Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

(Glocke des Präsidenten)

Mir hat am besten gefallen, dass jemand bei der Vorbereitung einer Sitzung im Petitionsausschuss des Bundestages gesagt hat, es gibt eine gute Möglichkeit, die NPD aus den Parlamenten herauszuhalten: Wir brauchen sie nicht zu wählen. –

(Beifall der CDU)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Auler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen einen NPD-Verbotsantrag seitens der SPD sehr kritisch, weil wir nicht mit Rechtssicherheit sagen können, dass ein solcher Antrag auch Erfolg haben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Kollege Hüttner, stellen Sie sich einmal vor, wir stellten einen Verbotsantrag, und die Sache geht schief. Das wäre das Katastrophalste, was überhaupt passieren könnte.

(Beifall der FDP)

Das wäre schlichtweg das Katastrophalste, was passieren könnte. Die NPD würde sich zu einer Art Mythos erheben; das wäre sehr schlimm.

(Zuruf von der CDU: Vogel-Strauß-Politik!)

Die NPD ist eine ganz miese Partei – das ist gar keine Frage –, und sie steht, was ihre miesen Machenschaften

gegenüber anderen, ebenfalls sehr extremistischen Parteien anbelangt, ganz oben. Wir müssen auch sehen, wenn wir einen Verbotsantrag durchsetzen wollen, müssen wir unsere Informanten und den Verfassungsschutz für etwa zwei Jahre abziehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr schwierig, wenn man diese Personen abzieht und plötzlich nur noch beobachten kann; denn viel mehr kann man dann nicht mehr tun.

Es ist dann sehr schwierig einzuschätzen, wohin eine Partei geht. Meiner Fraktion ist es einfach zu gefährlich, dem zwei Jahre lang schlichtweg nur noch zuzusehen.

(Beifall der FDP)

Im Übrigen müssen wir auch alle sehen, es gibt noch leider sehr viele andere Gruppierungen und Parteien am rechten extremistischen Rand, wohin sich diese Personen schlichtweg verflüchtigen würden, um dann mit neuem Namen wieder ihre wirklich furchtbaren und miesen Parolen verbreiten zu können.

Natürlich müssen wir die NPD bekämpfen, aber wir müssen das in erster Linie mit politischen Mitteln tun. Wir müssen eine gute Politik machen, dass die NPD und alle extremistischen Parteien keine oder so wenig wie möglich andere Menschen ansprechen können.

Wir müssen auch die Zivilcourage weiter stärken. Ich habe das hier an dieser Stelle schon einmal vor ein oder zwei Jahren im Parlament gesagt. In meiner Heimatgemeinde sind einmal 50 Skinheads aufmarschiert. Sie bzw. eine andere Person haben ein Sportlerheim angemietet. Der Vermieter wusste gar nicht, wer das ist. Sie haben dann einen Liederabend mit rechter bzw. rechtsradikaler Musik angefangen. Ich bin noch ehrenamtlicher Ortsbürgermeister. Wissen Sie, was ich gemacht habe? Ich bin hin und habe für den gesamten Bereich in diesem Ortsteil einfach den Strom abgestellt.

(Heiterkeit im Hause)

Das Ding war innerhalb einer halben Stunde erledigt, und man ist klargekommen, indem man nur noch Kontrollen gemacht hat, festgestellt hat, welche Personen vor Ort sind.

Herr Minister, ich weiß, bei diesem Punkt sind Sie auch an unserer Seite. Sie unterstützen diese Zivilcourage. Das finde ich auch sehr gut. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diesen Weg vielleicht gemeinsam weitergehen könnten.

Wir haben in Rheinland-Pfalz eine außerordentlich gut aufgestellte Polizei sowohl im Bereich des Staatsschutzes, aber auch einen unwahrscheinlich gut aufgestellten Verfassungsschutz. Ich glaube, dass wir mit diesen beiden Organisationen und noch dazu mit einer guten Politik sehr erfolgreich diese extremistischen Bestrebungen abwehren können.

Ich bitte Sie alle dazu um Ihre Unterstützung und darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

Danke schön.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Herr Staatsminister Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Beiträge in der Debatte. Ich denke, es ist immer wieder wichtig, über diese Fragen eines NPD-Verbots oder Rechtsradikalismus, aber auch Linksradikalismus in diesem Hause zu reden, um auch das Signal zu setzen – – –

(Unruhe im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Lärmpegel ist sehr hoch. Ich bitte Sie, die Gespräche vor der Tür zu führen. Ansonsten hat Herr Staatsminister Bruch das Wort.

Ich denke, dass unsere Bevölkerung wissen muss, dass die, die die repräsentative Demokratie tragen, auch entsprechend der Lebenswirklichkeit handeln. Ich störe mich immer wieder daran – hier hat es keiner getan, Gott sei Dank tut es keiner –, dass wir konstruieren, es gäbe eine Waage links oder rechts. Es gibt das Wort von Kurt Schumacher von den „rotgelackten Faschisten“.

Es gibt die Wiederholung von Erhard Körting letzte Woche im dortigen Parlament, als es um die Frage ging: Wie gehen Sie eigentlich mit der linksradikalen Gewalt um? – Autonome zünden Autos in Berlin sowie in Hamburg an. Wir haben in der Innenministerkonferenz vor acht Tagen gerade über diese Frage geredet, wie wir jetzt damit umgehen, weil dieses Beispiel aus Straßburg offensichtlich in verschiedenen Städten in Deutschland um sich greift. Von daher gesehen denke ich, dass diese Waage, dass wir sagen, da, wo es linksradikal ist, müssen wir nicht so genau hinschauen, weil wir möglicherweise Sozialdemokraten sind, und da, wo rechts ist, müssen wir nicht so genau hinschauen, weil möglicherweise Christdemokraten dabei sind, ein völlig verquertes und falsches Bild ist.

(Beifall bei der SPD)

Die Innenminister der Länder und des Bundes schauen nicht nach dieser oder jener Kriminalität. Es ist Kriminalität. Es ist eine Entwicklung, die gegen die Menschen gerichtet ist. Da ist es ziemlich gleichgültig, ob sie von Schwarzgelackten kommt, die sich rechts nennen, oder Schwarzgelackten, die sich links nennen. Es ist dann für uns eine Herausforderung, dies insgesamt für die parlamentarische Demokratie und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Nichts anderes ist es.

Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Nun haben wir im Grunde genommen eine neue Situation in unserem Land. Während wir früher sehr genau zuordnen konnten, wie sich die Rechtsradikalen im Land bewegen, sei es bei DVU, sei es bei den Republikanern, stellen wir heute fest, der Fokus liegt auf der NPD. Die NPD ist sehr viel aggressiver geworden in ihrer Ausdrucksweise, in ihrer Darstellung, wie sie sich gibt, wie sie sich auch im Parlament gibt. Man muss nur einmal lesen, was der Herr Pastörs in Mecklenburg-Vorpommern gesagt hat. Wir wissen, was in Sachsen geredet wird, wie klargemacht wird, wir wollen dieses System – so wird gesagt – überwinden. Das heißt nichts anderes als, wir wollen die freiheitlich-demokratische Grundordnung außer Kraft setzen. Damit gilt das, was Thomas Auler, Michael Hüttner und Frau Kohle-Gros gesagt haben, hier geht es um existenzielle Fragen. Diese Partei ist verfassungsfeindlich. Das ist so.

(Beifall der SPD und der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Jetzt gibt es eine spannende Frage, die die Demokraten umtreibt. Es ist nicht so, dass der eine besser ist oder der andere schlechter, weil er sagt, ich bin eigentlich für ein Verbot, weil ich damit die Organisation zerstöre. Der andere sagt, wenn wir ein Verbot aussprechen, wird es eine andere Entwicklung geben, weil dieses rechte Gedankengut nicht durch ein Verbot beseitigt werden wird. Das ist auch so.

Die spannende Frage ist dann für die, die Politik betreiben: Wollen wir nicht doch stärker gegen diese Partei vorgehen als im Parlament, als in der Frage, wir stimmen einfach ab, wir wählen sie nicht, sondern wir wollen auch die Organisationsstruktur zerstören?

Die Innenminister sind grundsätzlich der Meinung, Verfassungsfeindlichkeit ist da. Es gibt eine Meinung querbeet durch die Parteien, die die Innenminister stellen, von dem Verbot bis zu der Frage, wie wir mit der Finanzierung umgehen. Können wir die Finanzierung unterbinden, was auch sehr schwierig ist? Wenn eine Partei nicht verboten ist, bekommt sie auch eine Parteienfinanzierung. Das ist ganz schwierig. Herr Kollege Schünemann aus Niedersachsen hat versucht, das durch ein Gutachten ein bisschen darzustellen. Es ist aber keiner der Innenminister mitgegangen bzw. konnte bisher mitgehen. Wir haben das Ding noch auf der Tagesordnung, um es salopp zu sagen.

Das andere ist, dass wir von den Fünfen gesagt haben, wir brauchen eigentlich nicht die alte Diskussion: Brauchen wir Quellen, die beweisen, dass die NPD verfassungsfeindlich ist, in der NPD? Brauchen wir also jemand aus dem Landesvorstand oder dem Bundesvorstand, der uns da als Vertrauensperson berichtet? Ist es nicht so, dass das, was offen liegt, uns genügt? – Wir waren dieser Meinung. Mittlerweile neigen verschiedene Innenminister, die nicht unbedingt der SPD angehören, auch dieser Meinung zu, egal, wie die Landesregierung dort aufgestellt ist, rot, schwarz oder im Bereich Bayern christlich-liberal. Das verändert sich also.

Diese neue NPD stellt sich auch ganz anders nach außen dar. Sie werden heute kaum noch den schwarzen

Block der Anarchisten von dem schwarzen Block der NPD unterscheiden können. Sie werden in Veranstaltungen – mir ist es auch schon so gegangen – auf einmal sehr gut angezogene junge Leute feststellen, die versuchen, Sie in Diskussionen nach dem Motto zu verwickeln: Es war doch nicht alles schlecht, was unter Adolf Hitler war. – Das wird Ihnen dann erzählt.

Dann versuchen sie eine Diskussion mit demjenigen zu führen, der da möglicherweise ein Diskutant ist. Angezogen sind sie wie Du und ich. Da ist nichts mehr mit Tätowierung, da ist nichts mehr mit kahlem Schädel und sonstigen Dingen. Man versucht, in die Gesellschaft hineinzukommen. Man versucht, durch Freizeitangebote, durch Jugendgruppen, die man infiltriert, hereinzukommen. All das sind Dinge, bei denen wir gesagt haben, diese Organisation wollen wir nicht haben. Wir wollen sie zerschlagen. Deswegen sind wir für dieses NPD-Verbot.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir weiter an dieser Arbeit dranbleiben müssen. Der heutige Antrag ist eine Bestätigung, dass die Landesregierung daran weiterarbeiten soll. Ich denke, es ist wichtig, dass wir das weitermachen.

Ich weiß auch – Frau Kohnle-Gros hat recht –, wir werden das nur schaffen, wenn wir uns gemeinsam in dieser Sache bewegen. Es hat keinen Sinn, wenn ein Land ausbricht oder wenn der Bund sagt, wir tun das nicht. Bisher war es so, dass Schäuble gesagt hat, ich sehe das alles auch so, aber ich bin der Meinung, ein Verbot macht die Sache nicht besser oder nicht leichter. Deswegen war er nicht für ein Verbot. Ich sage das ohne jede kritische Bemerkung oder was auch immer. Wie gesagt, man kann da verschiedener Meinung sein.

Ich bin der Meinung, ein Verbot würde uns zumindest in der Frage der Organisation nach vorne bringen, auch bei den Bürgerinnen und Bürgern klarmachen, wir sagen nicht nur, sie sind verfassungsfeindlich, sondern wir handeln, dass die Verfassungsfeinde der NPD auch nicht mehr agieren können.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Punkt 17 der Tagesordnung. Wird eine Überweisung an den Ausschuss beantragt? – Das ist nicht der Fall. Wir stimmen direkt ab. Wer dem Antrag – Drucksache 15/3613 – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Zurufe von der SPD: Ausschussüberweisung!)

Gut, vielen Dank. Der Antrag wird an den Innenausschuss überwiesen. Ich gehe davon aus, dass das einstimmig ist. – Vielen Dank.

Punkt 18 der Tagesordnung ist mit der Besprechung grundsätzlich erledigt, oder ist hier auch eine Überwei

sung an den Ausschuss beantragt? – Das ist nicht der Fall.