Mehr als ein Viertel der zukünftigen Schulanfängerinnen und Schulanfänger kann damit bei Bedarf an dem zusätzlichen Sprachförderprogramm teilnehmen. In der Basissprachförderung stehen 8.520 Plätze zur Verfügung, in der Intensivsprachförderung 2.652.
Frau Abgeordnete Morsblech, bezogen auf Ihre Fragestellung nach den Kommunen, bin ich insofern in einer
sehr günstigen Position, als dass ich Ihnen die eben dargestellte Aufteilung jetzt auch für 41 Jugendämter verlesen kann. Ich mache es einmal an einem Beispiel deutlich:
Kreisverwaltung Ahrweiler: Basissprachförderung 36 Maßnahmen mit 261 Plätzen, Intensivsprachförderung sechs Maßnahmen mit 33 Plätzen, Gesamtzahl Sprachförderplätze 294, in Prozent der Schulanfänger 23 %, im Vergleich mit den Kindern nicht deutscher Herkunftssprache 10 %.
Wollte ich die Frage und soll ich die Frage nach der kommunalen Aufteilung beantworten, müsste ich das jetzt für 41 Jugendämter verlesen. Ich mache es gern, bin aber auch gern bereit, es schriftlich zur Verfügung zu stellen.
Ich weise darauf hin, man muss die Fragen auch so stellen, dass sie in einer geschlossenen Form beantwortet werden können.
Zu Frage 2: Die rheinland-pfälzische Sprachförderung baut auf Nachhaltigkeit und Kontinuität. Den grundlegenden Rahmen bilden die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten, die mit den großen Trägerorganisationen und dem Landeselternausschuss entwickelt wurden. Es werden Grundsätze mit Handlungsempfehlungen aufgezeigt bezogen auf die Förderung der allgemeinen Kommunikationsfähigkeit, die Stärkung produktiver wie rezeptiver Fähigkeiten, also zum Beispiel Wortschatz, Anweisungsverständnis, grundlegende grammatikalische Strukturen, die Stärkung der phonologischen Bewusstheit und die Förderung der Schriftsprachlichkeit, allgemeine Hinführung und Förderung von „Literacy“ – so nennt man das heute –, also Lese- und Schreibkompetenz.
Es gibt dabei nicht das eine pädagogische Konzept, allerdings legen wir der Sprachförderung solide Standards zugrunde:
1. Sprachförderung von Anfang an als zentrale durchgängige Querschnittsaufgabe der Kindertagesstätten, wie es auch in den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen deutlich wird.
2. Gezielte individuelle Sprachförderung in Kleingruppen in Ergänzung zur alltäglichen Sprachförderung in der Kindertagesstätte.
3. Sprachstandseinschätzung und Beobachtung der Sprachentwicklung für die gezielte Förderung, zum Beispiel auch durch solche Maßnahmen wie SISMIK, ein
Beobachtungsbogen für Kinder mit Migrationshintergrund, oder auch das neue Einschätzverfahren zum Sprachförderbedarf.
4. Wertschätzung und Förderung der Familien- und Herkunftssprache als ein Schlüssel zur Mehrsprachigkeit und zur Interkulturalität. Das spiegelt sich zum Beispiel in den über 300 zusätzlichen Erziehungskräften in den Kindertagesstätten wider, für die das Land bis zu 60 % der Personalkosten übernimmt.
5. Ermöglichung einer durchgängigen Sprach-/Lernbiographie durch die Kooperation von Kindertagesstätten und Grundschulen. Das Einverständnis der Eltern vorausgesetzt erfolgt auch ein Austausch über den Sprachstand und die Sprachentwicklung der Kinder. Kindertagesstätten und Grundschulen informieren sich wechselseitig über Förderkonzepte und Materialien. Es finden auch wechselseitige Hospitationen statt. Ebenso werden gemeinsame Sprach- und Leseprojekte durchgeführt.
6. Stärkung der Sprachförderkompetenz der pädagogischen Fachkräfte durch Fort- und Weiterbildungsangebote sowie durch gezielte Fachtagungen. Allein im Jahr 2005 wurden über Fortbildungen und Sprachfachtagungen ca. 1.200 Fachkräfte erreicht. Im Jahr 2006 sind es bislang über 1.300 Fachkräfte.
Zu Frage 3: Ob ein Kind Sprachförderbedarf hat, stellen die Fachkräfte der Kindertagesstätte fest. Dabei wird eingeschätzt, ob die Kinder mit ihren aktuellen Sprachfähigkeiten noch eine zusätzliche Unterstützung benötigen, die wegen ihrer nötigen Intensität nicht im Rahmen der alltäglichen Sprachförderung der Kindertagesstätte abgedeckt werden kann.
Die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten formulieren für diese Einschätzung das grundsätzliche Kriterium, Kinder sollen bis zum Eintritt in die Schule aktiv und passiv an einem Gespräch auf Deutsch teilnehmen und einer Erzählung oder einer vorgelesenen Geschichte auf Deutsch folgen können.
Damit Erziehungskräfte die Sprachentwicklung der Kinder systematisch beobachten und eine gezielte Sprachförderung ermöglichen können, hat das Land bereits Anfang 2005 allen Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz den Beobachtungsbogen SISMIK, Sprachverhalten und Interesse an Sprachen bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen, kostenlos zur Verfügung gestellt.
Kinder, die zur Schulanmeldung anstehen und keinen Kindergarten besuchen, nehmen erstmals in diesem Jahr am Verfahren zur Einschätzung des Sprachförderbedarfs teil. Im Auftrag und in Zusammenarbeit mit meinem Ministerium wurde dieses Verfahren für die genannte Zielgruppe unter der Leitung von Frau Professor Dr. Gisela Kammermeyer an der Universität KoblenzLandau entwickelt.
Das Einschätzverfahren erfasst sowohl Fähigkeiten, die als repräsentativ für die allgemeine Sprachfähigkeit gelten, wie den aktiven Wortschatz, das Sprachverständnis, die Sprachverarbeitungsfähigkeit, als auch spezielle Fähigkeiten, die für den Schulerfolg besonders
bedeutsam sind, wie die phonologische Bewusstheit. Es eignet sich sowohl für einsprachige Kinder als auch für mehrsprachige Kinder.
Zu Frage 4: Im Rahmen des Landesgesetzes zum Ausbau der frühen Förderung wurde in § 9 a geregelt, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Qualität der Förderung in den Einrichtungen, die in den Bedarfsplan aufgenommen wurden, durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln sollen. Dies gilt auch für die Sprachförderangebote. Im Rahmen dieser Sicherstellungsverpflichtung haben die Jugendämter auch den Auftrag der Beratung.
Darüber hinaus erfolgt die Beratung auch durch die Fachberater und Fachberaterinnen der Kindertagesstätten oder durch Fachkräfte, zum Beispiel bei den Volkshochschulen und Familienbildungsstätten, bei denen Sprachförderkräfte unter Vertrag stehen.
Frau Ministerin, wie wird im Rahmen der Diagnostik, wozu Sie aufgezählt haben, über welche Instrumente Erzieherinnen verfügen können, sichergestellt, dass eine Differenzialdiagnostik gerade bei den deutschen Kindern, die sich in großer Anzahl in den Maßnahmen befinden, erfolgt?
Es ist nicht immer einfach, zwischen einer Entwicklung im Sprachstand, die etwas hinterherhinkt, und einer Sprachstörung oder einer allgemeinen Beeinträchtigung in der Sprachentwicklung zu unterscheiden.
Wie stellen Sie sicher, dass die Gruppen qualitativ so zusammengesetzt sind, dass man mit den Förderinstrumenten, die zur Verfügung stehen, entsprechend erfolgreich sein kann?
Der sicherste Weg, solche differenzierten Analysen vornehmen zu können, scheint mir der zu sein, dass Kinder über einen längeren Zeitraum die Kindertagesstätte besuchen, weil sie dann nicht auf eine punktuelle Überprüfung angewiesen sind, sondern dort eine systematische Beobachtung und Dokumentation stattfindet. Um dies entsprechend qualifiziert machen zu können, haben wir eine Vielzahl von Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt, die auch sehr stark in Anspruch
Das Deutsche Institut für Frühpädagogik entwickelt zurzeit übrigens etwas Ähnliches auch für Kinder mit deutscher Herkunftssprache, aber auch das neue Einschätzverfahren, das allen Kindertagesstätten zur Verfügung gestellt worden ist.
Ich sage dazu: Im Zweifelsfall – gerade über die längere Beobachtung –, wenn es solche Auffälligkeiten gibt, die nicht eindeutig zuzuordnen sind, werden sich die Erzieherinnen und Erzieher auch professioneller Hilfe bedienen müssen, indem sie mit den Eltern sprechen und auch gegebenenfalls an entsprechende Stellen verweisen, zum Beispiel wenn es um logopädischen Sprachförderbedarf geht.
Auf die kommunalen Jugendämter kommt ein erheblicher Verwaltungsaufwand zu bzw. er ist schon vorhanden. Es gibt gleichzeitig die Beratungs- und Dokumentationspflicht über die Maßnahmen.
Wie stellen Sie sicher, dass das Konnexitätsprinzip an dieser Stelle eingehalten wird und die Kommunen nicht mit den zusätzlichen Kosten für diesen Aufwand belastet werden?
Indem wir das Landesgesetz zum Ausbau der frühen Förderung vollständig und im Einvernehmen mit den Kommunen nach dem Konnexitätsprinzip ausgestaltet haben.
Ich sage an dieser Stelle aber auch sehr deutlich: Das Land ist hier in vielen Bereichen auch zusätzliche Verpflichtungen eingegangen, wie zum Beispiel beim Sprachförderprogramm, wo ich aus anderen Ländern weiß, dass dies nicht zu 100 % vom Land übernommen wird.
Ich meine, wir haben hier vorbildlich und vor allen Dingen einvernehmlich gehandelt. Ich glaube auch, das wird seitens all der Zuständigen in diesem Bereich gesehen.
Frau Ministerin, das Programm lebt zum einen von all den Maßnahmen der Beteiligung der Erzieherinnen.
Mich würde interessieren, inwieweit die Eltern in dieses Programm mit einbezogen werden und was es für Kooperationen vonseiten Ihres Hauses oder an Gesprächen mit Elternvertretungen gegeben hat.
Der Landeselternausschuss war sehr intensiv in die Gespräche und in die Beratungen über das Gesetzesvorhaben damals, aber auch jetzt in die Umsetzung mit einbezogen.
Ich glaube, wenn ich es recht in Erinnerung habe, dass bei der öffentlichen Vorstellung am 3. August auch der Landeselternausschuss an der entsprechenden Pressekonferenz teilgenommen und die Maßnahmen ausdrücklich begrüßt hat.