Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auf Antrag der SPD-Fraktion beschäftigen wir uns heute mit der Umsetzung von GenderMainstreaming in Rheinland-Pfalz. Sie haben eben gehört, welch breite Palette von Ausschüssen dieser Antrag beschäftigt hat. Wir als Gleichstellungspolitiker finden es natürlich ganz besonders gut und ganz besonders bemerkenswert, dass sich alle Ausschüsse des Landtags mit diesem Antrag beschäftigt haben.
Der Anspruch an Gender-Mainstreaming ist nämlich hoch, bedeutet es doch zunächst einmal, die unterschiedliche Lebenswirklichkeit von Männern und Frauen überhaupt wahrzunehmen und zum Ausgangspunkt des politischen Handelns zu machen. Im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit ist politisches Handeln grundsätzlich in allen Politikfeldern im Hinblick auf die Auswirkungen auf Männer und Frauen mit dem Ziel abzuprüfen, in allen Bereichen Gleichberechtigung herzustellen. Gender-Mainstreaming als ergänzende Strategie zur Gleichstellungs- und Frauenförderpolitik unterstützt das Bohren dicker Bretter auf dem Weg zur Chancengleichheit der Geschlechter.
Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor: Auch nach 60 Jahren Gleichberechtigung befinden wir uns heute wie damals auf dem Weg und nicht am Ziel. Lassen Sie mich einen kleinen Teil des Weges in Erin
nerung rufen. Im Jahr 1985 wurde GenderMainstreaming auf der 3. Weltfrauenkonferenz in Nairobi zum ersten Mal vorgestellt. 1995, also zehn Jahre später, wurde auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking ein Beschluss über das Prinzip Gender-Mainstreaming mit dem Ziel gefasst, alle Mitgliedstaaten zu verpflichten, ein Konzept zu entwickeln. Nach dieser wahren Durststrecke kam die Entwicklung mit der Verpflichtung auf europäischer Ebene 1996 und dem Amsterdamer Vertrag im Jahr 1999 richtig ins Rollen. Seit November 2000 gilt das Gender-Mainstreaming-Prinzip in RheinlandPfalz als handlungsleitendes Prinzip, das sich, wie wir eben schon gehört haben, auf alle Ressorts erstreckt.
Die Landesregierung hat kontinuierlich die notwendigen Voraussetzungen geschaffen und dieses Prinzip weiterentwickelt. Wichtig und richtig ist in diesem Zusammenhang: Die Umsetzung von Gender-Mainstreaming ist kein Frauenthema in irgendeiner Kuschelecke, sondern hat in gleicher Gewichtung die Interessen von Männern im Blick. – Das sollten auch diese Menschen nie vergessen. Zugegeben, auch wir, Frau wie Mann – ich nehme die Frauen da überhaupt nicht aus – – –
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Ministerpräsident Beck: Die Kollegin hat immerhin anerkannt, auch Männer sind Menschen! Das ist von der Kollegin anerkannt worden! – Weitere Zurufe)
Ich glaube, wir üben das zum dritten Mal; die Zeit langt. – Zugegeben, denn man soll auch selbstkritisch sein: Auch wir, Frau wie Mann, haben geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen verinnerlicht, die unser Denken und Handeln beeinflussen. Deshalb kann es nur heißen, die Augen offen zu halten, dieses Thema offensiv anzugehen, immer wieder daran zu erinnern und die Menschen immer wieder aufzuwecken. –
Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Uhrzeit möchte ich nur noch Folgendes bemerken: Die Landesregierung hat sich verpflichtet, die Strategie GenderMainstreaming einzuführen und umzusetzen. –
Außerdem unterstützt sie landesweit Initiativen und Maßnahmen sowie die Kommunen und die Organisationen.
Die SPD-Fraktion unterstützt die Landesregierung und fordert sie selbstverständlich auf, diese Politik im Interesse von Frauen und Männern in Rheinland-Pfalz fortzuführen und in allen Politikfeldern zu verankern. Natürlich wollen wir auch, dass uns die Landesregierung alle fünf Jahre darüber Bericht erstattet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Sahler-Fesel, ich habe immer noch nicht richtig verstanden, was eigentlich das Ziel von Gender-Mainstreaming in der konkreten Umsetzung in Rheinland-Pfalz ist. Ich habe mir den Antrag angeschaut, und ich habe mir die Beratung im Frauenausschuss angehört. Sie reden zwar immer von Zielen, aber was das wirkliche Ziel dieser zusätzlichen Strategie ist, wird hier nicht deutlich. Das ist das – wo sitzt sie denn? –,
was manche Menschen in der ganzen Welt – denn schließlich ist das auch eine globale Strategie – gegen die Strategie von Gender-Mainstreaming ein Stück weit misstrauisch macht. Das wissen Sie.
Also: Was steckt dahinter? Wollen Sie eine ganz andere Art von Politik aufziehen? Wollen Sie, dass Frauen bessere Männer werden? –
Sie alle wissen, wenn Sie sich mit dem Begriff „Gender“ befassen: „Gender“ bedeutet im Englischen nicht „Sex“, also das Geschlecht, sondern es ist das soziale Geschlecht, das hier eine Rolle spielt. Es geht bei der ganzen Geschichte darum, einfach einmal alles infrage zu stellen und alles staatliche Handeln vor dem Hintergrund zu begutachten – das haben Sie auch gesagt –, welche Auswirkungen es auf die beiden Geschlechter hat. Das kann natürlich im Extremfall bedeuten, dass sie ein ganz anderes Geschlechterverhältnis haben wollen und damit auch ein ganzes Stück weit progressiv in die Gesellschaft hineinwirken wollen.
Es gibt Leute, die sagen, diese Gender-MainstreamingGeschichte komme nicht wie ein Dampfer daher, sondern wie ein U-Boot; denn es wird nicht wirklich gesagt, worum es bei dieser Frage geht. An dieser Stelle hätten wir gern eine Antwort.
Verdächtig ist – das muss ich Ihnen vorhalten –, dass bei der Beratung im Frauenausschuss sowohl Sie als auch der Staatssekretär mehrfach davon gesprochen haben, und zwar ohne das Ziel wirklich zu definieren, dass das einfach immer wieder thematisiert werden muss. Man müsse ständig, wie Sie eben sagten, „dicke Bretter bohren“. Aber in welche Richtung bohren Sie denn diese Bretter? – Sagen Sie uns doch einfach ein
mal, was Sie wirklich erreichen wollen; denn in Ihrem Antrag heißt es auch, es gehe nicht darum, mit diesem Instrument die Frauenförderung und die Gleichstellungspolitik zu ersetzen, sondern das sei eine Strategie, die nebenher oder obendrüber – oder wie auch immer – läuft. Das würde uns doch einmal interessieren. Sie wissen, die Protagonistinnen damals in Peking und schon vorher in Nairobi haben ein Stück weit preisgegeben, was sie vorhatten, nämlich das Individuum einzufangen und in eine staatlich sehr strukturierte Einheit einzufügen.
Wir haben auf der Welt zum Teil Politikentwicklungen dahin gehend, dass die Ehe bekämpft und die Sexualität völlig freigegeben wird
ja, natürlich – und dass sich die Protagonistinnen in diesen Fragen für das Recht auf Abtreibung einsetzen, die Kirchen in ihrer Politik verdammen, die Ehe insgesamt und damit die Unterdrückung – – –
Sie haben selbst im Ausschuss gesagt, dass es Ihnen darum geht, den Antrag etwas abgeflacht und wenig stringent zu formulieren, um eine möglichst große Zustimmung zu finden. Das macht einen dann schon ein wenig vorsichtig im Hinblick darauf, was Sie vorhaben.
Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich an die Debatte im Rahmen der zurückliegenden Plenarsitzung, als wir über den Boys’ bzw. Girls’Day gesprochen haben. Dann verstehen Sie auch, um was es gegangen ist. Sie haben es völlig abgelehnt, parallel zur Entwicklung in den Medien auch etwas für Jungen – in der Schule sind sie inzwischen ins Hintertreffen geraten – zu tun.
Vielleicht steckt aber auch dahinter, dass Sie nur etwas für Frauen und Mädchen tun und nicht beide Geschlechter in eine Gleichstellung einbeziehen wollen.
Wenn Sie wirklich etwas für Gleichberechtigung und Gleichstellung tun wollen, könnten Sie in diesem Land
tag mit uns ganz viel gemeinsam tun. Wir kämpfen gegen das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung der Frau.
Wir kämpfen für Maßnahmen gegen die Zwangsehe und gegen Ehrenmorde. Da könnten Sie etwas für Frauenrechte und für die Frauen und ihre Unabhängigkeit tun. Dann müssten Sie nicht einen solchen Antrag einbringen, zu dem Sie uns noch nicht einmal sagen, was Sie damit wirklich erreichen wollen.