Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Herr Baldauf, ein Bekenntnis der CDU Rheinland-Pfalz zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre hier und heute ein wichtiger Schritt, um weiteren Schaden vom Ruf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzuwenden.

(Beifall der SPD – Harald Schweitzer, SPD: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Ich komme auf den Staatsvertrag zurück. Die VPRTBeschwerde hat die EU-Kommission im April 2007 mit einer Entscheidung beendet, die maßgeblich von den hier anwesenden Personen, Herrn Ministerpräsidenten Beck und dem Chef der Staatskanzlei und – ich erlaube es mir auch zu sagen – der medienpolitischen Legende, Herrn Dr. Drewitz, in unzähligen Sitzungen mitgestaltet wurde. Ihnen ist es gelungen, eine der wesentlichen kulturellen Errungenschaften Deutschlands, geboren aus den Erfahrungen des Dritten Reichs mit seinen gleich

geschalteten Medien zu erhalten und zukunftsfähig zu machen: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Sie haben geholfen, der Argumentation der EU und der interessengeleiteten Privatwirtschaft zu widersprechen, dass Medienunternehmen Wirtschaftsbetriebe seien, wie Unternehmen aus x-beliebigen Branchen. Meine Damen und Herren, nein, unsere Medienlandschaft in Deutschland ist eine kulturelle Errungenschaft, eine Erfolgsgeschichte, die es in die digitale Ära zu übertragen gilt.

Der jetzt gefundene Kompromiss sieht, wie im Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag festgehalten, eine Präzisierung in vier Bereichen vor und beinhaltet Gestaltungsmöglichkeiten:

1. Die Konkretisierung des Auftrags von ARD und ZDF für digitale Fernsehprogramme und Telemedien.

2. Die Verankerung eines Verfahrens für die Beauftragung mit neuen oder veränderten Telemedien.

3. Die klare Trennung kommerzieller Tätigkeiten von Betätigungen im Auftragsbereich.

4. Eine verbesserte Kontrolle.

Ganz konkret sieht der Vertrag bezüglich der OnlineAktivitäten von ARD und ZDF vor, Sendungen dürfen nur sieben Tage im Netz bleiben, Großereignisse und Bundesligaspiele z. B. nur 24 Stunden. Zusätzliche Angebote müssen strikt sendungsbezogen sein, ausgeschlossen sind damit z. B. Anzeigenportale, kommerzielle Spiele, Musikdownloads, Partner- oder Tauschbörsen.

(Pörksen, SPD: Was?)

Neue und bestehende Internetangebote müssen zudem durch einen Drei-Stufen-Test. Dort wird geprüft, ob diese digitalen Angebote einen publizistischen Mehrwert haben und welcher finanzielle Aufwand dafür erforderlich ist.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Errungenschaft der Demokratie, die im föderalen System ein hohes und schützenswertes Gut darstellt.

Der Grundversorgungsauftrag, den Hörfunk und Fernsehen für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten haben, umfasst die Herstellung und Verbreitung entsprechender Programme als Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung. Ein kleines Beispiel aus jüngster Vergangenheit verdeutlicht, dass hierzu vor allem Qualitätsjournalismus gehört.

Die Aufregung um den falschen zusätzlichen Vornamen des neuen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor von und zu Guttenberg und dessen berufliche Vita – hat er Erfahrung in der Wirtschaft, oder hat er keine, wo hat er sie erlangt – hat in Deutschland eine breite Diskussion über die Recherchequalität der Journalisten in Bezug auf Internetquellen ausgelöst. Ein Fälscher, der sich mittlerweile auch zu seiner Tat bekannt hat, hat den OnlineEnzyklopädie-Eintrag über den Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg absichtlich geändert. Von etablierten

deutschen Medien wie „SPIEGEL ONLINE“, dem „Handelsblatt“, der „Süddeutschen Zeitung“ und der „BILDZeitung“ wurden diese falschen Angaben unkontrolliert übernommen.

Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist genau dieser Fehler nicht unterlaufen. Er wurde sogar sehr schnell aufgedeckt. Medienmagazine wie „Zapp“ hatten diese Informationen sehr schnell hinterfragt und zum Gegenstand intensivster Recherchen gemacht. Meine Damen und Herren, genau dies ist die Qualität, wie wir sie als Parlament auch benötigen. Hätten wir diese Qualität nicht, würden wir auch heute noch glauben – wahrscheinlich auch die Damen und Herren der CDU –, dass der neue Bundeswirtschaftsminister „Wilhelm“ hieße.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Beispiel verdeutlicht, wir brauchen die ÖffentlichRechtlichen und ihre Qualitätsstandards gerade auch im Internet.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Dr. Weiland.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sollen, was können und was dürfen ARD, ZDF und Deutschlandradio? – ich denke, dies sind die Kernfragen des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Die Antworten, die in diesem Staatsvertrag gegeben werden, kann man ernsthaft nicht beurteilen, ohne zumindest einmal kurz einen Blick auf das Umfeld der Diskussion zu werfen, aus dem diese Antworten hervorgehen und hervorgehen müssen. Zu diesem Umfeld gehören Akzeptanzprobleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, was seine Finanzierung angeht, und dies in einer Intensität, in der sie in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bisher nach meinem Eindruck nicht bekannt gewesen sind. Immerhin reden wir über ein Finanzvolumen für ARD, ZDF und Deutschlandradio von jährlich über 7 Milliarden Euro.

(Bauckhage, FDP: Fast 8!)

Ich glaube, es ist nicht mehr als normal, dass sich eine öffentlich-rechtliche Institution zumal in einem demokratischen Staat dafür zu rechtfertigen hat.

Zu dem Umfeld, in dem die Antworten auf die Frage „Was soll, was kann, was darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk?“ gegeben werden, gehört aber auch, dass wir uns in einem immer härter umkämpften Medienmarkt befinden, in dem privatwirtschaftliche Rundfunkanbieter um ihre Marktanteile, ja, um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen müssen, wobei man auch sagen können darf, dass diese wirtschaftlichen Probleme, in denen sich manche privatwirtschaftlich organisierten Medienunternehmen befinden, ihre Ursache nicht in der Rundfunkgebühr haben. Auch dies gehört zur Wirklichkeit dazu.

Zum Umfeld gehört auch eine grundlegende Änderung in der Mediennutzung und im Medienkonsum: weg von den herkömmlichen Verbreitungs- und Kommunikationswegen hin zum Internet. Wenn beispielsweise 93 % der 20- bis 29-Jährigen und 96 % der 14- bis 19Jährigen regelmäßig das Internet nutzen, braucht es keine große Fantasie, sich vorzustellen, dass dies natürlich Auswirkungen auf die Erreichbarkeit durch die öffentlich-rechtlichen Medien auf den herkömmlichen Wegen hat.

Aber die Frage der Präsenz der öffentlich-rechtlichen Medien im Internet – Stichwort „Telemedien“ – ist nicht nur eine Frage des Verbreitungsweges, also nicht nur eine Frage der Technik, sondern es ist auch eine Frage der Inhalte.

Zu dem Umfeld, in dem die Frage „Was kann, was soll, was darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk?“ beantwortet werden muss oder soll, gehört auch eine stetig wachsende Informationsflut, mit deren Anwachsen die Hilfen für Orientierung und Einordnung keineswegs Schritt halten, jedenfalls nicht im Gefühl der meisten Mediennutzer. Damit geht ein – zumindest gefühlter – zunehmender Niveauverlust in dem einher, was uns auf dem Medienmarkt angeboten wird. Dies ist also – ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben – der Rahmen, in dem diese Fragen beantwortet werden, in dem der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu betrachten ist.

Die Antworten auf diese Fragen sind – Herr Ministerpräsident Beck hat soeben darauf hingewiesen – zunächst einmal nach Brüssel zu geben. Ich denke, es war vorausschauend und gut – darin besteht Übereinstimmung im ganzen Haus –, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Sache der Mitgliedstaaten in der Anlage zum Amsterdamer Vertrag 1997 festgeschrieben worden ist.

Wenn ich mich richtig erinnere, sind in diesem Zusammenhang auch die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute erwähnt worden, was sich heute ebenfalls als sehr vorausschauend und gut erweist.

(Ministerpräsident Beck: Richtig!)

Wenn wir das als Erfolg sehen, was in der Anlage zum Amsterdamer Vertrag 1997 über die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten geschrieben worden ist, dann dürfen wir uns natürlich im Umkehrschluss auch nicht wundern, wenn in der Folge die Europäische Union danach gefragt hat, was wir unter dem Begriff „öffentlichrechtlicher Rundfunk“ verstehen und ob wir diesen Begriff füllen können. Die Umsetzung der Füllung dieses Begriffs ist mit ein Hauptanliegen dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags.

Auf die anderen Bereiche der Europäischen Union, des Europäischen Gerichtshofs und das Beihilfeverfahren ist ausführlich eingegangen worden. Ich möchte nur auf einen Wechsel in der Begrifflichkeit hinweisen, der auch einen Wechsel im Denken und in den Inhalten nach sich zieht oder jedenfalls nach sich ziehen sollte. Ob man in diesem Zusammenhang von Paradigmenwechsel sprechen kann, weiß ich nicht, es ist möglicherweise ein bisschen zu pathetisch. Aber es ist schon ein bedeuten

der Wechsel. Bisher haben wir die Rundfunkgesetzgebung im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer entweder ausschließlich oder doch überwiegend als Erlaubnis an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verstanden, irgendetwas zu tun.

Nun, im Zuge der Forderungen aus Brüssel, beauftragen wir ausdrücklich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, im Dienste der Gesellschaft bestimmte Angebote zu unterbreiten und Veranstaltungen anzubieten. Dies ist ein grundlegender Wechsel in der Sichtweise, der – so glaube und hoffe ich – zu einer gedeihlichen Weiterentwicklung auch in der Diskussion darüber beitragen kann, was der Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Die Fragen gegenüber Brüssel werden beantwortet.

Die Fragen sind aber auch gegenüber den privatwirtschaftlichen Marktteilnehmern am Mediengeschäft, den privatwirtschaftlichen Medienunternehmen, zu beantworten, die zu Recht an die Rundfunkpolitik die Frage stellen: Was wollt ihr eigentlich tun, damit eine Marktmacht, ausgehend von einem Gebührenaufkommen von über 7 Milliarden Euro, uns nicht die Luft zum Atmen nimmt?

(Beifall der CDU)

Wie wollt ihr Wettbewerb in der dualen Rundfunkordnung denn weiterhin gestalten, insbesondere auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich uns im Internet z. B. eröffnen? – Auch darauf gibt dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Antwort: im Internet hinsichtlich der Regelungen für die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Angebote und Inhalte, bei den Printmedien mit dem ausdrücklichen Verbot der Veranstaltung von Online-Presse. –

Die Frage „Was soll, was kann, was darf der öffentlichrechtliche Rundfunk?“ ist schließlich gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst zu beantworten, der sich – gestützt auf die Verfassung und die Verfassungsrechtsprechung – an die Rundfunkpolitik mit der Frage wendet: Ja, was dürfen wir denn jetzt? Wie sieht unsere zukünftige Entwicklung weiter aus? –

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich in die Einzelheiten gehe, denke ich, wäre es nicht schlecht, wenn wir uns möglicherweise oder wahrscheinlich auch jenseits des Streits über einige Grundsätze verständigen könnten. Schließlich befinden wir uns in der ersten Lesung. Möglicherweise bietet die zweite Lesung noch einmal die Gelegenheit, das eine oder andere im Detail miteinander zu besprechen.

Von meiner Seite aus möchte ich anmerken, bei dieser Ausgangslage, bei diesem schwierigen Umfeld, in dem dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag verhandelt, diskutiert und dann entworfen wurde, war es keineswegs selbstverständlich, dass man zu einer Einigung kommt. Manchmal schien das Scheitern vielleicht sogar wahrscheinlicher als das Gelingen. Er ist jedenfalls der Abschluss eines Prozesses über mehrere Jahre. Er ist aber nicht der Abschluss einer Diskussion über die weitere Entwicklung der Rundfunklandschaft in Deutschland.

Auch darauf ist, wie ich finde, berechtigterweise hingewiesen worden.

Er ist ein wichtiger und richtiger Schritt in die richtige Richtung. Er ist aber nur ein Schritt, und wir müssen uns vergegenwärtigen, dass mit ihm die Diskussion nicht aufhört und weitere Schritte folgen werden und folgen müssen. Das könnte gegebenenfalls auch der einen oder anderen etwas fundamentalistisch vorgetragenen Kritik ein klein wenig die Schärfe nehmen, wenn man weiß, dass es auch nach diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag noch weitergeht.

Er ist jedenfalls nicht das abschließende Machtwort des Gesetzgebers in einer Diskussion, sondern – auch darauf ist hingewiesen worden – er ist als Ausgangspunkt für einen weiteren Entwicklungsschritt zu betrachten.

Ich denke, hinsichtlich der weiteren Entwicklung ist es von Bedeutung, dass wir uns jenseits der wichtigen und notwendigen Regelungen im Einzelnen, z. B. hinsichtlich der Telemedien, Stichwort „Drei-Stufen-Test“, Stichwort „Konkretisierung des Auftrags, Definition von Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung“ – – –.

In dem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich positiv anmerken, dass der Rundfunkänderungsstaatsvertrag bei der Unterhaltung das Profil der öffentlich-rechtlichen Anstalten besonders schärft und besonders herausarbeitet, indem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Unterhaltung im öffentlich-rechtlichen Sinne sich deutlich von dem unterscheiden muss, was andernorts angeboten wird. Ich denke, das ist ein wichtiger Hinweis für die weitere Entwicklung.

Ein ganz großes Problem nicht dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags, aber der weiteren Entwicklung, die wir ausgehend von diesem Regelungswerk miteinander besprechen müssen, ist, glaube ich, die Akzeptanz der jungen Menschen im Hinblick auf die Angebote der öffentlich-rechtlichen Medien.

Wenn man sich anschaut, dass ARD und ZDF Zuschauer haben, von denen etwa 50 % des Anteils bei den über 65-Jährigen liegen und gerade einmal 5 % bei den unter 30-Jährigen, glaube ich, braucht man keine großen theoretischen Analysen mehr anzustellen, wo die Aufgaben der Zukunft liegen.

(Beifall bei der CDU)

Hier geht es dann auch um die Verbreitungswege, wenn man weiß, dass sich Kinder und Jugendliche, insbesondere Jugendliche, nicht mehr vor den Fernsehapparat oder vor den Radioapparat setzen

(Bauckhage, FDP: Oder die Zeitung kaufen!)