberg zitiert und als Musterbeispiel für staatliches Handeln dargestellt. Die Steuerquote lag bei Herrn Stoltenberg 1989 nach seiner Steuerreform 1986/1988 bei 23,4 %. Wir liegen heute bei 22,1 %. Es sind 1,3 Punkte unter dem Musterknaben Stoltenberg.

(Ramsauer, SPD: Hört! Hört!)

Wir nehmen dann die Sozialversicherungsabgaben. Diese lagen bei Stoltenberg bei 15,6 %. Zwischenzeitlich hat die damalige CDU/FDP-Regierung, die die Deutsche Einheit aus der Portokasse finanzieren wollte, die Lohnnebenkosten als Quote am Bruttoinlandsprodukt bis auf 18,1 % hochgetrieben. Das Ergebnis ist bekannt. Die damalige Regierung ist abgewählt worden, weil sie offensichtlich jedes Maß im Bereich der Sozialversicherung und der Lohnnebenkosten verloren hatte.

Wir sind heute bei 15,2 %, also deutlich unter dem, was die CDU und die FDP Mitte der 90er-Jahre hatten, und auch noch unter dem, was zu Zeiten von Stoltenberg vor der Deutschen Einheit als Quote vorhanden war. Die gesamte Abgabenquote liegt gerade noch bei 37,3 %. Dies entspricht dem Schnitt der 70er-Jahre.

In den 80er-Jahren, als CDU und FDP Verantwortung getragen haben, waren es 39,1 %, in den 90er-Jahren 39,2 % im Schnitt. In diesem Jahrzehnt sind es bisher 37,8 %. Mit 37,3 % liegen wir deutlich niedriger. Hier von einer Abgabenbelastung zu reden, die weit über dem Durchschnitt liegt, ist nicht nachvollziehbar.

(Beifall der SPD)

Auf den internationalen Vergleich hat Herr Hartloff bereits hingewiesen. Deutschland liegt sowohl bei der Steuerquote als auch bei der Abgabenquote am unteren Ende – letzter Platz – in der OECD in Europa und damit unter all den Ländern, die uns immer als Vorbild dargestellt werden, weil nicht so genau hingeschaut wird.

Vorbildlich sind allerdings viele andere Länder – nicht alle – im Bereich der Haushaltskonsolidierung. In den vergangenen 15 Jahren haben wir in diesem Bereich unsere Hausaufgaben erst wieder in den letzten Jahren richtig gemacht. Dies zu unterbrechen, indem jetzt nur deshalb, weil demnächst Wahlkampf ist, völlig unseriöse und unfinanzierte Forderungen gestellt werden, ist gegenüber der nachkommenden Generation in keiner Weise zu rechtfertigen. Dies würde dazu führen, dass die kleinen Leute letztendlich die Zeche bezahlen müssten. Es würde dazu führen, dass die Staatsverschuldung wieder hoch geht, dass wir im Bereich Kindergärten und Hochschulen Gebühren einführen müssten. Das ist offensichtlich auch Sinn und Zweck der ganzen Aktion. Wenn es so weitergeht, wenn etwa die Forderung von Herrn Baldauf umgesetzt würde, würden wir das wahrscheinlich in der Schule auch noch machen müssen. Vielleicht steckt so etwas auch dahinter.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Jetzt kommen wir zur Ausgabenseite. Herr Baldauf, wir führen immer Buch über Ihre vielen Forderungen. Aktuell steht das Buch für diese Legislaturperiode im Minimum bei 2,5 Milliarden Euro Ausgabenwünsche, die entweder von Ihnen oder von einzelnen Fraktionsmitgliedern im Brustton der Überzeugung genannt worden sind.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU – Frau Kohnle-Gros, CDU: Ein ganz reiner Witz! – Weitere Zurufe der Abg. Lelle, Dr. Rosenbauer und Licht, CDU)

2,5 Milliarden Euro sind es konservativ gerechnet, 3,6 Milliarden Euro sind es realistisch gerechnet. Dazu kommen noch eine 1 Milliarde Euro, die Sie weniger an Einnahmen haben wollen. Das ergibt im Minimum eine Verschlechterung im Haushalt von 3,5 Milliarden Euro.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das bezieht sich auf ein Haushaltsvolumen von 12 Milliarden Euro. Weiterhin kommt ein noch vorhandenes strukturelles Defizit hinzu.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Hier von seriöser Politik zu reden, kann wirklich nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall der SPD)

Seriöse Politik in den nächsten Jahren kann nur bedeuten, die Haushalte weiter zu konsolidieren und die Leistungsfähigkeit des Staates abzusichern, indem wir die Aufgaben, die für die Zukunft wirklich wichtig sind, also Bildung, Sicherheit und gute Infrastruktur, ausfinanzieren können, ohne neue Schulden zu machen. Dazu gehört auch die gezielte Entlastung für diejenigen, die niedrige Einkommen haben. Dazu gehört insbesondere die Sozialversicherung, die vom ersten Euro an im Gegensatz zur Steuer gezahlt werden muss. Die Einkommensteuer stellt für kleine Einkommen überhaupt kein Problem dar. Die Leistungen für Kindergeld, Wohngeld, BAföG und Kinderzuschlag zu erhöhen, sind richtige Ansätze, um gezielt denen zu helfen, denen mit Steuerentlastungen

nicht geholfen werden kann, weil sie keine Steuern zahlen. Wer keine Steuern zahlt, den kann ich dort auch nicht entlasten.

(Ramsauer, SPD: Das kann sich Herr Baldauf gar nicht vorstellen!)

Die Aufgabe für die nächsten Jahre ist eindeutig, nämlich uns um diejenigen zu kümmern, die eine hohe Abgabenquote haben. Das sind vor allem diejenigen, die mit ihrem Verdienst bis zu 75 % der Beitragsbemessungsgrenze erreichen. Das muss die Zielgruppe für die nächsten Jahre sein. Wenn die öffentlichen Haushalte es zulassen, wird daran auch gearbeitet. Es darf aber nicht daran gearbeitet werden, Spitzensteuersätze zu senken oder weiter nach hinten zu verlegen. Auch dürfen nicht die Freibeträge, die vor allen Dingen höheren Einkommen nutzen, immer weiter erhöht werden. Wir müssen uns um diejenigen in der Gesellschaft kümmern, die wirklich die größten Probleme haben.

Schönen Dank.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Mertin das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Professor Dr. Deubel, Sie haben mich an Ihrer Seite, wenn es darum geht, die Haushalte zu konsolidieren. Aber das, was an Mehreinnahmen auf Bundesebene über Steuererhöhungen hereingekommen ist, ist nicht 1 : 1 zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt worden.

(Beifall der FDP)

Es sind durchaus auch andere Ausgabenprogramme finanziert worden. Es wurde nicht nur Haushaltskonsolidierung betrieben. Das muss man deutlich festhalten.

(Pörksen, SPD: Das wollten Sie doch haben!)

Herr Kollege Hartloff, natürlich weiß ich, dass man über Gegenfinanzierungen reden muss. Wir haben in diesem Haus einer Gesetzesvorlage von Ihnen nicht zugestimmt.

(Hartloff, SPD: Einer?)

Diese hat viel Geld gekostet, sie wird das Land jedes Jahr auch viel Geld kosten. Wir hätten es gerne gemacht. Die Finanzsituation des Landes gibt es aber nicht her. Wir haben immer noch eine Nettoneuverschuldung. Sie haben trotzdem diese Ausgabe beschlossen. Uns zu sagen, wir seien unsolide, ist nicht ganz die richtige Fahrtrichtung an dieser Stelle, Herr Kollege Hartloff.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU – Hartloff, SPD: Sie haben gehört, wen ich angesprochen habe!)

Das muss man an der Stelle festhalten.

Ich bin gern bereit, über die Gegenfinanzierung zu reden. Diese Gegenfinanzierung beginnt damit, dass man jede Einsparmöglichkeit ausnutzen muss. Das beginnt auf der Bundesebene damit, dass man über die Entwicklungshilfe für China nachdenkt.