Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Das Wort hat Frau Kollegin Morsblech.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehöre dem Gleichstellungsausschuss nicht mehr an und werde wohl auch nicht in der Lage sein, die Kontroverse vollständig aufzulösen. Dennoch meine ich, dass man die Emotionen zu diesem Thema wieder etwas herunterfahren kann. Im nächsten Jahr sind zehn Jahre seit dem Beschluss vergangen, in diesem Land Gender-Mainstreaming als generelle Handlungsmaxime einzuführen und auch in allen Politikfeldern zu verwirklichen. Es ist in der Tat Zeit, einmal eine nüchterne und sachliche Bilanz zu ziehen und abzuwägen, inwieweit sich diese Strategie wirklich bewährt hat und wie sie dazu beitragen kann und konnte, Gleichstellung in unserer Gesellschaft nachhaltig zu verwirklichen.

Wir haben Handlungsfelder. Wenn wir uns die Lage ansehen, hat sich durchaus einiges sehr, sehr positiv entwickelt. Das gesellschaftliche Bewusstsein hat sich mit Sicherheit in diesen zehn Jahren noch einmal grundlegend gewandelt. Auch wenn ich mir die Generationen von Familien ansehe, wie sie heute Aufgaben und Rollen miteinander teilen, hat sich allein in den vergangenen fünf Jahren da schon wieder einiges verändert. Die Lebenswirklichkeit von Frauen hat sich in der Tat verbessert, sei das die Qualifikation von Frauen, die Beschäftigung von Frauen oder der Bereich der Betreuungsmöglichkeiten, der sich in einem totalen Umbruch befindet. Auch das ist eigentlich sehr schnell vorangeschritten. Dazu gehört dann eben auch die Rollenverteilung in den Familien.

Es gibt natürlich Problemfelder, die man ganz klar benennen kann: Gewalt gegen Frauen wird ein Thema sein, das uns leider weiter beschäftigen wird – trotz sich stetig weiterentwickelnder Hilfsstrukturen und verbesserter rechtlicher Möglichkeiten und Angebote. Das Thema „Prävention“ ist ein Bereich, dem wir nur sehr schwer nachkommen können, weil da an allen Ecken und Enden immer wieder finanzielle Mittel und Ressourcen fehlen. Auch wenn wir da immer weiter nachbessern, wird das

immer ein Bereich sein, der nur sehr schwierig zu verwirklichen ist.

Der Bereich der Gewalt gegen Männer ist mir auch immer noch etwas zu sehr tabuisiert. Auch dies findet in engen sozialen Beziehungen statt. Die Dunkelziffer ist immer noch recht hoch. Wenn man dann nach Hilfsangeboten und nach Möglichkeiten für Männer schaut, dies tatsächlich zu äußern oder offen diese Hemmschwelle zu überschreiten, ist das nach wie vor etwas, das sehr, sehr problematisch ist und auch nicht – auch nicht für die Politik – einfach zu lösen ist.

In Führungspositionen und Gremien finden wir, wenn wir uns die Zahlen ansehen, nach wie vor Frauen unterrepräsentiert. Das gilt auch für den Bereich der Wirtschaft und die dortigen Führungspositionen. Mögliche Gründe sind immer noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die auch subjektiv von den Frauen als schwierig empfunden wird. Selbst wenn es Betreuungsmöglichkeiten und Angebote gibt, ist diese Entscheidung immer noch recht schwer. Ich meine auch, dass so manche Gremienarbeit von der zeitlichen Beanspruchung im Vergleich zur Effizienz für eine Frau eine etwas größere Hemmschwelle darstellt als für einen Mann, um es vorsichtig auszudrücken.

(Pörksen, SPD: Na, na, na!)

Ich meine, das hat manchmal auch etwas mit Führungs- und Arbeitsstilen zu tun. Ich weiß nicht, wie es anderen Damen geht, aber ich habe mir schon das eine oder andere humoristische Führungsbüchlein angetan, weil man dadurch auch einige nette Ratschläge bekommt, wie man sich in männlichen Gremien besser zurechtfinden kann. Das ist auf der einen Seite unterhaltsam, aber auf der anderen Seite ist es einfach eine Realität, dass die Stile, wie man an solche Aufgaben herangeht, unterschiedlich sind. Frauen haben manchmal eben nicht die Geduld, das dauerhaft über sich ergehen zu lassen oder sich da durchzuboxen.

Trotz der guten Abschlüsse sind Frauen an den Universitäten nach wie vor, wenn es dann um die höheren Positionen geht – auch in den Spitzenpositionen in Forschung und Wissenschaft –, unterrepräsentiert. Wenn man sich die Kommunalwahlen anschaut, haben wir zumindest in meinem Landkreis einige Flecken, bei denen es gar keine Frauen in den kommunalen Räten gibt. Ich halte es schon für beeindruckend, dass es diese Bereiche immer noch gibt.

Es gibt also Dinge, die wir noch anpacken müssen und an denen wir gemeinsam weiter arbeiten sollten. Wir sollten aber möglicherweise auch einmal mit neuen und kreativen Ideen gezielt Ursachenforschung betreiben und schauen, wo verbunden mit – wie gesagt – Verhaltensweisen, Lebensrealitäten und Bedürfnissen der Geschlechter möglicherweise Dinge anders gestaltet werden müssen, damit die Schwellen sinken und die Chancengleichheit für beide Geschlechter gesichert werden kann.

Andere Bereiche sind leider in den vergangenen Jahren in eine Schieflage geraten. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass es Jungen in unserem Bildungssystem

derzeit schwerer haben als Mädchen und wir insbesondere im Bereich der Kindertagesstätten und Grundschulen

(Glocke der Präsidentin)

ach, es sind nur noch fünf Minuten – vielleicht mehr Männer bräuchten. Vielleicht sollten wir auch noch einmal unser Berichtswesen in der Richtung überprüfen, ob das alles so sinnvoll ist, was wir da machen. Ich meine, es ist einiges zu tun. Gemeinsam werden wir das schon schaffen, wenn wir die Kontroverse noch zu einer positiven Auflösung bringen können.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Das Wort hat Frau Ministerin Dreyer.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Herren und Damen! Frau Kohnle-Gros, ich könnte es mir einfach machen und sagen: Ja, wir Frauen sind die besseren Männer. – Ich könnte auch sagen: Die Männer sollten die besseren Frauen sein.

(Pörksen, SPD: Richtig! – Beifall des Abg. Pörksen, SPD)

Das ist aber natürlich alles Blödsinn, weil es darum bei Gender-Mainstreaming wirklich nicht geht.

Wenn ich etwas bemerken darf, muss ich sagen: Sie überraschen zumindest mich heute etwas. Wenn ich daran denke, dass Sie mich bei der Debatte um die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit einem Satz zitiert haben und sozusagen den Artikel 6 Grundgesetz vehement verteidigt haben, obwohl wir ihn überhaupt nicht angegriffen haben, kann ich jetzt einfach nur sagen, dass das, was heute geäußert worden ist, so etwas Ähnliches wie ein Rückfall ist.

(Beifall der SPD)

Ich dachte, das sei längst Standard. Wir sprechen vielleicht den Begriff „Gender-Mainstreaming“ etwas anders aus, aber ich bin davon ausgegangen, dass man trotzdem weiß, was darunter zu verstehen ist. Frau SahlerFesel und Nicole Morsblech haben bereits eindrücklich geschildert, dass Männer und Frauen auch heute noch in ganz unterschiedlichen Situationen und Lebenssituationen stehen.

Gender-Mainstreaming ist gar nichts Schlimmes.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das ist eigentlich nur das, dass wir vor einigen Jahren gelernt haben, dass wir genau betrachten, welche Maß

nahmen welche Auswirkungen auf Männer und Frauen haben, ob Frauen und Männer in unterschiedlichen Situationen von Maßnahmen betroffen sind und was das jeweilige Geschlecht vielleicht braucht, um Situationen gut zu meistern.

Ich nenne ein Beispiel. Das kam ursprünglich aus dem Europäischen Sozialfonds. Der Arbeitsmarkt war das erste Thema, das wir über die EU erhalten haben, das wir unter Gender-Mainstreaming-Aspekten betrachten sollten.

Dort ist die ganz einfache Frage gestellt worden, ob wir, wenn wir mit Arbeitslosen zu tun haben, einen Blick darauf werfen, dass Männer und Frauen gleichermaßen berücksichtigt werden und vielleicht auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Nicole Morsblech hat das schöne Beispiel der Gremiensitzungen genannt. Welche Aufgaben hätten Frauen gern in Gremien? Was tun Männer in Gremien? Das Thema „Zeitdieb“ ist gar nicht genannt worden. Ich habe aber daran gedacht. Das ist ein klassisches Beispiel, bei dem es sich lohnen würde, Überlegungen anzustellen, weshalb Frauen oft nicht bereit sind, in kommunale Parlamente oder sonstige Gremien zu gehen. Ich glaube, sie haben teilweise eine völlig unterschiedliche Einstellung dazu, wie Sitzungen ablaufen und wie man effizient mit Zeit umgeht. Viele haben auch noch kleine Kinder zu Hause. Es nervt aber auch Frauen ohne Kinder, wenn es keine Effizienz gibt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es ist doch einfach, bei jeder politischen Entscheidung, die wir fällen, bei Gesetzen und Verordnungen, die wir verabschieden, aber auch bei Maßnahmen, wie zum Beispiel Projekten, genau hinzuschauen, welche Auswirkungen sie auf Männer und Frauen haben und ob sie gewollt sind. Sie können auch unterschiedlich sein, weil Männer und Frauen unterschiedlich sind. Wenn sie zufällig und nicht sinnvoll sind, ist es erforderlich, ganz zielorientiert Maßnahmen zu ergreifen, damit alles Sinn macht. Ich glaube, ich habe ganz verständlich erklärt, was Gender-Mainstreaming bedeutet.

Ich kann mich kurz fassen, weil in den anderen zwei Redebeiträgen sehr gut dargestellt worden ist, wie viel in den letzten Jahren gelaufen ist.

Wir versuchen jetzt, das auf den Arbeitsalltag der Landesregierung herunterzubrechen. Wir unterstützen auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Landesregierung durch die wunderschöne Homepage www.gendermainstreaming.rlp.de. Hierbei handelt es sich um ein aktuelles Informationsforum. Ich kann nur raten, einmal hineinzuschauen, wenn man etwas mehr zu diesem Thema wissen möchte.

Wir führen „Gender Dialoge“ durch, das heißt, Abteilungsleitungen und Referatsleitungen sprechen mit ausgewiesenen Experten zu unterschiedlichen Themen, wie sie unter dem Gender-Aspekt zu betrachten sind.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass es auch andere Organisationen gibt, die tolle Sachen machen. Die Lan

deszentrale für politische Bildung beispielsweise hat im letzten Jahr einen E-Learning-Kurs zu GenderMainstreaming mit dem Titel „Zauberwort oder fauler Zauber?“ durchgeführt. An diesem haben viele Männer und Frauen teilgenommen.

Auch die Landesregierung bietet Projekte an. Ich möchte drei Beispiele nennen, weil es angesprochen worden ist. Das Bildungsministerium hat unterschiedliche Modellprojekte zur Förderung von Jungen ins Leben gerufen, wie zum Beispiel „Die geschlechtsbewusste Grundschule – Jungenförderung an der Ganztagsschule“, weil es festgestellt hat, dass Jungen im Bildungszusammenhang andere Bedürfnisse haben.

Ich darf den Innenminister nennen, der den ersten Landesentwicklungsplan mit dem so genannten „Gender Check“ auf den Weg gebracht. Das gab es in der ganzen Bundesrepublik nicht.

Interessant ist auch, unter landesplanerischen Aspekten zu schauen, wie die Auswirkungen auf Männer und Frauen sind.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Auch der Landesbetrieb Landesforsten beleuchtet und unterstützt das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ausdrücklich als Männerthema. Dieser orientiert die Maßnahmen nicht so stark auf die Frauen, sondern macht sie zum Männerthema.

Dies sind nur einige Beispiele, die plastisch zeigen, was Gender-Mainstreaming darstellt und darstellen kann. Es geht um die gleichen Rechte und die gleichen Chancen für Frauen und Männer in den gesellschaftlichen Bereichen, aber in ihrer Individualität und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern im wirklichen Leben.

Deshalb freue ich mich, dass das Parlament uns dabei unterstützt und diesen Antrag gestellt hat, wenngleich mit Stimmenthaltung der CDU.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Sahler-Fesel von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kohnle-Gros, es ist nicht einfach, mich sprachlos zu machen, aber ich kann Ihnen das Kompliment machen, dass Sie es kurzfristig geschafft haben.

(Zuruf von der CDU: Bravo!)

Für Sie leider. Ich bin entsetzt. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal bedauere, dass Frau Wopperer nicht mehr hier ist; denn sie hätte Ihnen diese Fragen alle aufs Genaueste beantwortet. Ich kann Ihnen versichern, dass Frau Wopperer und ich in dieser Frage auf einer Linie sind. Von der Seite aus ist es vielleicht in Ihrer Fraktion nicht so ganz angekommen, wie Frauenpolitik ist.