Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

sung an den Ausschuss beantragt? – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe die Punkte 19 und 20 der Tagesordnung auf:

Evaluierung des „Bologna-Prozesses“ – Erfahrungen umsetzen, Kritik aufgreifen Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/3735 –

Zehn-Punkte-Sofortprogramm gegen die Bolognakrise in Rheinland-Pfalz Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/3917 –

Die Fraktionen haben sich auf eine Grundredezeit von je fünf Minuten geeinigt. Ich bitte um Wortmeldungen. – Herr Dr. Krell hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht erst seit dem Sommer registrieren wir seitens der Hochschulen, der Lehrenden und auch der Studierenden Klagen darüber, dass das Bachelor-Studium Probleme bereitet. Aber sie haben sich natürlich durch die Diskussionen deutlich verdichtet, die mit den Streiks verbunden waren.

Stichworte wie „Verschulung des Studiums“ und „Abschied vom Humboldt’schen Gedanken an den Hochschulen“ machen die Runde. Richtig daran ist, dass wieder mehr Spielraum in den Studiengängen geschaffen werden muss.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Klage, dass über die zunehmende und kaum zu bewältigende Stofffülle sowie eine äußerst hohe Prüfungsdichte geklagt wird. Eine Kernidee des europäischen BolognaProzesses erscheint sogar gänzlich verzerrt, nämlich die Idee, in einem einheitlichen europäischen Hochschulraum studieren zu können, also ein Auslandsstudium aufnehmen zu können und die dort erbrachten Leistungen im weiteren Studium in Rechnung stellen zu können.

Aber das Auslandsstudium wurde keineswegs ein selbstverständlicher Bestandteil, im Gegenteil, aufgrund der Studiengänge und wie sie angelegt sind, wurden Auslandsaufenthalte fast grundlegend vereitelt, und die Anerkennung von Studienleistungen funktioniert oft nicht einmal zwischen benachbarten Hochschulen im selben Bundesland.

Die Bewertung der neuen Studiengänge ist zudem auch heterogen und zum Teil gegensätzlich. Die einen bewerten sie als positiv, die anderen lehnen sie schlichtweg ab. Unsere Auffassung ist, man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern es geht jetzt darum, diesen europäischen Bologna-Prozess und die Bachelor-Studiengänge qualitativ weiterzuentwickeln.

Erwartungsgemäß war in diesen Diskussionen dieses beliebte Schwarzer-Peter-Spiel zu beobachten. Ich sage ausdrücklich, die rheinland-pfälzische SPD und die Lan

desregierung haben sich daran nie beteiligt. Wir lehnen das grundsätzlich ab, weil wir der Auffassung sind, dass vor allem im Zusammentun aller Beteiligten Verbesserungen geschaffen werden können. Zudem kann die SPD-Fraktion für sich in Anspruch nehmen, die Proteste des Sommers sehr ernst genommen zu haben und sich konkret mit den Bedingungen an den Hochschulen auseinandergesetzt zu haben, wie unser Antrag, der Ihnen vorliegt, belegt.

Der rheinland-pfälzische Weg, wie ihn die Landesregierung nachdrücklich verfolgt, ist verantwortungsbewusst, geht mit den Beschwerden seriös um und zeigt sehr klare Linien auf, die unter anderem in der Novellierung des Hochschulgesetzes zum Ausdruck kommen werden. Zu unserem Verständnis von Hochschulpolitik gehört insbesondere, dass wir den Weg fortführen wollen, den Hochschulen mehr Autonomie zuzubilligen. Aber unser Weg ist nicht derjenige, in Konfrontation mit den Hochschulen die Weiterentwicklung der rheinland-pfälzischen Hochschul- und Wissenschaftslandschaft fortzuführen, sondern für uns ist es der Weg der engen Kooperation, des intensiven Austauschs und der Zusammenarbeit. Diesen Weg beschreitet die Landesregierung, und sie wird von uns nachdrücklich unterstützt.

Die kritische Diskussion um den Bologna-Prozess haben wir frühzeitig aufgegriffen, als die CDU noch damit beschäftigt war, die Streikenden teilweise zu diffamieren. Ein entscheidender Grund für den Bildungsstreik – das wissen wir alle – besteht darin, Studiengebühren abzulehnen. Da können wir in Rheinland-Pfalz mit Fug und Recht behaupten, dass wir uns gegen Studiengebühren im Erststudium aussprechen.

Des Weiteren unterstreichen die Studierendenstreiks dieses Herbstes, dass sich die Kritik nach wie vor gegen die genannten Aspekte der Ausgestaltung der Bachelor- und Master-Studiengänge und gegen eine als zu starr wahrgenommene Studienstruktur sowie eine als zu hoch empfundene bzw. tendenziell kaum zu bewältigende Arbeitsbelastung richtet.

Ein Teil der genannten Forderungen kann in RheinlandPfalz – das wissen wir alle, meine Damen und Herren – aufgrund der Ausrichtung der Bildungspolitik der Landesregierung als erfüllt betrachtet werden. Die Garantie eines gebührenfreien Erststudiums – ich habe es erwähnt – ist eine grundsätzliche Entscheidung der rheinland-pfälzischen SPD. Bildungspolitik soll nach unserer Auffassung auch Chancengleichheit herstellen helfen, Studiengebühren dagegen stellen den Hochschulzugang vor hohe Hürden. Allgemeine Studiengebühren stehen gleichzeitig einer möglichst hohen Quote von Hochschulabsolventinnen und -absolventen entgegen, somit den zukunftsorientierten Anforderungen an das Wissenschaftssystem.

Eine solide finanzierte Hochschulpolitik wie in Rheinland-Pfalz ist auch ohne die Erhebung von Studiengebühren möglich.

(Beifall bei der SPD)

Aus dieser Haltung, die ich Ihnen vorgetragen habe, resultieren unsere Forderungen, die in unserem Antrag

niedergelegt und Ihnen bekannt sind. Ich muss sie nicht extra aufführen. Erwartungsgemäß hat die Landesregierung nicht abgewartet, bis die vorliegenden Anträge – auch derjenige der CDU – im Plenum diskutiert wurden, sondern sie hat beherzt die Initiative ergriffen. Sie hat nicht irgendwelche Gesprächskreise etabliert, sondern sie hat konkret gehandelt. Soweit ich das überblicke, ist Rheinland-Pfalz das erste Land, das Geld in die Hand nimmt, und zwar 10 Millionen Euro, um die Bedingungen konkret zu verbessern. Das Geld soll die Prüfungs- und Auslandsämter unterstützen sowie für Tutorenprogramme eingesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Weiterhin setzt die Landesregierung gemeinsam mit den Hochschulen ein deutliches Zeichen gegen die kritisierte Prüfungsflut. Module sollen nicht mehr durch Teilprüfungen belastet und nicht mehr miteinander verknüpft werden, damit die Flexibilität innerhalb des Studiums erhöht wird. Weitere Überlegungen befinden sich in der Umsetzung oder werden zeitnah angegangen, wie die Verringerung der Stofffülle oder die Anerkennung von Studienleistungen beim Hochschulwechsel.

Wir können feststellen, dass die rheinland-pfälzische Politik auf dem richtigen Weg ist, die Qualität des Studiums im Sinne der Forderungen der Studierenden zu verbessern. Es ist auch ein gutes Zeichen, dass die Kultusministerkonferenz, die heute in Bonn tagt, diese Themen ebenfalls aufgreift. Wir dürfen dabei feststellen, dass Rheinland-Pfalz hier eine Vorreiterrolle spielt.

(Beifall bei der SPD)

Einen weiteren abschließenden Punkt, den die Landesregierung nachdrücklich verfolgt, unterstützen wir ausdrücklich. Der ist zentral im Streik der Studierenden zum Ausdruck gekommen. Das BAföG muss ausgebaut und gestärkt werden. Hier liegt der richtige Ansatz, die Barrieren für den Zugang zum Studium weiter zu verringern.

Zum Antrag der CDU: Dort sehen wir teilweise unsere Forderungen übernommen. Insofern warten wir die weitere Diskussion im Ausschuss ab. Dort können wir sehen, wo die Differenzen und Übereinstimmungen liegen. Insofern warten wir auf die Diskussion.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Huth-Haage.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben in der Aktuellen Stunde über die Situation an den Hochschulen gesprochen. Gestatten Sie mir bei diesem Punkt der Tagesordnung ein kurzes Zitat des Präsidenten des DHV (Deutscher Hochschulverband): „Mit der Einführung eines gestuften Studiensystems sind die Hoch

schulabschlüsse international nicht vergleichbarer, das Studium nicht besser und die Mobilität (…) deutlich schlechter geworden.“ – So weit Herr Professor Dr. Kempen.

Meine Damen und Herren, eine Reform der Reform ist alternativlos. Die CDU-Fraktion hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit diesem Thema befasst. Wir haben unseren Zehn-Punkte-Plan erarbeitet. Das sind zehn Punkte, die man durchaus auch kontrovers diskutieren kann.

Ich habe das aufgenommen, was der Kollege eben gesagt hat. Wir haben das auch so gesehen, dass der SPD-Antrag einige Punkte enthält, die bei uns so auch zu finden sind. Insofern werden wir im Ausschuss sicherlich zu einer guten Diskussion kommen.

Insgesamt möchte ich zu Ihrem Antrag aber doch sagen: Wir hätten uns da ein bisschen mehr erwartet. Sie hätten ein bisschen mehr machen können. Sie loben natürlich die Landesregierung über alle Maßen, aber ansonsten wird viel Verantwortung an die Hochschulen delegiert. Ich meine ganz ehrlich, da hätte man von Ihrer Seite aus ein bisschen mehr machen können. Diese Aussprache vertagen wir aber auf den Ausschuss.

Meine Damen und Herren, ein ganz großer Punkt ist der internationale Austausch. In den vergangenen Wochen hat mich wirklich ein Gespräch mit einer Romanistikstudentin bewegt, die gesagt hat, sie würde so gerne ein Semester nach Frankreich gehen. Das sei aber nicht möglich, weil sie sich das nicht erlauben könne. Auch das Dijon-Büro in Mainz kann auf Nachfrage lange Klage darüber führen, wie schwer der internationale Austausch, die Kooperation geworden sind. Das hätte gerade bei uns in Rheinland-Pfalz nicht passieren dürfen. Wir haben eine langjährige Partnerschaft mit einer ganzen Region, mit Burgund, die von Peter Altmeier gegründet wurde. Es ist traurig, dass das bei uns selbst mit Burgund, mit Dijon so gekommen ist.

Meine Damen und Herren, durch die Gliederung des Studiums in vorgegebene Module hat auch die Arbeitsbelastung – das ist schon mehrfach gesagt worden – enorm zugenommen. Andere Aktivitäten wie ehrenamtliches Engagement, politisches Engagement und Nebenjobs sind natürlich sehr, sehr schwierig geworden Die Rahmenbedingungen – das habe ich auch in der Aktuellen Stunde angesprochen – sind nicht an die neuen Studienstrukturen angepasst worden. Das ist ein großes Versäumnis. Gleichzeitig wurden auch die Systeme der Studienunterstützung nicht oder kaum ausgebaut.

An dieser Stelle möchten wir konkret mit unserem Antrag ansetzen. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Frau Ministerin Schavan das BAföG ausweiten will. Wir sagen, das ist wichtig. Wir haben uns darüber gefreut, dass im Ausschuss signalisiert wurde, dass das auch die Landesregierung mitträgt. Meine Damen und Herren, das ist wichtig, aber wir brauchen auch flankierend Stipendiensysteme; denn es gibt eben verschiedene Lebenssituationen, die nicht allein mit BAföG abgedeckt werden können. Wir brauchen daher unterstützende Systeme.

Den erhobenen Vorwurf der sozialen Selektion weise ich zurück. Ich sage, auch Kinder, Studierende aus Migrantenfamilien und Studierende aus sozial schwachen Familien können hervorragende Leistungen bringen. Ich bitte Sie, das Menschenbild, das Sie haben, noch einmal zu überdenken. So kann man nicht argumentieren.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass wir in Rheinland-Pfalz in Bezug auf Stipendien einen Nachholbedarf haben. Ich warte noch auf die Antwort auf eine Anfrage. Wir würden gerne wissen, wie viele Studierende in der rheinland-pfälzischen Stipendienstiftung sind. Auf diese Antwort warten wir noch. Es sind aber sehr, sehr wenige. Insofern haben wir an dieser Stelle noch einen Nachholbedarf.

(Pörksen, SPD: Sie warten auf das Ergebnis, aber Sie wissen es schon! – Hartloff, SPD: Warum fragen Sie dann?)

Wir wissen, es sind sehr wenige.

Meine Damen und Herren, uns ist unterstellt worden, wir wollen das BAföG zugunsten von Stipendiensystemen abschaffen. Das ist eine Unterstellung. Das ist überhaupt nicht wahr. Wir sagen, wir brauchen die Ausweitung des BAföG, und wir brauchen flankierende Stipendiensysteme.

(Beifall der CDU)

In Gesprächen ist uns immer wieder gesagt worden, ein großes Problem sei, dass sich keiner so recht für die Probleme im Zusammenhang mit der Bologna-Reform verantwortlich fühlt. Es wurde gesagt, es finde ein Hin- und Herschieben der Kompetenzen vom Ministerium zu den Hochschulen statt und die KMK sei involviert.

(Hartloff, SPD: Das hat mir bislang keiner gesagt!)

Man sagt, das sei ein System der kollektiven Verantwortungslosigkeit. Ich meine, in unserem Antrag ist es ein sehr guter und innovativer Punkt, dass wir sagen, wir brauchen eine Clearingstelle, die sich dieser Dinge annimmt; wir brauchen eine feste Anlaufstelle. Frau Ministerin Ahnen hat eben im Zusammenhang mit der Pflege von einem Kümmerer gesprochen. In diese Richtung geht auch unser Vorschlag.

(Pörksen, SPD: Kümmert Euch um Euch selbst!)

Ich meine, ein solcher Kümmerer für die Probleme bei der Bologna-Umsetzung könnte sehr hilfreich sein.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ein anderer wichtiger Punkt in unserem Antrag ist, dass wir Teilzeitstudien ermöglichen möchten. Es muss möglich sein, mit Kindern zu studieren. Das ist sehr, sehr schwierig geworden. Wir müssen an die Kapazitätsverordnung herangehen, die überholt ist. Sie stammt von 1975. Da hatten wir ganz andere Studierendenzahlen.

Unser Punkt 10 deckt sich mit einer Forderung des Hochschulverbandes.