Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach dieser Klärung wird unsere Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Unruhe im Hause)

Die Fraktionen der FDP und SPD haben zu dem Gesetzentwurf einen gemeinsamen Änderungsantrag eingebracht.

(Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Auler hat das Wort. Ich bitte Sie, den Geräuschpegel etwas zu dämpfen.

Dies führt zu einem gänzlichen Entfall der kommunalwahlrechtlichen Sperrklauseln in Rheinland-Pfalz, und zwar sowohl der Sperrklausel von 3,03 % für die kommunalen Vertretungsorgane und der Sperrklausel von 5 % bei der Wahl zum Bezirkstag des Bezirksverbands Pfalz.

Das Bundesverfassungsgericht hat dargelegt, dass eine Sperrklausel im Ergebnis gegen die Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit verstoße. Nur eine mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungsorgane könne eine Sperrklausel rechtfertigen. Daraus ergibt sich, dass die bislang zur Rechtfertigung der Sperrklausel herangezogenen Gründe erheblichen Zweifeln ausgesetzt sind.

Negative Auswirkungen sind weder in anderen Ländern, die keine Sperrklausel haben, beobachtet worden, noch sind sie für Rheinland-Pfalz anzunehmen.

Die FDP-Fraktion hält es deshalb für konsequent und politisch geboten, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Sperrklauseln in das rheinland-pfälzische Kommunalwahlgesetz zu übertragen.

(Beifall bei der FDP)

Nicht einverstanden sind wir mit dem Änderungsantrag der CDU. Die CDU fordert die Versendung von Stimmzetteln. Frau Kollegin Schleicher-Rothmund, da möchte ich mich Ihren Worten anschließen: Die Wahl ist frei und vor allem geheim.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Lieber Herr Kollege Bracht, wir wissen doch alle, dass alle Kandidaten in allen Medien wöchentlich und zum Schluss vor der Wahl sogar täglich in allen Medien vorgestellt werden. Jeder Bürger und jede Bürgerin kann sich zuvor ein Bild von den Kandidatinnen und Kandidaten machen. Eine zusätzliche Versendung vor der Wahl

würde für meine Begriffe die Wahlfreiheit, insbesondere das Wahlgeheimnis doch sehr stark beeinträchtigen.

Wir haben die Briefwahl nur unter strengen Voraussetzungen. Auch diese Bestimmung würden wir völlig unterlaufen. Deshalb müssen wir den Änderungsantrag der CDU ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Licht für eine Kurzintervention das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Auler, ich will auf einen Punkt noch einmal hinweisen. Sie haben aus dem wissenschaftlichen Gutachten zitiert, das sich auch mit dem Wegfall der Sperrklausel beschäftigt. Bei uns liegt sie bei nur 3,03 %, während sie in anderen Ländern, in denen sich Gerichte damit beschäftigt haben, bei 5 % liegt. Ein Gericht hat sich mit den 3,03 % bisher noch nicht beschäftigt. Darauf will ich nur hinweisen.

(Pörksen, SPD: Es hat null gesagt!)

Das hat – darauf will ich auch hinweisen –, wenn man genau hinsieht, eine andere Qualität.

Wenn es in der Begründung, die uns erst heute vorgelegt worden ist, beispielsweise heißt, die Streichung der Sperrklausel führe zu einer Zersplitterung der kommunalen Vertretungen und damit zu einer Gefährdung effizienter kommunaler Selbstverwaltung, ist das ein hohes Gut, das ich nicht so ohne Weiteres aufgeben möchte. Das ist die Argumentation der Union.

Jetzt komme ich noch zu einem Punkt, der in dem wissenschaftlichen Gutachten deutlich wird. Das Gutachten beschäftigt sich mit dem Eingriff in das Recht der Parteien auf Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit. Dort heißt es, dass jeder Partei, jeder Wählergruppe und ihren Wahlbewerbern grundsätzlich die gleiche Möglichkeit im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt wird.

Wenn diese Klausel fällt – ich habe das bei uns nachrechnen lassen –, hätte beispielsweise auf der Basis des zurückliegenden Wahlergebnisses eine Gruppierung, die letzte Gruppierung, die noch hineinkam, mit 0,96 % 2,38 % der Sitze erreicht. Das ist nicht mehr chancengleich. Dies ist bisher nicht untersucht worden. Niemand hat bisher darauf Bezug genommen, ob die Chancengleichheit des Mandats noch dadurch, weil diese Klausel so fällt, wie sie fällt, gegeben ist.

Meine Damen und Herren, deshalb halte ich es für falsch, ohne Not diese 3,03 % aufzugeben. Ich bin überzeugt davon, dass die kleinen Gruppierungen die Chan

ce haben, wenn sie sich in der kommunalen Familie bewegen, ins Parlament einzumarschieren, dies auch mit der Hürde, die es bei uns gibt. Wir haben eine repräsentative Demokratie. Diese hätte ich auch gerne zumindest in Teilen in der Kommunalpolitik gewahrt. Wenn die Chancen im Verhältnis so verändert werden, sind Dinge, die von Ihnen initiiert werden, auf den Kopf gestellt.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Karl Peter Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung nimmt zu dem Entwurf des Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes wie folgt Stellung: Ursprünglich hatten wir einen Gesetzentwurf auf dem Tisch, der sich mehr oder minder mit technischen Fragen beschäftigte,

(Licht, CDU: Das war einfacher!)

nämlich mit der Frage der Inkompatibilität oder der Frage, wie das mit dem Begriff des Arbeiters und des Angestellten aussieht. Wie sieht das aus mit der Frage der Mehrheitswahl? Wie sieht das aus mit dem Versenden der Wahlzettel?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bewegen uns heute in einer sehr wichtigen rechtspolitischen Debatte über das kommunale Wahlrecht. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir in diesem Haus über die Frage 3,03 % frei diskutiert haben.

(Eymael, FDP: Richtig!)

Die damalige Opposition, der ich angehört habe, war heftig bewegt in der Frage, ob 3,03 % nicht den Untergang der kommunalen Selbstverwaltung herbeiführen würden und zwar so, wie Herr Kollege Licht das eben beschrieben hat nach dem Motto „Es wird alles sehr viel schwieriger“.

(Licht, CDU: Es ist nicht einfacher geworden!)

Wir reden über zwei Dinge, die rechtspolitisch von großer Bedeutung sind. Das eine ist der Wegfall der Sperrklausel, und das Zweite ist die Versendung von Wahlunterlagen nach Hause, Herr Kollege Hörter.

Zum ersten Punkt: Wir haben uns das einmal angeschaut. Herr Abgeordneter Licht, ich weiß nicht, wie Ihre Rechnung zustande gekommen ist, weil Sie systembedingt durch Sitze, die Sie jeweils fest in den jeweiligen Gemeinderäten und Kreistagen verankert haben, auf jeden Fall eine Sperrklausel haben. Sie liegt fast immer um die 2 %. Sie liegt aber nicht darunter.

(Licht, CDU: Sie liegt darunter!)

Ich hätte das dann gerne von Ihnen einmal berechnet, weil ich mir das habe berechnen lassen.

(Licht, CDU: Ich auch!)

Ich nenne als Beispiel die kreisfreien Städte. Zu den Kommunalwahlen 1999 und 2004 – etwas anderes war noch nicht möglich – haben wir das untersuchen lassen. 1999 wäre es bei folgenden sechs kreisfreien Städten bei Wegfall einer Sperrklausel zu einer veränderten Sitzverteilung gekommen: Frankenthal, Kaiserslautern, Ludwigshafen, Mainz, Pirmasens und Zweibrücken. Profiteure wären – wenn man es einmal so beschreiben will – gewesen: die Republikaner, die ÖDP, die FDP, die PDS und die Wählergruppen.

Im Jahre 2004 wären nur Worms und Pirmasens betroffen gewesen, und zwar mit zwei Sitzen für die PDS und einem Sitz für die FDP.

Ich kann das jetzt auf die Landkreise, Verbandsgemeinden usw. bis auf die Ebene herunterziehen, auf der Sie das jeweils haben wollen. Das reicht hin bis zum Bezirkstag.

Sie werden feststellen, dass damit nicht begründet werden kann, dass die Möglichkeit der Arbeit in den kommunalen Räten gestört wird. Wir haben in Mainz eine Situation, die Sie alle kennen. Dort sind Republikaner im Stadtrat. Wir haben auch andere kommunale Räte, in denen das der Fall ist, wenn Sie die Rechten benennen wollen.

Diese Modellrechnung zeigt also, dass der Wegfall der Sperrklausel keine Auswirkungen in dem Ausmaß hat, wie sie diskutiert worden sind. Das ist der erste Punkt.

Ich gebe gerne zu, dass ich am Anfang als ehemaliger Bürgermeister auch skeptisch war, der daran interessiert war, einen Stadtrat zu haben, in dem er eine Meinung formulieren und durchsetzen konnte.

Nachdem ich mir angeschaut habe, wie das in anderen Ländern aussieht – es gibt im Grunde genommen zwei oder drei Länder, wenn man die Stadtstaaten einbezieht, in denen die Sperrklausel gilt –, bin ich der Meinung, dass das ein Weg ist, den man durchaus mit Respekt und Vernunft beschreiten kann.

Der zweite Hinweis erstreckt sich auf die Versendung von Stimmzetteln. Auch das hat uns immer wieder, seitdem ich in diesem Landtag seit 1987 arbeite, und auch schon davor beschäftigt. Es hat sich in der Argumentation weder bei der CDU noch bei allen anderen Fraktionen etwas geändert. Es kann nämlich nicht sein, dass ein Wahlrecht mit den fünf Grundsätzen, die wir haben, dadurch unterbrochen wird, dass wir sagen, das kann man auch zu Hause regeln. Das ist keine freie und geheime Wahl. Daher meine ich, dass sich die Versendung von Stimmzetteln verbietet. Solange ich kann, werde ich dagegen argumentieren.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus bitte ich noch ein weiteres Argument zu berücksichtigen.

Eine Wahlhandlung in einer Demokratie – das sollten gerade wir Deutsche uns immer wieder vor Augen halten und durch den Kopf gehen lassen – ist etwas anderes, als sich an einen Computer zu setzen und bei eBay an einer Versteigerung teilzunehmen. Eine Wahlhandlung bedeutet, dass ich einen Repräsentanten wähle, der mich in einem demokratischen Diskurs, in einer demokratischen Entscheidung vertritt. Ich meine, da ist es richtig, dass das in einer Wahlkabine geschieht, in einem Wahllokal frei und geheim.