Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Das ist die Methode der Bundesregierung. Zu dem, was das Land tut, möchte ich in der zweiten Runde noch etwas sagen.

(Beifall der FDP – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD – Harald Schweitzer, SPD: Was der alles weiß!)

Ich erteile nun Herrn Staatsminister Hering das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unbestreitbar, dass die Finanzmarktkrise und die nachhaltige Vertrauenskrise in der Finanzwirtschaft mittlerweile in der Realwirtschaft angekommen ist. Dies ist auch die Aussage des Sachverständigengutachtens über die wirtschaftliche Entwicklung, das heute vorgelegt wurde. Dies hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz, weil wir, wie es Herr Eymael bereits betont hat, ein exportstarkes Bundesland sind und in der verarbeitenden Industrie über 50 % der Arbeitsplätze über den Export gesichert werden.

Selbstverständlich haben wir es in den beiden Schlüsselindustrien unseres Landes – in der Chemischen Industrie und im Bereich der Automobilzulieferindustrie – mit besonderen Herausforderungen und besonderen Problemlagen zu tun.

Herr Baldauf, eines wird in Ihrem Beitrag deutlich, nämlich dass Sie bei dieser, sich sehr differenziert darstellenden Lage nur die Negativbeispiele aufzählen. Es liegt in der Kontinuität Ihrer Schwarz-Weiß-Malerei des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz, immer nur die negativen Beispiele hervorzuheben.

(Beifall der SPD)

Auch in der Exportwirtschaft ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. Ich telefoniere sehr oft mit Firmen, um einen persönlichen Eindruck über deren Lage zu gewinnen. Wir bekommen von vielen Betrieben die Mitteilung, dass die Auftragslage rückgängig ist und fest vereinbarte Aufträge storniert werden. Wir bekommen aber auch die Aussage, dass eine Reihe von Betrieben nach wie vor ein Auftragsplus verzeichnet. Es ist sehr schwierig, heute eine präzise Aussage insbesondere bezüglich der Exportmärkte zu treffen, und dies wird sich auch im nächsten halben bis dreiviertel Jahr weiter fortsetzen. Herr Baldauf, vielleicht hätten Sie auch einmal die Nachricht des großen Pumpenherstellers aus Frankenthal,

Ihrer Heimatstadt, zitieren können. Auch dieses Unternehmen hat trotz der Finanzmarktkrise ein Auftragsplus zu verzeichnen. Auch dies gehört zur Darstellung eines Gesamtbildes dazu, das wir zeichnen wollen, und nicht nur die Aufzählung der negativen Beispiele.

(Beifall der SPD – Licht, CDU: Herr Minister, kennen Sie den Titel des Themas?)

Wir haben in der Automobilzulieferindustrie, die in Rheinland-Pfalz sehr stark mittelständisch geprägt ist, über 150 Betriebe mit über 35.000 Arbeitsplätzen. Wir wissen auch, vor welchen Herausforderungen diese Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen.

(Licht, CDU: Darum geht es!)

In der Chemischen Industrie besteht die Situation, dass im ersten Halbjahr 2008 noch ein deutliches Auftragsplus von 6,3 % sowie ein Anstieg der Umsätze verzeichnet werden konnten. Wir hatten es im Jahr 2008 in Deutschland aber auch mit einem Abbau von Arbeitsplätzen im industriellen Bereich trotz Umsatzsteigerungen zu tun. Diese Betriebe haben enorme Bemühungen angestellt, ihre Produktivität zu steigern, effizienter zu produzieren und wettbewerbsfähiger zu werden. Daher konnte die Wettbewerbsfähigkeit enorm gesteigert werden.

Diese Betriebe können trotz der Finanzmarktkrise nun die Aussage treffen, dass das Jahr 2008 wie bereits das Jahr 2007 mit einem leichten Anstieg in diesem Bereich verlaufen wird, einem Bereich, von dem viele noch vor zehn Jahren nicht geglaubt haben, dass man darin in Deutschland je konkurrenzfähig wird produzieren können. Aber dennoch haben wir ein Plus an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verzeichnen.

Wir vernehmen aber auch die Aussage – und dies müssen wir sehr aufmerksam zur Kenntnis nehmen –, dass die Auftragszahlen dort rückläufig sind und keine exakten Prognosen gemacht werden können, insbesondere aufgrund der schwierigen Lage in Amerika und Asien.

Wir haben Situationen – und dies sind die Auswirkungen, die wir spüren werden –, dass die Nachfrage nach Automobilen in Westeuropa um 9 % und in den USA um 32 % zurückgegangen ist. Dies wird selbstverständlich auch Auswirkungen auf den Standort Rheinland-Pfalz haben; denn die Zulieferer liefern ihre Produkte weltweit aus.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Wir werden auch sehr aufmerksam verfolgen müssen – Herr Ministerpräsident Beck ist dabei in den letzten Tagen sehr engagiert gewesen –, welche Auswirkungen es auf Opel in Kaiserslautern haben wird, was derzeit bei General Motors in Detroit geschieht. Auch dies verfolgen wir sehr aufmerksam.

Herr Kollege Schweitzer hat bereits dargestellt, derzeit reagieren die Betriebe wie Daimler in Wörth und andere Unternehmen sehr klug und sehr angemessen. Im Jahr

2007 sowie auch in den ersten sechs, sieben Monaten des Jahres 2008 wurden auf Arbeitszeitkonten viele Überstunden angesammelt, die nun abgebaut werden. Die großen Rohstofflager werden aufgebraucht, um für die großen Herausforderungen der nächsten Monate die entsprechende Liquidität zu haben und um die zukünftigen Herausforderungen bewältigen zu können.

Herr Baldauf, wir haben intensiv in den Betrieben nachgefragt. Wir haben die Initiative der Automobilzulieferer und unseren engen Kontakt zur mittelständischen Wirtschaft genutzt, um uns ein Bild von der derzeitigen Lage zu verschaffen. Dabei haben wir das klare Signal gesendet, dass wir helfen werden. Wir bieten an, bereits jetzt Gespräche mit der Investitions- und Strukturbank oder dem Wirtschaftsministerium zu führen, um herauszufinden, ob es Betriebe mit besonderen Liquiditätsproblemen gibt. Wir eruieren, welche Maßnahmen wir ergreifen können. Darüber muss man keine Presseerklärung verfassen oder eine Aktuelle Stunde beantragen, sondern es ist wichtig, den Betrieben vor Ort konkret zu helfen und konkrete Hilfe zu organisieren. Das ist das, was die Firmen derzeit brauchen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Wir müssen die Firmen darin bestärken, nicht noch einmal denselben Fehler wie in den vergangenen Jahren zu begehen, indem sie sich in einem vermeintlichen Abschwung zu früh von Fachkräften getrennt haben und danach große Probleme hatten, wieder qualifiziertes Personal zu bekommen. Deswegen ist es richtig, Arbeitszeitkonten abzubauen, Leiharbeiter nicht weiter zu beschäftigen, die für Arbeitsspitzen eingestellt wurden – das ist notwendig, so schwierig dies auch für die einzelnen Personen sein mag –, und alle Möglichkeiten zu nutzen, die erfahrenen Facharbeiter an die Betriebe zu binden. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass sich die Konjunktur im Jahr 2009 wieder belebt und gerade in Deutschland wieder Fahrzeuge gekauft werden.

Herr Baldauf und Herr Eymael, wenn man das Sachverständigengutachten aufmerksam liest, dann gibt es eine klare Bestätigung für das Konjunkturprogramm des Bundes. Es wird nur gefordert, ein intensives Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen, mutiger auch bei der Finanzsumme zu agieren und Maßnahmen zu ergreifen, die kurzfristiger wirken. Aber es gibt keine Experten in diesem Bereich, die sagen, dass Steuererleichterungen in diesem Bereich und in dieser Situation kurzfristig wirken würden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wirksam sind jetzt Investitionen, die auf den Weg gebracht werden müssen, die kurzfristig konjunkturelle Impulse geben. Das Senken von Spitzensteuersätzen sind keine Maßnahmen, die der Konjunktur in der aktuellen Situation helfen. Wir brauchen jetzt durchdachte Impulsprogramme.

(Beifall der SPD)

Herr Baldauf, von daher gesehen war Ihr wirtschaftspolitischer Beitrag sehr bescheiden. Sie haben als einzigen Vorschlag unterbreitet, dass man die Steuern senken müsse, dann würde sich alles regeln. So einfach ist die Wirtschaft nicht. So einfach ist ein global agierendes Wirtschafts- und Finanzsystem nicht. Man muss intelligentere und komplexere Lösungen auf den Weg bringen, als immer nur denselben Satz zu sagen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD – Licht, CDU: Haben Sie die Meinung der großen Wirt- schaftsunternehmen einmal gelesen? So dumm sind die Leute nicht!)

Zunächst darf ich Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Oberschule Technik I der Berufsbildenden Schule Edenkoben begrüßen. Ich sehe gerade, sie gehen schon wieder. Trotzdem herzlich willkommen im Nachhinein!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Kollegen Walter Wirz das Wort. Es steht eine Redezeit von fünf Minuten in der zweiten Runde zur Verfügung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich hatte den Eindruck, dass Sie sich der Tatsache bewusst sind, dass alle Regelungen und Hilfestellungen des Landes bezüglich der finanziellen Hilfen für unsere Exportwirtschaft eigentlich eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber der fehlenden Nachfrage im Exportbereich darstellen. Die dort entstandenen Probleme können wir vom Land nicht regeln. Hier gibt es nicht nationale, sondern nur globale Regelungen. Dann wären wir eigentlich wieder bei den Verwerfungen, die durch die Finanzkrise entstanden sind.

Herr Minister, Sie dürfen sich nichts vormachen. Wenn Sie einzelne wenige positive Meldungen verkünden, dann darf das nicht über die schwierige Gesamtsituation gerade unserer Exportwirtschaft und der Wirtschaft, die von der Binnenkonjunktur abhängig ist, hinwegtäuschen.

Herr Kollege Hartloff hat im ersten Teil der Aktuellen Stunde zur Finanzkrise gesagt, dass diese Debatte notwendig sei, um nach Möglichkeit soziale Verwerfungen für die Zukunft zu vermeiden. Ich bin durchaus seiner Meinung. Aber eine kritische Bewertung der Gesamtumstände darf nicht das eigene Tun im Land ausklammern. Dabei denke ich in diesem Zusammenhang an die Landesbank Rheinland-Pfalz, an die Tochter der Bank, Landesbank Rheinland-Pfalz International. Ich habe noch die Worte des Vorstandsvorsitzenden Dr. Jaschinski der Landesbank Baden-Württemberg im Ohr, der gesagt hat, dass diese beiden Institute erheblichen Wertberichtigungsbedarf produziert haben, um es vornehm auszudrücken.

Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass keine unserer Landesbanken sich davon ausnehmen kann. Sie sind gewissermaßen einem Herdentrieb in der Gier nach schnellem Geld und Gewinn gefolgt.

Wir müssen uns fragen, wie die milliardenfach gehandelten sogenannten Finanzderivate aus marktwirtschaftlicher Sicht eingestuft werden können. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob der Umstand, dass auch unsere Landesregierung Forderungen von Banken an Kreditnehmer im Wohnungsbaubereich an andere Banken verkauft hat, ohne dass im Einzelnen die Kreditnehmer oder Kreditempfänger davon gewusst haben, gleichzusetzen ist mit dem Handeln von Banken, die im Wege von Derivaten ihre Forderungen an Kreditnehmer ohne deren Wissen weiterverkauft haben. Das sollten wir einmal bewerten. Ich weiß nicht, zu welchem Ergebnis eine juristische Bewertung kommt.

Nach meinem Gefühl ist hier in eklatanter Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen worden. Wenn dies so ist, sollten wir uns in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, wie es dazu gekommen ist, dass diese Finanzblase international geplatzt ist.

Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass die virtuellen Geldmengen, die in der Finanzwirtschaft derzeit noch im Handel sind, den Wert des weltweiten Bruttosozialprodukts, also den Wert des gesamten Weltwirtschaftsergebnisses, um ein Vielfaches übersteigen. Dieser Umstand kehrt das bisherige Verständnis von Volkswirtschaft, von Finanzen und Währungspolitik ins Gegenteil um. Es kehrt es auch in das Gegenteil dessen um, was in den Konferenzen von Bretton Woods einmal als Grundlage für ein Weltwährungssystem festgelegt worden ist.

Es ist kaum noch zu vermeiden, dass diese Finanzkrise auf die reale Wirtschaft durchschlägt. Eine Maßnahme dagegen wäre es, Anstrengungen für das Erstarken der Binnenkonjunktur zu unternehmen.

Ich sagte es bereits, auf der Exportseite können nur internationale oder, besser gesagt, global wirkende Maßnahmen helfen. Voraussetzung ist aber generell eine Neuordnung der Regelungen des Geldmarktes, und zwar nicht nur national, sondern auch global.

Die Vorschläge der Bundesregierung, die in diesen Tagen gemacht worden sind, werden nach unserer Überzeugung der Lage nicht gerecht.

(Glocke des Präsidenten)

Ich sage einen letzten Satz.

Herr Finanzminister, ich stimme Ihnen in der Kritik zu, dass es nicht Maßnahmen sein können, die überwiegend durch die Länder und die Gemeinden getragen werden, sondern der Bund muss auch seinen Beitrag dazu leisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Finanzminister Prof. Dr. Deubel.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wirz, Ihr Versuch, Aktivitäten der Landesregierung in Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise zu bringen, mag aus Ihrem Oppositionsverständnis heraus nachvollziehbar sein.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)