Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

................................................................................................................................ 3246, 3249 Abg. Baldauf, CDU:....................................................................................................... 3218, 3220, 3230, 3243 Abg. Bauckhage, FDP:................................................................................................................................ 3238 Abg. Burgard, SPD:..................................................................................................................................... 3261 Abg. Creutzmann, FDP:............................................................................................................................... 3244 Abg. Dr. Krell, SPD:........................................................................................................................... 3225, 3229 Abg. Dr. Schmitz, FDP:................................................................................................................................ 3255 Abg. Dr. Wilke, CDU:......................................................................................................................... 3259, 3260 Abg. Ernst, CDU:......................................................................................................................................... 3252 Abg. Eymael, FDP:............................................................................................................................ 3233, 3237 Abg. Frau Dr. Lejeune, FDP:....................................................................................................................... 3262 Abg. Frau Huth-Haage, CDU:............................................................................................................ 3226, 3230 Abg. Frau Leppla, SPD:............................................................................................................................... 3251 Abg. Frau Thelen, CDU:.............................................................................................................................. 3254 Abg. Hartloff, SPD:.................................................................................................................. 3217, 3220, 3252 Abg. Hörter, CDU:........................................................................................................................................ 3257 Abg. Hüttner, SPD:...................................................................................................................................... 3252 Abg. Lammert, CDU:................................................................................................................................... 3248 Abg. Mertin, FDP:.......................................................................................................... 3219, 3221, 3224, 3228 Abg. Pörksen, SPD:..................................................................................................................................... 3246 Abg. Ramsauer, SPD:................................................................................................................................. 3245 Abg. Schweitzer, Alexander, SPD:.................................................................................................... 3231, 3236 Abg. Wirz, CDU:.......................................................................................................................................... 3235 Beck, Ministerpräsident:.............................................................................................................................. 3239 Bruch, Minister des Innern und für Sport:.................................................................................................... 3251 Dr. Bamberger, Minister der Justiz:............................................................................................................. 3263 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur:...................................................... 3227 Frau Dreyer, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen:.......................................... 3257 Hering, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:...................................................... 3234 Prof. Dr. Deubel, Minister der Finanzen:........................................................................................... 3222, 3236 Präsident Mertes:...................................................................3217, 3218, 3219, 3220, 3221, 3224, 3225, 3226.........................................................................................................3227, 3228, 3229, 3230, 3231, 3232, 3234 Vizepräsident Bauckhage:.....................................................3250, 3251, 3252, 3254, 3255, 3257, 3259, 3260........................................................................................................................................................... 3261, 3262 Vizepräsident Schnabel:........................................................3235, 3236, 3237, 3238, 3239, 3243, 3244, 3245................................................................................................................................................. 3246, 3248, 3249 Vizepräsidentin Frau Klamm:............................................................................................................ 3263, 3264

54. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 12. November 2008

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf sie zur 54. Plenarsitzung herzlich begrüßen.

Ich darf Bettina Brück und Bettina Dickes zu schriftführenden Abgeordneten berufen.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Brigitte Hayn und Werner Kuhn sowie die Staatssekretäre Prof. Dr. Siegfried Englert, Dr. Rüdiger Messal, Michael Ebling und Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten und sie beschließen, wollte ich Sie in Kenntnis setzen – Sie werden es gelesen haben –, dass es in Ruanda und im Ostkongo zu großen Schwierigkeiten unter der Bevölkerung und den Soldaten gekommen ist. Sie wissen auch um die diplomatischen Verwicklungen.

Die Kollegen Hartloff, Baldauf, Mertin, Ministerpräsident Beck und ich selbst haben im Namen des Landtags eine gemeinsame Erklärung zu Ruanda herausgegeben, die bekräftigt, dass wir die seit 26 Jahren anhaltende Partnerschaft natürlich fortsetzen und von Mensch zu Mensch weiterführen wollen, zugleich aber unsere Bedenken über die Ausweisung des deutschen Botschafters in Kigali haben.

Das haben wir gemeinsam beschlossen und damit auf vernünftige, zurückhaltende Weise alle gemeinsam das Interesse an unserem Partnerland Ruanda und auch die Fortführung der Freundschaft artikuliert.

Die Tagesordnung haben Sie vorliegen. Haben Sie Punkte der Veränderung? – Das ist nicht der Fall, dann können wir sie so für die drei Plenartage beschließen. Herzlichen Dank.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Referentinnen und Referenten der Abteilung Bundesangelegenheiten der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Aktuelle Herausforderungen für die rheinlandpfälzische Politik durch die Krise der internationalen Finanzmärkte“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/2763 –

Herr Kollege Hartloff, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gäbe es ein Thema, das die Politik mehr beherrscht und aktueller ist als die Krise der internationalen Finanzmärkte? Ich glaube nein. Täglich haben wir neue Nachrichten.

Wenn ich einmal die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern aufblättere: „Rekordverluste für die US-Finanzbranche, weltgrößter Versicherer AIG verbucht 24 Milliarden Dollar minus.“ Es gibt neue Meldungen über Real Estate und ihre Verluste. Wir könnten diese Linie komplett fortführen.

Das Gefüge des Finanzwesens ist brüchig geworden, meine Damen und Herren. Es muss unser Ziel sein aufzuzeigen, wie man politisch damit umgeht, welche Chancen man hat, um entschlossen und richtig zu handeln.

Lassen Sie mich zum Ausgangspunkt dieser internationalen Finanzkrise noch ein wenig ausholen bei aller Kenntnis darüber, dass dies in der Kürze der Zeit nicht ganz möglich ist. Vorausgegangen ist eine unendliche Blase, in der spekulativ gehandelt wurde, Kredite vergeben wurden, ohne dass Verantwortung dahinter gestanden hat und entsprechende Sicherungen bei den Banken vorhanden waren, und das international.

Es waren die falschen Anreize des schnellen Gewinns gegeben für die, die als handelnde Personen aktiv waren, genauso wie für diejenigen, die Aktien dort hatten. Meine Damen und Herren, deshalb muss es natürlich gelingen, dass der öffentliche Rahmen aktualisiert und so geschaffen wird, dass wir diese Finanzkrise in den Griff bekommen. Die Finanzkrise ist durchgeschlagen auf die Realwirtschaft. Wir haben nachher eine Aktuelle Stunde, in der wir uns mit diesen konjunkturellen Auswirkungen intensiver befassen werden.

Wir müssen natürlich aufpassen, dass aus dieser Rezession – einer der schwierigsten Lagen der Weltwirtschaft seit dem Krieg – nicht eine Depression wird, weil sie alle betrifft.

(Beifall der SPD)

Lassen Sie mich zu dem, was dahin geführt hat, kurz den „TAGESSPIEGEL“ vom 7. November 2008 zitieren. Dort steht, dass auch die internationalen Gremien von denen dominiert sind, die eine Deregulierung der Märkte bewusst wollten. So berichtet dort jemand, dass eben dieses Schattenbanksystem bewusst aufrechterhalten worden ist von Mitarbeitern, die vorher im Bankenwesen tätig waren, die dann in den Kontrollinstanzen in den internationalen Instanzen tätig sind und dann wieder ins Versicherungs- und Bankenwesen wechseln.

Ich glaube, diese Verflechtungen muss man genauer im Auge haben. Man muss auch im Auge haben – das will ich an dieser Stelle auch sagen –, wenn Gesetze von solchen Personen vorbereitet werden. Davon machen wir uns als Europäer nicht frei.

Lassen Sie mich zu den Auswirkungen Jürgen Habermas aus einem Artikel der „ZEIT“ zitieren. Auf die Frage hin, was ihn an diesem Kollaps des Finanzsystems am meisten beunruhigt, sagt er: „Was mich am meisten beunruhigt, ist die himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit, die darin besteht, dass die sozialisierten Kosten des Systemversagens die verletzbarsten sozialen Gruppen am härtesten treffen. Nun wird die Masse derer, die ohnehin nicht zu den Globalisierungsgewinnern gehören, für die realwirtschaftlichen Folgen einer vorhersehbaren Funktionsstörung des Finanzsystems noch einmal zur Kasse gebeten. Und dies nicht wie die Aktienbesitzer in Geldwerten, sondern in der harten Währung ihrer alltäglichen Existenz. Auch im globalen Maßstab vollzieht sich dieses strafende Schicksal an den ökonomisch schwächsten Ländern.“

(Dr. Weiland, CDU: So weit Habermas!)

Sage keiner, dass das niemand gewusst hat. Ich erinnere hier an einen Artikel von Helmut Schmidt vom Februar 2007, der eine schärfere Kontrolle genau dieser Märkte gefordert hat. Das wollte damals keiner sehen und hören.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Herr Weiland, Sie mögen ja darüber lächeln,

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU – Heiterkeit des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

aber ich glaube, die Krise ist viel zu ernst, als das wir uns nicht sehr ernsthaft Gedanken machen müssten, wie wir dieses System mit dem notwendigen marktwirtschaftlichen Rahmen versehen können.

(Dr. Weiland, CDU: Jawohl, mit Ludwig Erhard!)

Da gibt es den Schutzschirm, den die Bundesregierung aufgespannt hat, vernünftigerweise, der aber nicht alle Risiken erfassen wird.

(Glocke des Präsidenten)

Deshalb sind weitere Schritte notwendig, und deshalb ist die Debatte darüber so notwendig. Sie bedarf mehr Ernsthaftigkeit, als Sie sie an den Tag legen.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?)

Das Wort hat Herr Kollege Baldauf.

(Pörksen, SPD: Der hat nichts zu sagen! – Frau Mohr, SPD: Das kann man so nicht sagen!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute mit unterschiedlichen Nuancen das

Thema in zweierlei Hinsicht auf der Tagesordnung, zum einen zu der Frage, wie sich Auswirkungen dieser Krise auf Rheinland-Pfalz darstellen können – hoffentlich nicht werden –, und auf der anderen Seite das Thema per se, inwiefern es uns insgesamt berührt. Herr Hartloff, Sie haben den Bogen ja auch zunächst einmal global gespannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir erscheint in diesem Zusammenhang eines zunächst einmal ganz wichtig, dass wir festhalten sollten: Wir, alle demokratischen Parteien, SPD, FDP und CDU, haben es in Deutschland unter der Führung von Angela Merkel geschafft, binnen einer Woche ein Paket zu schnüren, das einmalig ist und vor allem – das betone ich ausdrücklich, weil Sie wissen, wie schwer wir uns manchmal mit Gesetzgebungsverfahren tun – eine Woche später vom Präsidenten unterschrieben wurde.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich finde, das war eine große Leistung aller großen demokratischen Parteien.

(Beifall der CDU)

Es geht um Folgendes – wir dürfen das nicht unterschätzen; es ging eine ganze Zeit lang um die Frage, und um sie kann es auch noch gehen –: Wie wird in der Bevölkerung unser System, wie wird das, was Ludwig Erhard gepredigt hat, überhaupt heute noch verstanden? – Herr Hartloff, dass wir das heute so vorfinden, wie es ist – Sie haben schon angerissen –, liegt natürlich an einer ganz expansiven Zinspolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das liegt auch daran, dass wir erleben mussten, dass RatingAgenturen nicht der liebe Gott sind, sondern in der Regel danebenliegen. Das ist einer der Hauptpunkte, warum wir überhaupt da stehen, wo wir heute stehen.

(Beifall der CDU)

Dies ist sicherlich kein Thema, das nur in Deutschland aktuell ist, das ist richtig. Dazu gehört natürlich auch, dass wir eines wieder mehr einfordern: Zunächst stellt sich nicht die Frage, wie der Gesetzgeber damit umgehen kann, aber wir müssen einfordern, dass ein gewisser Unternehmensethos, eine gewisse Unternehmensmoral auch im Bereich der Manager und der Unternehmer wieder Gültigkeit erlangt, wenn sie nicht mehr vorhanden ist. –

(Beifall der CDU)

Dazu stellen sich natürlich Fragen. Es klingt immer so leicht, von einem Unternehmensethos oder Unternehmensgeist zu sprechen, aber wie gestaltet man dies? – Ich glaube schon, dass es einige Stellschrauben gibt, die wir als Parlament, vor allem als Gesetzgeber auf Bundesebene dazu drehen können. Ich glaube auch, dass wir die Probleme lösen müssen.