Ich hoffe sehr, dass die neue Landesregierung diese tiefe Verankerung, auch emotionale Verankerung, im Mittelstand, die eine der großen Vorteile von RheinlandPfalz ist, nicht ohne Not aufgibt und aus parteipolitischen Blickwinkeln heraus Dinge nicht in dem Maß fördert, wie dies in der Vergangenheit geschehen ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema „Situation von Schulabgängern in Rheinland-Pfalz“ hat vielfältige Fassetten. Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen zum schulischen Bereich machen.
Herr Kollege Hering wird dann in der zweiten Runde auch noch einmal ein paar Anmerkungen zum Bereich der Ausbildung machen.
Erst einmal stimme ich dem grundsätzlichen Ansatz, der in der Debatte bisher zum Tragen gekommen ist, völlig zu, dass man, wenn man über die Situation von jungen Menschen in dieser Gesellschaft redet, ihre gesamte Biografie in den Blick nehmen muss. Das heißt selbstverständlich, dass bei diesem Thema Kindertagesstätte und Schule bis hin zur berufsbildenden Schule gefordert sind und ihren Beitrag einbringen müssen.
Ich sage an der Stelle auch deutlich, das ist Gott sei Dank keine neue Erkenntnis mehr, sondern wir müssen frühzeitig umsteuern. Das ist Kernpunkt unseres Programms „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“. Deswegen haben wir uns für diese Priorität entschieden.
Auch all das, was wir im schulischen Bereich machen, hat im Kern die eine Intention, nämlich Kinder und Jugendliche auf ihre berufliche und persönliche Zukunft möglichst gut vorzubereiten. Da ist der Bereich der Berufsorientierung ein Kernbereich. Er kann es nicht allein sein. Er kann es nicht ausschließlich sein. Aber Berufsorientierung gerade bei sich verändernder Ausbildungs- und Arbeitswelt ist ein ausgesprochen wichtiger Bestandteil.
Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren in diesem Bereich vielfältige neue Maßnahmen in Kooperation mit Kammern, mit Unternehmen, mit der Agentur für Arbeit und in Kooperation mit anderen Partnern entwickelt. Wenn allein in den vergangenen Jahren 11.000 Schülerinnen und Schüler zum Beispiel an einer neuen Maßnahme wie den Lernwerkstätten zur Berufsorientierung teilnehmen konnten, wenn 2.000 Absolventinnen und Absolventen an Berufsorientierungscamps teilgenommen haben, wenn wir inzwischen an 35 Schulen arbeitsweltorientierte Klassen eingerichtet haben, um insbesondere der Gruppe der besonders gefährdeten Schülerinnen und Schüler eine neue Perspektive zu eröffnen, wenn wir an 34 Standorten in Rheinland-Pfalz Job-Füxe eingerichtet haben, wenn wir an 77 Hauptschulen die Form der Ganztagsschule insbesondere nutzen, um Berufsorientierung für Jugendliche zu verstärken, dann sind schon viele Dinge in die Fläche getragen worden, die mittlerweile auch eine quantitative Bedeutung erlangt haben.
Ich füge hinzu, dass die Entscheidung, die Schulsozialarbeit auf alle Hauptschulen im Land auszuweiten, das Land massiv finanziell fordert. Dabei geht es um 1,7 Millionen Euro. Trotzdem haben wir gesagt, dass das jetzt dringend sein muss, insbesondere im Hinblick auf die Situation der Absolventinnen und Absolventen.
Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zu den Zahlen machen, Frau Thelen. Man muss mit diesen Zahlen differenziert umgehen. Wenn Sie auf die Zahl der Schülerinnen und Schüler abheben – so haben Sie es formuliert –, die ohne jeglichen Abschluss die Schule verlassen, dann ist die Zahl niedriger als die Zahl, die Sie genannt haben. In Rheinland-Pfalz geht es um 1.821 Schülerinnen und Schüler. Das entspricht etwa 4 % der Schulabgänger. Die von Ihnen genannte Zahl nimmt die Absolventinnen und Absolventen der Förderschulen, die dort unterschiedliche Abschlüsse erworben haben, mit in die Betrachtung. Dann kommt man auf einen Wert von 7,5 % der Schulabgänger.
Wenn wir über diese Gruppe reden, bei der es große Probleme gibt, dann bewegen wir uns irgendwo zwischen diesen beiden Werten. Erfreulich ist allerdings – ich freue mich, dass auch Sie das hervorgehoben haben –, dass Rheinland-Pfalz erstens unter dem Bundesdurchschnitt liegt und zweitens, dass die Zahl der Absolventinnen und Absolventen ohne Abschluss in den vergangenen Jahren rückläufig war und wir gute Fortschritte zu verzeichnen haben. Diese Fortschritte haben wir übrigens auch bei Kindern mit Migrationshintergrund zu
verzeichnen. Das ist sicher noch kein Grund zu sagen, dass die Welt in Ordnung sei, und sich darauf auszuruhen. Es ist aber ein ermutigendes Zeichen, dass der Zug in die richtige Richtung unterwegs ist. Deshalb wollen wir diesen Weg weitergehen.
Das hat Konsequenzen für die berufsbildenden Schulen. Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Schuljahr weniger Jugendliche in den Berufsvorbereitungsjahren haben werden, als es in der Vergangenheit der Fall war, weil sie einen Hauptschulabschluss mitbringen. Dadurch wird es möglich, diejenigen, die sich im Berufsvorbereitungsjahr befinden, noch besser zu fördern. Wir werden allerdings eine hohe Nachfrage im Bereich der Berufsfachschule und der Höheren Berufsfachschule haben. Das hängt damit zusammen, dass sich Jugendliche in diesem Bereich höher qualifizieren wollen.
Ich sage sehr deutlich: Auch für diesen Sommer und diesen Herbst gilt: Vorrang hat für uns die duale Ausbildung. Wir werden im berufsbildenden Bereich aber keinen jungen Menschen vor der Tür stehen lassen. Deshalb kümmern wir uns in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium, dem Arbeitsministerium und dem Bildungsministerium mit den Partnern am ovalen Tisch darum, dass die Chancen für junge Menschen in Rheinland-Pfalz so gut wie möglich sind, weil ich dem ausdrücklich zustimme, was Herr Dr. Schmitz gesagt hat, dass das schlimmste Signal, das man jungen Menschen geben kann, ist, dass man sie nicht braucht. Es ist aller Anstrengung wert, dass das in Rheinland-Pfalz nicht passiert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Arbeitsmarkt ist in Deutschland wie auch in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren schwierig geworden. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in Rheinland-Pfalz seit dem Jahr 2002 um fast 70.000 gesunken. Die prognostizierten Wachstumszahlen, die alle unter 2 % liegen, lassen keine nennenswerte Erholung am Arbeitsmarkt erwarten. So stellt sich der Arbeits- und Ausbildungsmarkt für junge Menschen im Land sicherlich sehr ungünstig dar. Diese Generation von Schulabgängern steht vor Startschwierigkeiten, wie sie fast keine andere Generation in der Geschichte unseres Landes hatte.
Symptomatisch für die Wirtschaftslage, die auch den Ausbildungsmarkt bestimmt, ist sicher auch die hohe Zahl von Insolvenzen. Mit 1.659 Insolvenzen erreichte sie den höchsten Stand seit dem Jahr 1995 in Rheinland-Pfalz. Es liegt auf der Hand: Wenn ein Unterneh
Das bestätigt auch der nationale Bildungsbericht, der vor wenigen Tagen in Berlin veröffentlicht wurde. Darin heißt es, dass der Rückgang des Ausbildungsplatzangebots den strukturellen Bewegungen des Arbeitsmarkts folge. Um es ganz klar zu sagen: Es liegt also nicht an den Betrieben, die sehr wohl ihrer Verantwortung nachkommen, die ausbilden, die um die Bedeutung der Ausbildung, um die demografische Entwicklung und die Konsequenzen für die Betriebe wissen. Die Zahlen belegen, dass die Ausbildungsquote und die Ausbildungsbetriebsquote in den vergangenen Jahren stabil geblieben sind. Die Betriebe, insbesondere die kleinen und mittelständischen, Betriebe in Rheinland-Pfalz kommen ihrer Verantwortung nach. Wir sollten es ihnen aber nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist.
Lassen Sie mich ein Beispiel aus der Praxis erwähnen. Ich komme aus einem Familienbetrieb. Wir bilden seit Jahrzehnten aus. Wir erleben gemeinsam mit anderen Betrieben, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, Auszubildende erfolgreich durch eine Prüfung zu bringen. Wir machen viele begleitende Maßnahmen. Bei schlechten Noten gibt es sofort Einzelnachhilfe. Wir stellen frei vor Klausuren. Wir geben Urlaub vor Prüfungen. Wir machen betrieblichen Unterricht. Trotzdem wird es immer schwieriger. Es wird immer aufwändiger, Prüfungen zu bestehen.
Bei der Prüfung der Industriekaufleute in der vergangenen Woche ist ein junges Mädchen durchgefallen, das zuvor immer gute Noten hatte. Sie ist im Fach „Sozialkunde“ durchgefallen. Das ist nicht dramatisch; denn sie kann die Prüfung am Ende des Jahres wiederholen. Sie hat uns aber geschildert, dass sie seit längerer Zeit keinen Sozialkundeunterricht mehr in der Schule hat. Meine Damen und Herren, an dieser Stelle müssen wir ansetzen.
Wir können in den Betrieben nicht alle Defizite ausgleichen, die in den Familien und in den Schulen entstehen. Frau Kollegin Thelen hat das in der ersten Runde sehr treffend beschrieben. Ebenso wenig kann die Politik auf alles eine Lösung parat haben. Meine Damen und Herren, es besteht aber ein ganz klarer Zusammenhang zwischen dem Niveau der Bildung und den Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das wissen wir alle.
Wir als Landespolitiker haben eine klare Verantwortung für unsere Schulen. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Schulen wieder wahre Zukunftswerkstätten unseres Landes werden. Wenn ich über Schulen spreche, dann natürlich insbesondere über die Situation in den berufsbildenden Schulen, die wirklich nicht gut ist. Herr Minister Hering, wir haben in der vergangenen Legislaturperiode in der Enquete-Kommission hierzu – wie ich meine – gute Vorschläge erarbeitet, was man an den Berufsschulen konkret tun kann. Ich bitte Sie
ganz herzlich, sich diese Vorschläge unvoreingenommen anzusehen. Ich denke, es ist sehr wichtig, etwas in diesem Bereich zu tun. Die Berufsschulen brauchen mehr Unterstützung. Sie brauchen mehr Lehrer. Es muss mehr Unterricht stattfinden. Die Ausstattung muss besser und moderner werden. Außerdem muss mehr Kooperation mit den Ausbildungsbetrieben stattfinden.
Meine Damen und Herren, fast 40.000 junge Menschen sind in unserem Land arbeitslos. Deshalb muss man ernsthaft darüber reden. Es ist nicht alles so einfach und so in Butter, wie bisher in der Debatte der Eindruck zu erwecken versucht wurde. Die Zahl von 40.000 jungen Menschen entspricht von der Größenordnung her einer Stadt in der Größe von Landau.
Es ist ein Eingeständnis einer verfehlten Bildungspolitik, wenn wir zudem 120.000 Jugendliche in Warteschleifen haben, die oftmals keine echte Perspektive haben.
Deshalb müssen wir alles tun, um die duale Ausbildung nachhaltig zu stärken. Sie hat eine stark integrative Wirkung in den Arbeitsmarkt hinein. Sie stärkt fachliche und soziale Kompetenzen.
Herr Minister Hering, Frau Ministerin Ahnen, wir unterstützen all Ihre Bemühungen, wenn es darum geht, Jugendliche in Arbeitsverhältnisse zu vermitteln.
Gut finden wir auch die Umsetzung des Berufsbildungsreformgesetzes. Man kann mit Appellen, mit Hilfsaktionen, ja mit Überzeugungskraft sicherlich das Problem ein klein wenig mildern, aber wir müssen uns auch eingestehen, kein runder Tisch, kein ovaler Tisch, kein Kabinettstisch kann notwendige strukturelle Reformen wirklich ersetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss jetzt natürlich noch etwas zu den arbeitsmarktpolitischen Daten sagen, weil es im Moment eine erhebliche Verbesserung in Bezug auf die Arbeitsmarktzahlen gibt. Im großen Kontext ist es übrigens so, dass Rheinland-Pfalz seit langer Zeit die drittbeste Position einnimmt, diese drittbeste Position festigt und immer besser wird.
Das Niveau der Arbeitslosigkeit ist im Juni in allen Landesteilen gesunken. Die Arbeitslosigkeit ist am niedrigsten an der Mosel, in der Eifel und auf dem Hunsrück. Ich meine, dass wir das noch einmal ausdrücklich hervorheben müssen.
Im Übrigen möchte ich auch noch betonen, dass die betriebliche Nachfrage nach Arbeitskräften im ersten Halbjahr stärker als vor zwölf Monaten war. Das zur Einleitung.
Meine Damen und Herren, dann möchte ich noch etwas zur Kooperation von Schule und Betrieb sagen, was zuvor schon von meiner Kollegin Frau Huth-Haage angesprochen wurde. Das ist tatsächlich etwas, über das wir lange und intensiv gesprochen haben, wo aber offensichtlich eine Besserung eingetreten ist oder eintreten wird.
Die Industrie- und Handelskammer hat bundesweit eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse aktuell vorliegen. Ganz positiv ist die Tatsache, dass die IHK Trier mit 66 % der Betriebe, die sagen, wir haben bereits Kontakt zu Schulen und wir pflegen diesen Kontakt zu den Schulen, bundesweit einer der IHK-Bezirke ist, der ganz weit oben liegt; denn im Schnitt liegt der Prozentsatz der Kontakte zwischen Schulen und Betrieben leider erst bei 52 %. Daran können wir erkennen, dass noch viel zu tun ist, aber die IHK Trier hat da zum Glück die Nase vorn.