Protokoll der Sitzung vom 03.09.2009

(Mertin, FDP: Das müssen sie heute auch schon!)

Dieses System ist für einen Großteil der Bevölkerung – meine Damen und Herren, davon bin ich fest überzeugt – nicht zumutbar,

(Beifall bei der SPD – Schweitzer, SPD: Und auch nicht bezahlbar!)

und schon gar nicht für die Einkommensschwachen und chronisch Kranken.

(Schweitzer, SPD: So ist es!)

Ein weiteres Beispiel aus dem FDP-Antrag klingt ähnlich zart. Da geht es um die Finanzierung eines Solidarausgleichs aus Steuermitteln. Auch das hört sich gut an. Nur verschweigen Sie dabei, dass selbstverständlich nicht alle Bürgerinnen und Bürger in die Gunst dieses Solidarausgleichs kommen würden, bei Weitem nicht, sondern nur ein ganz, ganz geringer Prozentsatz.

Die Frage, welche Einkommensgrenzen Sie sich vorstellen, beantworten Sie nicht. Meine Damen und Herren, Sie erklären auch nicht, welcher Prozentsatz des Einkommens dafür ausschlaggebend sein sollte, dass man den Solidarausgleich in Anspruch nehmen könnte.

Meine Damen und Herren von der FDP, kein Wort sagen Sie dazu, wie viele Milliarden dieser Solidarausgleich kosten würde.

(Pörksen, SPD: Das spielt keine Rolle! Das wird über Steuersenkungen bezahlt!)

Sie sagen kein Wort dazu, woher Sie das Geld nehmen möchten. Schon gar kein Wort sagen Sie dazu, wie Sie das finanzieren wollen, obwohl Sie doch eigentlich, so wie wir das gerade gehört haben, die Steuern senken wollen. Vielleicht können Sie das gleich noch einmal erläutern; denn ich finde, wenn wir von Gesundheitspolitik sprechen, müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass das, was wir versprechen, auch finanzierbar sein muss.

(Beifall der SPD)

Auch die CDU fordert einen Solidarausgleich aus Steuermitteln. Das ist die logische Konsequenz aus der Forderung nach der Kopfpauschale.

Ein Satz auch dazu:

Das, was durch diesen Solidarausgleich bei der Kopfpauschale ausgeglichen werden sollte, wird nach meiner festen Überzeugung und auch nach Überzeugung der SPD-Fraktion niemals das Niveau erreichen können, das wir jetzt mit unserem System an hohem Niveau aufweisen können.

Meine Damen und Herren, deshalb lassen Sie mich eines festhalten: Wir werden an dem guten, wichtigen und richtigen Grundsatz des solidarischen Krankensystems festhalten.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Schreiner, CDU: Wir auch!)

Das hört sich aber anders an.

Mit dem, was die CDU und FDP in ihren Anträgen formulieren, ist klar, dass das solidarische System, auf das wir sehr stolz sein können, zwingend eingerissen werden würde. Besonders Einkommensschwache und diejenigen, die nicht gewohnt sind, mit Behörden umzugehen, oder chronisch Kranke werden nach unserer festen Überzeugung die Verlierer sein, wenn wir diesen Anträgen zustimmen würden.

Meine Damen und Herren, wir wollen – das sind Kernstücke der Gesundheitspolitik und Kernstücke sozialdemokratischer Politik, mit denen ich im Übrigen groß geworden bin und die Solidarität bedeuten – Solidarität zeigen, Junge zeigen Solidarität mit den Alten, eine Solidarität der Gesunden mit den Kranken und eine Solidarität derer, die viel verdienen, mit denen, die nicht so viel verdienen.

Meine Damen und Herren, wir werden alles dafür tun, dass die Menschen unabhängig von ihren Einkommensverhältnissen auf dieses gute solidarische Gesundheitssystem zurückgreifen können.

(Frau Thelen und Schreiner, CDU: Wir auch!)

In logischer Folge werden wir daher Ihre beiden Anträge ablehnen.

(Schreiner, CDU: Das ist ein Fehler!)

Ich danke Ihnen. (Beifall der SPD)

Bevor ich Herrn Kollegen Dr. Enders das Wort erteile, darf ich Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder des Bouleclubs St. Sebastian und des Mandolinenclubs 1920 aus Mülheim-Kärlich. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Herr Kollege Dr. Enders, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fand es schon bemerkenswert, dass Frau Kolle

gin Grosse der FDP und CDU abgesprochen hat, Solidarität im Gesundheitswesen zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Selbstverständlich!

(Beifall der CDU und bei der FDP – Unruhe bei der SPD)

Dass unsere Anträge ähnlich formuliert sind, hängt damit zusammen, dass wir in diesen Dingen ähnlich denken. Sie haben fast zwei Monate gebraucht, um auf unsere Anträge zu reagieren.

(Pörksen, SPD: Das hätten wir in einem Tag machen können!)

Im Übrigen wird das Wort „Kopfpauschale“ in keinem dieser Anträge erwähnt. Das wissen Sie ganz genau. Ich sage gleich aber noch etwas zur Bürgerversicherung.

„Länder wollen mehr Macht in der Gesundheitspolitik.“ So lautete die Überschrift in der Zeitschrift „Dienst für Gesellschaftspolitik“ in der Ausgabe vom 5. August 2009. Hintergrund sind die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz im Juli in Erfurt, nachdem die Länder eine stärkere Rolle in der bundesdeutschen Gesundheitspolitik spielen wollen und sich nicht zurückdrängen lassen. Vielleicht kann Frau Dreyer gleich dazu etwas sagen. Dem kann man nur zustimmen, nachdem man gesehen hat, wie schwer sich die beiden Großkoalitionäre 2005 bei einem gemeinsamen Regierungsprogramm getan haben.

Wenn die Länder mehr mitreden wollen, gilt das aber auch für die Opposition. Da ist der Zeitpunkt vor einer Wahl durchaus ein geeigneter Zeitpunkt, die eigenen Ziele auch für Rheinland-Pfalz noch einmal zu formulieren, damit die Menschen wissen, wie die einzelnen politischen Akteure teilweise unterschiedlich denken.

Wir haben jetzt – das ist unbestritten – ein modernes, leistungsfähiges Gesundheitswesen. Damit das auch so bleibt, ist aber eine nachhaltige Gestaltung notwendig, wobei bei uns auch der Mensch absolut im Mittelpunkt stehen muss.

(Beifall der CDU)

Das bedeutet für Rheinland-Pfalz, dass die Menschen hier eine qualitativ hochwertige, wohnortnahe medizinische Versorgung erhalten. Diese Aufgabe stellt sich insbesondere bei uns in den ländlichen Räumen. Dies vor allem vor dem Hintergrund des allgemeinen demografischen Wandels, nämlich der Patienten – das sind wir alle – , aber auch angesichts erkennbarer Risiken für die ärztliche Versorgung in Form der Veränderung der Altersstruktur der Ärzte – darüber haben wir schon mehrfach in diesem Hause debattiert – und der zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Arztstellen und rückläufigen Nachwuchses.

Ich habe mir in der vergangenen Woche einmal das „Deutsche Ärzteblatt“ genauer vorgenommen und gezählt, dass drei Viertel der Dicke dieses Wochenheftes auf Stellenanzeigen von offenen, nicht besetzten Krankenhausarztstellen entfällt. Das übrige Viertel entfällt auf den allgemeinen informativen wissenschaftlichen Teil.

Fakt ist, die Beschäftigten im Gesundheitswesen – damit meine ich nicht nur die Ärzte, sondern insbesondere das Pflegepersonal – klagen über eine zunehmende berufliche Belastung. Höhere Arztzahlen gegenüber früher führen beim unbedarften Betrachter durchaus zu einer Fehleinschätzung dieser Problematik. Man muss aber einfach zur Kenntnis nehmen, dass in den vergangenen Jahren eine erhebliche Arbeitsverdichtung stattgefunden hat, bedingt durch die immer älter und kränker werdenden Patienten und einen sehr hohen Dokumentationsaufwand sowie durch kürzere stationäre Verweildauern. Die Arbeit ist im Endeffekt die gleiche. Es wird alles verdichtet.

Da muss ich sagen, dass die Landesregierung bisher keine gesundheitspolitischen Ziele bestimmt hat und Maßnahmen ergriffen hat, die für eine nachhaltige Gestaltung des Gesundheitswesens sorgen können. Exemplarisch falsch ist das erneute Eintreten für eine Bürgerversicherung, wie in ihrem Antrag. Ich hatte das erwartet. Dieser Begriff, so soft wie er klingt, Frau Grosse, ist und bleibt – ich sage es einmal ganz drastisch – eine Mogelpackung, weil ein System, das bei 90 % der Menschen, nämlich bei den PKV-Versicherten, nicht funktioniert, auf alle übertragen werden soll. Das ist schon allein mathematisch gar nicht darstellbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Im Übrigen sind die Ärzte in den Parlamenten – wir haben einige im Haus – keine Lobbyisten der Ärzte. Das wirft man uns oft vor. Das sind Lobbyisten der Patienten.

(Pörksen, SPD: Das würde uns nie einfallen!)

Das wird oft genug gesagt.

Die freie Wahl der Krankenversicherung ist das gute Recht der Versicherten und Patienten. Deshalb ist eine Bürgerversicherung genannte Einheitsversicherung von uns abzulehnen. Die PKV als Bestandteil eines freiheitlichen Gesundheitswesens ist zu erhalten. Da muss es Möglichkeiten der Zusammenarbeit geben beim Angebot von Wahl- und Zusatzleistungen.

Ich will ganz deutlich einmal sagen: Ohne dass der Gesetzgeber das gewollt hat, transferiert das System der PKV jedes Jahr neun Milliarden Euro in Form einer Quersubventionierung in das System hinein, die sonst nicht fließen würden.

(Beifall bei der CDU – Schreiner, CDU: Das ist Solidarität!)

Genau, Herr Kollege Schreiner. Das ist Solidarität pur. Ich komme später darauf noch zu sprechen.

Es wird auch immer wieder argumentiert, dass die Behandlung eine andere wäre. Ich bin selbst Facharzt für Anästhesie. Bei mir bekommen Privatpatienten die gleichen Medikamente wie Kassenpatienten. Da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Ich verwahre mich dagegen, wenn öffentlich immer wieder dargestellt wird, als wenn das so wäre. Das ist nicht so.

Exemplarisch unzureichend ist aber auch – Frau Dreyer, es tut mir leid, dass ich das sagen muss – der Masterplan. Er hat eine lange Geschichte. Dies insbesondere deshalb, weil er bisher keine spürbare Wirkung zeigt. Wir brauchen Leitlinien in der Gesundheitspolitik zur nachhaltigen Sicherung unseres solidarischen Gesundheitswesens.