Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, Sie sind entschieden zu laut.

Die Schülerinnen und Schüler dieser Realschule plus tragen dann keinen Eigenanteil mehr zur Schülerbeförderung bei.

Im Übrigen in diesem Zusammenhang, bei den alten Realschulen, die es heute noch gibt, müssen die Schüler alle noch selbst bezahlen, bis sie umgewandelt sind. Schon da fängt die Gerechtigkeitsfrage für mich an.

Meine Damen und Herren, dieses System ist ungerecht auch vor dem Hintergrund, dass Gymnasiasten und IGSler weiter bezahlen müssen. Es widerspricht auch letztlich dem Ziel, immer mehr Schülerinnen und Schüler zum Abitur zu führen. Das System ist ungerecht, nicht nachvollziehbar, und auch die Freiheit, die immer von der Landesregierung gern betont wird, zwischen Ganztagsschulen, G8- und G9-Angeboten, Hochbegabtenför

derung, etc. zu wählen, ist letztendlich von der finanziellen Ausstattung der Familien mit abhängig.

Ich will einige Beispiele nennen. Die Landesregierung hat im Zuge des Ausbaus der Ganztagsschulen eine Möglichkeit geschaffen, das Abitur nach zwölf Jahren zu erreichen. Nach Angaben der Regierung wurde dieses Modell nicht flächendeckend eingeführt, weil es bewusst auf eine Parallelität von acht- und neunjährigem Gymnasium setzte, um den unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, ganz gleich, für welches Modell sich Eltern nun entscheiden würden, um den geeigneten Weg für ihr Kind zu wählen.

Sollte die Wahl auf eine Schule fallen, die nicht die nächstgelegene Schule ist, müssen sie die darüber hinaus entstehenden Fahrtkosten selbst aufbringen. Von Wahlfreiheit kann also keine Rede sein.

Familien, bei deren Kindern eine besondere Begabung diagnostiziert wurde, bekommen die Fahrtkosten zur Schule für Hochbegabtenförderung nicht bezahlt, wenn die Hochbegabtenschule nicht die nächstgelegene Schule ist. Das heißt, wenn Familien beispielsweise nicht in der Lage sind, aus Kostengründen direkt in die jeweilige Stadt mit dem Standort der Hochbegabtenschule zu ziehen, müssen sie die Kosten für die Beförderung über die nächstgelegene Schule hinaus selbst aufbringen.

Sollte die nächstgelegene Schule allerdings zum Beispiel kein Latein anbieten, werden die Fahrtkosten zu einer anderen, nicht nächstgelegenen Schule, die Latein anbietet, bezahlt.

Meine Damen und Herren, wer das noch versteht, der ist gut.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Danke!)

Das deutsche Steuerrecht beispielsweise ist ja schon kompliziert, aber ich habe den Eindruck, diese Richtlinie zur Schülerbeförderung ist fast noch komplizierter. Hier wäre eine Vereinfachung sicherlich notwendig.

Man kann weiter ausführen – das ist ja hochinteressant –, dass Schülerinnen und Schüler, die eine schulartübergreifende gemeinsame Orientierungsstufe einer kooperativen Gesamtschule besuchen,

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Also eines Schulzentrums!)

vom Eigenanteil an den Fahrtkosten befreit sind, da sie laut Landesregierung nicht einer bestimmten Schulart zuzuordnen sind.

Nach der 6. Klasse bekommen Schülerinnen und Schüler im Realschule-plus-Zweig der kooperativen Gesamtschulen die Fahrtkosten bezahlt, Schülerinnen und Schüler im Gymnasialzweig der kooperativen Gesamtschule nicht. Meine Damen und Herren, verstehen Sie das? Ich sehe ungläubiges Staunen. Es ist so.

Wenn man also eine Reform macht, eine große Schulstrukturreform macht, dann hätte man hier sicherlich auch das System der Schülerbeförderung gleichzeitig mit vereinfachen können, man hätte es vielleicht auch ein Stück gerechter gestalten können, liebe Frau Ministerin.

Ich frage mich dann wirklich: Wo bleibt in dem Fall die Gerechtigkeit? – Ich weiß, dass Sie den Schulträgern mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, die aber wohl nicht ausreichen; denn die Kritik kommt auch aus den Landkreisen und den kreisfreien Städten, dass die zusätzlichen Kosten damit nicht gedeckt werden können.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wie immer!)

Wir kritisieren einfach, oder wir stellen in die Diskussion die Frage der Gerechtigkeit bzw. wir sehen im Moment viel Ungerechtigkeit bei der Schülerbeförderung in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Dickes.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Eymael hat schon viele Missstände in der rheinlandpfälzischen Schülerbeförderung aufgezeigt.

Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten einmal auf das persönliche Befinden von Eltern, die das betrifft, herabbrechen und zitiere aus einem Brief, der mich vor einigen Wochen erreicht hat: Sehr geehrte Frau Dickes, diese Mail schreibe ich als Vater von zwei Kindern, die eine weiterführende Schule besuchen und Fahrgeld bezahlen müssen. Würden meine Kinder eine Hauptschule oder eine Realschule plus besuchen, wäre die Fahrt zur Schule kostenfrei. Werden hier nicht Familien, deren Kinder ein Gymnasium oder eine Realschule besuchen, benachteiligt? Bildungsgerechtigkeit? Ist es gerecht, wenn zwei Kinder an der gleichen Haltestelle einsteigen, den gleichen Bus benutzen, an der gleichen Haltestelle wieder aussteigen, der eine zahlt und der andere nicht? –

Die „Mainzer Rhein-Zeitung“ hat den Titel gewählt: „Im Schulbus herrscht Zweiklassengesellschaft“. Ich glaube, das ist nicht das, was wir in Rheinland-Pfalz wollen.

Wenn man sich diese Situation vor Augen führt, dann ist es oft genug nicht ausschlaggebend oder in manchen Fällen nicht ausschlaggebend für die Schulwahl, welche die beste, begabungsgerechteste Schule für das Kind ist, sondern welche die günstigste Schule für das eigene Kind ist, dann, wenn im eigenen Portemonnaie nicht so viel Geld vorhanden ist.

Wir wollen in diesem Land immer alles tun, dass die Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. In diesem Fall haben wir einen eklatanten Fall davon, dass

sie es eben doch tut. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass es nicht von der finanziellen Situation der Eltern abhängen darf, welche Schule ein Kind besucht. Mit der Regelung aber, die Sie im Land hier geschaffen haben, bewirken Sie das Gegenteil.

Sie hören auch nicht zu, wenn die Eltern protestieren. Sie wischen sie einfach zur Seite, und das mit einer relativen Arroganz und Ignoranz.

Der Landeselternbeirat hat mehrfach diese Ungerechtigkeiten kritisiert, was die Schulen betrifft. Ein Zitat aus dieser Sitzung des Landeselternbeirats wurde auch an mich herangetragen.

Ich muss sagen, es macht einen fassungslos, wenn eine Staatssekretärin sagt, es wäre gar nicht ungerecht und es hätten ja alle Kinder die gleichen Chancen, schließlich würde Fachabitur an der Realschule plus auch ausreichen für einen hervorragenden Bildungsaufstieg.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, andere Bundesländer regeln das anders. Rheinland-Pfalz ist hier wieder einmal eine Insel.

(Zuruf des Abg. Fuhr, SPD)

Wir sind bundesweit das einzige Bundesland, in dem es von der gewählten Schulart abhängt, ob Eltern Beiträge zahlen müssen oder nicht.

Wir hatten mit der Schulstrukturreform im Land tatsächlich eine Chance, etwas zu ändern. Aber anstatt es zum Guten zu ändern, haben wir das Gegenteil gemacht. Wir haben Ungerechtigkeiten zementiert.

Das merken Sie vielleicht auch daran, dass die Proteste seit der Schulstrukturreform seitens der Eltern vehement zugenommen haben.

(Beifall der CDU)

Ich frage mich natürlich: Hören Sie die auch, oder haben Sie hier vielleicht auch wie bei dem Thema „Lernmittel“ taube Ohren, keine Ideen? Wie ich heute Morgen der Presse entnommen habe, werden Sie unsere Initiative jetzt als eigenen Vorschlag übernehmen und eine Lernmittelausleihe in Rheinland-Pfalz einführen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Das ist gut für die Familien, und es ist gut, dass auch Sie jetzt eine Ausleihe wollen.

Ich freue mich, dass wir unsere Initiative jetzt gemeinsam erfolgreich für die Eltern in Rheinland-Pfalz umsetzen können.

Wenn es Ihr Wunsch ist, bei der Schülerbeförderung den gleichen Weg zu gehen, wenn Sie auch da auf unsere Initiative warten, weil die eigenen Ideen fehlen, dann sagen Sie uns das, Frau Ministerin. Wir übernehmen gerne in diesem Land Verantwortung.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir wissen, dass die Haushaltslage in Rheinland-Pfalz desolat ist. Wir wissen, dass wir nicht das große Füllhorn ausschütten können, aber gleichzeitig kann eine knappe Haushaltslage nicht die Rechtfertigung für Ungleichbehandlung sein.

Auch da zitiere ich noch einmal aus der „Rhein-Zeitung“: „(…) für das Mainzer Bildungsministerium sind (…) nicht alle Schüler gleich.“ Wir als CDU möchten, dass alle Schüler die gleichen Chancen haben, alle Familien eine Entlastung erhalten, bedürftige mehr, aber andere auch, und es nicht davon abhängen kann, ob das Kind Abitur machen soll oder nicht.

Frau Ministerin, es liegt in Ihrer Verantwortung. Wir unterstützen Sie gerne mit unseren Ideen,

(Heiterkeit des Abg. Fuhr, SPD – Schweitzer, SPD: Welche Ideen?)

aber unser eindringlicher Appell ist: Tun Sie bitte etwas. –

(Beifall der CDU)