Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Eine Wahlhandlung in einer Demokratie – das sollten gerade wir Deutsche uns immer wieder vor Augen halten und durch den Kopf gehen lassen – ist etwas anderes, als sich an einen Computer zu setzen und bei eBay an einer Versteigerung teilzunehmen. Eine Wahlhandlung bedeutet, dass ich einen Repräsentanten wähle, der mich in einem demokratischen Diskurs, in einer demokratischen Entscheidung vertritt. Ich meine, da ist es richtig, dass das in einer Wahlkabine geschieht, in einem Wahllokal frei und geheim.

(Beifall der SPD – Hartloff, SPD: Sehr gut, Herr Minister!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende der Diskussion zu Punkt 2 der Tagesordnung. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Zunächst einmal stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/2212 – ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 15/2213 –. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in zweiter Beratung unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderungen. – Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? –

(Unruhe bei der SPD – Zurufe von der SPD: Gegen das eigene Gesetz!)

Damit ist der Gesetzentwurf unter Einbeziehung der beschlossenen Veränderungen mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Wer stimmt dagegen? –

(Ramsauer, SPD: Eine taktische Meisterleistung!)

Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der CDU, unter Berücksichtigung der Änderungen mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU angenommen worden.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zu dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/2149 – Erste Beratung

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Kurt Beck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in einer Phase der Medienpolitik, in der sich in Deutschland sehr Grundlegendes verändert. Zum Ersten bringt dies die sogenannte Konvergenz der Medien mit sich, d. h. die Überschneidung und die Deckungsgleichheit unterschiedlicher medialer Verbreitungen. Zum Zweiten gibt es neue Angebotsformen, wie beispielsweise Plattformen, die ihrerseits im Medienmarkt tätig sind. Zum Dritten geht es darum, dass wir die Aufsicht über die Medien entsprechend dieser Veränderungen anpassen müssen.

Ein zweiter Komplex, der neu zu gestalten ist, ist die Sicherung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein dritter die Bestimmung des Auftrags öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt, die wir derzeit erleben. Das ist eine sehr lebendige Diskussion, die sich daraus ergibt. Schließlich geht es darum, die Rundfunkfinanzierung angesichts einer schwindenden Akzeptanz des bisherigen Rundfunkgebührenmodells auf neue Füße zu stellen.

Heute liegt Ihnen der Zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag und die entsprechende Gesetzgebung dazu vor. Wir legen diese Gesetzgebung vor, um zwei wesentliche Punkte zu erreichen. Zum einen wollen wir, dass die Kommission für die Zulassung und Aufsicht neu geschaffen wird und damit ein Ziel, das seit vielen Jahren von der Landesregierung angestrebt wird, zumindest teilweise erreicht wird, nämlich für bundesweite Medienverbreitung auch auf der Bundesebene eine entsprechende Entscheidungsebene zu haben.

Die Kommission für die Zulassung und Aufsicht, genannt ZAK, wird zusätzlich zur KEK – das ist die Kommission, die die Konzentration in den Medien überwacht – und zur KJM – der Jugendmedienkommission – entstehen. Ich weiß, es ist ein bisschen schwierig, wenn man sich nicht ständig damit befasst. Deshalb erlauben Sie mir, dass ich nicht nur die Kürzel verwende.

Die ZAK, die Kommission für die Zulassung und Aufsicht, wird für private bundesweite Rundfunkveranstalter und die bundesweite Zuweisung von Übertragungskapazitäten an Rundfunkveranstalter und sogenannte Plattformanbieter zuständig.

Sie wird sich aus Direktoren der Landesmedienanstalten zusammensetzen, wobei bei der Auswahlentscheidung die GVK, die Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten, hinzutritt.

Die Zusammensetzung der KEK, der Kommission, die die Konzentration in den Medien überwacht, wird sich

ebenfalls ändern. Neben sechs Sachverständigen werden künftig auch sechs Direktoren der Landesmedienanstalten dieser Kommission angehören. Damit wird die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten als bisherige Revisionsinstanz in Fragen der Konzentrationskontrolle abgeschafft und das Verfahren der Konzentrationsprüfung vereinfacht.

Mit der Zulassung bundesweiter Rundfunkveranstalter wird das Zulassungsrecht der Länder vereinheitlicht.

Schließlich geht es um die Regelungen für digitale Plattformen. Diese Regelungen werden in folgender Form aufgenommen:

Künftig gibt es eine Anzeigepflicht für Plattformanbieter, die die Aufsicht durch die ZAK ermöglichen soll.

Aufgenommen werden Regelungen für drahtgebundene und drahtlose Plattformen aufbauend auf den bisherigen Regelungen für die Belegung digitaler Breitbandkabelnetze.

Umfasst werden damit drahtgebundene Plattformen sowie auch Handy-TV in den Standards DVB-H und DMB, also terrestrische Plattformen.

Ausdrücklich ausgenommen sind Plattformen in offenen Netzen, soweit dort keine marktbeherrschende Stellung entsteht. Hier geht es um den Bereich Internet, UMTS etc.

Zusätzlich enthalten sind Regelungen zur technischen Zugangsfreiheit, zur Gewährleistung des diskriminierungsfreien Zugangs von Anbietern sowie zu Entgelten und Tarifen in Abstimmung mit der nach TKG zuständigen Bundesnetzagentur.

Meine Damen und Herren, mit diesem Staatsvertrag haben die Länder ihre Handlungsfähigkeit erneut unter Beweis gestellt. Ich hoffe deshalb, dass wir diesen Ansatz auch gemeinsam tragen.

Da die Dinge sehr miteinander verzahnt sind, will ich auf die weiteren Verhandlungen, die parallel dazu stattfinden, und die Rechtssitzungen, die parallel dazu auf der europäischen, der Bundesebene und der Landesebene laufen, einige Worte sagen; denn neben diesem heute zur Beratung und Entscheidung anstehenden Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat die Landesregierung Ihnen auch den Entwurf für einen Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugeleitet.

Er seinerseits betrifft die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks für die nächste Gebührenperiode, nämlich für den Zeitraum 2009 bis 2012. Dabei setzen wir auch auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr dieses Jahres die Empfehlung der KEF um. Demnach soll die Rundfunkgebühr ab dem 1. Januar des kommenden Jahres um 0,95 Euro auf dann 17,98 Euro erhöht werden. Damit wird entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben eine 1 : 1-Umsetzung der KEF-Empfehlung vorgenommen.

Wir gehen davon aus, dass mit dieser Empfehlung eine Stabilisierung hinsichtlich der finanziellen Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Teils unseres dualen Rundfunksystems vorgenommen wird.

Die aktuellste medienpolitische Diskussion wird derzeit innerhalb der Diskussion um den Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag geführt. Es geht dabei um die Umsetzung des Kompromisses, den die Länder und damit die Bundesrepublik Deutschland mit der Generaldirektion Wettbewerb im EU-Beihilfeverfahren wegen der Gebührenfinanzierung von ARD und ZDF gefunden haben. Hierüber werden wir in den nächsten Wochen in der Rundfunkkommission und im Juni in der Ministerpräsidentenkonferenz entsprechend diskutieren.

Schließlich werden wir diese Inhalte mit Brüssel abzustimmen haben, um das, was damals die zuständige Kommissarin Frau Kroes, Herr Kollege Stoiber und ich ausgehandelt haben, sicherzustellen und nicht neue Fragen aufzuwerfen.

Ich hoffe, dass die unterschiedlichen Ebenen, die hier zusammenwirken müssen, diesen Weg auch gemeinsam gehen.

Dieser Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird deshalb neben dem Zehnten, heute auf dem Tisch, und dem Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag, bereits auf dem Tisch liegend, eine neue Konzeption in der Medienordnung der Zukunft beinhalten. Aber dem nicht genug: Auch die Nummern Dreizehn und Vierzehn befinden sich schon in der rundfunkpolitischen Diskussion.

Der Dreizehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird der Umsetzung der neuen audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie der Europäischen Union, die bis Ende 2009 abgeschlossen sein soll, dienen müssen. Der Vierzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag schließlich soll eine Reform des Rundfunkgebührenrechts bewirken.

Sie wissen, dass es dazu immer wieder unterschiedlichste Konzepte gegeben hat. Es läuft jetzt darauf hinaus, dass sich ein sogenannter Haushalts- und Unternehmensabgabemaßstab herauskristallisiert. Das aber ist ein Zwischenstand der Diskussion und kein Endstand.

(Präsident Mertes übernimmt den Vorsitz)

Auf jeden Fall haben wir als Medienkommission den Auftrag, diese Orientierung in den Mittelpunkt der weiteren Untersuchungen zu rücken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, das hat etwas Verwirrendes für diejenigen, die sich nicht ständig mit diesen medienpolitischen Entscheidungen befassen. Es ist aber in der Tat Ausdruck einer sehr grundlegenden Veränderung, die wir vorzunehmen haben, die entscheidend mit dem Stichwort „digitale Welt“ verbunden ist und auch in den Rundfunkanstalten sehr tief greifende Veränderungen mit sich bringen wird, auch was deren innere Organisation und Aufgabenstellung angeht.

Ich hoffe, dass wir uns verständigen können. Ich glaube, dass die Länder gezeigt haben – ich will das noch einmal unterstreichen –, dass sie in diesen schwierigen komplexen Fragen einigungsfähig sind.

Ich glaube, dass wir auch festhalten können, dass ein Weg mit dem Bund gefunden worden ist, die bundespolitischen und die landespolitischen Regelungen so kompatibel zu machen, dass sie Investoren nicht abschrecken und dieser Bereich, der ein riesiger Markt, aber zugleich auch eine wichtige Technologieplattform ist, eine gute Chance erhält.

In diesem Sinne die Bitte der Landesregierung an Sie, diesem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag positive Beratungen angedeihen zu lassen und ihn dann nach Abschluss der Beratungen auf den Weg zu bringen, meine Damen und Herren.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Mittrücker, bitte schön.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn es eines weiteren Beweises bedurft hätte, dass die Technik die Politik vor sich hertreibt, dann hätten wir diesen Beweis heute vorliegen.

Der Zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist zu großen Teilen aus der Weiterentwicklung technischer Möglichkeiten legitimiert, d. h., die Politik muss in immer kürzeren Abständen der technischen Weiterentwicklung, aber auch neuen gesellschaftlichen Tendenzen und nicht zuletzt den Geschäftspolitiken der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Rechnung tragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet im Klartext, die Politik läuft immer ein Stück weit der Realität hinterher. Ob überhaupt das Hinterherlaufen der Politik verändert werden kann oder sogar verändert werden soll, ist und bleibt eine spannende Frage.