Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet und die Fragestunde beendet. Wir belegen durch unsere Fröhlichkeit, dass man auch ohne Alkohol dazu kommen kann.
„Blockadehaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei der Neuorganisation der Jobcenter: Folgen für Arbeitslose in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/3237–
Die Aktuelle Stunde ist dreigeteilt. Die Redezeit beläuft sich in der ersten Runde auf jeweils fünf Minuten und in der zweiten Runde auf jeweils zwei Minuten. – Frau Grosse, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der Blockadehaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Reform der Jobcenter ist die Presse voll mit Meldungen wie folgt: „JobcenterDebakel“, „Armutszeugnis“, „Kommunen bestürzt über Scheitern der Jobcenter-Reform“.
Meine Damen und Herren, selbst die „Financial Times Deutschland“ titelte: „Albtraum für Arbeitslose“.
Meine Damen und Herren, auch die letzte Überschrift „Albtraum für Arbeitslose“ trifft noch nicht das, was nach meiner Einschätzung eintreten wird, wenn dieser Kompromiss tatsächlich scheitern wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es mit einem viel größeren Problem zu tun haben werden, als das bisher wahrgenommen wird. Das wird Millionen von Menschen treffen.
Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, was die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dazu bewogen hat, diesen Kompromiss platzen zu lassen. Das ist unverant
wortlich. Das kann verheerende Folgen für den Arbeitsmarkt und nicht nur für die 370 bundesweit agierenden ARGEn bzw. Jobcenter, sondern natürlich auch für die 33 ARGEn in Rheinland-Pfalz und für die zwei Optionskommunen haben.
Meine Damen und Herren, zur neuen Organisationsform im SGB II, um die Jobcenter auf verfassungsmäßig guten und festen Boden zu stellen, hat sich das Bundesverfassungsgericht Ende des Jahres 2007 erklärt und dabei deutlich gemacht, dass die Vermittlung aus einer Hand sehr wohl in Ordnung und gut ist, dass wir sie aber verfassungsfest gestalten müssen.
Dann gab es ein Gespräch der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin, in dem man sich darauf einigte, diese Vermittlung aus einer Hand solle fortgeführt werden, sodass verfassungsrechtlich dafür der Boden geschaffen werden müsse. Es wurden unser Ministerpräsident Kurt Beck und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers beauftragt, gemeinsam mit der Bundesregierung einen Kompromiss zu finden. Meine Damen und Herren, das ist nach monatelangen und sehr schwierigen Verhandlungen geglückt. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Ministerpräsidenten Kurt Beck und Malu Dreyer für die insgesamt sehr, sehr schwierigen Verhandlungen danken.
Ergebnis war, dass alle 16 Bundesländer diesem Kompromiss zugestimmt haben. Alle 16 Bundesländer! In all der Zeit der Verhandlungen gab es nicht ein Wort aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Es gab nicht einen Einspruch. Nichts hat sie verlauten lassen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, und auch die CDU/CSUBundestagsfraktion muss sich darüber im Klaren sein, wie die Folgen aussehen werden, wenn es nicht zu dem vereinbarten Kompromiss kommt. Die ARGEn – bundesweit genauso wie in Rheinland-Pfalz – können dann die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen nicht mehr vornehmen. Es wird keine gemeinsame Vermittlung von Bund und Kommunen mehr geben können. Auch die 69 Kommunen – ich vermute, das ist übersehen worden –, die sich in Optionsmodellen befinden, können verfassungsrechtlich nicht abgesichert werden. Sie können nicht entfristet werden.
Nein, Frau Thelen, das stimmt nicht. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Sie können nicht entfristet werden, und sie können verfassungsrechtlich nicht auf festen Boden gestellt werden.
Das bedeutet, auch die 69 Optionskommunen befinden sich im freien Raum, und alles würde auf eine getrennte Aufgabenwahrnehmung hinauslaufen. Wir würden arbeitsmarktpolitisch vor die Zeit von 2005 zurückfallen. Meine Damen und Herren, das wäre für die Arbeits
Die Fachleute der kommunalen Spitzenverbände, Fachleute aus der gesamten Arbeitsmarktpolitik, niemand versteht das Verhalten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Eines müssen Sie auch sehen: Natürlich geht mit dieser Blockadehaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein Riesenkonflikt mit der CDU im Allgemeinen und der CDU in den Ländern einher.
Vergangene Woche gab es genau zu diesem Thema eine Debatte in Nordrhein-Westfalen. CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat sich eindeutig geäußert.
Er hat wörtlich gesagt: „Deswegen halte ich die Entscheidung, die die CDU-Fraktion am Dienstag im Deutschen Bundestag getroffen hat, … für ganz eindeutig falsch.“ Ich kann dem CDU-Minister aus NordrheinWestfalen nur zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann nachvollziehen, dass die Beschlüsse des Bundestages in den Medien ein Stück weit skandalisiert werden
und man zum Teil auch Panikmache betreibt. Sehr geehrte Frau Grosse, ich finde es allerdings absolut unverantwortlich, dass Sie sich auf dieses Niveau begeben, diese Panik hier noch schüren
und, wie Sie zu Recht gesagt haben, Millionen von Menschen völlig überflüssigerweise verunsichern. Es wird keine Menschen geben, die davon betroffen sind.
Da Sie gern die Überschriften von Zeitungsartikeln zitieren, möchte ich eine dazusetzen. Es gibt auch andere, wie in der „FAZ“. Da steht: „Kommunale Verantwortung anstelle eines ‚Bundessozialamts’. Mit der Ablehnung
des Jobcenter-Kompromisses zeigt die Unionsfraktion, dass Subsidiarität für sie nicht nur eine Phrase ist.“
Halten wir also die Fakten fest: Hartz ist vielen bekannt. Es gab eine Reihe von Reformen im Rahmen des Gesamtpakets Hartz, unter anderem die Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe für Langzeitarbeitslose, was seit 2005 in den sogenannten ARGEn wahrgenommen wird. Es gibt 346 ARGEn. Es gibt 20 Kommunen, die die Aufgaben getrennt wahrnehmen: Sozialhilfe kommt von der Kommune, und die Bundesagentur für Arbeit übernimmt die Arbeitsvermittlung für die Langzeitarbeitslosen. Außerdem gibt es 69 sogenannte Optionskommunen, die auf freiwilliger Basis alles machen.
Wir haben also eine Gemengelage, die vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat das Ende 2007 nicht nur wegen untergeordneter verfassungstechnischer Fragen als grundgesetzwidrig verworfen, sondern auch, weil es darin einen Verstoß gegen das Demokratiegebot des Grundgesetzes sah. Das ist aber ein wesentlicher Bestandteil unserer Verfassung, unserer Gesellschaftsstruktur. Für den Bürger muss es nämlich klar sein, welche politische Einheit für ein bestimmtes Behördenhandeln Verantwortung trägt. Nur dann kann er diese politische Verantwortung auch zuordnen und bei den Wahlen – den Kommunalwahlen, den Bundestagswahlen – durch Zustimmung oder Nichtzustimmung entsprechend bewerten.
Es ist sehr wohl ein wesentliches Merkmal unserer Demokratie, dass das Kreuz auf dem Wahlzettel durchaus auch auf die Art des Verwaltungshandelns seine Wirkung entfalten können muss. Die Mischverwaltung der Jobcenter lässt dies nicht zu. Was die vorgeschlagene Grundgesetzänderung betrifft – das ist der Witz des Kompromisses –, so sagt man: Hier passt etwas nicht mit dem Grundgesetz zusammen, und es ist ganz schwer, das Ziel Hartz IV noch umzusetzen, wenn wir das Grundgesetz weiter als Hindernis im Wege haben. Also ändern wir einfach das Grundgesetz, dann stellen wir fest, dass wir das Demokratieprinzip zwar im Grunde wollen, aber für diese besondere Verwaltung gerade einmal nicht.
Meine Damen und Herren, ich kann sehr gut nachvollziehen, dass unsere CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagt: So locker gehen wir mit unserer Verfassung nicht um.
An dieser Stelle muss die Qualität und Seriosität einer Neuregelung mit Sicherheit vor Schnelligkeit gehen.
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zum Kompromiss und zu der angeblichen Verunsicherung. Fakt ist doch, dass wir im Moment eine gesicherte Aufgabenwahrnehmung in ARGEn haben. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Frist bis zum 31.12.2010 gesetzt. So lange können sie ohne Probleme weiterarbeiten.