Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben aber nicht nur die Beitragsfreiheit in Kindertagesstätten eingeführt, sondern Sie haben auch, wie vorhin schon gesagt, der Umsatzsteuererhöhung im Bundesrat zugestimmt, obwohl vor der Bundestagswahl etwas anderes gesagt wurde.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Sie sehen, wie empfindlich die Menschen sein können. Schauen Sie einmal nach Hessen, wo sehr deutlich wird, wie die Menschen reagieren, wenn man vor der Wahl etwas sagt und nach der Wahl nicht das tut, was man vor der Wahl gesagt hat. Das ist nun einmal so. Ich habe

die Argumentation noch im Ohr, mit der die Steuererhöhung begründet wurde: Aus staatspolitischen Gründen und zur Sanierung des Haushalts sei dies notwendig. – Das überrascht mich; denn eigentlich stellte doch die SPD schon vor der Bundestagswahl den Finanzminister, und eigentlich hätten Sie doch wissen müssen, wie die Lage ist, als Sie gesagt haben, man brauche die Umsatzsteuer nicht zu erhöhen. Aber was mich noch mehr verblüfft, ist, dass das Geld anschließend nicht vollends zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt, sondern für viele andere Zwecke ausgegeben worden ist. Also, nicht einmal die Argumentation für die Erhöhung ist schließlich durchgehalten worden.

(Beifall der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben auch der Erbschaftsteuerreform zugestimmt. Herr Ministerpräsident, ich stimme Ihnen zu, dass ein Kompromiss notwendig sein musste, weil das Land natürlich nicht von heute auf morgen auf derart hohe Einnahmen verzichten kann, und ich stimme Ihnen auch zu, dass man sicherlich immer Kompromisse schließen muss. Aber Sie werden verstehen, dass ich aus der Opposition heraus bei dem einen oder anderen Ergebnis zumindest die Sinnhaftigkeit des Kompromisses hinterfrage.

Diese Sinnhaftigkeit ergibt sich für mich nicht bei der Veränderung der Besteuerung für Nichten, Neffen und Geschwister. Ich habe das Beispiel im Parlament schon einmal gebildet:

Wir haben es zunehmend mit Menschen zu tun, die allein alt werden und deren Betreuung und Pflege im Alter vielleicht ihre Nichten und Neffen übernehmen. Für sie verändert sich aber die Besteuerung bei der Erbschaftsteuer, wenn ihnen beispielsweise aus Dankbarkeit von Onkel und Tante ein Haus vererbt wird, ganz dramatisch.

Ich möchte diese Veränderung an einem Rechenbeispiel deutlich machen. In der Literatur lautet immer die Kritik zum bisherigen Erbschaftsteuerrecht, dass bei einem Haus nach der bisherigen Berechnungsmethode für die Erbschaftsteuer für die Wertermittlung nur 60 % des tatsächlichen Wertes erfasst wird. Wenn Sie also ein Haus vererben, das einen Verkehrswert von 200.000 Euro hat, würde es nach bisherigem Recht von der Werterfassung nur 120.000 Euro betragen. Davon müssen der Freibetrag in Höhe von 10.000 Euro und darüber hinaus – sehr großzügig berechnet – noch einmal 10.000 Euro für Nebenkosten und weitere, im Zusammenhang mit dem Todesfall anfallende Kosten abgezogen werden. Somit verbleiben 100.000 Euro. Bisher musste der Erbe davon 17.000 Euro bezahlen.

Wenn wir zukünftig von einem Verkehrswert von 200.000 Euro ausgehen, müssen ein erhöhter Freibetrag von 20.000 Euro und wiederum die Nebenkosten in Höhe von 10.000 Euro abgezogen werden. Somit verbleiben noch 170.000 Euro. Nun werden aber nicht 17 %, sondern 30 % fällig. Somit zahlt die Nichte oder der Neffe für das gleiche Häuschen nicht 17.000 Euro, sondern das Dreifache, also 51.000 Euro. Ob dies den Familienverbund fördert, ob dies angemessen ist, wenn innerhalb eines Familienverbundes Pflegeleistungen

erbracht werden, wage ich doch sehr stark zu bezweifeln, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der FDP)

Auf die Intervention aus Bayern hin ist bei der Vererbung eines Hauses an die Ehefrau ebenfalls eine Veränderung vorgenommen worden. Sie kann jetzt relativ große Häuser steuerfrei bekommen, also auch das kleine Häuschen, das ich soeben in meinem Rechenbeispiel genannt habe. Sie hat nur eine Auflage zu erfüllen: Sie muss zehn Jahre lang darin leben.

Nun wohnt ein Ehepaar irgendwo in Rheinland-Pfalz, und die Kinder leben berufsbedingt sehr weit entfernt. Wenn der eine Partner plötzlich verstirbt, würde der andere eigentlich gern zu seinen Kindern ziehen, das kann er aber nicht, da ansonsten die Erbschaftsteuer fällig wird. Das kann doch wohl keine sinnvolle Lösung sein.

(Beifall der FDP)

Der überlebende Partner muss also allein und einsam in seinem Wohnort bleiben und darf nicht zu seinen Kindern ziehen, weil ihm die Steuer dies nicht ermöglicht. Dies sehen wir nicht als eine vernünftige Regelung an.

(Eymael, FDP: Er kann doch das Haus mitnehmen!)

Ja, es ist nur so schwer, wenn es kein rollender Wagen ist, Herr Kollege.

Wir werden uns wahrscheinlich – wenn auch nicht öffentlich, so doch unter der Hand und im Hintergrund – sehr schnell einig sein, dass dies auch das Einfallstor sein wird, wo das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich wieder zuschlägt; denn es wird wiederum Immobilienvermögen auf der einen Seite anders behandelt als Barvermögen auf der anderen Seite, und zwar in einem recht beträchtlichen Umfang. Was Herrn Seehofer an dieser Stelle geritten hat, dies zu fordern, verstehe ich bis heute nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der FDP – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Zur Erbschaftsteuer muss man auch sagen, dass natürlich auch Firmen davon betroffen sind, insbesondere Familienunternehmen, wenn sie an mehreren Stellen ansässig sind. Man muss als Familienunternehmer schon überlegen, ob man seinen Firmensitz noch in Rheinland-Pfalz halten kann. Man muss unter Umständen Überlegungen anstellen, ob man nicht etwas anderes vornimmt. Wenn die Familienunternehmen anfangen, ihren Firmensitz zu verlegen, habe ich die große Sorge, dass irgendwann auch die Arbeitsplätze dem Firmensitz folgen werden. Auch deshalb haben wir Bedenken bei dieser Regelung.

(Beifall der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zur Schule machen. Herr Kollege Hartloff hat dargelegt, dass morgen die

Schulstrukturreform verabschiedet werden soll und die Realschule plus endgültig eingeführt wird. Ich wäre froh gewesen, wenn die Landesregierung mit der Umsetzung dieses Gesetzes gewartet hätte, bis morgen die SPDFraktion es beschlossen hätte. Es gehört zur Ehrlichkeit dazu festzustellen, dass man mit der Umsetzung begonnen hat, bevor das Parlament darüber beschlossen hat.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Von uns wurde nie die Forderung erhoben, die Landesregierung möge ein Gesetz umsetzen, das der Landtag noch gar nicht beschlossen hat. Das werden Sie von mir nicht hören.

Aber beschäftigen wir uns einmal mit der Realschule plus. Ich habe schon deutlich gemacht, dass natürlich auch meine Fraktion sieht, dass es Probleme im Hauptschulbereich gibt. Natürlich sehen wir, dass an dem einen oder anderen Standort Veränderungen notwendig sind, weil wir wissen, dass die Eltern mit den Füßen abstimmen. Uns leuchtet aber nicht ein, weshalb die Probleme dadurch gelöst werden sollten, dass die Hauptschule mit der Realschule fusioniert und nun die Bezeichnung „Realschule plus“ trägt.

(Beifall der FDP)

Die Probleme, die die Eltern gesehen haben, um ihre Kinder nicht in die Hauptschule zu schicken, sind dann in diese neue Schulform hinein importiert worden, und wir haben die Befürchtung, dass die Eltern ihre Kinder dann eben auch nicht in diese neue Schulform schicken werden.

(Beifall der FDP)

Wir gehen vielmehr davon aus, wie es auch in anderen Bundesländern war, dass die Eltern ihre Kinder entweder in das Gymnasium schicken oder auf eine Integrierte Gesamtschule, aber eben nicht in diese neue Schulform.

(Frau Mohr, SPD: Die kommen zurück, weil sie nicht geeignet sind!)

Frau Kollegin, wir werden dann abzuwarten haben, wie es sich entwickeln wird. Aber es gibt Erfahrungen aus anderen Bundesländern, in denen es eben so war. Weshalb muss man Fehler, die andere gemacht haben, in diesem Land noch einmal machen? Das leuchtet uns nicht ein.

(Beifall der FDP – Frau Mohr, SPD: Schauen wir einmal!)

Wir sehen auch nicht, wie sich die Situation der Hauptschüler, die dort hineinkommen, verbessert.

Sie sagen, wir senken die Klassenmesszahl auf 25 in den ersten beiden Jahrgängen. Uns sagen alle, dass dies den Hauptschülern keinen Vorteil bringen wird, weil sie bisher in kleineren Klassen waren, nämlich mit einer Klassenmesszahl von 19.

(Beifall der FDP)

Es ist allenfalls ein Vorteil für die Realschüler, die bisher 30 hatten. Aber es sind doch gerade die Hauptschüler, die dann, wenn es zusammengeht, die größeren Anstrengungen unternehmen werden. Für sie verschlechtern sich die Rahmenbedingungen. Insofern meinen wir, dass Handlungsbedarf besteht.

(Beifall der FDP)

Sie sagen zu Recht – das sehen wir auch so –, dass keiner ohne Abschluss abgehen soll, so es denn überhaupt machbar ist und er auch will. Da sind wir uns einig. Wenn jemand absolut nicht lernen will, dann können wir beide tun, was wir wollen, es wird nicht funktionieren.

(Billen, CDU: Euch beide als Lehrer würde ich gerne einmal sehen!)

Aber, so er denn will, soll er auch die Chance haben.

Ich habe noch das Bild im Auge, bei dem Herr Kollege Baldauf sagte, Frau Ahnen sei die Wetterfee. Das stelle ich mir jetzt so geistig vor, wie Sie als Wetterfee agieren, das wäre noch etwas.

(Baldauf, CDU: Wobei, das könnte man sich – – – Billen, CDU: Das wären dann zwei Hobby-Lehrer! – Weitere Zurufe im Hause)

Schauen wir uns aber einmal die Situation an der Schule an. Ihr Vorschlag ist, es soll jeder am Ende noch einmal sozusagen ein Jahr drauflegen können, um dann den Abschluss doch noch zu schaffen. Da sagen uns alle Fachleute, dass dieser Ansatz nicht richtig sei, weil die Schüler zu diesem Zeitpunkt gar keine Lust mehr hätten, in die Schule zu gehen und dieses zusätzliche Jahr – frustriert, wie sie dann schon sind – nicht so viel bringen würde. Insofern würden wir dafür plädieren, schon bereits von Anfang an die schwächeren Schüler besonders intensiv zu unterstützen, damit diese Ehrenrunde am Ende überhaupt nicht notwendig ist.

(Beifall der FDP)

Für uns ist nicht ganz nachvollziehbar, weshalb mit dieser Realschule plus dem eigentlich gut funktionierenden berufsbildenden System jetzt eine Konkurrenz erwächst, die gar nicht notwendig ist. Der Bereich „plus“ wurde bisher vom berufsbildenden Bereich in hervorragender Weise dargelegt. Sie befürchten nicht ganz zu Unrecht, dass das Personal, das sie bisher hatten, unter Umständen in die Realschule plus verlagert werden muss, damit dort dann das Angebot gemacht werden kann.

Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zum Bereich der Hochschulen. Hier haben wir eine Situation, bei der Sie im Land jetzt ein Sondervermögen schaffen, was wir nicht kritisieren. Dieses Sondervermögen ist ein Betrag, den die Hochschulen sehr gut gebrauchen können. Das ist etwas, was allerdings nach allem, was wir auch im Ausschuss von Fachleuten zu hören bekamen, nicht ausreichen wird; denn trotz dieser Zahlungen, die im Sondervermögen hinterlegt sind, werden die Hochschulen nach dem, was uns Fachleute sagen, im Land

Rheinland-Pfalz am Ende der Skala der Bundesländer in ihrer Ausstattung liegen. Deswegen ist es aus unserer Sicht erforderlich, dass zusätzliche Anstrengungen unternommen werden.

(Beifall der FDP)