Verehrte Kolleginnen und Kollegen, aufgrund des Debattenbeitrags von Herrn Staatsminister Hering hat jede Fraktion noch 14 Minuten Redezeit.
Dann kommen wir zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, die gemeinsam aufgerufen und beraten werden sollen:
Jahresbericht 2007 Besprechung des Berichts des Bürgerbeauftragten (Drucksache 15/2010) auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/2011 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im Berichtsjahr konnte der Petitionsausschuss gemeinsam mit dem Bürgerbeauftragten wieder für die Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz gute Arbeit leisten. Das zeigt der Jahresbericht des Bürgerbeauftragten deutlich auf. Deshalb beginne ich heute mit etwas, was man sonst gern am Ende einer Rede macht, nämlich mit einem ganz herzlichen Dankeschön für den Bürgerbeauftragten und seine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, mit denen wir hervorragend zusammengearbeitet haben, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes des Landtages, die uns in hervorragender Weise zugearbeitet haben, und an die Kolleginnen und Kollegen hier aus dem Landtag, die im Ausschuss und in der Strafvollzugskommission kooperativ gearbeitet haben.
Es ist Vieles zu berichten. Was die Statistik angeht, will ich mich auf ganz wenige Punkte beschränken; denn das können Sie ausführlich nachlesen, und das werden die Nachredner auch noch ausführlich würdigen.
Wir hatten im Jahr 2007 3.252 Neueingaben, also mehr als im Jahr vorher. 2.917 davon wurden angenommen. Die Schwerpunkte lagen in der Rechtspflege mit 19,7 %, im Sozialwesen mit 17,3 % und in der Gemeindeverfassung mit 14,5 %.
Es fanden wieder regelmäßig Sprechtage des Bürgerbeauftragten statt, zum ersten Mal auch in einer Justizvollzugsanstalt, nämlich in Wöllstein. Der Strafvollzug spielt mit 15,4 % ohnehin eine erhebliche Rolle. 10,2 % waren es im vergangenen Jahr.
Auch die Legislativeingaben – es waren insgesamt 39 – hatten einen Schwerpunkt, nämlich den Nichtraucherschutz mit 19 Eingaben. Das hat uns also im Petitionsausschuss genauso beschäftigt wie hier im Parlament.
Wir haben im vergangenen Jahr auch eine Reise gemacht, und zwar waren wir in Nürnberg. Der Petitionsausschuss hat dort zwei sehr interessante Gespräche geführt, zum einen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu den Themen „Asyl und Abschiebeschutz von Flüchtlingen“ und „Sprachliche, soziale und gesellschaftliche Integration von Zuwanderern in Deutschland“, über die Entwicklung und Durchführung von Integrationskursen für Zuwanderer, über die Neuausrichtung der Migrationserstberatung sowie über die Förderung von Projekten zur sozialen und gesellschaftlichen Eingliederung der in Deutschland dauerhaft lebenden Aussiedler und Ausländer.
Das zweite Gespräch fand in der Bundesagentur für Arbeit statt. Es ging um Informationen zur Neuausrichtung der Berufsberatung und die Umsetzung in den Strafanstalten. Das war eines der Hauptthemen, das wir dort besprechen wollten. Ebenfalls wollten wir Gespräche zu Fördermaßnahmen der Bundesagentur in den Justizvollzugsanstalten und Jugendstrafanstalten und über Maßnahmen für Jugendliche, insbesondere berufsvorbereitende Maßnahmen, während und nach dem Vollzug führen.
Es hat in der Zwischenzeit ein Nachgespräch mit Vertretern des Justizministeriums und der Agentur für Arbeit gegeben. Leider sind noch nicht alle Hausaufgaben von der Agentur gemacht. Es ist noch nicht alles erledigt.
Neben dem Petitionsausschuss hat die Strafvollzugskommission als ständiger Unterausschuss in unserer Arbeit eine große Rolle gespielt. Wir hatten sieben Sitzungen, davon drei auswärtige Sitzungen in den Jugendstrafanstalten in Schifferstadt und Wittlich, bei denen es um das Jugendstrafvollzugsgesetz ging, in der
JVA Wittlich auch um die Erweiterung der JVA, die Baumaßnahme und die Frage der Sicherungsverwahrung mit dem Konzept, das in diesem Neubau verwirklicht werden soll. Das Thema „Sicherheitsverwahrung“ war auch in der Justizvollzugsanstalt Diez auf der Tagesordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Petitionen sind mehr als nur Beschwerden. Das zeigt bereits die sprachliche Wurzel. Da findet man eine Bandbreite von Ersuchen bis hin zu Angriff, durchaus aktive Maßnahmen. Wenn man es – historisch – genau betrachtet, gab es bereits im Absolutismus die Möglichkeit. Wenn es dem Fürsten, König oder Kaiser gefiel, dann hörte er den Einzelnen an und verhalf ihm selbst dann zu seinem Recht, wenn es zuvor Gerichte anders entschieden hatten.
Im demokratischen Rechtsstaat, auch in unserem Land, ist das Petitionsrecht ein starkes, unveränderliches Grundrecht. Das gilt für Bund und Länder.
Den Bürgerbeauftragten gibt es nicht nur bei uns in Rheinland-Pfalz, sondern auch in einigen anderen Ländern.
Jeder kann mit jedem Thema – das ist ganz wichtig – einzeln oder gemeinsam, mit anderen oder mit vielen anderen – dann ist es eine Massenpetition – Eingaben machen.
Ich habe ein schönes Zitat in einer Broschüre gefunden: Wenn die Anwendung des Rechts klemmt, muss der Gesetzgeber das auch erfahren. – So sehen wir das auch.
Es gibt eine Ausnahme in der Geschichte, nämlich der NS-Unrechtsstaat. Hier wurde man im Allgemeinen verfolgt, wenn man kritische Sichtweisen äußerte und durch kritische Sichtweisen auffiel.
Einen weiteren Aspekt möchte ich einbringen. Das Petitionsrecht ist nicht nur vielfältig, sondern es entwickelt sich auch. Es entwickelt sich weiter. Man könnte salopp sagen, es entwickelt sich vom Kummerkasten zum Instrument politischer Teilhabe.
Es gibt seit 2005 einen Modellversuch „Öffentliche Petition“, öffentliche Petition im Internet, Kind des Internetzeitalters. Die Petitionen werden elektronisch übermittelt. Es gibt eine Online-Veröffentlichung der Petitionen. Sechs Wochen lang besteht die Möglichkeit mitzuzeichnen, also die Petition zu unterstützen. Es gibt im Internet auch ein entsprechendes Diskussionsforum.
Die Bedingungen sind, dass ein öffentliches Interesse besteht, es sich nicht um personenbezogene Petitionen handelt und diejenigen, die sich beteiligen, auch die namentliche Verantwortung für die Beiträge übernehmen. Das Ergebnis – Stand April 2008 – trägt dem auch Rechnung.
Es gab bisher 611 zugelassene öffentliche Petitionen auf Bundesebene, davon 18 mit Mitzeichnung und fast 1 Million Mitzeichnungen. Das ist eine ganz spannende Geschichte. Es gab 27.000 Diskussionsbeiträge. Die
Hitliste wird von dem Thema „Förderung der beruflichen Weiterbildung“ angeführt. Es wird die Stimmabgabe mit Wahlgeräten erwähnt. Es ging um die Leiharbeit, die Arbeitnehmerüberlassung. Übrigens, an fünfter Stelle war das Verbot von Käfighaltung Thema einer öffentlichen Petition mit 24.000 Mitzeichnungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt vor allem in der Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene immer wieder unterschiedliche Standpunkte über die Kompetenzen und Grenzen des Petitionsausschusses und der Arbeit des Bürgerbeauftragten. Dazu möchte ich heute kurz Stellung nehmen.
Das Petitionsrecht und das kommunale Selbstverwaltungsrecht sind gleichermaßen verfassungsrechtlich gesichert. Das ist in den Artikeln 11 und 90 a der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz für das Petitionsrecht und in Artikel 49 für die kommunale Selbstverwaltung festgeschrieben. Die vom Landtag an den Petitionsausschuss und damit an den ständigen Beauftragten delegierte Kontrollbefugnis beschränkt sich im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung oder eines Handelns. Das ist ebenfalls festgeschrieben.
Unbeschadet dessen steht es dem Bürgerbeauftragten und dem Petitionsausschuss frei, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes den Versuch einer einvernehmlichen Erledigung zu unternehmen. Ich verzichte jetzt darauf, die entsprechenden Kapitel vorzulesen. Freundlicherweise sind im Handbuch des Landtags Rheinland-Pfalz nicht nur die Gesetze vorhanden, sondern an einer Stelle auch die Zusammenfassung die das Petitionsrecht betreffenden Gesetzestexte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind alle auch in kommunalen Gremien tätig und tragen vor Ort in den Städten und Gemeinden Verantwortung. Für die Bürgermeister und Landräte mag der Ablauf eines Petitionsverfahrens schon einmal unbequem oder ärgerlich sein. Wir im Ausschuss kennen die ganze Bandbreite von konstruktiver Kritik bis hin – ich versuche, es einmal zu beschreiben – zu den periodisch wiederkehrenden Eingaben unzufriedener Vielfachschreiber.
Aber Demokratie ist unbequem, und das Petitionsrecht muss ein wirksames Bürgerrecht bleiben. Wir sollten es nicht infrage stellen, sondern stärken.
Das war zu Punkt 14 der Tagesordnung der Bericht des Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Herrn Dröscher.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aussprache zum Jahresbericht 2007 des Bürgerbeauftragten Ullrich Galle bietet Gelegenheit, die umfangreiche Arbeit näher zu beleuchten, Entwicklungen in Augenschein zu nehmen und schließlich die geleistete Arbeit des Bürgerbeauftragten, seines Teams und des Ausschusses anzuerkennen.
Das Petitionswesen hat im Ländervergleich in Rheinland-Pfalz einen hohen Stellenwert, ein hohes Ansehen. Die Bürger vertrauen dem Bürgerbeauftragten, Herrn Galle, und dem Petitionsausschuss. Anerkennung findet die Person des Bürgerbeauftragten auf Bundesebene, ja europaweit, was sich vor fast genau einem Jahr am 2. Juni 2007 bei seiner Wahl in Mainz zum Präsidenten des Europäischen Ombudsmann-Instituts zeigte.
Hinter der hohen Erfolgsquote stecken Erfolge in Tausenden Einzelfällen und hin und wieder auch Erfolge in Eingaben von grundsätzlicher Natur, die der Allgemeinheit dienen und uns allen weiterhelfen.
Einzelfälle im Bericht machen deutlich, wie groß die Bandbreite des Aufgabenfelds in der Petitionsarbeit ist. Gleichzeitig sollen die Bürgerinnen und Bürger ermutigt werden, Rat und Unterstützung beim Bürgerbeauftragten zu suchen.
Der Bürgerbeauftragte und der Petitionsausschuss nutzen die Möglichkeiten, die die Gesetze bieten, um sich bestmöglich für die Bürgerinnen und Bürger einzusetzen, sie zu beraten und zu unterstützen.
Mangelhafte Kommunikation ist leider immer noch oft die Ursache von Konflikten von Bürgern mit Verwaltungen. Mehr Kundennähe, mehr Transparenz und Freundlichkeit kosten nichts und können auch von Verwaltungen erwartet werden. Verwaltungen sind Dienstleister, müssen sich Kritik stellen und respektvoll mit ihr umgehen.
Der Bürgerbeauftragte Ullrich Galle nimmt hartnäckig und erfolgreich die ständigen Herausforderungen als Zuhörer, Gesprächspartner, Aufklärer, Ratgeber und auch Organisator von Hilfe an.