Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Meine Damen und Herren, hören Sie doch bitte dem Redner zu.

Was meine ich damit? Ein guter Freund kam vor Kurzem zu mir, er hat zwei Kinder, ist Alleinverdiener und hat ein Einkommen von knapp 40.000 Euro im Jahr. Er sagte zu mir: „Christian, Ihr habt immer tolle Ideen. Ihr möchtet beispielsweise, dass ich privat für meine Rente Vorsorge trage im Alter. Christian, ich muss Dir aber sagen, ich kann gar kein Geld am Ende des Monats zurücklegen. Wenn ich mir anschaue, was ich von dem, was ich brutto bekomme, netto behalte und die ganzen Ausgaben anrechne, dann kann ich es nicht.

Deshalb ist diese Diskussion, die Ihr hier führt zu sagen, wir bräuchten mehr Freiheit für die private Rente, für die Vorsorge, zunächst einmal ein Irrglaube in großen Teilen der Bevölkerung, der nicht durchgesetzt werden kann.“

Ich war vor einigen Wochen bei einem ehemaligen Vorstandsmitglied der BASF.

(Harald Schweitzer, SPD: Der hat auch kein Geld gehabt!)

Dieser hat mir gesagt: „Herr Baldauf, Sie werden sich wundern, wir haben ein exzellentes System, wie wir für das Alter Vorsorge tragen. Wir geben Vorzugsaktien heraus. Aber Sie werden es nicht glauben, 50 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der BASF kön

nen diesen Vorzug gar nicht genießen, weil sie nicht ausreichend verdienen.“

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so etwas muss uns doch zu denken geben, vor allem dem Kollegen Ramsauer, der aus Ludwigshafen kommt.

(Zuruf der Abg. Frau Schmitt, SPD)

Wir haben die folgende Situation: Wir haben eine Mehrwertsteuererhöhung, wir haben eine kalte Progression, und wir haben den zu erwartenden Gesundheitsfonds, der nach überschlägigen Berechnungen im Minimum 15 % an Lohnnebenkosten verursachen wird. Wir haben steigende Energiepreise, und – machen wir uns nichts vor – sie werden auch nicht mehr fallen. Schließlich darf man auch nicht vergessen, seitdem der Euro eingeführt wurde, haben wir eine Umrechnung von D-Mark in Euro von mindestens 1 : 1, und dies vor allen Dingen bei den Grundnahrungsmitteln und bei den Dingen des täglichen Bedarfs. Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber niemand von uns in diesem Raum und niemand draußen hat seitdem eine doppelte Lohnzahlung erhalten. Dies geht zu Lasten unserer Leistungsträger, derer, die diesen Staat aufrechterhalten, derer, die morgens zur Arbeit gehen und die Kinder großziehen. Ich bin der Meinung, das können wir so nicht weiter akzeptieren.

(Beifall der CDU – Zuruf der Abg. Frau Schmitt, SPD)

In diesem Zusammenhang wird immer wieder gesagt, das könne man alles fordern, und eigentlich seien auch alle dafür, aber zuerst müsse die Konsolidierung des Haushalts vorangetrieben werden. – Richtig! Es gab einmal eine Erfolgsgeschichte in den 80er-Jahren, Stoltenberg und Lambsdorff. Diese beiden haben einen verschuldeten Haushalt eines Bundeskanzlers vor Helmut Kohl übernommen, das wissen wir alle noch. Herr Fuhr, wer es nicht weiß, sollte es einmal nachlesen.

Ende des Jahrzehnts, ohne die Wiedervereinigung, wären wir schuldenfrei gewesen, und zwar trotz der Senkung des Spitzensteuersatzes und obwohl dafür Sorge getragen wurde, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben.

(Ramsauer, SPD: Das hat Herr Schröder gemacht!)

Herrn Schröder gab es damals noch nicht, Herr Ramsauer.

(Ramsauer, SPD: Die größte Steuerreform hat Herr Schröder gemacht!)

Ich sage Ihnen, damals in den 80er-Jahren hat man den Menschen mehr Geld in die Tasche gegeben. Man hat den Menschen vertraut, dass sie es insgesamt wieder umlegen.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD – Ramsauer, SPD: Seid Ihr nun in Berlin an der Regierung oder nicht?)

Ich möchte nichts anderes erreichen, als dass wir wieder mehr Vertrauen in die Menschen setzen, sie ihr Geld entsprechend ausgeben und anlegen und sie selbstverantwortlich über den Betrag, den sie zur Verfügung haben, entscheiden. Das ist doch nicht zu viel verlangt, das gilt doch für uns alle.

(Ramsauer, SPD: Regiert die CDU nicht mehr in Berlin?)

Wenn ich dann zur Kenntnis nehme, dass Vorschläge, die von unserer Schwesterpartei vorgetragen werden, zunächst in Bausch und Bogen abgelehnt werden und man dann plötzlich in der SPD an führender Position überlegt, den Menschen wieder mehr Geld zu geben und dies bei den Sozialversicherungsbeiträgen anzusiedeln,

(Glocke des Präsidenten)

dann bin ich sehr gespannt, wie Sie das machen wollen, Herr Ministerpräsident. Sie haben heute die Gelegenheit, es uns zu erklären. Wenn es schlüssig ist, machen wir es gern mit.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU – Frau Schmitt, SPD: Schreiben Sie Frau Merkel einmal einen offenen Brief!)

Das Wort hat nun Herr Kollege Hartloff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vehemenz, mit der zurzeit in der Bundesrepublik eine Steuerdebatte geführt wird und mit der man den Eindruck erweckt, als könne man über Nacht insbesondere die Leistungsträger, insbesondere diejenigen, die Geld verdienen, entlasten, lässt doch den Schluss zu, dass die Wahlen in Bayern in Bälde vor der Tür stehen und sich auch das nächste Jahr mit zahlreichen Wahlen ankündigt.

Meine Damen und Herren, wer zahlt schon gern Steuern? – Es gibt natürlich manche Unwucht dabei. Ich habe aber soeben von beiden Herren keine Vorschläge dazu gehört, wo man bei einer Staatsverschuldung von 1,5 Billionen Euro noch sparen könnte.

(Beifall der SPD)

Keiner kann sich diese Zahl noch vorstellen, Bundesebene, Länderebene, kommunale Ebene. Wir haben insbesondere im Land Rheinland-Pfalz Vorschläge gemacht, wie man den Kommunen ein wenig helfen kann. Herr Mertin, zu diesen Vorschlägen kam von Ihnen, dies sei nicht genug, dazu müsse man ein größeres Konzept machen. Dies ist im Übrigen auch die Methode Baldauf: Mehr bei den Ausgaben, mehr beim Personal, schnellere Lohnerhöhungen, mehr Straßenausbau, mehr bei den

Kindertagesstätten, mehr bei den Hochschulen, Frau Kohnle-Gros. Dies sind Ausgaben, die wir tätigen müssen.

Wie soll es in Einklang stehen, einerseits überall mehr zu investieren, mehr Ausgaben vonseiten des Staates zu tätigen, die Schulden nicht zurückzuführen, aber andererseits die Menschen zu entlasten? – Dies ist in etwa der Steuervorschlag, der in der letzten Ausgabe des „SPIEGEL“ wie folgt zitiert wird:

„Eine Steuerreform, so die Prinzip-Hoffnung-Theorie, finanziert sich selbst wenigstens zum Teil.“ – Das ist das, was Sie sagen. – Eine genaue Gegenfinanzierung sei deshalb nicht erforderlich. Dies enthebt einen natürlich konkreter Vorschläge. Das ist in etwa das Prinzip „Baldauf“

„Die Erfahrung lehrt nur, dass die Hoffnungen in der Regel trügen, dass Wunschdenken selten ein seriöses Fundament der Finanzpolitik ist. Steuerreformen, die nicht gegenfinanziert sind, reißen chronische Löscher in die Staatsfinanzen.“ – Das ist das, was Sie im Vorfeld von Wahlen tun wollen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Dabei möchte ich überhaupt nicht verleugnen, dass wir uns bei der Analyse in Teilen durchaus einig sind, wohl wissend, dass die Regierung Schröder die größte Steuerentlastung nach dem Krieg mit ungefähr 50 Milliarden Euro in Gang gesetzt hat und dies durch die kalte Progression in den geringeren Einkommensgruppen wieder aufgefressen wird.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Daher muss man überlegen, wie dies in der nächsten Zeit korrigiert werden kann, um die Effekte der sogenannten kalten Progression abzumildern. Ich habe diese Auffassung im Übrigen bereits vor Ostern selbst vertreten.

Schauen wir uns doch einmal an, wie die Bundesrepublik im Vergleich mit anderen Ländern steht. Wenn ich die Steuerquoten im internationalen Vergleich ansehe, liegen wir etwa bei 22 %. Es gibt viele andere Länder, die darüberliegen. Schon die Schweiz, von der man meint, dass dort überhaupt keine Steuern gezahlt würden, liegt bei 23 %. – Ein kleines Land!

Frankreich liegt bei 28 %. 17 Länder im internationalen Vergleich, die von der OECD untersucht wurden, liegen höher, fünf liegen niedriger als Deutschland.

Wenn ich mir die Abgabenquote ansehe, bei der wir nicht ganz so günstig liegen, so liegen 13 Länder höher und acht niedriger als Deutschland. Deutschland liegt etwa bei 35,7 %, Frankreich beispielsweise liegt bei 44,5 %, und auch Österreich, das Wunderland von Herrn Schreiner – um ihn an seinem Geburtstag einmal persönlich anzusprechen –, wo man die Erbschaftsteuer abgeschafft hat, liegt bei der Abgabenquote deutlich über Deutschland.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der CSU, das heißt, Sie ergehen sich in den Vorschlägen, wie man Steuern für die Menschen nicht erheben kann, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, dass wir unsere Aufgaben inhaltlich erfüllen müssen, und ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, wie man Staatsfinanzen konsolidiert. Sie springen immer gern über die leichte Hürde, damit die „BILD“-Zeitung dies am nächsten Sonntag übernimmt, weil Sie meinen, was vermeintlich populär ist, sei auch schon gute Politik.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, dem ist nicht so.

(Beifall der SPD)

Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, möchte ich eine Besuchergruppe im Landtag begrüßen, nämlich die Juso-Gruppe aus Kamp-Bornhofen. Seien Sie willkommen!

(Beifall im Hause)

Herr Minister Deubel hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann der CDU und der FDP dafür dankbar sein, dass sie die beiden Aktuellen Stunden beantragt haben; denn dies bietet die beste Gelegenheit, den Unterschied zwischen unseriösen Forderungen auf der einen Seite und solider Politik auf der anderen Seite deutlich zu erklären.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)