Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Das Risiko, Opfer zu werden, ist bei Jugendlichen am höchsten. Der Bericht informiert weiter über Gesetzeslücken und Bundesratsinitiativen.

Meine Damen und Herren, die Kenntnis dieser Fakten ist notwendig. Es ist ein guter Ansatz, den die Landesregierung fortentwickeln muss; denn eines wird sehr deutlich, Opfer brauchen in vielfältiger Hinsicht Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft, des Staates und seiner Einrichtungen.

Äußerliche Wunden mögen heilen, materielle Schäden mögen sich wirtschaftlich beheben lassen, doch oftmals sind es gerade die unsichtbaren, die immateriellen Folgen einer Tat, die die Opfer besonders nachhaltig belasten. Eine Traumatisierung wirkt über die Tat hinaus. Sie kann durch spätere Ereignisse in unterschiedlichster Weise erheblich beeinflusst werden. Fachleute reden dann von primärer und sekundärer Viktimisierung, also man ist erst einmal Opfer einer Tat, und später, wenn es beispielsweise um das Verfahren, das Strafverfahren geht, entstehen weitere schwerwiegende Belastungen und Beeinträchtigungen im Rahmen und als Folge dieses Strafverfahrens.

Der Bericht informiert über die Rechte von Opfern im Verfahren und die Rechtsstellung. Strafantrag, Verjährung, Zeugenschutz nenne ich als Beispiel. Wie kann man einen Zeugen auch bei einer Vernehmung schützen? Videovernehmung, Ausschluss des Beschuldigten, des Täters, Ausschluss der Öffentlichkeit – all das sind Maßnahmen, die dem Opfer helfen können. Es ist wichtig und gut, dass wir diese Rechtsstellung der Opfer haben.

Aber es geht weiter. Wir brauchen einen Täter-OpferAusgleich, den wir im Bericht beschrieben haben. Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist im Jugendstrafverfahren von besonderer Bedeutung. Das hat der Herr Kollege auch erwähnt. Es geht auch um Fragen der Zulässigkeit von Nebenklagen und die Stellung des Opfers bei und nach rechtskräftiger Aburteilung des Angeklagten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Verfahren ist das eine, die Rechtsstellung des Opfers im Verfahren und nach der Tat, vorbeugender Opferschutz, ist eine andere Seite dieses Kapitels. Personalmehrung im Bereich der Polizei und der Justiz wäre hier ein Stichwort, das zu nennen ist. Prävention im Bereich von Polizei, Kommunen und Schulen sind Fakten, mit denen sich der Bericht auseinandersetzt. Der Opferschutz durch den Strafvollzug ist eben schon angesprochen worden. Es gibt Resozialisierung in vielfältigster Weise. Nachsorgender Opferschutz hat eine ganz wichtige Bedeutung. Hier sind Organisationen mit Eduard Zimmermann, Schwester Lea Ackermann mit der Organisation WEISSER RING, SOLWODI und andere mehr genannt worden.

Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Verdienst dieses Berichtes, dass wir in einer zusammengefassten Form diese Angaben und Fakten als Handwerkszeug vor uns haben. Der Herr Kollege nannte 114 Seiten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Der Opferschutz hat einen herausragenden Stellenwert. Es ist richtig, in dem Zusammenhang von den drei Säulen zu sprechen. Ich nehme an, wenn die Landesregierung über ihren Bericht spricht, wird sie das erwähnen, Prävention, Reaktion und Opferhilfe.

Ich kann nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass es nach wie vor Lücken im Opferschutz gibt.

(Glocke des Präsidenten)

Der Bericht sollte deshalb dazu beitragen, diese Lücken zu erkennen und zu schließen. Ich habe am 24. Mai 2007 an dieser Stelle gesagt, dass wir durch den Bericht bzw. mit den Daten und Fakten aus dem Bericht eine Grundlage dafür schaffen wollen, tatsächlich in Zukunft mit Initiativen mehr für die Opfer tun zu wollen. Damit will ich enden.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Wagner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Stand Oktober 2008 liegt der erste Opferschutzbericht für Rheinland-Pfalz vor. Es ist eine Premiere. Er zeigt uns erstmalig einen Gesamtüberblick sowie einen Jahresrückblick der umfangreichen Maßnahmen zum Opferschutz. Der Opferschutzbericht ist ein echter Gewinn, ein Gewinn für die Opfer, deren Problematik endlich öffentlich thematisiert und ernst genommen wird, und ein Gewinn für uns, die Handelnden, die nun Zahlen und Fakten haben, um agieren zu können.

Er bildet die Grundlage für die weitere Verbesserung von Opferschutz und Präventionsmaßnahmen. Die Lehren, die wir aus den Erfahrungen ziehen können, helfen Opfern und allen Menschen, die sonst möglicherweise ohne wirksame Prävention zu Opfern geworden wären.

Vorab im Bericht wird ausführlich auf die Rechtsstellung des Opfers eingegangen. Die Stellung der Opfer in rechtlicher Hinsicht ist ausgebaut und sensibel untermauert. Ansprüche des Opfers auf Information, Auskunft und Belehrung sowie das Recht des Opfers auf Beistand will ich nur als einige Punkte nennen.

Bei der Vorstellung der einzelnen Maßnahmen unterscheidet der Bericht zwischen vorbeugendem und nachsorgendem Opferschutz. Unter vorbeugendem Opferschutz sind zu nennen Personalverstärkung in den Be

reichen Polizei und Justiz, Präventionsarbeit im polizeilichen und im schulischen Bereich, Prävention im Hinblick auf Kinder und Jugendliche, Stärkung der Zivilcourage und auch die wichtige Sensibilisierung der Allgemeinheit.

Wichtig erscheint mir an dieser Stelle die Vernetzung der Präventionsarbeit mit Berufsgruppen aus Kindergarten, Schule und Gesundheitsbereich bei dem Interventionsprogramm gegen Gewalt in sozialen Beziehungen.

(Beifall der FDP)

Im Rahmen des nachsorgenden Opferschutzes ist auch der länderübergreifende Austausch über wichtige Entscheidungen im Opferschutz zu nennen, der künftig weiter auszubauen ist.

Gestatten Sie mir dennoch einen knappen Exkurs betreffend die Frage des Umgangs der Medien mit Opfern. Ich möchte auf die aktuelle Preisverleihung verweisen, die Mitte September stattfand. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Journalistenverband und dem Justizministerium wurden zwei Journalisten aus dem TV- bzw. Printbereich für ihre besonders vorbildliche Sensibilität bei der Berichterstattung ausgezeichnet. Opferschutz kann nämlich auch durch eine sensible Berichterstattung erfolgen.

(Beifall der FDP)

Ein Blick auf die heutige Medienlandschaft verrät, dass ein wenig mehr Feingefühl und ein ganzes Stück weniger Voyeurismus dazu beitragen könnten,

(Beifall der FDP und bei der SPD – Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

dass Opfer einer Tat nicht auch noch durch reißerische Berichterstattung über Tat und Täter erneut zum Opfer gemacht werden.

Zurück zum Opferschutzbericht. Der Bericht zeigt eine umfangreiche Bilanz, auf der für die Zukunft aufgebaut werden kann. Der Opferschutzbericht gibt einen klaren Überblick über umfangreiche Maßnahmen für die Prävention und – wenn es passiert ist – auch zur Nachsorge für die Opfer. Wichtig ist, wir lassen Opfer in RheinlandPfalz nicht allein. Das zeigt dieser Bericht.

Ich zitiere: Opferschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe. – Wir, die FDP-Fraktion, danken für diesen ausführlichen Bericht. Wir danken vor allem auch all den Menschen, die in diesem Bereich beruflich und ehrenamtlich tätig sind.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Bamberger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst ganz herzlich bedanken für die Stellungnahmen der Sprecherin und der Sprecher der Fraktionen für Lob und verhaltene Kritik. Mir hat der Hinweis auf den Tag der Menschenrechte gefallen. Ich finde schon, man kann sagen, Opferschutz ist Menschenrecht; Opferschutz macht eine Gesellschaft und auch die Justiz menschlicher. Man muss allerdings auch sagen, das war nicht immer so. Zum Opferschutz hat sich vor allem in den vergangenen Jahren und vor allem auch dank der großartigen Arbeit des WEISSEN RINGS und anderer Opferschutzeinrichtungen – es sind bereits SOLWODI und Schwester Dr. Lea Ackermann genannt worden – doch ein tief greifender Bewusstseinswandel in der Bevölkerung, aber auch in der Justiz und in der Gesetzgebung vollzogen.

Uns ist heute wichtig, dass Opfer gerade auch in ihrer Rolle als Zeugen in einem Gerichtsverfahren mit ihrer gesamten Persönlichkeit wahrgenommen werden. Der menschliche Umgang mit dem Opfer im Strafverfahren und die Wahrung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten – beides Ziele eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens – lassen sich miteinander verbinden.

Meine Damen und Herren, der auf der Grundlage des Beschlusses des Landtags vom 24. Mai 2007 erstellte Erste Opferschutzbericht der Landesregierung gibt auf insgesamt 141 Seiten einen umfassenden Überblick über alle Belange des Opferschutzes in Rheinland-Pfalz. Ich darf insbesondere dem Ministerium des Innern und für Sport, dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen sowie dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur – den Kolleginnen und Kollegen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erstellung dieses Berichts mitgewirkt haben – ganz herzlich danken. Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, dabei vor allem Herrn Oberstaatsanwalt Dr. Moll, der im Wesentlichen für unser Haus den Bericht erstellt hat.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist der erste Opferschutzbericht. Er versucht, die geltenden rechtlichen Normen wie auch die tatsächliche Lage des Opferschutzes im Land vollständig und zuverlässig darzustellen. Er bietet einen Überblick über alle auf dem Gebiet des Opferschutzes tätigen Organisationen mit ihren Hilfsangeboten.

Er dokumentiert zudem die ganze Bandbreite und die Vielzahl der in Rheinland-Pfalz für den Opferschutz bereits ergriffenen und künftig beabsichtigten Maßnahmen der Polizei, der Jugendhilfe, der Schulen, der freien Träger und der Justiz.

Ich kann und möchte nur kurz und eher beispielhaft aufführen: Wir haben seit vielen Jahren die Stiftung „Rheinland-Pfalz für Opferschutz“.

Wir verbessern den Schutz vor Gewalt und Sexualstraftaten durch Begleitung und Überwachung von aus der

Strafhaft oder aus dem Maßregelvollzug entlassenen, entsprechend verurteilten Tätern.

Wir haben psychotherapeutische Ambulanzen mit Therapien für Sexualstraftäter eingerichtet, die dem vorbeugenden Opferschutz dienen und ihn verbessern.

Neben der Sozialtherapeutischen Anstalt in Ludwigshafen und sozialtherapeutischen Abteilungen im Erwachsenenvollzug dienen jetzt auch solche Abteilungen in den Jugendstrafanstalten Schifferstadt und Wittlich einem besseren Opferschutz.

Als erstes Bundesland hat Rheinland-Pfalz im Rahmen des Interventionsprojektes gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen sogenannte Täterarbeitseinrichtungen geschaffen.

Unser Land liegt, was die Praxis des Täter-OpferAusgleichs angeht, mit an der Spitze in Deutschland.

Genannt worden ist der Preis des Innenministers für Zivilcourage. Genannt hat Frau Wagner unseren Medienpreis.

Wir haben inzwischen drei Häuser des Jugendrechts, in denen Jugendhilfe, Polizei, Staatsanwaltschaft und freie Träger Jugenddelinquenz bekämpfen. Weitere Häuser des Jugendrechts folgen.

Zeugenkontaktstellen stehen insbesondere Opferzeuginnen mit Rat und tatkräftiger Hilfe zur Seite.

Nicht zuletzt führt der Opferschutzbericht die Zusammenarbeit mit freien Trägern, mit Vereinen und privaten Organisationen des Opferschutzes auf. Ihnen gebührt für die gute Kooperation, die zumeist von engagierten Bürgerinnen und Bürgern im Ehrenamt geleistet wird, ein besonderes Dankeschön.

(Beifall der SPD)