Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Ich bin gern bereit, über die Gegenfinanzierung zu reden. Diese Gegenfinanzierung beginnt damit, dass man jede Einsparmöglichkeit ausnutzen muss. Das beginnt auf der Bundesebene damit, dass man über die Entwicklungshilfe für China nachdenkt.

Man muss auch über die ganzen Lenkungs- und Steuerungstatbestände im Einkommensteuerrecht reden. Das ist richtig. Wenn man das näher untersucht, stellt man fest, dass es über 500 Tatbestände gibt. Herr Kirchhof hat nicht unrecht, wenn er sagt, wahrscheinlich nutzt jeder einen dieser Tatbestände zu seinem Vorteil. Hat jemand einmal nachgerechnet, wie viel er von seinen Steuern bezahlen muss, damit er den einen Vorteil, den er hat, 498-mal für andere mitfinanziert?

Wenn man das alles bereinigt, würde am Schluss vielleicht eine Steuersenkung in der Weise erfolgen, dass auch die mittleren Einkommen etwas davon hätten. Das ist das, was ich meine, wenn ich die kalte Progression anprangere. Ich meine nicht diejenigen, die der Spitzensteuersatz trifft, sondern ich meine, die kalte Progression trifft jeden, der Steuern zahlt.

(Beifall der FDP)

Das gilt auch für denjenigen, der wenig Steuern zahlt. Bei jeder Lohnerhöhung, die erkämpft wird, hat er automatisch eine Steuererhöhung. Es gebietet die Fairness, dass man die Steuertabelle vielleicht derart umändert, dass sie inflationsbereinigt ist. Dann kann das, was es an Lohnerhöhung gibt, auch tatsächlich ankommen.

Natürlich muss man sich um die Gegenfinanzierung kümmern und bereit sein, über diese Lenkungs- und Steuerungselemente zu reden.

Da gibt es jede Menge in diesem Feld, über das gesprochen werden kann. Es kann aber nicht so geschehen, dass man sich einen einzelnen Bereich herausholt und sagt, das wird geändert. Wenn etwas gemacht werden soll, dann müssen wir über alle Steuerungs- und Lenkungselemente reden, damit am Schluss ein fairer Ausgleich an dieser Stelle zustande kommen kann.

Man darf nicht immer nur das herausholen, was vermeintlich dem eigenen Klientel gut tut und den anderen nicht. So stellen wir uns das vor. Man muss alles unter diesem Gesichtspunkt betrachten.

(Beifall der FDP)

Sie sagen, wir hätten gefordert, den Spitzensteuersatz zu senken. Ich glaube, dazu habe ich kein Wort gesagt.

(Zuruf der Abg. Dr. Schmitz und Eymael, FDP)

Ich habe nur gesagt, zusätzlich sind Menschen in diesen Steuersatz hineingewachsen. Ich habe dafür plädiert, die kalte Progression abzuschaffen.

(Beifall der FDP)

Diese betrifft nicht nur den Spitzensteuersatz, sondern auch denjenigen, der den Eingangssteuersatz bezahlt.

Herr Staatsminister Professor Dr. Deubel, wenn wir schon darüber reden, sage ich Folgendes: Natürlich gibt es eine Steuer, die alle bezahlen, und zwar auch diejenigen, die sonst keine Steuern bezahlen. Das ist die Mehrwertsteuer, die Sie um drei Punkte erhöht haben.

(Beifall der FDP)

Diese Steuer belastet auch denjenigen, der Hartz IV bekommt und keinerlei Steuern zahlt. Auch hier gibt es Möglichkeiten der Steuerentlastung.

Wir können natürlich auch an die Energiesteuern herangehen. Wenn 61 % des Preises Steuern sind, dann hat der Staat die Möglichkeit, all denjenigen, die keine Einkommensteuer zahlen, aber Energie kaufen müssen, um zu heizen, Entlastung zukommen zu lassen.

(Beifall der FDP)

Es geht also nicht nur um die Einkommensteuer, sondern auch um andere Steuern.

Ich erkläre hier, ich bin bereit, über die Gegenfinanzierung bei diesen Steuerungselementen zu reden.

Mich hat auch geärgert, wie viel Geld eigentlich sinnlos in den fünf neuen Bundesländern wegen falscher Anreize in der Steuerpolitik bei Immobilien verbrannt worden ist. Das war eine gigantische Fehlleitung von Kapitalvermögen. Das war völliger Unsinn und hat letztlich nichts gebracht. Über so etwas muss man reden. Dazu bin ich bereit.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Es stimmt nicht, wenn gesagt wird, ich habe heute nur für den Spitzensteuersatz gesprochen. Ich habe für jeden gesprochen, der Steuern zahlt, und zwar egal, ob es direkte oder indirekte sind.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Herrn Kollegen Baldauf das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, bei Ihrer Rede und bei den Verlautbarungen, die man sonst von Ihnen hört, muss man sich fragen, ob Sie nicht ernst nehmen, dass es Familien und Menschen gibt, die weitaus weniger im Geldbeutel haben als noch vor fünf oder zehn Jahren, und ob Sie in diesem Zusammenhang tatsächlich der Auffassung sind, dass wir hier nichts verändern sollten, sondern alles in Ordnung ist. Sie können natürlich noch etwas dazu sagen.

(Widerspruch bei der SPD)

Herr Hartloff, Sie haben es selbst gesagt. Von Ihnen gibt es eine Pressemeldung „Hartloff fordert Steuerentlastung für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen“. Diese wurde am 30. März 2008 veröffentlicht. Herzlichen Glückwunsch, das unterschreibe ich Ihnen.

(Hartloff, SPD: Aufkommensneutral!)

Das steht hier nicht drin.

(Pörksen, SPD: Das haben Sie – – –)

Herr Hartloff, soll ich sie Ihnen ganz vorlesen?

(Hartloff, SPD: Das können Sie gerne machen!)

Als Nächstes kommt Herr Clement und giftet gegen den Ministerpräsidenten. Er nennt es ein unökonomisches Programm.

Der Ministerpräsident selbst sagt Bezug nehmend auf die CSU-Vorschläge, die Union müsse klar sagen, was sie wolle.

Ich frage einmal anders herum: Wenn ich hier nicht von einem Hühnerhaufen ausgehen soll, was wollen denn eigentlich Sie? – Das würde mich interessieren.

(Starker Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben im Übrigen – daran hat sich nichts geändert, auch wenn es nicht im Koalitionsvertrag steht und in der Großen Koalition leider nicht durchsetzbar ist – klare Parteitagsbeschlüsse. Wir haben klare Regeln, wie wir Steuerentlastungen vornehmen wollen. Wir haben klar gesagt, wie wir uns zum Gesundheitsfonds stellen. Wir haben klar gesagt, was wir von der Erbschaftsteuer halten. Wir haben auch klar gesagt, was wir von der kalten Progression halten.

Herr Deubel, da muss ich auch schon sagen – das hat nämlich der Kollege Mertin nicht gesagt –, über die Frage, einen Spitzensteuersatz zu senken, hat hier in diesem Hause niemand gesprochen. Wenn Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass Menschen, die 52.000 Euro bekommen und in diesem Steuersatz landen, zwischenzeitlich Facharbeiter und Angestellte sind,

(Pörksen, SPD: Spitzensteuersatz?)

also eine große Menge an Menschen sich in diesem Bereich mit ihren Einkommen befindet,

(Pörksen, SPD: Spitzensteuersatz?)

dann kann ich doch nicht im Ernst sagen, dass es hier kein Problem gibt. Herr Deubel, dann bitte ich Sie, nehmen Sie einmal Stellung zu unseren Vorschlägen, die wir gemacht haben: Erhöhung auf 60.000 Euro, Freibetrag von 8.000 Euro pro Person, um den Nachteil in der Familie auszugleichen. – Nehmen Sie dazu Stellung! Sagen Sie uns etwas dazu, was Sie davon halten, von 15 % Eingangssteuersatz auf 12 % zurückzugehen. Sagen Sie uns etwas dazu, was Sie davon halten, dass wir sagen, Erbschaftsteuer, die zu Lasten des Mit

telstandes geht, soll nicht mehr erhoben und dafür 3 % vom Einkommensteuersatz genommen werden.

Herr Deubel, Sie können sich hier doch nicht ernsthaft hinstellen und so tun, als ob Sie in diesem Land nicht auch unnütz Geld ausgegeben hätten und noch eine mittlere Finanzplanung bis ins Jahr 2011 von jeweils einer Milliarde netto Neuverschuldung aufweisen. Dann stellen Sie sich hier hin und machen den Haushaltskonsolidierer und wissen ganz genau, dass bei den Steuermehreinnahmen – um es in Ihren Worten zu sagen – roundabout im Jahr 2007 538 Milliarden mehr eingenommen werden, und sagen dann, das geben wir aber nicht an die Menschen weiter, die sind schließlich diejenigen, die weiter bluten sollen, die sollen es bezahlen, ob es über das Benzin ist, ob es über die Pendlerpauschale ist, die es nicht gibt. Da wüsste ich übrigens auch gern einmal, was Sie zu dem Vorschlag von Herrn Gabriel zu sagen haben. Dieser ist wieder ganz fantastisch gelungen.

(Beifall der CDU)

Alle diese Dinge können Sie uns hier und heute beantworten. Wir sind sehr gespannt. Vielleicht gibt es dann endlich einmal eine Stimme von der SPD aus diesem Landtag heraus: Herr Hartloff, Herr Beck und Herr Deubel alle in einem Boot. – Wenn wir das heute erleben, bin ich stolz auf Sie. Dann überlegen wir auch, ob wir das mit Ihnen mitmachen. Dann will ich hier aber klare Vorschläge sehen und nicht immer diese Herumeierei.

Vielen Dank.

(Starker Beifall der CDU)

Das Wort Herr Kollege Hartloff.