Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Hartloff, SPD: Herr Kollege, nennen Sie doch einmal ein paar Beispiele!)

Das werden wir heute Nachmittag auch noch besprechen. Es gibt offensichtlich seitens der Landesregierung überhaupt keinen Wunsch, Prioritäten zu setzen. Überhaupt keine Anstrengungen werden gemacht. Es wird alles immer nur über die Verschuldungsseite finanziert.

Die andere Seite ist die, die man bei dem Thema „Horrorszenario“ auseinanderhalten muss, das Sie an die Wand malen. Es ist volkswirtschaftlich wichtig und richtig, dass die Steuerbelastung der Unternehmen und der Menschen in diesem Land gesenkt wird. Dies ist nicht nur volkswirtschaftlich richtig und wichtig, sondern es ist auch überhaupt nicht ausgemacht, wie viel Euro das nachher am Ende kostet, geschweige denn, dass sich das auf den Saldo der öffentlichen Haushalte negativ auswirkt.

Die christlich-liberale Bundesregierung hat schon einmal in den 80er-Jahren ein Modell gefahren, mit dem wir

deutlich gemacht haben, dass es nach Jahren, in denen die SPD den Finanzminister gestellt hat, Zeit war, dass wir eine Steuerreform gemacht haben. Diese ist mit dem Namen von Gerhard Stoltenberg verbunden. Der große Entlastungsschritt dieser Einkommensteuerreform kam im Jahr 1986 mit der Anpassung der Einkommensteuertarife. Was war die Folge? – Natürlich haben die Sozialdemokraten damals auch geschrien, das dürfe man nicht machen, der Staat gehe pleite, das sei das Ende des Abendlandes. Genau das Gegenteil ist passiert.

In den Folgejahren – ich nehme ausdrücklich mehrere Folgejahre, um deutlich zu machen, dass es bis zum Jahr 1989, in dem die Deutsche Einheit zugegebenermaßen die Statistik verunklärt – – – Nach 1986 hat sich diese Absenkung der Einkommensteuertarife Jahr für Jahr positiv auf das Steuervolumen ausgewirkt. Hatten wir 1986 noch 78 Milliarden Lohnsteuereinnahmen, waren es 1987 84 Milliarden, im nächsten Jahr 85,6 Milliarden und im Jahr 1989, im Jahr der Einheit, 93 Milliarden Euro.

Das Senken der Lohnsteuertarife hat dazu geführt, dass in den absoluten Zahlen, weil das Geld richtig investiert worden ist, die Menschen wieder Geld hatten für den Konsum, die Leute ihr Geld nicht unter das Kopfkissen steckten. Die Menschen brauchten das Geld dringend, um damit zu wirtschaften. Das hat dazu geführt, dass der Staat Steuereinnahmen bekommen hat. Jedes Jahr sind die Steuereinnahmen um bis zu 8,6 % in einem Jahr gestiegen. Dies war für dieses Land RheinlandPfalz, damals noch unter CDU-Regierung, keine Ausrede, Schulden zu machen, was Sie uns immer in der mittelfristigen Finanzplanung als alternativlos vormachen. Sie verschulden sich immer jedes Jahr mehr und noch mehr, bis wir ganz und gar von Zins und Tilgung erdrückt sind. Anders nach 1986: Das Land RheinlandPfalz hat in diesen Jahren seine Verschuldung konsequent von 700 Millionen im Jahr 1987 auf 270 Millionen im Jahr 1989 zurückgefahren.

Was richtig ist, ist die Aussage, erstens, wir müssen die Menschen und die Unternehmen steuerlich entlasten.

Zweitens, das führt nicht zwangsläufig zu Steuermindereinnahmen. Im Gegenteil. Die Erfahrung zeigt uns, dass es zu Steuermehreinnahmen führt.

Drittens, das alles ist keine Ausrede dafür, Schulden zu machen. Im Gegenteil.

(Zuruf der Abg. Frau Schmitt, SPD – Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Diese Steuermehreinnahmen sind endlich der Anlass – so hoffe ich – für die SPD-geführte Landesregierung in Rheinland-Pfalz, mit dem Sparen ernst zu machen. Die Politik in Berlin bietet den Ländern den nötigen Spielraum, um gute Politik zu machen.

(Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich Herrn Kollegen Mertin das Wort erteile, begrüße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen der Geschwister-SchollRealschule Westerburg und Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Kollege Mertin.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn auf Bundesebene eine neue Regierung startet und ihre Vorschläge macht, ist es völlig selbstverständlich, dass über diese Vorschläge auch im Land diskutiert wird. Das ist in Ordnung und gehört auch zur Demokratie dazu. Dagegen hat die FDP-Fraktion keine Einwendungen zu erheben.

Die Diskussion – das ist das, was ich für meine Fraktion an der Stelle schon beanspruchen möchte – sollte dann so sachlich geführt werden, wie es geboten ist. Insbesondere sollte nicht etwas in die Welt gesetzt werden, was dort gar nicht verabredet worden ist.

(Beifall der FDP)

Ich darf mir insoweit die Presseerklärung der Kollegen Noss und Schweitzer vom 10. November vornehmen.

Verehrter Herr Kollege, wenn ich nachlese, was in der Koalitionsvereinbarung steht, ist die Presseerklärung für mich nicht ganz nachvollziehbar. Sie hat leicht groteske Züge, wenn ich das einmal so formulieren darf.

(Beifall der FDP)

Wenn Sie nämlich darin formulieren, dass wir zum Angriff auf die Kommunen blasen, die Gewerbesteuer wegschlagen und die Einnahmeverluste sozusagen bei der Gewerbesteuer liegen, haben Sie offensichtlich übersehen, dass das, was Ihre Partei zur Verstetigung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer auf Bundesebene getan hat, offensichtlich nicht funktioniert hat; denn trotz dieser Veränderungen haben in der aktuellen Lage die Kommunen das übliche Verfahren bei der Gewerbesteuer, nämlich eine Achterbahnsteuer, die einmal sehr viele und ein paar Jahre später so gut wie gar keine Einnahmen bringt.

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Ich höre von dem Kämmerer der Stadt Koblenz, dass er kräftige Einbußen bei der Gewerbesteuer erwartet. Eine Verstetigung, wie Sie sie haben wollten, ist nicht eingetreten, obwohl dort systemwidrig besteuert wird, was eigentlich Ausgaben sind. Sie haben doch die Mieten und Pachten eingeführt, damit auch in schlimmer Phase

die Gewerbesteuer stetig Einnahmen bringt. Das hat nicht funktioniert.

(Beifall der FDP – Schweitzer, SPD: Es gibt keinen kommunalen Spitzen- verband, ob schwarz oder rot, der die Gewerbesteuer abschaffen will!)

Jetzt lese ich Ihnen einmal vor, was in dem Zusammenhang in der Koalitionsvereinbarung besprochen und verabredet worden ist. Danach soll eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung eingesetzt werden. Diese soll auch den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz prüfen. Ihre Behauptung, dass der Wegfall der Gewerbesteuer ersatzlos zulasten der Kommunen erfolgen soll, ist falsch, weil nämlich etwas ganz anderes verabredet worden ist. Das können Sie doch nicht behaupten.

(Beifall der FDP – Schweitzer, SPD: Frau Roth von der CDU sieht das genauso wie ich!)

Herr Kollege Schweitzer, das ist aber nicht das, was in der Koalitionsvereinbarung steht. Darin steht nicht, dass die Kommunen ersatzlos die Gewerbesteuer verlieren sollen. Das ist eindeutig. Warten Sie doch die Vorschläge ab, bevor Sie Panik im Land verbreiten.

Eines ist Fakt: Die Gewerbesteuer ist immer noch eine Achterbahnsteuer. In dieser Funktion funktioniert sie besser als die Achterbahn auf dem Nürburgring. Das müssen Sie an der Stelle schon feststellen.

(Beifall der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Betrachten wir uns einmal Ihre Vorwürfe bei der Umsatzsteuer. Sie unterlassen es zu zitieren, dass Aufgaben der Daseinsvorsorge nicht über die bestehenden Regelungen hinaus steuerlich belastet werden. Vieles von dem, was Sie in Ihrer Presseerklärung nennen, fällt unter die Daseinsvorsorge. Sie können nicht behaupten, dass beabsichtigt sei, über die Umsatzsteuer dieses jetzt höher zu besteuern.

Sie können mir auch nicht erklären, weshalb es in einem Rechtsstaat fair ist, ein Unternehmen, das die gleiche Dienstleistung wie eine Kommune bringt, zu zwingen, Umsatzsteuer zu erheben – dieses soll auch noch Körperschaftsteuer zahlen –, und die Kommune, wenn sie die gleiche Leistung erbringt, dies ohne Umsatzsteuer machen soll.

Herr Schweitzer, das ist keine faire Veranstaltung.

(Beifall der FDP)

Wenn das deshalb für bestimmte Bereiche, in denen es nicht um die Daseinsvorsorge geht, korrigiert wird, halte ich das für eine Frage von Gerechtigkeit zwischen Staat und Privat; denn der Staat kann nicht für sich in Anspruch nehmen, steuerlich gegenüber dem Privaten

bevorteilt zu werden, der auch Arbeitsplätze schafft, Steuern erwirtschaftet und Steuern bezahlen soll.

Herr Kollege Schweitzer, das ist auch kein fairer Wettbewerb. Das soll an der Stelle korrigiert werden. Ich meine, deshalb ist das, was Sie gestern in Ihrer Presseerklärung zu den kommunalen Finanzen ausgeführt haben, überhaupt nicht mit dem in Einklang zu bringen, was auf Bundesebene in der Koalitionsvereinbarung beschlossen wurde.

(Beifall der FDP – Pörksen, SPD: Warten wir einmal ab!)

Das Wort hat Herr Kollege Puchtler.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist abenteuerlich, wenn man die Beschlüsse, die dort gefasst wurden, als Spielraummöglichkeiten für die Länder bezeichnet. 530 Millionen Euro minus lautet die Botschaft aus Berlin. Hier kann man keinen Spielraum für das Land Rheinland-Pfalz feststellen.

(Beifall der SPD)

Kommen wir einmal zu den Entlastungen. Man muss auch schauen, wer am stärksten entlastet wird. Sind das diejenigen, die nachher mit Massenkaufkraft unterwegs sind? Sind das die Bürgerinnen und Bürger im Land, die es notwendig haben, entlastet zu werden? Ich weiß nicht, ob das Beispiel bei der Erbschaftsteuer, bei über 26 Millionen Euro Vermögen von 50 Prozentpunkten um 7 Punkte auf 43 Prozentpunkte zu entlasten, ein Beitrag ist, um das insgesamt zu stärken. Das sehe ich eher nicht. Sie entlasten die Falschen und verteilen das auf die falschen Schultern.

(Billen, CDU: Sie wissen doch überhaupt nicht, wovon Sie reden!)

Ich möchte noch ein Wort zu dem sagen, was Sie immer als Stoltenberg’sches Konzept beschreiben.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Liebe Frau Präsidentin, ich hatte eine Abkürzung meiner Redezeit. Bekomme ich sie wieder gutgeschrieben? So viel zum sachlichen Umgang.